Montag, der 28. September 1970

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Vereinbarunggemäss eröffente ich auf Wunsch der italienischen
Teilnehmer die Round-Table-Konferenz in der Handelskammer.
Ich galube es ist deshalb notwendig, dass ich alle westlichen
Veranstaltungen irgendwie bevorzuge, weil ansonsten der Eindruck
entstehen muss, dass wir uns ausschliesslich nach dem Osten orien-
tieren, denn dort müssen wir zu den Kommissionssitzung bezw.
Unterfertigungen von Handelsverträgen oder von Gemischten Kommis-
sionen reisen. Nach den westlichen Staaten dagegen treten wir fast
gar nicht in Erscheinung.

Dipl.Ing. Müller-Hartburg von der Ingenieurkammer hatte den Wunsch -
mit mir zu reden und erklärte, bis jetzt hätte er eigentlich für
seine Anliegen keine Gesprächspartner im Ministerien gefunden.
Jedwede Vertreter hätten immer nur die Interessen der Handels-
kammer, d.h. der Baumeister wahrgenommen. Der Ingenieurkammer geht es
darum, dass sie eine saubere Trennung zwischen Planung und Ausfühunrg
wünsche, wobei die Ausführung dem Baumeister, die Planung dagegn
ausschliesslich den Zivilingenieuren möglich sei. Derzeit be-
stimmt auch der neue Gewerbeordnungsentwurf, dass die Baumeister
berechtigt sind, Bauwerke aller Art zu errichten, ohne dass Zivil.
ingenieure eingeschaltet werden müssen. Im Gegenteil, wenn ein
Zivilingenieur nach 7-jähriger Hochschule und fünfjähriger Praxis,
von denen er zwei Jahre als Bauleiter gearbeitet haben muss, unter
Ablegung einer zusätzlichen Zivilingenieur-Prüfung die Bauausfüh-
rung ebenfalls machen will, dann muss er noch eine Baumeisterprü-
fung ablegen bei der Innung, um die Konzession erhalten zu können.
Ich sicherte Müller zu, dass ich als ehrlicher Makler oder als
Katalisator ähnlich wie ich dies bei den Wirtschaftstreuhändern
gemacht habe, zwischen ihm und der Bundeskammer vermitteln werde,
wenn er diesbezügliche Vorschläge mir konkret unterbreitet, wobei
ich ihm allerdings aufmerksam machte, dass ich mir nicht vorstel-
len kann, dass man den Baumeistern ihr jahrhundertealtes Recht
nimmt, sondern dass man höchstens aus Sicherheitsgründen eine
Kompromisslösung vornehmen kann. Da Müller mir gleichzeitig
auch einige Bemerkungen hinsichtlich der Genossenschaften machte,
schlug ich ihm vor, mit Holoubek, den er als irrsinnig


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intelligent und integer bezeichnete, weitere Verhandlungen zu führen.
Ich erklärte ihm, dass Holoubek, der leider bei der Arbeiterkammer
beschäftigt ist, als mein persönlicher Vertrauensmann in Baufragen
fungiert.

Ewerlöf von der schwedischen Handelskammer ersuchte mich, am 11.
November bei ihrer Versammlung eine entsprechende 20 Minuten dauern-
de Rede zu halten, die sich allerdings nicht mit dem Integrations-
problem oder mit dem EFTA-Problem beschäftigen sollte. Ich sagte,
soferne ich zu diesem Zeitpunkt in Wien sei oder die Parlamentsar-
beit dies ermöglicht zu.

