Donnerstag, der 1. Oktober 1970

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Für die fachliche Information der Sektion I wurden vor langer, langer
Zeit Fachreferate errichtet. Diese Fachreferate sind mit Leuten be-
setzt, die zweifelsohne wahrscheinlich sehr gute Beziehungen zu ein-
zelnen Fachreferenten der Bundeskammer und der Industrie aufweisen.
Aber – wie mir mitgeteilt wurde – hat z. B. Min. Rat Peschke fünf solche
Fachreferate, ohne dass er diese Gebiete im einzelnen wirklich inten-
siv bearbeiten kann. Wir haben deshalb beabsichtigt, eigentliche Fach-
referate für die Industriesektion zu erichten. Die Industriesektor
unter Römer-Führung hat überhaupt keinerlei fachliche Gliederung
und ist deshalb meiner Meinung ganz ausserstande, wirkliche Infor-
mationen über eine Industriepolitik zu geben. Deshalb ist beabsicht,
ähnlich dem Aufbau der Fachgruppenordnung der Bundeskammer Fachrefe-
rate jetzt im Industriebereich zu errichten. Natürlich ergab sich
daraus sofort die gegensätzliche Auffassung von Römer gegenüber
Reiterer. Reiterer hat vom handelspolitischen Standpunkt aus auf
seine Fachreferate nicht verzichtet. Deshalb hat Schipper den Vorschlag
gemacht,es ist zweckmässig, neue Fachreferate zu errichten. Gott
sei Dank ist Heindl – leider viel zu spät – er hat das diesbezügliche
Papier, das lange schon bekannt war, nicht genau gelesen gehabt,
erst im letzten Moment darauf gekommen, dass wir damit eine Zweige-
leisigkeit in der Bezeichnung, aber auch in der Tätigkeit nach
aussen hin dokumentieren. Deshalb beschlossen wir keine dekretmässige
Ernennung der Betreffenden, die wir vorgesehen hatten, und auch nicht
die Bezeichnung Fachreferat, sondern Arbeitskreis zu verwenden. Ich
hatte die Mitarbeiter für diese Arbeitskreise zu mir gebeten, und
ihnen erklärt, dass sie vorerst initiativ tätig werden sollten, dass
sie keinerlei konkret umschriebenen Auftrage, oder wie ich gefragt
wurde, die Weisung lauten würde, bekommen, sondern dass sie eben
initiativ und kreativ jetzt in dem Gebiet das ich glaube für die
das zweckmässigste ist, entsprechende Grundlagenarbeit leisten
sollten. Ich erklärte ihnen, dass ich selbstverständlich für jeden
Einzelnen, der coram publico nicht seine Bedenken oder Wünsche
sagen wollte, unter vier Augen-Gespräche zur Verfügung stehe. Tat-
sächlich kam zum Schluss nur Sekt.Rat Mock und ersuchte, dass er
nicht beim Arbeitskreis Eisen und Metall sondern beim Arbeitskreis
Steine mitarbeiten würde,da er zwar auf der montanistischen Hoch-


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schule tätig ist, aber sich in Wirklichkeit der neuen Fachrichtung
Steine und Erden zuwenden will. Ausserdem hatte er Bedenken, dass er nach-
dem er jetzt ein modernes neues Berggesetz erarbeiten soll, dafür keine Zeit
haben würde. Ich beruhigte ihn, und teilte ihm mit, dass dies ja keine
Angelegenheit von einem oder zwei Monaten sei, sondern langfristige Pla-
nungsarbeit ist und er selbstverständlich in den anderen Arbeitskreis
überwechseln könne. Ausser ihm meldete sich noch Min.Rat Peschke, der
sofort erkannte, dass letzten Endes eine Änderung der Geschäftsordnung
ins Haus stehen würde, wo die alten Fachgruppenreferate aufgelöst und
die Industriereferate, die derzeit, als Arbeitskreise bezeichnet werden
bestehen würden. Ich beruhigte ihn und sagte, ich hatte ja bereits vor-
gesehen und erklärt, dass jeder in jedem Arbeitskreis, wo er will, mit-
arbeiten kann und er ja selbstverständlich auch in anderen Arbeitskreis
sen mitarbeiten sollte und niemand von uns daran denkt, ihm sein Tätigkeits-
gebiet zu nehmen sondern ganz im Gegenteil er ja jetzt noch zusätzlich eine
Arbeit erbringen müsste, Für den Arbeitskreis Elektrotechnik, wo er ja
durch die Zollkommission der beste Kenner sei.

