Bei der handelspolitischen Besprechung, an der Mussil, Gleissner,
Reiterer, Fälbl, Meisl, Wanke teilnahmen, teilte Mussil mit, dass
er bereit ist, der Multilateralisierung für die Oststaaten zuzu-
stimmen, allerdings nur nach Ablauf der längerfristen Verträge.
Dies würde bedeuten, dass Polen frühstens am 1.1.1973, die CSSR
am 1.1.1971 zum Zuge kämen. Vorziehen würde Mussil nicht für zweck-
mässig erachten, da die Multilateralisierung zwar von der Handels-
kammer selbst verlangt wurde , es ist durch die Einführung der
Technischen Kredite in den Oststaaten, die Notwendigkeit entstanden,
eben andere Formen für die Ausdehnung des Osthandels zu finden.
Mitterer war immer kontra, gegen eine solche Multilateralisierung.
Die Handelskammer hat also deshalb ihre Wünsche gegen den damaligen
Handelsminister durchgesetzt, und zwar deshalb, weil die Oststaaten
insbesondere aber Russland, auf eine solche Multilateralisuerung
neben dem Währungsfonds, USA, Kanada und Schweden aufgedrängt hat.
Die Bundeskammer legt nur bei der Multilateralisierung den grössten
Wert darauf, dass die Konsultationsklausel und Schutzklausel unbedingt
in die Verträge aufgenommen wird. Die zweite wichtige Frage ist
die Liberalisierung gegenüber dem Osthandel. Hier ist die Bundes-
kammer bereit, von den Positivlisten zu den Negativlisten überzugehen.
Es wird sich dabei aber nicht um eine Spiegelgleichheit handeln,
sondern es wird versucht werden, wirklich die Listen sehr einzuschrän-
ken und nur die hard core-Fälle aufzunehmen. Die Zustimmung zur Liber
ralisierung könnte nach Meinung der Bundeskammer aber nur gegeben
werden, wenn eine Rücknahmeklausel in den Verträgen aufgenommen wird.
Bei den GATT-Staaten, wie CSSR und beabsichtigt Polen, wird es
schwierig sein, eine solche Kalusel wirklich durchzusetzen, weil
diese Staaten darauf hinweisen, dass die GATT-Bestimmung schon ent-
sprechende Regelungen vorsieht. Um eine gewisse Aufklockerung gegen
über dem Osthandel zu erreichen, wird versucht werden, Globalkontin-
gente festzulegen. Derzeit gibt es solche Globalkontingente gegenüber
den Oststaaten bei Holz, Schuhen und Wein. Und quasi Globalkontin-
gente bei Elektromotoren, Taschenradio, TV und Lederhandschuhen.
MR Fälbl wies mir Recht darauf hin, dass diese Regelung bei
Verhandlungen sich als äusserst günstig erwiesen hat. So konnte er
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z.B. die Tschechen mitteilten, dass die zwar nur ein Kontingent
für Elektromotoren von 30.000 $ haben, in Wirklichkeit aber 60 – 70.000
$ Elektromotoren nach Österreich liefern. Dies ist deshalb möglich,
weil Elektromotoren als quasi-Globalkontingente überzogen werden können,
indem man von 6 Staaten mal 30.000 $ rechnet, ergibt das 180.000 $
die die CSSR hie tatsächlich liefern kann und deshalb nicht Forderung
stellt auf Erhöhung der Kontingenten. Die Bundeskammer teilte mit,
dass sie von der DDR die Verständigung erhalten hatte, dass in Zukunft
die Aussenhandelsstelle hier nicht mehr der Kammer für Aussenhandel,
sondern dem Amt für Aussenwirtschaftsbeziehung, einer halboffiziellen
Stelle in der DDR unterstellt ist. Theoretisch handelt es sich hier
um einen lgatten Bruch der Verenbarung, weil diese zwischen den Staaten
lautet auf Handelskammerbasis, doch läuft der Vertrag nur bis 31.12.1970
und es wäre deshalb unzweckmässig, einen Krieg in dieser Fragezu be-
ginnen. Auf alle Fälle habe ich von der Handelskammer das Schreiben
verlangt und werde dies dem Minister Kirchschläger übermitteln. Wir
kamen überein, dass Gleihsner mit meinen Herren versuchen wird, die
Probleme, die ich hier geschildert habe, im Detail zu besprechen und
entsprechende Richtlinien für die nächsten Verhandlungen gemeinsam zu
erarbeiten.
