Mittwoch, der 30. September 1970

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Bei der Besprechung mit den Handelskammerdelegierten von Italien
lernte ich den Handelsdelegierten Dr. Metzel aus Mailand kennen
und ersuchte ihn, mich in meinem Ministerium zu besuchen, Dies
tat er nun und wir hatten eine Aussprache, wo er mir insbesondere
mitteilte, es wäre für ihn und den Handel sehr günstig, wenn ich
zur Mailänder Messe kommen würde. Ich ersuchte ihn, er möge mit
dem Botschafter in Rom dieses Problem besprechen und gegebenenfalls
würden wir den italienischen Aussenhandelsminister nach Wien einladen,
wenn ich zur Mailänder Messe kommen würde. Da er einen Sprechtag
morgen hat, ersuchte ich ihn, am Abend mich anzurufen.

Während der Diskussion im AEZ am spätenAbend kam Dr. Heindl ganz
aufgeregt am Ende dieser Diskussion und erzählte mir, dass er erfah-
ren hatte, dass Dr. Metzel wegen dieser Vorgangsweise in der Bundes-
kammer die härteste Kritik bekommen hat, angeblich hat ihm Dr. Mussil
sogar mit der Entlassung gedroht und er,der vier Kinder hat, war über
dieses Vorgehen furchtbar erschüttert. Ich nützte sofort die Gelegenh-
eit, um bei Mussil dieses Problem ganz anders dazustellen. Ich ver-
sicherte Mussil, dass ich mich nicht auskenne, wie ich am besten mit
den Handelsdelegierten in Kontakt komme, da ich z.B. über die Aus-
sprache zwischen den italienischen Handelskammervertretern und
den österreichischen überhaupt erst über die italienischen Handels-
kammerleute erfahren hatte. Ich stelle auch so dar, dass ich es
gewesen war, der von den italienischen Handelskammerleuten aufge-
fordert wurde, besseren Kontakt – darunter verstand ich halt auch
den Messe-Besuch – wünschenswert erscheinen zu lassen. Ich ersuchte
Mussil, er sollte mir doch mitteilen, wie am zweckmässigsten dieser
Kontakt herzustellen sei, damit hier nicht eventuelle Misstimmigkeiten
zwischen den Handelsdelegierten, die ja gar nichts machen können
und auch nichts machen wollten, und mir und der Bundeskammer entstehen
würde. Mussil sagte, er würde vorschlagen, dass alle Bestrebungen,
die vom Ministerium ausgehen sollten, über ihn an die Handelsdelegier-
ten herangetragen werden und bezüglich der Teilnahme an Ausstellungen
oder Messen oder irgendwelchen sonstigen Aktivitäten würde er sehr
gerne so wie bisher handhaben. Danach hat der Minister bei


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Österreich-Fragen oder bei Eröffnung eines besonderen Pavillons
oder bei sonstigen Anlässen über Einladung der Bundeskammer ebenfalls
an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Da ich mir vonAuslandsreisen
überhaupt nicht viel verspreche, ausserdem in Wirklichenkeit nur
ein Zeitverlust ist, akzeptierte ich diese Vorgangsweise,um insbesonde-
re auch dem Handelsdelegierten von Mailand nicht zu schädigen. Meine
Leute, die von dieser Vorgangsweise erfahren hatten, waren erschüt-
tert und sagte, dass doch sich wieder herausgestellt hat, wie der
nackte Terror auf der anderen Seite herrscht. Ich persönlich glaube
allerdings, dass die Bundeskammerleitung viel mehr eine grosse Angst
hat, dass sie ihren Apparat nicht mehr in der Hand halten kann
wenn es gelingt, einzelne Gruppe, z.B. die Handelsdelegierten, oder
die Fachreferenten oder die einzelnen Innungen aufzusplittern, indem
sie direkten Kontakt mit mir nehmen. Ich gebe ja zu, dass die anderen
Minister und dies hat mir Mussil und Sallinger einige Male bestätigt,
niemals solche Absichten geäussert haben und deshalb auch niemals
dieses Problem an sie herangetragen wurde.

