Da ich Freitag nach Bern fahre, um mit dem Leiter des volkswir-
tschaftlichen Departement Bundesrat Brugger über die Zusammenarbeit
zwischen der Schweiz und Österreich bezüglich des Ansuchens an die
EWG musste ich mich wie das Protokoll vorsieht, beim Bundespräsidenten
Jonas abmelden. Dienstag aber hat er die entsprechenden Vorsprachen
der von ihm zu ernennenden und auszuzeichnenden Personen gehabt.
ich ersuchte deshalb, ob ich nicht vor dem Ministerrat noch einen
Termin bekommen sollte. Der Sekretär,Dr. Bandion, bemühte sich wirklich
redlichst und nachdem ich eventuell vorgeschlagen hatte, telefonisch
mich anzumelden, wurde mir dann doch ein Termin zugestanden. Es ist
wirklich unerklärlich, warum hier das Protokoll hier ein so kompliziert
tes Verfahren vorsieht. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass der
Bundespräsident des öfteren Spezialinformation über ein Problem wünscht
und man dies ohne weiteres telefonisch erledigen könnte. Wahrschein-
lich wird das Protokoll überhaupt von den Staatsoberhäuptern aus
Prestigegründen noch viel zu stark berücksichtigt oder darauf gedrängt,
dass es eingehalten wird. So war es – wie Kreisky mir mitteilte – aus-
schliesslich der Wunsch von Ceausescu, dass er nach demselben Protokoll
empfangen wird wie seinerzeit die englische Königin, um zu dokumentieren
dass Rumänien genau dieselbe Macht und Anerkennung geniesst wie dies
Grossbritannien gebührt. Ich finde das alles unbegreiflich.
Im Ministerrat musste ich einen schnell zusammengestellten mündlichen
Vortrag über das Bergbaugesetz, welches ich beabsichtige, neu zu
schaffen, halten. Bei dieser Gelegenheit konnte ich in aller Kürze
die Entwicklung von Tirol noch einmal zusammenfassend darlegen.
Der Entwurf fand die Zustimmung der Bundesregierung nur der Punkt 1,
der vorsah die Ermöglichung einer stärkeren Einflussnahme von Land,
Gemeinden sowie Interessensvertretungen in die bergbehördlichen Ver-
fahren wurde durch Kreisky noch durch den Satz: Was den Umweltschutz
betrifft ergänzen. Veselsky war nicht anwesend un zu meiner grössten-
Verwunderung hörte ich dann spätabends im Fernsehen eine Stellungnahme
von ihm zum Kooperationsvertrag zwischen Union Corporation und der
Mitterberger, die er als äusserst gut bezeichnete. In Wirklichkeit
sieht dieser Vertrag bekanntlicherweise vor, dass nur die Union Corp.
einseitig der Vertrag gekündigt werden kann. Veselsky erklärte angeblich
auch, dass die Bohrungen unter allen Umständen durchgeführt werden.
Dies steht in krassem Gegensatz zur Regierungsauffassung, insbesondere
zu seinem Chef Kreisky. Ich muss sage, er hat ein ausgesprochenes
Glück, entweder falsch informiert zu sein oder wenn er einigermassen
informiert ist, ins Fettnäpfchen zu treten und den gegenteiligen
Schluss abzuleiten, den sein Chef bzw. der zuständige Minister macht.
