Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub beweist die alte Tatsache,
dass nichts so schädlich ist wie die sozialen Einrichtungen.
Man findet nach dem Urlaub eine derartige Fülle von Arbeit vor, dass
es – glaube ich – zweckmässiger wäre. gleich bei dieser Arbeit zu
bleiben. Das Büro hat – und insbesondere Wanke – die Unterlagen sehr
gut vorbereitet, sodass ich mich – glaube ich – verhältnismässig
schnell wieder einarbeiten werde.
Trotz unseres Bemühens, den Informationsfluss im Sekretariat beson-
ders gut aufrechtzuerhalten, sind – wie ich aus den vorliegenden un-
erledigten Akten und Zuschriften entnehmen kann – doch einige Infor-
mationslücken auch bei uns festzustellen. Im Urlaub versuchte ich,
mich nicht nur auf dem laufenden zu halten, soweit zumindest die
Öffentlichkeit informiert ist, und aus Zeitungsberichten man sich
ein Bild über Österrreich machen kann, ich versuchte auch die Öster-
reich-Berichte des Bundespressedienstes mir genauer anzusehen. Ich muss
feststellen, dass für einen im Ausland befindlichen Österreichischer
diese Österreich-Berichte doch wertvolle Unterlagen sind, um sich ein
Bild zu machen, was in Österreich vorgeht. Darüber hinaus konnte
ich feststellen, dass nur über die Kurzwelle ein Empfang in weiterer
Entfernung von Österreich möglich ist und es müsste sich eigentlich
Kreisky sehr überlegen, ob wir diesen Österreich-Dienst für ausländische
Freunde, resp. für Österreicher im Ausland, auch einstellen sollten.
Nebenbei bemerkt gibt es auch sehr viele andere Staaten, die zumindest
in Englisch ihre Mitteilungen und ihre Politik über den Äther machen.
Bei dieser Gelegenheit versuchte ich auch, durch Englischsendungen
mein Englisch einigermassen zu verbessern. Den Vorschlag an Wanke,
ob ich nicht vielleicht doch Sprachunterricht nehmen sollte, lehnte
er glattweg ab, denn er steht auf dem Standpunkt, dass es gar nicht
notwendig ist, dass der Minister eine Fremdsprache beherrscht und
zweitens, dass ich dazu sicher keine Zeit haben würde, wenn er sich
allein nur anschaut, was in den nächsten Wochen an aufgestauter
Arbeit zu erledigen ist.
Bei der Besprechung vor dem Ministerrat hatte ich Gelegenheit, mit
Frühbauer über die Stellungnahme seines Ressorts zum Pipeline-Gesetz
und insbesondere klarzustellen, dass die Kompetenz derzeit bei mir
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liegt, und er selbstverständlich erwartet, dass ein diesbezüglicher
Regierungsantragt jetzt von mir ausgearbeitet wird. Er hat nur seinen
Herrn nicht den Auftrag gegeben, dass sie ihre Stellungnahme, die sie
jahrzehntelang jetzt verfochten haben ,nicht nur an das Verkehrsmini-
sterium ressortmässig dazu zuständig ist, sondern darüber hinaus auch
noch selbstverständlich die ganzen Wünsche und alle Details von ihnen
vertreten werden wollten. Aus diesen Grunde sei die Stellungnahme des
Verkehrsministers so ausgefallen, dass man annehmen könnte, es spricht
sich gegen das Pipeline-Gesetz, das wir ausarbeiten, aus. Mit Androsch
besprach ich die am nächsten Tag stattfindende Sitzung über das Budget