Butschek vom Institut für Wirtschaftsforschung, der an unserem Wirt-
schaftskonzept sehr fleissig mitgearbeitet hat, ist in der EFTA-
Kommission über Industrielle Mobilität. Er ersuchte das Ministerium,
dass wir doch diese Arbeitsgruppe nach Österreich einladen sollten.
Diesen Forderungen kam ich gerne nach, obwohl im Hause grosse Be-
denken geltend gemacht wurden, die ich allerdings nicht verstehen konn-
te und daher auch nicht akzeptierte. Ich nutzte nun die Gelegenheit,
um die Vertreter der EFTA-Staaten, die sich mit einem Elaborat in
der Arbeitsgruppe auseinandersetzen mussten, zu begrüssen. Bei dieser
Gelegenheit, konnte ich auch die Vorschläge, wie wir sie in Österreich
zur industriellen Mobilität und insbesondere zur Investorenwerbung
derzeit haben, ihnen auseinandersetzen. Ich stellte mich auch anschlies-
send zu einer Diskussion zur Verfügung. Eine Diskussion war allerdings
nur äusserst schwer inGang zu bringen, es meldete sich nur der Präsi-
dent und der Vertreter von Schweden hat eine kurze Anfrage und Butschek
selbst erörterte noch einmal die spezifisch österreichischen Probleme.
Zuerst dachte ich, dass die Diskussion deshalb nicht in Gang kam
weil ich nur Deutsch mit ihnen sprechen konnte, es war zwar ein
Übersetzer vorhanden, und sie selbstverständlich in Englisch die
Verhandlungen führen. Als mich der Präsident aber nach Abschluss der
Diskussion aufforderte, dass ich natürlich auch gerne bei ihren wei-
teren Besprechungen soweit es meine Zeit erlaubt, anwesend sein könnte,


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wurde ich dann aber von folgendem überrascht. Zu ihrer Tages-
ordung, d.h. zu ihrem vorgelegeten Elaborat, das sie beraten
sollten, meldete sich überhaupt niemand zu Wort und der Präsident
war unglücklich und wenn ich glaube noch eine Viertel Stunde
anwesend gewesen wäre, wäre die gesamte Tagesordnung erledigt gewes
sen. Ich erklärte deshalb unverzüglich, ich wollte ihre Arbeit
nicht weiter stören und wünschte ihnen noch einen guten Aufent-
halt in Wien und verabschiedete mich. Scheinbar war es das erste
Mal, dass ein Minister an einer solchen Arbeitsgruppe teilnahme
und die Vertreter deshalb vielleicht doch ein bisschen eingeschüch-
tert waren.

Mit Min,Rat Hauffe und Dr. Preglau besprach ich das Lebensmittelge-
setz, welches wir zu Stellungnahme vom Sozialministerium bekom-
men hatten. Hauffe meinte, dass der vorliegende Gesetzentwurf
unzweckmässig und nicht zielführend sei. Ich setzte ihm ausein-
ander, dass die Gesundheit die Priorität haben müsste und des-
halb wirtschaftliche Erwägungen erst in zweiter Linie berück-
sichtigt werden könnten, dass z.B. seine Idee man sollte das Ver-
botsprinzip weitestgehend nicht anweden, konnte ich ihm glaube
ich sachlich ausreden, ebenso, dass es dringend notwendig ist,
im Interesse des Wirtschaftstreibenden, dass er bereits währdend
der ganze Produktionsdauer weiss, was er tun darf und was nicht,
Hauffe selbst hätte am liebsten gesehen, wenn nur erst das End-
produkt gegebenenfalls zum Verkauf zugelassen wird oder nicht.
Mein Hinweis, dass z.B. bei einem Bleistift, der ebenfalls von Kindern
gekaut werden kann, bereits beim Auftragen der Farbe oder der
Minen entsprechende Vorschriften berücksichtigen muss, halte ich
deshalb für zweckmässig, weil ansonsten sich herausstellen kann,
dass eine ganze Produktion oder Charge weggeworfen werden müsste,
weil sie nicht den Bedingungen die letzten Endes auch an einen
solchen Gegenstand gestellt werden müssen, erfüllt. Ich werde
insbesondere, weil es Kompetenzabgrenzungsschvierigkeiten schein-
bar zwischen dem Sozialministerium und mir auf Grund des Entwurfes
geben würde, versuchen, einen Verhandlungspartner auf der drüberen
Seite ausfindig zu machen, der unter Anwesenheit von Koppe diese
Probleme eindeutig klärt und damit eine Stellungnahme uns ermög-
licht, die letzten Endes auch vom wirtschaftlichen Standpunkt ak-
zeptiert werden kann. Hauffe war übrigens der erste Ministerial-
rat, der mich aufmerksam machte, dass es nicht zweckmässig wäre,
wenn das Handelsministerium Gutachten abgibt, die dann letzten


