Montag, der 12. Oktober 1970

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Der Vorstand der Wolfsegg Traunthaler Kohlengesellschaft kam
um die Wünsche zum Bergbauförderungsgesetz anzumelden. Nach seiner
Meinung ist die finanzielle Situation des Unternehmens zwar gut, aber
sie haben Liquidationskosten für 4 Bergbaubetriebe, die sie geschlos-
sen haben, insgesamt hatten sie sieben, derzeit sind noch drei aktiv
tätig. Ihr Vorschlag geht nun dahin, dass man ihnen nicht nur eine
grundsätzliche Anerkennung von Bergbauförderungsgeldern zuspricht,
sondern ihnen doch einen grösseren Betrag von etlichen Millionen
zuerkennt. Derzeit haben sie nur 1 Mio S bekommen. Bei dieser Gele-
genheit teilte man mir mit, dass sie einen Ersatzbetrieb in Apfelwang
einrichten wollen, der speziell hergestellte Platten aus Holz erzeugen
könnte, die ganz neue Eigenschaften haben. So sollen sie in Bade-
zimmern und Nasstechnik verwendet werden könnten, ohne dass sie sich,
wie das bei den Spanplatten derzeit der Fall ist, bei Feuchtigkeit abhe-
ben. Zur grössten Verwunderung teilten sie mir mit, dass man im ERP-
-Büro gesagt hätte, dass derzeit eine Unterstützung der Kohle auf diesem
Sektor nicht notwendig sei, da jedwede Menge abgesetzt werden kann.
Ich hatte mich sofort mit Kienzl in Verbindung gesetzt und darauf
hingewiesen, dass ich eine solche Stellungnahme für vollkommen falsch-
halte, auch bei gutgehenden Kohlenbetrieben muss man zeitgerecht
schauen, dass andere Arbeitsplätze geschfaffen werden. Die Umstellung
der Bergbaubetriebe auf andere Produktionen ist mit aller Gewalt und
allen Mitteln vorwärtszutreiben.

Der Fachverband der Bekleidungsindustrie hatte im Messepalast seine
Wiener Mode-Ausstellung bereits Sonntag eröffnet und die offizielle
Eröffnung fand immer am Montag statt. Ich musste diese Eröffnung
vornehmen und konnte bei dieser Gelegenheit erstens feststellen,
dass heuer die Umsätze bereits am Sonntag um 15 % nach Mitteilung
des Komm.Rat Elias, dem Leiter dieser Messe, zugenommen hatte. Ich
erntete grossen Beifall, als ich ihnen mitteilte, dass Kirchschläger
in Amerika sich endlich mit unserer Idee durchgesetzt hat,dass Öster-
reich nicht diskriminiert werden kann bei der Einfuhr von Textilien.
und Schuhen nach Amerika. Da ich bei der Modeschau am Abend nicht
anwesend sein konnte, entschuldigte ich mich ganz offiziell und
kündigte an, dass meine Frau, die ja wesentlich mehr von der Mode
versteht, an dieser Modeschau teilnehmen wird. Der Durchgang wurde


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von mir sehr hastig gemacht, da ich bereits um 11 Uhr eine andere
Verpflichtung hatte. Bürgermeister Marek kam deshalb zu mir und sagte,
ich müsste unbedingt bei einzelnen Firmen insbesondere bei den
Nicht-Wiener-Firmen stehen bleiben und mit ihnen einige Worte wechseln,
er war wirklich sehr aufmerksam zu mir, denn ich halte es auch für
unmöglich, dass ich in einem derartigen Schnellzugstempo durch eine
Messe durchrase. Das nächste Mal muss ich in der Zeiteinteilung un-
bedingt mehr Platz dafür reservieren. Um 11 Uhr aber musste ich be-
reits im Palais Liechtenstein die Staatspreise für schöne Formen über-
geben. Dort war wieder die Jury erst knapp vorher mit der Auswahl fertig
geworden und es war mehr als fraglich, ob überhaupt die entsprechenden
Formen zeitgerecht der Jury vorgelegt werden konnten. Koppe hatte für
beide Ausstellungen eine entsprechende Rededisposition, d.h. eine
wortwörtliche Rede mir vorgelegt. Ich konnte sie im Auto durchlesen
teilweise habe ich natürlich wieder frei gesprochen und ich glaube,
diese Kombination ist auch nicht richtig. Nachdem ich mit dem Min.Rat
Wohlgemuth und seiner Sekretärin ins Haus zurückgefahren bin, wurde mir
indirekt mitgeteilt, nachdem ich fragte, wo sie eigentlich zu Hause
sind, dass ich ihre Abteilung noch gar nicht besichtigt hatte. Ich ging
deshalb durch die Zimmer, ich glaube, dass ich jetzt wirklich die
letzten Stellen des Hauses auch besuchen muss, denn ansonsten wird man
mir vorwerfen, dass ich nur vereinzelt und nach unerklärlichen
Gesichtspunkten einzelne Abteilungen besichtige und andere nicht.

