Wir frühstückten bereits um 6 Uhr früh europäische Zeit und suchten
dann Hofstetter im Hotel Sofia und fuhren in die Stadt. Da wir
zu Fuss gehen wollten, fuhr Hofstetter da er noch eine Betriebs-
besichtigung hatte, ins Hotel zurück und wir zum großen Entsetzen
des Chauffeurs erklärten, dass wir zu Fuss gehen wollten. Wir hatten
dadurch Gelegenheit, Sofia am Morgen kennen zu lernen. Eine Stadt
kann man nur zu Fuss kennen lernen. Die Marktversorgung war verhält-
nismässig sehr gut, mit Gemüse und Obst zweifelsohne vielleicht so
wie die Wiener Marktversorgung, allerdings nur auf heimische Produkte
beschränkt. Wir konnten sogar feststellen, dass Fleisch reichlich vor-
handen war und eigentlich niemand Schlange stand. die Preise sind aller-
dings im Verhältnis zu den Einkommen verhältnismässig hoch und ich
glaube das liegt vor allem darin, dass noch immer die Lewa auch im
Inlandswert stark überhöht gerechnet wird. Aussenwert hat sie sogar
12 oder 13 S Verrechnungskurs , in Wirklichkeit bekommt man sie bei
uns im freien Kurs um 7.- S. Das Arbeitsgespräch im Handelsmini-
sterium dauerte ca. 2 Stunden und brachte folgendes Ergebnis,
Es wurde von den einzelnen Arbeitsgruppen berichtet und die Berichte
nehmen sich sehr positiv aus. In Wirklichkeit hatte ich den Eindruck,
dass es sich hier um nichts anderes handelt, als eben eine neue
Kommission, und noch eine Kommission und noch eine Arbeitsgruppe
usw, zu schaffen, obwohl konkrete Ergebnisse dabei kaum heraussehen.
Bulgarien wollte ausser der Multilateralisierung und der Meistbe-
günstigungsklausel, die sie bei dieser Vertragsverhandlung erreicht
hatten, bereits eine konkrete Zusage über ein Handels- und Schiffahrts-
übereinkommen. Ich erwiderte, dass wir in dem Fall einen Vorschlag
von ihnen erwarten, der wohlwollend geprüft wird und ich war über-
zeugt, dass wir auch zu einem Akkord in dieser Frage kommen würden.
In der Schlußansprache sagte der Aussenhandelsminister Avramov, dass
er schon einmal in Wien war und auf meinen Hinweis, ob ich ihn bald
begrüssen könnte, erwiderte er, ja wenn es zu einem positiveren Er-
gebnis käme. Aus dieser Bemerkung konnte ich entnehmen, dass auch er
mit der bisherigen Entwicklung nicht zufrieden war. Ich ersuchte an-
schliessend die gesamte Delegation in die österreichische Botschaft
zu kommen, die sehr in der Nähe gelegen war und wir gingen alle zu Fuss.
In der Botschaft hatte ich dann Gelegenheit, eine Manöverkritik
wie ich sie bezeichnete, abzuhalten. Ich erklärte gleich, dass ich
die Arbeit, die hier geleistet wurde von den Damen und Herren gar
nicht unterschätzen wollte, aber dass ich doch in dieser Art der
Verhandlungen kaum eine wirkliche Ausdehnung des Handelsverkehrs sehe.
Anstelle der vielen Kommission und Arbeitsgruppen ist es nach meiner
Meinung nach notwendig, die einzelnen Firmen zu wirklichen Kooperatio-
nen zu gewinnen und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass es
so wie mit Russland, der DDR und letzten Endes auch mit Rumänien,
auch mit Bulgarien möglich sein müsste, konkretere Projekte zu be-
sprechen. Insbesondere müsste meiner Meinung nach mit der Österr.
Kontrollbank versucht werden, einen gebundenen Finanzkredit für
Bulgarien sicherzustellen. Es meldeten sich fast alle Teilnehmer zu
Wort und erklärten mir, dass sie meine Meinung teilten und ich bin
sogar überzeugt, das sagten sie nicht nur allein um dem Minister
recht zu geben. Allerdings machten sie mich darauf aufmerksam, dass
es insbesondere die Bulgaren sind, die neue Kommission und immer wieder
Besprechungen wünschten, weil sie dies für den Nachweis ihrer Tätigkeit,
aber auch um hier wirklich die bulgarischen Stellen dann einigermassen
voranzutreiben, brauchen.