des Handelsministeriums und er sicherte mir zu, dass wir 100 Mio S auf
alle Fälle zusätzlich noch von ihm kriegen könnten, da ich damit
aber nicht nur die Abstriche, die seine Herren bei unserem Ressort
vorgenommen haben, decken muss, sondern auch noch die entsprechenden
Vorarbeiten für die Industriepolitik, ersuchte ich ihn, er sollte doch
schauen, ob nicht ein grösserer Betrag im Budget vorgesehen werden könnte
Er erwiderte mir, dass er 200 Mio dafür keinesfalls freimachen könnte
und ich erklärte, dass ich mit jeder zusätzlichen Million über die
100 genauso einverstanden bin wie ich die 100 Mill. seinerzeit akzeptiert
habe, da ich auf dem Standpunkt stehe, er wird sicher sein Möglichstes
für unsere gemeinsame Politik machen. Ich kenne andererseits die Budget-
situation sehr genau und will daher unter keinen Umständen auf ihn ein-
dringen und sagen, das müsste ich unbedingt haben, denn wenn jeder Mini-
ster so vorgeht, kann er unmöglich ein Budget – ein präsentabeles – er-
stellen. Dem Landwirtschaftsminister Weihs konnte ich erklären, dass er
keinesfalls auf dem Standpunkt steht, dass die Rumänen keinen Weizen
haben können, ihm wurde von seinen Herren berichtet, dass angeblich
die Rumänen jetzt mit der Katastrophenhilfe 20 Mill. Kredit keinen
Weizen mehr wollen. Mit Kreisky konnte ich klären, dass jetzt die
Vorbesprechungen, die allerdings zwischen den Interessensvertretungen
ergebnislos verlaufen sind, betreffend Novellierung des Preisregelungs
gesetzes, Preistreibereigesetzes, Rohstofflenkungsgesetzes, dass wir
jetzt eine entsprechende Mitteilung an die Regierung geben werden. Er
war mit dieser Vorgangsweise sehr einverstanden, weil er beabsichtigt,
wenn die ÖVP weiterhin die Bundesregierung und insbesondere ihn so
stark angreift wegen der Preisentwicklung, gegebenenenfalls sogar eine
ausserordentliche Session des Nationalrates verlangen, um dieses
Problem eingehend zu diskutieren und entsprechende Vorschläge von der
Regierung im Hause dann zu beraten. Er ersuchte mich auch, mir das
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schwedische Preisstop-Gesetz anzuschauen, es auch zu beschaffen und
eine solche Möglichkeit in Erwägung zu ziehen.
In der Arbeiterkammer hatte ich mit Präsident Hrdlitschka und Koll.
Hruby eine Aussprache über die Kokspreisentwicklung und die Versorgung
mit Koks. Koller, mit dem ich ebenfalls verhandelt hatte, teilte mit,
dass die VÖEST keinerlei zusätzliche Mengen mehr liefern kann, da sie
auf ihren Öfen bereits kriegsmässigen Produktionsausstoss betreibt.
Die Kohlenlieferung ist für die VÖEST befriedigend, aber es kann nicht mit
einem grösseren Koksausstoss gerechnet werden. Er wird allerdings jetzt
neuerdings in der BRD vorstellig werden, um vielleicht doch zusätzliche
Importmengen zu erreichen. Die Arbeiterkammer hat mir einen Brief ge-
schrieben, wo sie auf die Kokssituation neuerlichs hinweist und 9 Punkte
vorschlägt. Bei diesen neuen Punkten – sie sind in der Beilage zu lesen –
sind die Punkte 5, 6 und 7 , die eine Abstützung der Koksimporte vor-
sieht oder die vorsieht, dass Preisbescheide nur bei Koks. der nur ca.