Bei der Parteivorstandssitzung kam es eigentlich nur beim Bericht von
Marsch zu einer kurzen Anfrage von Scheibengraf, warum die Schöller
Bleckmann zwei Vorstandsdirektoren bestellt hatte zur Diskussion. Kreisky
versuchte sich zu verteidigen oder zu erklären, dass Zusagen von Kreisky
nicht vorhanden waren, dass seinerzeit Kothbauer aber auch Frank erklärt
hatten, es würden keine neuen Vorstandsdirektoren bestellt werden. Hier
wurde wieder einmal so wie das bei den Stickstoffwerken und der ÖMV
war, den lokalen Interessen – hier NÖ – Rechnung getragen und ein unzweck-
mässiger Schritt getan. Interessant war, dass sowohl Benya als auch Sekani-
na
, die vis a vis von mir sassen, nicht dieser Ansicht waren, aber aus Dis-
ziplin, um die einheitliche Auffassung nach aussen hin nicht zu stören,
nichts gegen diese Bestellung unternahmen. Sicherlich wird dadurch die Reor-
ganisation der Edelstahlwerke wieder wesentlich erschwert werden. Ursprüng-
lich war geplant, dass Böhler gegebenenfalls im Vorstand verstärkt wird und
Schoeller Bleckmann nur mehr als ein Zweigwerk letzten Endes in Böhler auf-
gehen sollte. Durch die derzeit gute Konjunkturlage dürften allerdings die
nö. Interessen stärker gewesen sein und der Hinweis, dass das Werk jetzt
sowieso wieder floriert, wird die notwendige Konzentration in Zukunft
wieder erschweren.



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Der offizielle Vertreter der Bundeskammer über die Frage der Gast-
stätten-Konzession an Tchibo hatte ich zu mir gebeten und LAbg.
Fröhlich, der neue Obmann der Sektion Gaststätten hatte von sich
aus einige Leute des Freien Wirtschaftsverbandes mitgenommen, und
auch Harry Jodlbauer als Vizepräsident der Wiener Handelskammer
ersuchte, daran teilgehmen zu dürfen, was auch von mir akzeptiert
wurde. Ich konnte einleitend darauf hinweisen, dass ich ja in Privatge-
sprächen mit sehr vielen der Herren – ich hatte ja sogar Fröhlich in
seinem Betrieb aufgesucht – diskutiert hatte und deshalb nun dieses
Problem endgültig lösen wollte. Ich sagte zwar nicht, ob wir positive
oder negative Entscheide treffen wollen, sondern wies nur darauf hin,
dass ich befürchtete, dass die negativen Entscheide, die letzten Endes
beim Verwaltungsgerichtshof durch eine Berufung von Tchibo landen
werden, von diesen sicher in positive Bescheide umgewandelt werden.
Ich strich noch besonders die Initiative der Frau Min.Rat Graf heraus
sie hat diese Entscheide nicht vom grünen Tisch allein gemacht, sondern
war, wie sie mir vor der Vorbesprechung mitteilte, auch in die um-
liegenden Espressi gegangen, um zu erfahren, ob und inwieweit die
Errichtung von Tchibo-Lokalen bisher ihren Umsatz geschmälert hatte.
Bei dieser Gelegenheit musste sie feststellen, dass sie ganz ungehörige
angeflegelt wurde mit der Behauptung, ob sie denn das deutsche Kapital
in Österreich unterstützen wollte. Ich sprach ihr aber bei einer Vorbe-
sprechung für diese Initiative und weit über einen Beamten hinausgehe
de Tätigkeit den Dank aus. Die Vertreter der Bundeskammer kritisierten
aber bei dieser Sitzung jetzt ihr Verhalten, weil sie angeblich alle
positiven Elemente sammelt, um ja nur Tchibo die entsprechenden Kon-
zessionen geben zu können. Ich war froh, dass sie bei der Sitzung
nicht anwesend war, denn sonst hätte sie sicherlich in Zukunft sich noch
mehr über das Verhalten der Innung beklagt. Die Innungsleiter
selbst glauben, dass es für sie die grösste Existenzssicherung ist, dass
so wenig wie möglich neue Betriebsformen kommen, obwohl wir derzeit
ja 220 Betriebsformen im Gast- und Schankgewerbe haben, manche behaupten
sogar, die Zahl sei 260, wenn man die Hotelgenehmigungen noch hinzuzählt.
Ich glaube, dass einer Entwicklung zu modernen Verkaufsformen, wo eben
Kaffee in einem Kaffesondergeschäft, welches als Art Kostprobe schalen-
weise Kaffee billig abgibt, nicht mehr aufzuhalten ist. Der Hinweis,
dass das Kaffehaus heute für den Fremdenverkehr eine bedeutende Rolle
spielt und deshalb unter allen Umständen erhalten werden soll, will