Beim Mittagessen war nur ein ganz geringer Teil der Delegation einge-
laden und ich fragte deshalb den Botschafter, warum er so wenige
und welche Klassifikation er bei den österr. Delegationsteilnehmern
vorgenommen hatte. Er erklärte mir, dass seine Residenz nicht gross genug
sei und deshalb er weniger Österreichischer und dafür mehr Bulgaren ein-
geladen hatte. Fälbl teilte mir allerdings mit, dass er bereits einen
Auftritt mit ihm gehabt hat, weil z.B. auch die Delegation zu einem
Essen eingeladen hat, klagte die Sekretärin und Schreibkraft Frau
Adler nicht einladen wollten, weil er angeblich keinen Platz hat.
Fälbl hätte darauf erklärt, dann würde Adler kommen aber er nicht.
Das Essen war nach Auffassung von Fälbl sehr mies und hatte nur den
Zweck, recht viel Geld aus dem Pauschale von 250.- S pro Teilnehmer,
die dem Botschafter verrechnungsmässig zustehen, zu ersparen.
Nachmittags war ein Höflichkeitsbesuch beim Aussenminister Bulgariens
vorgesehen. Ich benützte diese Gelegenheit, um aber doch auf die Ak-
tivität der österreichischen Bundesregierung im Interesse des euro-
päischen Friedens trotz ihres Neutralitätsstatus hinzuweisen. Ich
verwies auf das Bestreben Österreichs auf einen Sitz im Sicherheitsrat
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zu erlangen und zweitens auf die Vorschläge für die Abhaltung einer
europäischen Sicherheitskonferenz. Der bulgarische Aussenminister stimm-
te mit mir überein und bestätigte, dass Österreich trotzdem es neutral
ist ja vielleicht gerade weil es neutral ist, hier eine sehr gute
Arbeit leistet und eine Funktion anstrebt, die ebenfalls von Bulgarien
unterstützt wird. Er hatte auch Verständnis dass der österreichische
Vorschlag weder die Ostländer noch die Westländer 100 %-ig befriedigen
konnte, nach seiner Auffassung müsste man eben an die Tagesordnung so heran-
gehen, dass nicht jeder seien Wunsch darauf setzt, sondern dass eben nur
Punkte aufgenommen werden, von denen man annehmen kann, dass sie zu einem
positiven Abschluss kommen würden. Wenn jede Gruppe ihre Propagandapunkte
die zwar alle begründet sind, auf die Tagesordnung setzt, dann müsste
eine solche Konferenzfolge, denn auch er ist der Meinung, es könnte
keinesfalls mit einer Konferenz getan sein, scheitern. Bezüglich der
Abrüstung erwiderte er nur, dass es seiner Meinung nach ganz unmöglich
ist, hier einseitig von Russland zu verlangen oder von den Warschaupakt.
Staaten, dass sie eine grössere Truppenverschiebung sagen wir nach
Asien vornehmen, es würde seiner Auffassung nach die an und für sich
schon so schwierigen Verhältnisse mit China neuerdings verschlechtern.
Ausserdem wies er darauf hin, dass z.B. in Bulgarien keine fremden
Truppen stehen, während in der Türkei und in Italien und die 6. amerk.
Flotte vor allem einmal im Mittelmeer stationiert ist. Bulgarien fühlt
sich dadurch sehr bedrängt und gefährdet und seiner Meinung nach müsste
eine Lösung angestrebt werden, von der er allerdings noch nicht sagen
kann, wie sie aussehen soll. Vielleicht meinte er, hätte Österreich
hier noch einen ganz bestimmten Vorschlag, den er allerdings noch nicht
kennt. Der Botschafter bemühte sich hier wirklich über die Runden zu
kommen, indem er darauf hinwies, dass halt alle Probleme einmal ange-
gangen werden müssen und es auf diplomatische Art, wie er sich ausdrückte,
eben eingeleitet werden sollten. Hier trug er seinem Namen Rechnung,
er heisst Kriegl-Redlich, d.h. er bemühte sich wirklich redlich auf
diplomatische Art im Detail zu sagen, veilleicht weiss er sie aber auch
nicht, dem Gespräch einen positiven Abschluss zu geben.