Mit Mussil hatte ich – nachdem Sallinger eine Woche in Italien weilt
– eine Aussprache. Er verlangte von mir, dass wir bezüglich der
Pipeline vorsichtig vorgehen sollten. Ich sagte ihm zu, dass wir
ja ausser einem Ölpipelingesetz ein eigenes Gas-Gesetz machen würde,
damit wir endlich vom nationalsozialistischen Energiewirtschafts-
gesetz loskommen. Da er bezüglich der Durchsatzmenge und der An-
schlusspflicht grosse Bedenken hatte, dass dies auf die Verträge
die zwischen TAL und AWP beschlossen wurden, einen Einfluss haben,
verlangte er späterhin, was in dem Akt steht. Ich übermittelte
ihm sofort die Unterlagen. Beim Unlauteren Wettbewerbsgesetz
stand er auf dem Standpunkt, dass die seinerzeitige Vereinbarung auf
alle Fälle gelte, d.h. er glaube, dass wir den ÖGB herausnehmen,
dem widersprach ich allerdings sofort, weil das auch nicht der
seinerzeitigen Vereinbarung entspricht, sondern der ÖGB bleibt in
unserer Regierungsvorlage drinnen, ausserdem wird das von ihm
gewünschte Täuschungsangebot aufgenommen. Mein Hinweis auf die
Aktivitäten der ÖVP-Arbeitskreise resp. auf den Konsumentenrat
veranlasste ihn zu der Bemerkung, man sollte dies nicht allzu
tragisch nehmen und er möchte-z.B. bezüglich des Vorschlages
der Frau Hubalek, wonach die ÖVP entsprechende Auto-
Entgiftungsanlagen verlangt, einen Brief haben. Ich werde deshalb,
nachdem die einzelnen Mitglieder des Konsumentenbeirates ernannt sind,
unmittelbar einen Arbeitskreis einsetzen und die Bundeskammer
auffordern, mir konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Betreffend
die Erhöhung der Kinderbeihilfeabgabe der Unternehmer von 6 auf
6,5 % , welche vom Arbeitskreis 30 verlangt wurde, um die Abferti-
gungsvorschläge von Broda ablehnen zu können und neuerdings


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soziale Massnahmen auf anderen Gebieten einzuleiten, stellte
er fest, dass dies unter gar keinen Umständen in Frage kommen
würde. Die allgemeine geführte Budgetdebatte, wo er allerdings, wie e
er behauptete, nur seine pesönliche Meinung kundtat, ergab, dass
die österreichischen Volkspartei scheinbar doch bereit ist, über das
Budget mit sich reden zu lassen. Seiner Meinung nach müssten zuerst
die Sondergesetze verhandelt werden, die von der ÖVP abgelehnt
werde, damit auch das kleine Steuerreformgesetz und dafür würden
die Sondergesetze für Einkommens- und Lohnsteuer und Vermögenssteuer
auslaufen. Mein Hinweis, dass dadurch der Staat 2,3 Mia S Ein-
kommens- und Lohnsteuer und mindestens 500.000 Sch. Vermögens-
steuer verlieren würde, sei nach Meinung Mussil deshalb halb so
schlimm, weil ja auch die Steuerreform 2 Mia S kostet. Er vergisst
allerdigns – wie ich ihn aufmerksam machte, dass diese 2 Mia S
nur 1 Mia dem Bund kosten und 1 Mia den Ländern und Gemeinden.
Bei Auslaufen der Sondersteuer verliert also der Bund 2,8 Milliarden
und gewinnt, wenn die Steuerreform nicht kommt, nur 1 Mia. Es würden
demnach noch immer 1,8 Mia S fehlen. Hier gäbe es nach Auffassung
Mussils die Möglichkeit, dass er die 1,8 Mia S als Zusage etappen-
weise der Bevölkerung im Jahre 1972 und 1973 je nach Konjunkturlage
erst zur Verfügung stellen wird. Mit anderen Worten, sie haben sich
die Möllersche Idee angeeignet, entsprechende Steuerzusage zu geben,
die im Laufe der Konjunktursituation im späteren Zeitpunkt erst zur
Auszahlung gelangen sollen. Mein Hinweis, dass jedwede Kürzung
der Steuereingänge sofort im Gesetz vorgesehene Kürzung der Er-
messens- und Förderungsaufwände bedeuten würde, hat er dahingehend
beantwortet, dass ja keinerlei Kürzung im kommenden Jahr von seiner
Seite und damit nehme ich auch an von der ÖVP, zumindest durchgeführt
werden solll. Mein Anbot, ihm gegebenenfalls die Budgetunterlagen
durch einen Einblick – nicht zum Abschreiben und auch nicht für
einen grösseren Kreis bestimmt - zur Verfügung zu stellen, antworte-
te er loyal, er wünsche dies nicht, denn es könnte sonst der Ein-
druck entstehen, wenn irgendwo etwas undicht ist, dass er letzten
Endes die Schuld daran hat und er wünscht deshalb keinerlei
wirkliche Ziffern von mir zu bekommen. Ich vermute, dass dies
eine ehrliche Stellungnahme von ihm war, er sagte auch, dass
die anderen Minister in der ÖVP-Regierung niemals die Budget-
unterlagen der Handelskammer zur Verfügung gestellt hätten. Ich
vermute, dass die ÖVP schon ein Exemplar besitzt und deshalb er