Botschafter Bielka-Karltreu aus Bern nützte die Gelegenheit seines
Wien-Aufenthaltes, um ersten mit mir Kontakt aufzunehmen und zweitens
mir doch noch zu erklären, dass die Schweizer grössten Wert darauf
legen würden, mit uns gemeinsam in der EWG-Frage vorzugehen. Ich
konnte ihm mitteilen, dass Weitenauer, der Schweizer Botschafter, der
vor einiger Zeit bei mit vorgesprochen hatte, und einen diesbezüglichen
Wunsch geäussert und von mir die Zusicherung erhalten hat, dass sowohl
der Bundeskanzler, der Aussenminister als auch ich selbst absolut
auf dieser Linie sind. Bielka war darüber sehr erfreut, da er be-
fürchtete, dass wenn wir nicht gemeinsam mit der Schweiz vorgehen,
für uns eine aussenpolitisch schlechte Situation eintreten könnte.
Ich selbst habe zwar nie der Interimslösung grosse Chancen gegeben,
ich war immer überzeugt, dass die EWG sich nicht bereiterklären wird,
mit uns eine Sondervereinbarung zu schliessen. Andererseits aber
stehe ich auch dem Standpunkt, dass ich unter allen Umständen alles
daran zu setzen habe, dass wir mit der Schweiz gemeinsam die Verhand-
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lungen nicht nur beginnen sondern womöglich auch abschliessen können.
Ob Schweden sich dabei anschliessen wird, ist eine zweite Frage, denn
Schweden könnte sich ja – theoretisch ist es ja kein neutrales Land
sondern nur bündnisfrei – auch mit der EWG anders assoziieren wie wir,
ja notfalls sogar beitreten. Nur für die Schweiz und für uns ergibt sich
dieses ganz spezielle Problem, dass wir unter gar keinen Umständen
an einen Beitritt oder eine engere Assoziiierung denkennkönnen. Wenn
nun ide EWG mit der Schweiz ein Arrangement findet, wo wir nicht
dabei sind, dann ergibt sich für uns die Schwierigkeit, dies Russland
gegenüber zu erklären. Im Wiener Memorandum wurde ja festgehalten,
dass Österreich einen Status anstreben wird, wie ihn die Neutralität
der Schweiz vorsieht. Wenn deshalb die Schweiz ein Arrangement mit der
EWG erreicht, dass kann Russland kaum etwas dagegen einwenden , wenn
wir dieselbes Arrangement ebenfalls bekommen. Natürlich wäre es Russland
lieberm uns in die Situation wie Finnland zu bringen, d.h. dass sie
versuchen, uns von der Schweiz abzuspalten. Ein solcher Weg könnte sich
z.B. ergeben , wenn Frankreich sich, um Russland zu beweisen, dass es
doch noch immer der entscheidende Faktor bei den EWG-Verhandlungen ist
und vor allem um Russland zu beweisen, dass es seinen eigenen Weg geht,
diesen Gefallen zu tun und uns von der Schweiz abzutrennen und auf die
finnische Ebene zu schieben. Diese Meinung teilt neben Kreisky auch
Mussil, der – wie ich annehmen kann – in Wirklichkeit in der letzten
Zeit auf die SPÖ-Linie in der Integration vollkommen eingeschwenkt ist
nachdem sich ja herausgestellt hat, dass die ÖVP-Linie Bocks schwer
zu halten ist. Nebenbei bemerkt habe ich einmal eine Aussprache mit
Mitterer und er bestätigte mir, dass er seit eh und je angezweifelt,
hat, ob es möglich sein wird, die Bocks-Linie durchzusetzen. Diese Aus-
sage Mitterer wurde mir auch von den Herren des Hauses bestätigt.