50.- S/to frei Grenze kostet, erfolgen sollten, unakzeptabel. Für
Stützungsmassnahmen hat das Budget überhaupt keine Mittel vorgesehen und
die Ausstellung von Preisbescheiden für gewisse Kokssorten würde nur
dazu führen, dass die Firmen ohne Preisbescheid die Ware verkaufen, wie
das heute ja bei einige gang und gäbe ist, ohne dass die Preisbe-
hörde etwas dagegen unternehmen kann. Die Aussetzung der Umsatzsteuer
müsste durch eine Gesetzesnovelle beantragt werden und Androsch hat
sich bis jetzt dagegen ausgesprochen. Zeilinger wird es übernehmen,
im Hause des Finanzministers festzustellen, was eine solche Massnahme
an steuerlichem Ausfall bedeuten würde. Die anderen sechs Punkte des
Memorandums können meiner Meinung nach von uns im Haus sofort in An-
griff genommen werden und Hruby wird sich deshalb mit der Obersten
Bergbehörde ins Einvernehmen setzen. Gehart von der Grundsatzabteilung,
der bei dieser Besprechung anwesend war, hatte den Eindruck, dass auch
die Arbeiterkammer gegen uns Stellung nimmt, ich beruhigte ihn aber,
indem ich sagte, das stört erstens nicht und zweitens ist es ganz gut,
wenn wir nicht nur mit der Handelskammer als Ministerium sondern auch
mit der Arbeiterkammer nicht immer übereinstimmen und auch wahrschein-
lich gar nicht übereinstimmen könnten.
Bei der 75-Jahr-Feier des Gummihof-Schneider in Liesing, an der
auch Bürgermeister Marek, VB Slavik, Stadtrat Suttner, sowie vor
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allem Präsident Sallinger von der Bundeskammer neben vielen Firmen-
vertretern und der Belegschaft teilgenommen haben, hatte derjüngste
Schneider – sie sind dort drei Generationen – bereits ein sehr ge-
schicktes Referat gehalten, wo er insbesondere von der österr. Bundes-
regierung sich Zusicherungen holen wollte, dass bezüglich EWG und
Steuern man die Unternehmen nicht vergessen sollte und ich letzten
Endes ja verpflichtet wäre, dort ihre Interessen zu vertreten. Sallinger,
der nach Bürgermeister Marek sprach, hatte vorher gefragt, ob ich
politische Agitation hier betreiben würde. Ich hatte als letzter
Redner nur die Möglichkeit auf den jungen Schneider zu antworten
ohne dass ich natürlich in meiner Rede sofort feststellte, mein
Versprechen, kein politisches Referat zu halten, das ich Sallinger
vorher gegeben hatte, nicht zu verletzen. Ich ging dann auf die
Vorschläge des jungen Unternehmers ein, stellte die Stellungnahme der
österr. Bundesregierung z.B. zur Steuerpolitik dar und konnte zusam-
menfassend sagen, dass sowohl er als auch Sallinger darauf hinweisen,
dass es in Österreich Ruhe und Ordnung gibt und dass die Sozialpart-
nerschaft existiert, um die uns die ganze Welt beneidet, dass eben
die Bundesregierung, um diese Sozialpartnerschaft zu erhalten, Mass-
nahmen setzen muss, die die soziale Symmetrie oder die Belastung der
Unternehmer halt notwendig macht, wie ja auch die jetzige Steuer-
reform klar und deutlich zum Ausdruck bringt, dass den kleineren
Einkommensbeziehern geholfen werden muss.
Am Abend in der Partei, wo wir die erste Ausschussitzung hatten,
kam anschliessend noch Jodlbauer zu mir und beschwerte sich – glaube
ich – mit Recht, dass der Freie Wirtschaftsverband z.B. über unsere
Absicht auf dem Gewichtsverpackungssektor für Schokolade nichts
weiss. Heindl, der anwesend war, konnte zwar bestätigen, dass wir
insbesondere alle Gewerberechtsfragen und alle Fremdenverkehrsfragen
mit dem FWV oder Vertretern von ihm eingehend besprechen, dass es
aber bis jetzt scheinbar im Büro Koppe oder Wanke noch nicht in
diesem Sinne handhaben. Es wird deshalb notwendig sein, dass wir
uns auch intern klar werden darüber, wie wir den Freien Wirtschafts-
verband von unseren Massnahmen verständigen, sodass er nicht aus
der Zeitung erfahren muss, was im Handelsministerium geschieht.
Tagesprogramm, 1.9.1970
Tagesordnung 19. Ministerratssitzung, 1.9.1970
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