Anschliessend an den Ministerrat hatte ich mit Broda, aber insbeson-
dere mit Häuser eine Aussprache wegen der von ihnen zur Begutachtung
geschickten Sozialgesetze. Beide erklärten übereinstimmend, dass sie
einen festen Fahrplan hätten, die Begutachtungsfrist abgelaufen sei
und deshalb eigentlich die beste Lösung ist, wenn wir gar keine
Stellungnahme mehr abgeben. Bei der Sektionsleitersitzung musste
ich auf diese Entwicklung im besonderen hinweisen und konnte folgendes
feststellen: Im Haus wird irrsinnig viel gearbeitet, wenn ein
Gesetz zur Begutachtung kommt. Die Präsidialabteilung C schickt
unverzüglich an alle Sektionen oder an Stellen, die daran interessiert
sind und verlangt im Hinblick darauf ,dass sie dann noch begutachten,
zusammenkleben muss, denn mehr macht sie meistens nicht, eine
Stellungnahme zu einem Termin, wo knapp 1 oder 2 Tage für den Mini-
ster zur Bearbeitung d.h. zur Approbation Zeit sind ? Wahrscheinlich
war es bisher üblich und gang und gäbe, dass der Minister die Stellung-
nahme dieser Beamten ungesehen übernommen hat. Ich selbst hatte aber
bereits der Sektion III und insbesondere dem Präsidium vor Wochen
vorgeschlagen, dass mir dieser Weg vollkommen sinn- und zwecklos er-
scheint. Wenn es nämlich schon z.B. Absprachen in der Regierung gibt,
oder wenn es Probleme gibt, die in einem gewissen Sinn gelöst werden,
dann hat es gar keinen Sinn, jetzt herzugehen und seitenlage Stellung-
nahmen zu produzieren, die letzten Endes dann im Akt verschimmeln.
Mit erscheint es viel zielführender, dass wenn ein Gesetzentwurf einla-
ngt, der von Bedeutung ist,dass dieser zuerst bei mir und den be-
teiligtenReferenten besprochen wird, dann unverzüglichster Kontakt
mit den aussendenden Ministerien aufgenommen wird, um dort Einfluss-
nahme auszuüben, die wahrscheinlich stärker und zielführender ist, als
eine letzten Endes verspätet abgegebene Stellungahme. Ich weiss,
dass in anderen Ministerien der Minister akzeptiert, dass sich die
Beamten salvieren können, indem sie ihre Stellungnahme auf alle Fälle
im Akt verankern und dann womöglich auf Weisung des Ministers eine
andere abgeben. Bei uns wird die Abteilung C immer mehr in die Richtung
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getrieben, mir entsprechende Alternativvorschläge vorzulegen.
wo ich entscheiden soll, ob der Gesetzentwurf abgelehnt, ob er im
Sinne des Referenten behandelt wird,ob er gegebenenfalls in meinem
Sinne zu behandeln sei oder ob wir uns überhaupt verschweigen sollten.
Auch eine solche Vorgangsweise halte ich nicht für zielführend und habe
die Sektionsleitungen ersucht, im Hinblick auf die Notwendigkeit die
Probleme doch unter allgemeinen politischen Gesichtspunkten zu be-
handeln, zuerst mit mir und den Referenten entsprechende Fühlung aufzu
nehmen. Politisch halte ich diesen Weg als einzig gangbaren, denn
wir dürfen nie vergessen, dass im Parlament letzten Endes die Stellung-
nahme aller begutachtenden Stellen, daher auch der Ministerien bekannt
werden, die gegen die Gesetze Stellung genommen haben und damit natür-
lich Munititon für die Debatten-redner im Parlament liefern.
Die Aussprache beim Mittagesssen im Institut mit Dr. Neuwirth von der
Arbeiterkammer, Sekr. Mrkwitschka vom ÖGB, er ist Leiter der Jugend-
abteilung, und dem Privatangestellten-Jugendvertreter Braun, hat mir
Gelegenheit gegeben, diesen jungen Genossen meine Politik auseinander-
zusetzen. Sie hatten bezüglich der Berufsausbildung einige sehr
zweckmässige Vorschläge und erwarteten, dass ich diese durchsetzen werde
Ich versicherte Ihnen, dass ich dies gerne tun würde, aber der Weg
sollte doch so sein, dass sie im Beirat jetzt bestrebt sein müssen,
die Wünsche anzumelden und in Verhandlungen auch durchzubringen.
Bezüglich des Hausvertreters, es ist dies MR Kinscher, werde ich einen
Dienstzettel verfassen, wo ich um seine Stellungnahme zu den Problemen-
ersuche.