Eine Besprechung mit Sallinger und Mussil über die morgige Regierungs-
sitzung kam nicht zustande, da Mussil wieder in den Ländern weilt und
noch nicht im Büro gewesen ist. Sallinger selbst versicherte mir, wir
müssten uns einmal zusammensetzen, um eine Aussprache zu haben, aber
derzeit könnte er durch die ungeheure Arbeitsüberlastung keinen
Termin freimachen. Dies stört mich an und für sich nicht, denn letzten
Endes brauche ich ja nur den Hinweis, dass ich ja sowieso versucht hätte
vor jeder Ministerratssitzung mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Dr. Feichtenberger vom Wirtschaftsverlag wollte über den Fremdenverkehr
die Arbeitszeitverkürzung resp. das Personalproblem eine Interview. Bei
dieser Gelegenheit konnten sowohl Koppe als auch ich ihm sagen, dass
wir die letzte Berichterstattung als sehr unfair empfunden hatten. Er
hat ausser dem Interview sofort sein Kommentar zu jeder einzelnen Frage


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dazugemischt, sodass der Leser nicht genau unterscheiden konnte,
was meine Auffassung gewesen und die der Zeitung. Ich hoffe, wir haben
ihn davon überzeugt, dass eine seriöse Zeitung am Ende oder am Anfang
ein Kommentar entsprechend dazu schreibt, aber doch das Interview oder
die Stellungnahme oder die Nachricht des Betreffenden eindeutig als solche
kennzeichnet und womöglich wortwörtlich wiedergibt.

Eine neue Kollegin vom Rundfunk war todunglücklich, dass sie jetzt ein
Interview mit mir machen musste, denn wie sie sagte, sei ich der erste
Prominente, den sie zu interviewen hätte. Ich versuchte ihr, auf Grund
meiner Erfahrung zu sagen, dass auch Minister nur Menschen sind. Als
Vergleich erzählte ich ihr, dass ich in meiner Jugend bereits im Ge-
fängnis gesessen bin und dort entsprechende hohe Minister oder Ministerial-
beamte kennengelernt habe, und wenn man sie nackt oder im Nachthemd vor s
sich sieht, aller ihrer Würden entkleidet, dann sind sie auch nur
Menschen so wie sie und ich.

Die Brennstoffversorgung für den Winter in aller Öffentlichkeit zu
diskutieren und Informationen an die beteiligten Stellen weiterzugeben,
hatte ich neuerdings veranlasst, dass die Oberste Bergbehörde eine
Enquete, wie wir sie vor einige Monaten geführt hatten, einberuft.
Zu meiner grössten Verwunderung waren diesmal bedeutend weniger anwesend,
ich schliesse daraus, dass die Versorgungslage sich doch verbessert hat
und man nicht mehr so interessiert ist, mit dem Minister über die Brenn-
stoffsituation zu disktutieren. Andererseits glaube ich auch, dass sich
jetzt in der OB nicht bei dem Sektionsleiter sondern bei MR Mayer und SR
Sterk, die bei dieser Sitzung ganz kurz berichteten, mein Arbeitsstil
sich schön langsam durchsetzt.

Die Ministerratsvorbesgrechung musste Häuser abwickeln, da Kreisky zu
einer Kieferoperation in München weilt. Ich hatte von dieser Sache
nichts gewusst, sicher ist es auch gar nicht notwendig, jeden Einzelnen
darüber zu informieren, war aber überrascht, dass auch viele andere
davon keine Ahnung hatten. Die Vorbereitung des Nationalrates stiessen
lt. Mitteilung von Pittermann auf grössere Schwierigkeiten. Die ÖVP und
die FPÖ beharrt darauf, dass die Abgeordneten, die wiedergewählt wurden,
neu angelobt werden und auch der erste und dritte Präsident neu gewählt
werden müssen. Die FPÖ wird zwar angeblich für den dritten Präsidenten

Zeilinger nominieren, aber die ÖVP hat bereits zugesichert, dass sie
Probst wieder wählen wird. Der erste Präsident Waldbrunner steht ausser -
jeder Diskussion.