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gar keinen Wert darauf legt selbst in Verdacht zu kommen oder mich
in Verlegenheit zu bringen. Ich habe Androsch über diese Aus-
sprache im Detail informiert und ihn gebeten, dies aber wirklich
strengst vertraulich zu behandeln.

Mit Muliar hatte ich wieder eine Strassendiskussion im Fasanviertel.
Da es sich dort um ein bürgerliches Gebiet handelt, waren verhältnis-
mässig wenig Zuschauer. Unglückseligerweise hatte das Fernsehen
die Absicht, diese Veranstaltung aufzunehmen, und als wir hinkamen
hatten sie bereits alles aufgebaut. Ich brauchte geraume Zeit, bis
ich die Genossen dazu bewegen konnte, sich so um das Auto zu
scharen, dass nicht grosse Lücken entstanden sind. Wenn der Kamera-
mann uns gehässig ist, dann kann er ein ganz leeres Gebiet dort gegebe
benenfalls gefilmt haben. Ebenso war die Einleitung, die wir gemacht
haben, nicht sehr glücklich, ich glaube wir hätten erst sollen Auto-
gramme geben, da entsteht immer ein riesiger Wirbel,,und dann erst
die Diskussion ganz kurz führen, denn das Team hat natürlich nach
ca. 10 Minuten abgebaut. Wenn wir erfahren, dass das Fernsehen
solche Aufzeichungen macht und ich glaube Heindl hat das gewusst,
dann hätten wir unverzüglich Koppe davonverständigt, damit er ent-
sprechende Veranlassungen trifft und uns einweist, was wir zu tun
haben.

Bei der Ministerratsvorbesprechung wurde festgehalten, dass erstens
von jeder Länderreise Marsch vom Zentralsekretariat verständigt wer-
den soll, damit die örtlichen Parteistellen etwas erfahren und ins-
besondere nicht die Landeshauptleute monopolisieren das Eintreffen
und die Betreuung der Minister. Für die Herbstarbeit wird es not-
wendig sein, dass die Budgetunterlagen für den Finanzminister für
seine Debatten innerhalb kürzester Zeit abgeliefert werden, darüber
hinaus will Kreisky dann in der ersten Lesung des Budgets das Wort
nehmen und als Regierungschef von der Regierungsbank die Erfüllung
der bisherigen Regierungserklärung dokumentieren. Er sagt, er
bräuchte dringend von jedem Minister seinen Tätigkeitsbericht bis
zu diesem Zeitpunkt. Und zwar müsste aufgebaut werden, was im
Budget an Millionen bzw. an Milliarden Schilling zur Bekämpfung
der Armut – im Sozialbereich – für die Wirtschaft, für den Unter-
richt, Forschung und Bildung getan wurde. Was die Rechtsreform
bis jetzt erledigt hat und was in der Kulturpolitik gemacht werden
konnte. Das Ganze soll durch eine Aufklärungskampagne, die die