In der ÖGB-Bundesfraktion wurde ich aufgefordert, ganz kurz nach einem
Bericht von Benya und Kreisky auch über die wirtschaftliche Situation
zu referieren. Ich entwickelte ganz kurz mein Konzept: als die Haupaufgabe
darin besteht, die Konjunktur aufrechtzuerhalten und das Wirtschaft-
wachstum weiter an der Spitze steht. Dies geht auf Kosten der Stabilität
und ich war der Meinung, dass insbesondere um die Konjunktur aufrecht-
zuerhalten jetzt auchh das Wirtschaftsforschungsinstitut meine Theorie
die ich vor Wochen in der deutsch-österr. Handelskammer gebracht hatte,
nämlich dass die inländische Nachfrage, nämlich der private Konsum
gestärkt werden müsste, nun auch von Nemschak bestätigt wird. Ich glaube
deshalb dass die Lohnbewegungen, die in den nächsten Monaten kommen,
auch gesamtwirtschaftlich begründet sind. Sowohl Benya als auch Kreisky
hatten scheinbar die Angst, dass meine Erklärungen von den Gewerkschaft
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dazu benützt werden würden, irrsinnige Lohnforderungen zu stellen und
Benya argumentierte daher dagegen und meinte, dies müsste doch die Konjun-
turabflachung berücksichtigt werden, die Konsumgüterindustrie – hier
sieht er immer wieder den Standpunkt scheinbar bei mir als Lebensmittel-
arbeiter – Vertreter durchdringen – hätte natürlich eine Möglichkeit
durch die inländische Nachfrage abgeheiztund die Konjunktur aufrechterhal-
ten zu werden, aber die Exportindustrie – hier sieht er wahrscheinlich
doch zu sehr vom Standpunkt des Metallarbeiter-Chefs – hätte starke Kosten
belastungen zu erwarten, die letzten Endes dann den Export zusammen-
schlagen könnten. Die Inflationsrate sei deshalb seiner Meinung nach
als besonders gefährlich zu betrachten und man dürfe nicht vergessen,
dass die Investitionen dann gegebenenfalls darunter leiden könnten
und wenn die Leute nicht mehr sparen, dass müsste dies auch gesamtwirt-
schaftlich von grösstem Nachteil sein. Kreisky wieder vermutet, dass es
durch die Ausdehnung der inländischen Nachfrage zu weiteren Kostensteigerungen
kommen könnte und wir dann in eine Deflation kämen auf der einen Seite
auf der anderen Seite auf eine inflationistische Kostenausweitung.
Seiner Meinung nach würden wir dann beide Nachteile haben, sowohl die
Preisstteigerungen als auch die Deflationenerscheinungen. In erwiderte
unverzüglich, dass ich diese Meinung nicht teile, weil meiner Meinung
nach die Quantifizierung der Grössen von entscheidender Bedeutung ist.
Die Unternehmer werden bei jeder Lohnbewegung, die die Gewerkschaften
machen, unverzüglich den Deflationscharakter dieser Aktionen herausstrei-
chen und die Belastungen in den Vordergrund stellen. Andererseits werden
jetzt die Gewerkschaften Lohnbewegungen starten und es ist daher notwe-
ndig, dass sich die Regierung und die offizielle Wirtschaftspolitik darauf
einstellt. Unter der vollkommenen Stabilität ist nur zu verstehen, dass
die Lebenshaltungskosten überhaupt nicht steigen, ein Zustand, den wir
noch nie erreicht haben und der übrigens gar nicht erstrebenswert wäre.
Ich persönlich erklärte, ich bin überzeugt, dass durch die Gewerkschaften eine
vernünftige Forderung und letzten Endes auch eine Erhöhung in erträglichem
Ausmass nur durchgesetzt wird werden, das gesamtwirtschaftlich vertret-
bar ist. Mir selbst schwebt eine Zahl von maximal 10 in den Kollektiv-
vertraglöhnen höchstens 12 % vor. Diese Ziffern liegen natürlich – und
dies ist mir vollkommen klar – über dem Produktivitätszuwachs und werden
daher weitere Preissteigerungen mit sich bringen. Allerdings halte ich es
für vollkommen sinnlos, die Gewerkschaften zu verhalten, dass sie noch
unter diese Ziffer wesentlieh darunter gehen, sie werden es in den Einzel-
fällen vielleicht tun, aber keinesfalls sich in Grössenordnungen bewegen
von 6 und 7 %, was die Unternehmer gerne hätten. Viel wichtiger scheint
mir, dass es weiterhin gelingt die Dauer der Lohnbewegungen auf einen
grösseren Zeitpunkt hinauszuschieben, d.h. zwischen 14 und 16 Monaten
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Abstand zwischenjeder Lohnbewegung zu lassen.