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Endes im Nationalrat entsprechend politisch ausgewertet werden
können. Mir scheint dieser Hinweis von ihm als ein typischer Fall
dass er sofort überzogen hat, um was es bei diesen Problemen
wirklich geht, ich bagatellisierte aber diesen Einwand und sagte,
wir würden uns ausschliesslich nur nach sachlichen Gesichtspunkten
bei unserer Stellungnahme richten.

Kirchschläger hat in einem Schreiben mitgeteilt, dass er keine
Bedenken hat, wenn Österreich und die Bundesrepublik Deutschland
ein Übereinkommen abschliessen, wo die Ostdeutschen Herkunftsbe-
zeichnungen auch von der BRD geschützt werden. Z.B. Jenaes Glas.
Ich selbst hatte gehofft, dass Kirchschläger doch aussenpolitische
Bedenken in der jetzigen Phase der Verhandlungen zwischen der
BRD und Ostdeutschland und vor allem der Beziehungen Österreichs
zwischen diesen beiden Staaten geltend machen würde und wir daher
nicht unmittelbar einen Abschluss eines Vertrages anstreben sollten.
Da Kirchschläger aber nun diese Auffassung nicht teilte, hatte
ich keinen Grund mehr, die Verhandlungen mit Berlin in dieser
Frage freizugeben. Ich teilte nur Hauffe mit, dass die Delegation
nicht aus drei Vertretern von unserem Ministerium und zwei Ver-
tretern von Landwirtschaftsministerium bestehen sollte, da der
Landwirtschaftsminister selbst nur Wert darauf legt, dass nur ein
Vertreter von ihm hinfährt. Er wird deshalb jetzt mit dem Patent-
amt Verbindung aufnehmen um festzustellen, ob Amtsrat Lorenz unbe-
dingt mitfahren muss. Bei dieser Gelegenheit teilte er mir mit,
dass diese Agenden früher bevor er sie 1968 übertragen bekommen
hat, zuerst von der Sektion so schlecht geführt wurden, dass der
erste Vertrag, ich glaube mit Italien , so schlecht abgefassst
ist, dass jede Änderung der Liste der geschützten Waren eine
Gesetzesänderung notwendig macht. Deshalb wurden diese Agenden
der Präsidialabteilung C übertragen, die dann ich glaube es
war Min.Rat Frank, jahrelang über dieses Problem brüteten und
keinen Vertrag zustandebrachten. Der von ihnen ausgearbeitete
einzige Vertrag war nach seiner Auffassung unbrauchbar. Deshalb
wurden ihm die Agenden übertragen und er selbst hat jetzt einen
griechischen Vertrag abgeschlossen, arbeitet der-zeit an einem
deutschen und einem ungarischen Vertrag.