Bielka teilte auch mit, dass ihm Jois mitgeteilt hatte, dass die
Schweizer sich auf diese Verhandlungen sehr intensiv vorbereiten und
Arbeitsgruppen eingesetzt haben. Ich glaube, dass es dringndst notwenidg
ist, dass auch wir im Haus solche Arbeitsgruppe installieren und
werde diesbezüglich Anordnungen unverzüglich erlassen. Reiterer teilte
mit, dass er in einer Verbandssitzung der Industrie und in der Indu-
striellenvereinigung feststellen konnte, dass sie sich jetzt ebenfalls
auf dem Schweizer Weg, d.h. auf die sozialistische Linie eingestellt
hatten. Hier müssen wir einen neuen Weg im Sekretariat gehen, denn
wäre die Bielka-Aussprache nicht gewesen, hätte uns wahrscheinlich
Reiterer von dieser Sitzung überhaupt nichts gesagt. Wir müssen hier
Wege finden, wie wir die Information von den Sektionschefs zu uns
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wesentlich verbessern. Ich werde bei der nächsten Sektion-
sleitersitzung dieses Problem zur Sprache bringen- Von meinem Vorgänger
ist eine Einladung an den Schweizer Bundesrat Brugger erfolgt und Bielka
meinte, es wäre zweckmässig, diese Einladung zu wiederholen. Ich werde
mich deshalb mit Weihs ins Einvernehmen setzen müssen, da Brugger soowohl
für den Aussenhandel als auch für die Landwirtschaft zuständig ist.
Im Verkehr mit unseren Gesandten müssen wir glaube ich auch in einem
Punkt vorsichtiger vorgehen. Es hat mir eine Studentengruppe eingeladen,
nach St. Gallen zu kommen, um dort eine Hochschulwoche oder so etwas
ähnliches zu eröffnen. Ich hatte natürlich abgesagt, weil ich dafür
keine Zeit habe und ihnen mitgeteilt, dass ich den Botschafter bitten
werde, mich zu vertreten. Bielka teilte mir nun mit, dass es sich hier
um eine sehr aktive, aber doch sehr unbedeutende Gruppe handelt, und
dass deshalb überhaupt niemand Höhergestellter oder Gesandter an dieser
Hochschulwoche teilnehmen wird. Die Methode dieser Gruppe ist immer
dieselben, dass sie eben z.B. an den deutschen und schweizerischen
Handels- oder Wirtschaftsminister schreiben und diesem mitteilen,
sie hätten auch den österreichischen Handelsminister eingeladen und
es sei anzunehmen, dass er kommen wird und dann ergibt sich automatisch
dass ein verhältnismässig hohes Niveau von Delegierten zu verzeichnen
ist, denn auch der ausländische Minister sagt sich, na dann schicke ich
den Gesandten zu dieser Woche. Endergebnis ist, dass er sich erkundigt
hat und festgestellt hat, dass nicht einmal ein Ministerialsekretär bei
dieser Woche anwesend sein wird und er deshalb vorschlägt, dass man
maximal den Generalkonsul Linhart hinschickt, wenn ich selbstverständ-
lich mit dieser Vorgangsweise einverstanden bin. Ich hatte natürlich
unverzüglich zugesagt, dass ich diese Vorgangsweise für absolut richtig
finde. Wir müssen in Zukunft nur, bevor wir irgendwo Zusicherungen
geben, uns über die Botschaft erkundigen, um was es sich eigentlich bei
diesen Aktionen, Hochschulwochen oder Veranstaltungen handelt.
Wie schwierig es für einen Minister ist, manchmal Probleme abzuwimmeln,
ergab die Vorsprache des Obmannes Noichl vom öster. Bergführerverband.
Rabofksy, der diese Leute rechtlich beratet, hat durchgesetzt, dass
ich doch auch, angeblich sehr kurze Zeit mich mit dem Noichl zusammen-
setzen wollte, um mir sein Problem anzuhören. Tatsache ist, dass das
in Österreich das Bergführerwesen als Gewerbeordnungsfaktor als freies
Gewerbe gilt. Deshalb sind ca. 8 Bergführer nach diesen
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gewerberechtlichen Bestimmungen befugt, ihre Tätigkeit auszuüben.
Andererseits gibt es die landesgesetzliche Regelung für das Berg-
führerwesen und dort werden ca. 800 Bergführer davon betroffen.