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Partei nachher noch durchführen wird, in Form einer Postwurfsendung
und einem Schriftplakat unterstrichen werden. Der Finanzminister be-
absichtigt, wie Androsch mitteilte, bei seiner Budgetdebatte auf
alle Wünsche der Ressorts, soweit sie im Budget ihren Niederschlag
finden, einzugehen und er möchte sehr gerne – und das braucht auch
letzten Endes Kreisky – die Vorschläge bezüglich der Bürges, der
Fremdenverkehrsförderung, der Industrieförderung und Investitions-
politik, wie wir es uns vorstellen. Heinz Fischer vom Klub teilte
mit, dass die Absicht besteht, gegebenenfalls im Finanzausschuss jedes
Kapitel ressortmässig zu behandeln, aber im Plenum nur eine General-
debatte und anschliessend daran in Gruppen zu verhandeln z.B. Justiz,
innere Verwaltung mit Bundeskanzler, Innenministerium, Justizministerium
Die äussere Verteidigung mit Aussenministerium und Landesverteidigung.
Die Kulturdebatte und die Sozialdebatte und eineBautendebatten und
letzten Endes eine Wirtschafts- und Finanzdebatte wo Land- und
Forstwirtschaft, Handel,und Finanzministerium gleichzeitig behandelt
werden sollte. Bei dieser Gelegenheite teilte er auch noch mit,
dass das Parlament unter einen ungeheuren Druck kommen wird, es wird
wahrscheinlich jeden Tag Plenumsitzung geben und alle anderen Gesetze
müssen ja auch noch im Hohen Haus behandelt werden, insbesondere er-
wartet die Freiheitliche Partei, dass die Wahlreform im Plenum behandelt
ist bevor im Finanzausschuss endgültig abgestimmt ist. Für den Herbst,
steht also wirklich eine äusserst lange Finanz- und Budgetdebatte
aber eine noch viele längere Plenumsdebatte über die anderen Gesetze
ins Haus. Es wird deshalb notwendig sein, dass wirklich nur die
wichtigsten Gesetz-Entwürfe von jedem Ministerium dem Parlament zuge-
leitet werden. Allerdings muss dies jetzt bereits festgesetzt werden,
denn es war der ÖVP-Regierung immer sehr schwierig, obwohl sie die Mehr-
heit im Parlament hatte, die Klubs dann davon zu überzeugen, dass sie
doch zustimmen, wenn noch einzelnen Minister mit nachträglichen Ge-
setzesanträgen in eine bereits fertigen Fahrplan des NR gekommen sind.

Betreffend die Stellungnahmen meines Ressorts zu Sozialgesetzen,
wie z.B. die Abfertigung für Broda oder die Steuergesetze wie z.B.
zu dem Steueränderungsgesetz hatte ich mit den Ressortsministern
besprochen und beide waren natürlich nicht sehr begeistert, wenn wirk-
lich eine solche Stelungnahme dem Parlament zugeleitet wird. Ich


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schlug deshalb Broda vor, er soll mir ganz einfach die von
uns beantragte Verlängerung der Stellungnahmetermines ablehnen
dann würden wir überhaupt keine Stellungnahme abgeben und bezüglich
Androsch werde ich nochmals mit Lescholl sprechen. Rösch verlangte
von mir eine klare Entscheidung, ob in Zukunft die Verordnungs-
ermächtigung für Preisauszeichnung im Unlauteren Wettbewerbsgesetz
§ 37 verankert werden soll, wie wir es derzeit in unserer Aussendung
festgelegt haben oder wie die Arbeiterkammer wünscht, dass im Preis-
regelungsgesetz § 7 die Preisauszeichnung verstärkt werden soll.
Ich glaube, dass es hier notwendig ist, dass man sich mit der Arbei-
terkammer von meinem Ministerium endgültig abstimmt und Dr. Singer
vom Innenministerium zuzieht. Freihsler wird die Begutachtung über
die 6-Monate Wehrdienstzeit jetzt aussenden und es war die Diskussion
ob dies zweckmässigerweise noch vor den Wahlen oder erst nach den
Wahlen geschehen soll. Die Lösung ist, dass er den Landesverteigigungs-
rat ja einberufen muss und er deshalb nicht bereits seine Absicht
kundtun kann. Kreisky ersuchte, dass ich an einem Empfang der Atom-
kommission teilnehme und ich schimpfte wie ein Rohrspatz darüber,
weil nur Moser und ich dazungingen. Androsch durchschaute mich, dies
mache ich nur um mich vor den nächsten 10 Empfängen drücken zu können.
Was wie ich ich ihm zwar nicht bestätigte, stimmt.

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Tagesprogramm, 28.9.1970


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: Justizminister


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      Tätigkeit: Bautenminister


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        Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


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          Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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              Tätigkeit: Bundeskanzler
              GND ID: 118566512


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                Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


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                  Tätigkeit: -obmann


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                    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                      Tätigkeit: Beamter HM


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                        Tätigkeit: Präs. Bundes-Ingenieurkammer


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                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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