Freitag, den 7. August
Kollege Deutsch der Betriebsratsobmann von der Anker-Brotfabrik
und Bezirksverantwortlicher für den 10. Bezirk der Sozialistischen
Gewerkschaftsfraktion kam mit Wienerberger Gewerkschaftskollegen.
Die Wienerberger ist ein Konzernbetrieb mit 1127 Arbeitern und
365 Angestellten. Die Mutter hat 780 Arbeiter und 230 Angestellte.
Ein Teil des Konzerns ist die Tonwarenfabrik – beschäftigt ca. 265
Arbeiter und 45 Angestellte. Die Kollegen waren nun der Meinung,
daß die Tonwarenfabrik, wo ca. 130 in der Ofenproduktion und 130 in
der Steinzeugproduktion verankert sind, deshalb aufgeteilt wurde, um
die Betriebsräte zu schwächen. Sie hatten allerdings bereits zugestimmt,
daß eine entsprechende Umorganisation der Tonwarenfabrik erfolgt.
Die Direktion hat deshalb mit Zustimmung des Aufsichtsrates, aber
auch mit Zustimmung der Gewerkschaft und des Betriebsrates, die
Steinzeugerzeugung aus der Tonwarenfabrik herausgelöst und zur
ÖSDG, das ist die Vertriebsgesellschaft, hinübergegeben, das heißt
die Steinzeugfabrik an die Vertriebsgesellschaft verpachtet. Die
Vertriebsgesellschaft selbst hat nur mehr 20 Angestellte, und jetzt
130 Arbeiter. Die Absicht der Direktion ist – wie ich aus dem Gespräch
entnehmen konnte – ich hatte das ja vermutet und den Betriebsräten
sofort auf den Kopf zugesagt – ausschließlich, einen gesunden Betrieb,
nämlich die Steinzeugerzeugung herauszulösen und die Ofenerzeugung
in der Tonwarenfabrik zu behalten, die aber früher oder später sicher
zu Grunde geht, weil derzeit 30 % nach Jugoslawien exportiert werden,
und dieser Export auf die Dauer sicher nicht aufrechterhalten werden kann.
Dr. Rauter , vom Konsumverband, und Mittermayer, von der GÖC,
kamen um darauf hinzuweisen, daß die in der Kennzeichnungsverordnung
vorgesehene Kennzeichnung der spanischen Sardinen und Fischkonserven
nicht möglich ist. Wenn das Sozialministerium auf diesem Verordnungs-
punkt beharrt – die Verordnung wurde vom Handelsministerium 1968
erlassen – dann könnten mit Ende des Jahres nicht mehr die Fische in
der jetzigen Preislage abgegeben werden, da die Firma eine eigene
Etikettierorganisation – entweder maschinell oder händisch – aufbauen
müßte. Da Mittermayer den Vorschlag machte, das Sozialministerium
sollte die nicht auf die Lagerung und auf die Konservierung hinweisende
Bestimmung verzichten, oder zumindest – wenn sie nicht darauf ist –
tolerieren, hatte ich die Möglichkeit, sie an das Sozialministerium zu
verweisen. Angeblich gibt es derzeit schon bei den kalifornischen
Pfirsichen eine solche Tolerierung, denn dort ist Stärkesirup drinnen
und dies ist nach österreichischem Lebensmittelrecht verboten.
Wir besuchten die ZAE und Dr. Bodenstein und der ehemalige Sekretär
von Mitterer, Dr. Fischer, führte uns durch das Haus. Ich hatte den
Eindruck, daß dies dort noch alles sehr umständlich – allerdings sehr
genau und exakt geführt wird, aber wir doch schauen sollten, durch
Liberalisierung gegenüber dem Osten, so schnell wie möglich diese
ganze Irrsinns -bürokratische Arbeit auflassen können.
Der bulgarische Handelsrat und Attachés kamen um mich auch noch
persönlich vom bulgarischen Außenhandelsminister zur Messe nach
Sofia einzuladen. Ich konnte ihnen erklären, daß ich infolge des zu
erwartenden Wahlkampfes im September unmöglich Wien verlassen
könnte. Allerdings erwiderten sie, daß die nächste Gemischte Kommission
unter Vorsitz des Außenhandelsministers in Bulgarien stattfinden müßte,
denn die war für Februar 1970 in Wien geplant und wurde infolge der
Wahlen auf den Herbst verschoben. Nach Rücksprache mit Kirchschläger,
der mich ebenfalls aufforderte , unbedingt zuerst in ein kleines Land
nach dem Osten zu fahren, schrieb ich einen Brief, wo ich in Aussicht
stellte vom 8. bis 10. September in Sofia bei Abschluß des Vertrages
anwesend zu sein. Kirchschläger steht auf dem Standpunkt, es wäre sehr
zweckmäßig, wenn ich vorher in ein kleines Land,wie Bulgarien, fahre,
bevor ich im Jänner – zur Gemischten Kommission – nach Moskau fahre.
Er glaubt überhaupt, daß meine Einstellung – mich überhaupt nie ins
Ausland zu begeben – auf die Dauer vollkommen unhaltbar ist, und daß
ich schon allein aus außenpolitischen und handelspolitischen Gründen
auf alle Fälle mich in die ausländischen Städte begeben müßte. Er selbst
bezeichnete dies treffend so, daß wenn man mit einem Staat Handel
betreibt, auch der Handelsminister in diesem Staat in Erscheinung treten
muß. Daß ich über diese Eröffnung überhaupt nicht glücklich bin, brauche
ich hier nicht besonders zu betonen.