Um nun diese Spaltung wegzubringen und wie Rabofsky meint, es wäre
dringend notwendig, Sicherheiten einzubauen, damit nicht Unbefugte
dieses Gewerbe als freies Gewerbe ausüben können, sollte nach seiner
Meinung die Verfassung dahingehend geändert werden, dass eine Bestimmung
aufgenommen wird, dass zwar Industrie und Gewerbe Bundessache ist,
ausgenommen aber Bergführerwesen. Ich halte eine solche Vorgangsweise
für kaum zielführend, denn man nicht vergessen, dass wenn alle diese
wie Rabofsky selbst gesatz hat, "Fliegenschisse", d.h. vollkommen unbe-
deutende Fragen in der Verfassung geregelt werden müssen, dass wir dann
keine Verfassung sondern einen Katalog zusammenkriegen, der alles eher
ist als eine Verfassung. Schärf selbst hatte sich zeitlebens – und ich
hatte das einige Male erleben können – immer dann entschieden dagegen
ausgesprochen, die Verfassung zu ändern, weil er erklärt hat, wenn man
erst einmal damit beginnt, dann kann man mit Sicherheit annehme, dass
in kürzester Zeit dieses grundlegende Gesetz durchlöchert wird und alles
eher als eine wirkliche Verfassung darstellt. Um aber Rabofsky zu beweisen
dass ich mich dieser Sache ja doch irgendwei annehme, versprach ich, dass
wir beim Verfassungsdienst vorstellig werden um seine Meinungnzu
dieser Frage inzuholen.
Bei der Vorbesprechung zur Wirtschaftspolitische Aussprache im Rahmen
der Paritätischen Kommission hatte ich Gelegenheit, mit Mussil über
die Frage der Konsumentenschutzpolitik im Handelsministerium zu sprechen.
Ich wies darauf hin, dass wir ähnlichnwie das in Schweden der Fall ist,
mit Hilfe von Verordnungen, Qualitätszeichen erlassen wollen, die
im Rahmen des Konsumentenforums nächste Woche von mir verkündet werden
wird. Mussil hatte im Prinzip nicht sdagegen einzuwenden, meinte nur,
dass es schon derzeit genügend Möglichkeiten gäbe und neue Formen nicht
gefunden werden müssen. Ich konnte diese Meinung nicht zustimmen, sondern
verlangte, dass das Handelsministerium eben Prüfnormen an einen Verein
ergehen lassen müsste, damit ähnlich wie in Schweden dann entsprechende
Qualitätszeichen und Gütezeichen gefunden und erstellt werden können.
t
02-0298
Derzeit ist mir ja nur bekannt das sogenannte Wollsiegel und das
ist zweifelsohne für eine fortgeschrittenen Industriestaat zu wenig.
Bezüglich unserer Forderung auf Grund des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes,
auch den Interessenvertretungen eine Klagelegitimation zu geben, konnte
Mussil nicht zustimmen, sondern er erklärte, dass er niemals eine solche
Regelung in Aussicht gestellt hat. Ich versprach ihm die Fotokopien
eines Schreibens, das wir in Akten vorgefunden haben.
Die Industriestudie, die jetzt in der nächsten Präsidentenkonferenz
abgeschlossen und letzten Endes freigegeben werden soll, wird von
ihm dahingehend beanständet, dass immer noch über die ERP-Mitteln ver-
fügt werden soll, dass diese der Industrie restlos zur Verfügung gestellt
werden sollen. Er könnte einer solchen Regelung unter gar keinen Um-
ständen zustimmen. Die scheinbar von der Industriellenvereinigung ange-
strebte Vereinbarung, wonach dei Gewerbebetriebe über das Gewerbestruk-
turverbesserungsgesetz ihre Zinszuschüsse und Kredtiregelungen erhalten
sollen, hingegen die Industrie über die ERP-Rahmen entsprechend befrie-
digt wird, hat nicht die Zustimmung der Handelskammer gefunden. Es wird
deshalb in der Präsidentenkonferenz von Sallinger verlangt werden, dass
diese Bestimmung aus der Studie entfernt wird. Betreffend die andere
Tätigkeit des Beirates auf diesem Sektor wäre Mussil im Prinzip ein-
verstanden, dass eine Arbeitsgruppe neuerlich konstituiert wird, die
sich z.B. mit dem Hemmniskatalog und anderen Fragen der Industriepolitik
beschäftigen sollte, allerdings sagt er, er lehne eine Vorsitzführung
durch Kottulinsky auf das entschiedenste ab. Ich selbst war natürlich
einverstanden, dass eine andere Vorsitzführung vom Präsidenten be-
schlossen wird.