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ich gar nicht bestreiten, ich glaube aber, dass die Methoden,
wie die Innung glaubt sie erhalten zu können, hoffnungslos anti-

quiert sind und sicher keinen Erfolg zeigen werden.

Rentnerversammlung in der SPÖ-Landstrasse waren phantastisch be-
sucht und wenn es nach diesen Versammlungen geht, müssten wir einen
grossen Sieg feiern können. Angeblich kommen auch die Lautsprecher-
wagen der ÖVP, die im dritten Bezirk durchfahren, nicht gut an.
Es wäre immerhin denkbar, dass es der ÖVP so geht, wie uns l966.
Damals haben wir auch durch Lautsprecherwagen – ich selbst bin
tagelang damit herumgefahren und habe die Bevölkerung vielleicht
sogar malträtiert, anstelle wie ich glaubte, mit meinen Gags erhei-
tert, versucht, die Wahlparolen der Bevölkerung einzuhämmern. Der
Erfolg hat uns nicht recht gegeben, Vielleicht will die Bevölkerung
wirklich nicht diese marktschreierischen Ankündigungen mehr hören.

Bei Bundeskanzler Kreisky hatten wir der Schutzverbandobmann von
Kitzbühel
und ich, eine Rundfunkaufnahme für die Sendung des Bun-
deskanzlers. Er hat sofort richtig gespürt, dass vor den Wahlen
keinerlei politische Aktion mehr zugkräftiger sein könnte, als neuer-
dings für die Tiroler und auch für die übrige Bevölkerung das Um-
weltsproblem und den Schutz der Landschaft neuerdings zu dokumen-
tieren.

Reiterer schätzte glaube ich sehr, dass ich mit ihm nach Bern geflogen
bin. Er hatte damit Gelegenheit, endlich mit mir unter vier Augen
über seine Probleme zu sprechen. Ich musste aber leider feststellen,
dass wir über die Arbeitsweise anderer Meinung sind, obwohl ich es
ihm nicht so deutlich zu verstehen gab. Er steht noch immer
auf dem Standpunkt, die beste Handelspolitik ist die Geheimdiploma-
tie, wo er nicht einmal seinen engsten Mitarbeitern, den Abteilungs-
leitern, über seine Absichten Mitteilung macht. Er glaubt auch, dass
es unzweckmässig war, über die Ostpolitik, die wir gemeinsam erar-
beitet haben, jetzt im Sektionsleiterprotokoll etwas auszuführen,
denn mach seiner Meinung nach, würde das nur die Verhandlungen er-
schweren und ausserdem wird ja jeder Schritt im Osten sofort bekannt
werden. Ich dagegen stehe auf dem Standpunkt, dass selbst wenn nur
drei Personen über etwas sprechen, durch Weitergabe dieser Gespräche frü-
her oder später auch der Osten davon Mitteilung erhält. Interessanterwei-
se deckte sich diese Meinung auch mit der von Botschafter Marquet, den wir
in Bern trafen. Von umfangreichen vorbereitenden Arbeiten hält Reiterer


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auch nichts, weil er sagt, jeden Moment ändert sich die Situation.
Zum Beispiel ist er der Meinung, dass das ausgezeichnete Papier,
das Finanzminister Androsch von seiner Abteilung über die EG-Probleme
bekommen hat, heute ja schon überholt sei und deshalb seiner Meinung
nach gar nie hätte erstellt werden müssen.

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Tagesprogramm, 1.10.1970


Tätigkeit: Botschafter, Onkel v. Louis Marquet; evtl. Falschidentifikation


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    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
      GND ID: 102318379X


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        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg. bis 1975, Betriebsleiter Fa. Böhler


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Bundeskanzler
            GND ID: 118566512


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Personalvertreter HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Chef Energiesektion


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                    Tätigkeit: Finanzminister
                    GND ID: 118503049


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


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                        Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: OB


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                              Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                              GND ID: 119083906


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