Im AEZ habe ich jetzt einige Tage eine Diskussion, ich glaube, dass
dies sehr gut ankommt. Es kommen dort – wie ich in einer Sektionsleiter-
sitzung die anschliessend daran stattfand, feststellen konnte -
tausende Menschen vorüber und die Junge Generation teilte mir mit,
dass angeblich über 6.000 Broschüren, die am Erdboden von ihnen dort
aufgestapelt wurden, von einzelnen Passanten aufgenommen wurden,
Es war nicht eine Aktion der ÖVP ,dass sie ganze Stösse verschleppten,
sondern es war wirklich ein grosses Interesse von diesen durchflutenden
Massen. Ich glaube, dass wir mit dieser Methode äusserst günstig
liegen und ich bin froh, dass ich dies nicht nur immer vor den Wahlen
sondern auch zwischen den Wahlen in jeder Form bei den Grotten-
und Bahnhofsplätzen gemacht habe und beabsichtige dies auch unter
allen Umständen fortzusetzen.
Anschliessend an die Sektionsleitersitzung hatte ich noch eine Aus-
sprache zwischen Jodlbauer, Heindl und mir wegen der Tchibo- Ge-
schäfte. Wir kamen überein, dass es für den Freien Wirtschaftsverband
viel zweckmässiger ist, wenn er von den offiziellen Handelskammer-
vertretern wie z.B. dem jetzt gewählten neuen Sektionsobmann Komm.
Rat Fröhlich, zu einer Aussprache ins Ministerium mitgenommen wird,
als wie dass ich darauf dränge, dass der Freie Wirtschaftsverband
vertreten sein muss. Heindl hat es, glaube ich, sehr geschickt organi-
siert sodass jetzt immer wesentlich mehr Vertreter des FWV an
Besprechungen teilnehmen, dies aber hochoffiziell als Handelskammer-
vertreter. Jodlbauer bestätigte mir auch – da unter anderem am Abend
eine Genossin bei mir war und mich ersuchte, ich sollte jemandem einen
Kommerzialrattitel verleihen, dass das jetzige System, das ich eingeführt
habe, für den Freien Wirtschaftsverband wesentlich besser ist und
wahrscheinlich auch zielführender für die Zukunft. Ich glaube es hat
von dem derzeit bestehenden Kontingent von 50 Komm.Räten der
Freien Wirtschaftsverband ganze 5 Stück bekommen, währenddem von
den 10, die dem Minister zustehen und die ich der Handelskammer über-
tragen habe, vier dem Freien Wirtschaftsverband zugesprochen wurden.
Ich bin den Streit los und der Freie Wirtschaftsverband ist vernünftig
genug – wie mir Jodlbauer gesagt hat – dass er davon zwei für die Ge-
meinwirtschaft reservieren wird
Reis erklärte mir noch, dass es im Ministerium üblich ist, dass
wenn ein Chaffeur kein Telefon besitzt und er selbst hat in der
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neuen Wohnung kein Telefon – er hat nicht die Möglichkeit einen
Anschluss gleich zu bekommen – der entsprechende Minister die nächste
Wachstube anruft und von dort ein Posten sofort zum Chaffeur geschickt
wird, um ihm einen entsprechenden Auftrag auszurichten. Ich wider-
sprach dieser Idee sofort und erklärte, dass unter gar keinen Umständen
eine solche Massnahme bei mir in Erwägung gezogen wird und auch nur
daran gedacht werden kann, so etwas im Ministerium für mich in Anspruch
zu nehmen. Ich werde, wenn er das Telefon noch nicht hat entweder selbst
zu ihm gehen oder hinfahren, oder gegebenenfalls einen Buben von mir
sdhicken.
Tagesprogramm, 29.9.1970
Tagesordnung 23. Ministerratssitzung, 29.9.1970
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