Weniger redlich war er nach Auffassung von Fälbl aber auch Heindl betref-
fend der Einladungen. Die Unterzeichnung am Abend war eigentlich ver-
hältnismässig formlos und es hatten sich ja einige Kollegen bereits ent-
schuldigt, da sie mit dem letzten Flugzeug, das vor Wochenende nach
Wien abflug die Heimreise angetreten haben. In einer anschliessenden
Pressekonferenz vor der gesamten bulgarischen Wirtschaftspresse, aber auch
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ausländische Pressekorrespondenten waren anwesend, wurde ich über
den Vertrag gefragt. Zum Glück hatte ich mir während der Arbeitssitzung
entsprechende Aufzeichnungen gemacht, ich rechnete ja damit, dass bei
der Pressekonferenz vielleicht Detailfragen gestellt werden würden,
sodass ich glaube ich ganz befriedigende Antworten geben konnte. Auf
die Frage wegen des Fremdenverkehrs, der nach Auffassung der Bulgaren
wesentlich verstärkt werden könnte, musste ich darauf hinweisen, dass
wir zwar selbstverständlich einen solchen begrüssen, dass allerdings
die Bulgaren hier in harter Konkurrenz mit Rumänien, Italien, Jugoslawien
und sogar Frankreich stehen. In Frage kommt ja nur die Schwarzmeerküste
und gerade auf diesem Sektor sind diese Staaten sehr aktiv. Die Bulgaren
bieten zwar in der Nachsaison einmalige Konzessionen, aber in der Haupt-
saison ist die Verpflegungsfrage nicht sehr glücklich gelöst.
Da der Aussenhandelsstellenleiter in Bulgarien doch nicht den nächsten
Tag mit uns nach Warna flog hatten wir nicht bei uns in der Residenz
das Abendessen sondern fuhren auf den Aussichtsberg Witoscha in der
Nähe Sofias. Penkow hatte seine Braut auch zu diesem Essen geladen.
Sie ist eine Favoritnerin und von den Eltern der ehemaligen Sozialdemo-
kraten Fischer, wonach auch der Gemeindebau im 10. Bezirk benannt ist.
Penkow erklärte mir sofort, dass sie nicht mit dem Ernst Fischer ver-
wandt sei. Ich glaube, er sagte dies, weil Fischer derzeit in der KP
als persona non grata gilt. Bezüglich der unbefriedigenden Entwicklung
des Handelsverkehrs und insbesondere auch der negativen Zahlungsbilanz
kam ich mit ihm überein, dass nur mit Kooperationen dieses Problem
verbessert werden könnte. Die traditionellen Handelsgüter wie Futter-
mittel und Schweine werden wir in Zukunft kaum mehr abnehmen. Wenn die
Bulgaren aber Kooperationsverträge in grösserer Zahl abschschliessen
wollen, dann müssen sie mit den österreichischen Firmen zu einem Arrange-
ment kommen, notwendig ist vor allem aber auch, dass sie zuerst mit
der Österreichischen Kontrollbank einen gebundenen Finanzkredit vereinbaren
dies ist nach unserer Auffassung die Voraussetzung von ihrer Stelle wären
dafür die Aussenhandelsbank zuständig. Benkoff teilte diese Meinung und
sagte, er würde die entsprechenden Schritte veranlasssen. Er entschuldigte
sich auch, dass er am nächsten Tag nicht nach Varna mitfliegen könnte,
aber er müsse in der Regierung ein entsprechendes Referat halten.
Uns ist eine solche Regierungsform vollkommen undenkbar. Scheinbar aber
wird in Bulgarien so wie in vielen Oststaaten auch verhältnismässig für uns
unsere Auffassung unbedeutende Probleme bis in die höchsten Regierungs-
stellen, ja sogar bis in den Ministerrat vorgebracht und dort entschieden.
Während des Tages besichtigten wir eine Ikonenausstellung und
fuhren auch zum Kloster Bogota , wo aus dem 12. und 13. Jahrhundert
noch einige Fresken in einem kleinen Raum erhalten sind. Mir fiel
gleich beim Betreten dieses kleinen Raumes auf, dass ähnlich wie
das in Italien manchmal der Fall ist in der Renaissancezeit eine
Ausmalung aber nur wesentlich primitiver erfolgt ist. Zu meiner
grössten Verwunderung erklärte dann ein junges Mädchen, das die
Führung dort hatte, dass sie hier zum ersten Mal darstellen kann,
dass der unbekannte Maler eine Ausmalung in einer Art und Weise
vorgenommen hat, wie sie Giotto in Padua vorgenommen hat. Da
Giotto aber erst um diese Zeit geboren wurde, der Maler aber bereits
dieses Kloster ausmalte, ist dies die Geburtsstunde des Rennaissance
in Bulgarien. Ich gab zwar zu, dass es gewisse Ähnlichkeiten mit der
Komposition gäbe, dass aber erstens das Kloster eine Grösse von ca.
b2 m mal 4 m hatte und dass zweitens die Darstellung wesentlich primitiver
sei. Die Führerin dort war sicher noch nie in Padua und hat Giotto
gesehen und ich bin auch nicht überzeugt, ob sie wirklich schon sehr
gute Reproduktionen gesehen hat. Ich glaube allerdings, selbst wenn
sie in Padua gewesen wäre, würde sie dennoch immer glauben, dass die
Renaissance in Bulgarien geboren wurde.