ANMERKUNG: Bitte, Anmerkung für Benya und Hrdlitschka
In der Wirtschaftspolitischen Aussprache konnte Nemschak die neuesten
Ziffern vom Prognoseteam für das Jahr 1970 vorlegen. Dnach wird das
Bruttonationalpordukt real nicht wie in der Dezemberprognose um 5 % sondern
um 6 % zunehmen. Ausserdem werden die Verbraucherpreis nicht wie an-
genommen im Herbst 1969 mit- 5 % im Jahre 1970 steigen sondern max.
um 4,5 % und hier sind auch noch gewisse Reserven vorhanden.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut hatte die 5 %-ige Prognose
für die Preise deshalb erstellt, weil es angenommen hat, dass
die Regierung der ÖVP, wenn sie wieder gewählt wird, mehrere
Tarifkorrekturen im Herbst durchführen will. Nemschak wies be-
sonders darauf hin, dass ich bei der Herbstsitzung unter Klaus immer
wieder verlangt habe von ihm die Ziffer der Preiserhöhungsrate zu
erfahren , er hatte deshalb damals 5 % in Aussicht gestellt.
Ich glaube, dass wir uns derzeit nicht mit dieser Ziffer ausein-
andersetzen sollten, erst am Jahresende, wenn wir unter die 5 -%-Rate
kommen, dann darauf hinweisen, dass dies die preisdämpfenden Mass-
nahmen und die erfolgreiche Preispolitik der soz. Regierung gewesen
ist.
Gen. Direktor Seidl wies darauf hin, dass die industrielle Produktions
steigerung in den ersten vier Monaten um plus 10,5 % betragen hat,
und auf die guten Auftragspolster zurückzuführen ist, dadurch könnten
die Produktionseinteilungen der Betriebe günstig durchgeführt werden
und erzielten deshalb grosse Produktivitätsraten. Die Unternehmer
hätten ausserdem 1969 gute Gewinne gehabt und deshalb seien sie
in stärkere Investitionen gegangen mit dem Endergebnis, dass diese
jetzt tragend werden und deshalb diese hohen Produktionsziffern
erreicht werden können. Ein Beweis dafür, dass diese Investitionen
zwar zweck- und zielführend sind, sie aber auf Grund des Gewerbe-
förderungsgesetzes prozyklisch anstelle antizyklisch eingesetzt
werden. Mussil meinte, dass man die Konjunkturpolitik nicht beein-
flussen müsste, dass aber Massnahmen ergriffen werden sollten, damit
wenn ein Konkjunkturrückschlag kommt, entsprechende vorbereitete Pro-
jekte der Regierung zur Verfügung stehen. Androsch hat ja zu diesem
Zweck bereits von einem Eventualbudget, welches mit konjunkturpoliti-
schen Projekten ausgestattet werden soll. Mussil verlangte ausser-
dem, dass die Verhandlungen über die Mehrwertsteuer so geführt werden,
dass sie spätenstens mit 1. Jänner 1972 in Kraft treten kann
d.h. sie müssen eigentlich jetzt im Herbst im Nationalrat eingebracht
werden, er meinte, dass ein solches Gesetz nur von allen Parteien
gemeinsam verabschiedet werden könnte. Ich verlangte, dass der Beirat
aufgefordert wird, über die Auswirkungen eines Mehrwertsteuergesetz.
entwurfes entsprechende Untersuchungen anzustellen. Androsch teilte
mit, dass die Verhandlungen im Finanzministerium eigentlich
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nur sehr zögernd weitergehen und über die Grundsatzfragen noch
nicht entschieden werden konnte. Es ist weder der Steuersatz
noch die echte Steuerbefreiung oder die unechte Steuerbefreiung
geregelt. Ausserdem wünscht die ÖBB, die Land- und Forstwirtschaft,
die Sozialversicherungsinstitute und die Mietenregelung eine Sonder-
behandlung. Die Altvorräte, die in irgendeine Weise steuerlich
entlastet werden, machen einen Betrag von ca. 70 – 80 Mia S aus.