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Bei der Tagesordnung des Ministerrates wollte Veselsky den Punkt
über die Verlängerung und Neuordnung des § 3 a des Preisregelungs-
gesetzes ändern. Seiner Meinung nach müsste eine bessere Formulierung
gefunden werden, welche auch die Arbeiterkammer angeregt hatte. Ich
stellte mich ganz entschieden gegen ein solches Vorgehen, denn dies
müsste dazu führen, dass wir die ganze Diskussion über die Zweckmässig-
keit des § 3 a aufrollen und in Wirklichkeit gar nichts anderes wollen als
dass statt alle vier Interessensvertretungen gemeinsam bereits eine Inter-
essenvertretung einen diesbezüglichen Antrag an das Innenministerium
stellen könnte. Meine Auffassung fand die Zustimmung aller damit beteilig-
ten Genossen. Die Frage des Lastverteilergesetzes wurde ebenfalls
diskutiert, da Frühbauer einen Antrag gestellt hat auf Vorschlag der-
Energieleute, dieses Gesetz um 5 Jahre zu verlängern. Dagegen sprach
sich der Verfassungsdienst aus. Nach Auffassung Löbensteins müsste
ein solcher Gesetzentwurf erst in die Begutachtung gehen, denn die
ursprüngliche Absicht war, den Gesetzentwurf nur auf ein Jahr zu ver-
ländern. Ich selbst schloss mich der Meinung Löbensteins aus anderen
Gründen an. ich glaube, dass eine Verlängerung aller Gesetze um ein
Jahr zweckmässig erscheint, Um die notwendigen Beratungen fortzuführen
und insbesondere die Kompetenzfrage zu klären. Veselsky wünschte dann
für Kreisky die Ressortschwerpunkte in den nächsten Monaten. Diese will
Kreisky in der ersten Lesung des Finanzgesetzes als Regierungschef ver-
künden. Darüber hinaus sollten noch die entsprechenden Schwerpunkte
Kreisky mitgeteilt werden. Marsch will dann diese Gliederung auch den
einzelnen Ländergenossen übermitteln. Häuser wehrte sich gegen dieses
Übermass an Anfragen und meinte, es müsste im BKA oder zwischen Kreisky
Veselsky und der Partei besser koordiniert, werden, dass dieses Material
automatisch den einzelnen Ländern zugemittelt wird. Immer wieder neuer-
liche Aufstellungen erschweren die Arbeit jedes einzelnen Ministers und
führen letzten Endes zu keinem anderen Erfolg, als dass man das bereits
Mitgeteilte eben einer anderen Stelle neuerlich übermittelt.

Ich musste die Ministerratsvorbesprechung früheztig verlassen, da das
Verbraucherparlament in der Arbeiterkammer mich zu einem Vortrag ein-
geladen hatte. Ich konnte auf der Hinfahrt mit Staatsekretär Wondrack
über das Problem des Lebensmittelgesetzes reden. Ich erklärte ihr
insbesondere, dass eine Kompetenzabgrenzung klar und deutlich sein
müsste. Da die Kennzeichnung von Waren im Handelsministerium auf Grund

des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes ressortiert, könne ich auf eine Ab-
tretung dieser Kompetenz nicht verzichten. Ich erhoffe, dass Trude dies
auch einsieht und ersuchte sie, mit Koppe diesbezüglich Detailverhand-


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lungen noch zu führen, was sie mir versprach. Ihre Argumentation ist
nur, dass sie in der ÖVP-Alleinregierung Rehor immer sehr hart ange-
griffen hat, dass sie ihre Kompetenz nicht ausweitet, ja sogar 1966
einen Teil ihrer Kompetenz an Mitterer abgetreten hat und deshalb nur
sehr schwer von diesem Standpunkt zurückweichen könnte. Mein Hinweis,
dass Koppe eventuell die Idee hat, dass man nicht nur ein Lebensmittel-
gesetz, sondern überhaupt ein Gesundheitsschutzgesetz schaffen sollte,
hat sie deshalb noch nicht positiv aufgenommen, weil sie glaubt, dass
dafür keine Kompetenz beim Sozialministerium vorhanden ist. Im Ver-
braucherparlament hielt ich nicht nur einen Vortrag, sondern verlangte
auch anschliessend daran, sofort eine Diskussion. Bei dieser konnte ich
feststellen, dass wir wirklich noch sehr viel Erziehungsarbeit zu leisten
haben, andererseits aber ist es zweifelsohne so, dass die ÖVP erst jetzt
den Konsumenten zu entdecken beginnt, während wir bereits festgefügte
Organisationsformen und eine jahrelange, ja jetzt schon jahrzehntelange
Tradition der Konsumentenpolitik besitzen.

Die Partei in St.Pölten hatte eine Informationsversammlung einberufen
und ich hatte dort auch Gelegenheit, mit den Genossinnen und Genossen
zu diskutieren. Auch dort hat man scheinbar nur vorgesehen, dass man
das Referat des Ministers anhört und dann befriedigt oder unbefriedigt
nach Hause geht. Erst ich drängte darauf, dass unbedingt eine Diskussion
stattfinden müsste, damit wir Gelegenheit haben, von den Vertrauensper-
sonen kritisiert zu werden und andererseits aber auch zu Fragen Stellung
nehmen können, die vielleicht im Referat nicht behandelt wurden.

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Tagesprogramm, 12.10.1970


GND ID: 119100339


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ehem. Sozialministerin, ÖVP


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 118761595


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Sts. Sozialministerium bis 1971
        GND ID: 12929456X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Sekretariat Androsch, Investitionskredit AG; Falschschreibung?


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vors. Fachverb. Bekleidungsind.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                    GND ID: 12053536X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM


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                        Tätigkeit: OB


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                          Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                          Einträge mit Erwähnung:
                            GND ID: 136157653


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                Tätigkeit: Bundeskanzler
                                GND ID: 118566512


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                                  GND ID: 114650888


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                                    GND ID: 12254711X


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                                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                      GND ID: 118723189


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                                        Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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