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Herr Witzmann von Kitzbüheler Schutzverbandkam, um den
"Marsch auf Wien" zu besprechen. Er teilte mir mit, dass in
Wirklichkeit die Kitzbühler mit meiner Erklärung sehr zufrieden
waren und dass sie aber jetzt doch eine Delegation gerne kommen
würden, um noch einmal das Problem im Einzelnen durchzusprechen.
Ich sagte ihm dies sofort zu, da insbesondere ja die – wie sich
herausgestellt hat – nicht genau wiedergegebenen Darstellung
von Veselskys Erklärungen in Mitterberg sonst vielleicht in Kitz-
bühler oder Tirol sonst neuerdings das Problmen in eine
falsche Richtung bringen. Kreisky rief am Abend noch an und
ersuchte mich, mit ihm eine Aufnahme in der Samstagsendung für
den Bundeskanzler zu machen. Ich schlug ihm vor, dass wir gegebenen
falls den Herrn Witzmann als Schutzverband, die als Tiroler und
Schutzverbandvertreter zu diesem Round Table-Gespräch heran-
ziehen sollten. Er war sofort damit einverstanden und wies auch
im besonderen darauf hin, dass er mit Veselsky über desse n Auf-
fassung und Erklärung über Mitterberg bereits eine harte Ausein-
andersetzung gehabt hat.

Die Beiratsmitglieder Birnbaumer, Lachs und Festa kamen zu mir,
um Unterstützung für ihre Japanreise zu ersuchen. Kienzl wird
ihnen diesbezüglich zur Hand gehen. Bei dieser Gelegenheit
konnte ich feststellen, dass die Beiratsmitglieder von der
Handelskammer glaube ich ja ausserstande wären, ausser der wie
sie selbst zugaben, sehr oberflächlichen Industriestudie noch
konkretere Unterlagen zu liefern. Insbesondere werden sie über-
fordert, wenn der Beirat wirkliche Empfehlungen konkreter Natur
verfassen sollte, denn sie waren ja nicht einmal imstande, die
ERP-Frage ob diese Mittel für die Industrialisierung verwendet
werden sollen oder nicht hier wirklich konkrete Empfehlungen
geben zu können. Ich bin neugierig, ob der Wirtschafts- und
Sozialbeirat, der immerhin in der ÖVP Alleinregierungszeit
noch immer sehr aktiv gewesen ist, auch jetzt in der SPÖ-Allein-
gierungszeit imstande sein wird, seine Tätigkeit fortzusetzen.
Ich habe doch das Gefühl, dass die dort jetzt anwesende Garnitur
es furchbar schwierig hat, innerhalb der Partei, die letzten Endes
natürlich einen entsprechenden Einfluss auf diesen Beirat nehmen
wollen, seine Unabhängigkeit zu wahren. Ich befürchte, dass wie
z.B. jetzt schon die Studie über die Mittelstandspolitik, die


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durch eine Gewerbeuntersuchung eingeleitet und verankert
werden soll, grosse Differenzen zutagefördern wird. Birnbaumer,
der derzeitige Geschäftsführer der Handelskammer, erklärte unum-
wunden, dass die Empfehlungen der Industriestudie so allgemein
gehalten werden mussten, weil sie ansonsten am Widerstand ihrer
Präsidenten gescheitert wären. Bei den derzeit inArbeit be-
findlichen Studien wird es ähnlich sein und es wird sich sogar
noch verstärken, dies gilt allerdings nicht nur für die
Handelskammerseite allein, sondern wahrscheinlich auch für die
Landwirtschaftskammerseite und zuletzt natürlich auch für die
Arbeitnehmervertreter. Der bisherige Interessensausgleich, der
teilweise auch über diese Studien erreicht wurde - ich denke hier
z.B. an die Arbeit betreffend die Arbeitszeitverkürzung -, wird
wahrscheinlich in Zukunft noch viel schwieriger sein. Sicherlich
ist es auch ein Personalproblem, denn je stärker die Leute sind,
die im Beirat sind, umso eher kann es zu einer Kompromisslösung kom
men, wenn diese Herren sich dies in ihren eigenen Reihe durchfechten
können. Ich habe den Eindruck, dass die einzelnen Abteilungen ganz
einfach glaube, je mehr Geld sie zur Verfügung haben, umso grös-
seres Ansehen kriegen sie, das stimmt zweifelsohne und ist nicht
nur in meinem Ressort so

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Tagesprogramm, 30.9.1970


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    Tätigkeit: Beamtin HM, Dr.


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        Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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          Tätigkeit: Bundeskanzler
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              Tätigkeit: Chef Energiesektion


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                  Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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                          Tätigkeit: Hofrat Patentamt; evtl. Falschidentifikation


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                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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