Und die Altinvestitionen, die ebenfalls in irgendeiner Weise ge-
regelt werden müssen, einen Betrag von 300 Mia. Es ist anzunehmen,
dass eine Investitionssteuer eingeführt werden muss, wie dies
auch in Deutschland der Fall gewesen ist. In der BRD ist das
Mehrwertsteuergesetz in drei Legislaturperioden im Parlament ge-
legen und hat dort keine Behandlung erfahren, weil die Schwierig-
keit der Materie und die politische Konstellation des Bundesrates
eine solche unmöglich gemacht hatte.
Ich wusste, dass das Institut für Wirtschaftsforschung eine
Studie über die Auswirkungen der Mehrwertsteuer erarbeitet hatte
und bin der Meinung, wir sollten diese Studie so schnell wie
möglich vom Institut für Wirtschaftsforschung erhalten. Allerdings
ist dies nie offiziell geschehen.
ANMERKUNG: Ich bitte Wanke, eine solche vom Institut zu erlangen.
Anschliessend an die Sitzung hatte ich Gelegenheit mit Androsch,
Vizepräsident Generaldirektor Seidl und Mussil unter Zuziehung
von Zöllner und Lachs über das Problem der Lenk-Traktoren zu
sprechen. Die Landwirtschaftskammer hat mir einen Brief geschrie-
ben. worin sie unbedingt darauf besteht, dass diese Traktoren,
die in Österreich nicht erzeugt werden, zöllfrei eingeführt werden.
Als Vorgang wurde vereinbart, dass dafür die Maschinenkommission
die Zollfreistellung ausstellen sollte. Dies hat der Fachver-
band und auch der Bundeskammervertreter zugestimmt. Jetzt haben
wir vom Fachverband ein Schreiben erhalten, wo sie diese Zusage
rückgängig machen. Ich versuchte deshalb, Mussil davon zu über-
zeugen, dass es unzweckmässig ist, wenn er so vorgeht. Das Ergebnis
könnte sein, dass Androsch dann diese Produkte auf die § 6-
Zollfreiliste setzt. WEil Mussil vielleicht das GEfühl hat, dass er –
weil er Informationen von seiner Seite nicht bekommen kann, hinein-
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gelegt wird, hatte ich unverzüglich, nachdem ich in mein Büro
zurückkam, ihm telefonisch den Wortlaut der Mitteilungen über-
mittelt. Ich werde ihm ausserdem diese Materie in Fotokopie
zur Verfügung stellen, um sein vielleicht berechtigtes Misstrauen
von seiner Seite aus wirklich zerstreuen zu können. Da mich
Androsch gebeten, ich sollte wegen des Initiativantrages über Über-
stundenfreistellung mit der Handelskammer verhandeln, hatte ich
diese Gelegenheit genützt und Androsch kenne anschliessend nach
der Sitzung feststellen, dass ich mich in der Frage sehr einge-
setzt hatte und Mussil sich bereiterklärt hat, eine vernünftige
Lösung mit ihm zu besprechen.
Die Arbeiterkammer Vorarlberg hat in der Vollversammlung am 22.6.
eine Resolution beschlossen, die sich gegen die Politik der sozia-
listischen Bundesregierung, insbesondere die Verlängerung der
Zuschläge zur Lohn- und Einkommenssteuer ausspricht. Ausserdem wird
die sofortige und kräftige Anhebung der Familienbeihilfen, wie es
die ÖVP verlangt hat, als zweckmässig dargestellt. Ich muss sagen,
es ist also Präsident Jäger in Vorarlberg, der dem ÖAAB angehört,
gelungen, unsere Genossen dort sehr in die Defensive zu drängen.
Ich glaube, dies ist darauf zurückzuführen, dass vielleicht diese
Genossen zu wenig informiert sind und wir werden uns hier einen
besseren Informationsfluss ausdenken müssen..lch habe zwar in
der Fraktionssitzung des Arbeiterkammervorstandes immer wieder
berichtet, aber scheinbar ist diese Information steckengeblieben
und nicht an die Genossen in den Bundesländern weitergegeben worden.
Es wird sich Koppe den Kopf zerbrechen müssen, wie er hier eine
bessere Information und ein koordinierteres Vorgehen der Arbeiter-
kammern bewerkstelligen kann.