Mittwoch, der 11. Mai 1983

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Mittwoch, den 11. Mai 1983

Eine 21-köpfige Gewerkschaftsdelegation aus Japan besuchte Öster-
reich. Es waren ausschließlich Lebensmittelarbeiter, die bereits
zum 11. Mal im Ausland waren. Ihre Organisation gehört seit 1973
der Internationalen Union der Lebensmittelarbeiter an. Überraschend
für mich war das Durchschnittsalter dieser Delegation, man kann die
Japaner schlecht schätzen, aber ich glaube, das war die jüngste
Gewerkschaftsdelegation, die ich jemals kennengelernt habe. Weiters
war für mich auffallend, daß sie größten Wert darauf legten, nicht
einmal, sondern zweimal unsere Gewerkschaft zu besuchen. Jede andere
Delegation aus anderen Staaten hätte irgendeine Besichtigung in Wien
vorgezogen, als sich in einen Sitzungssaal zu setzen und dort Gewerk-
schaftsprobleme zu besprechen.

Dir. Brandtner von der Fa. Grundig informierte ich sowie die Bundes-
handelskammer und auch Philips über die Ablehnung der japanischen
Botschaft über Selbstbeschränkungsabkommen zu verhandeln. Brandtner
bestätigte mir, daß die Grundig-Leute auch mit den Japanern keine
andere Erfahrungen haben als die Philips-Zentrale. Die österr.
Grundig-Firma ist glücklich, daß die Verhandlungen zwischen Thomson-
Brandt, Frankreich, und Grundig Deutschland gescheitert sind. Offiziell
werden sie dies nicht sagen, aber man bestätigte mir, daß die Gefahr
bei Thomson bestanden hat, das Wiener Werk entsprechend zu redu-
zieren, wenn nicht gar ganz stillzulegen. Die französische Gruppe
nämlich kann mit Unterstützung des französischen Staates rechnen,
wenn sie alles unternimmt, um ihre Arbeitsplätze in Frankreich
aufrecht zu erhalten und in zugekauften Fabriken in ausländischen
Staaten ganz einfach stillegt. Bei der 75-Jahr-Feier von Herrn
Grundig vorige Woche haben Interners gesagt, daß Grundig und Philips
sich jetzt doch irgendwie zusammenschließen werden. Ursprünglich hat
man erwartet, daß Max Grundig dies zu seinem 75. Geburtstag
verlautbaren wird. Brandtner mußte mir gegenüber zugeben, daß man bei
Grundig nie weiß, wie er sich letzten Endes entscheidet.

Ich habe den Grundig-Leuten klargemacht, daß jede Lösung mit Philips
für die beiden Wiener Werke und für die beiden österr. Gesellschaften
von großer Bedeutung ist. In der Vergangenheit war es mir möglich,
wie manche sagen, faule Kompromisse, die Wünsche Grundigs auf zollfreie
Einfuhr von japanischen Farbfernsehröhren, mehr oder minder durchzu-
bringen. Im vergangenen Jahr gab es einen Kompromiß nicht mehr, da


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Philips es entschieden ablehnte. Der Ausweg war, daß das Sozialmini-
sterium aus der Arbeitsmarktförderung Grundig-Werk Wien eine Unter-
stützung gab. Da schon allein aufgrund der japanischen Ablehnung die
Japaner immer mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf Entgegenkommen
rechnen können, glaube ich kaum, daß jemand noch für zollfreie Ein-
fuhren, die nicht vertragsmäßig gegeben werden müssen, aus Japan
rechnen kann. Brandtner bestätigte mir, daß dieses Problem sich früher
oder später lösen wird. Philips kann heuer die größte Anzahl von
Röhren aus Lebring an Grundig verkaufen. Grundig hat nur die Chance,
event. wieder aus dem Sozialministerium entsprechende Unterstützung
zu bekommen.

ANMERKUNG FÜR SC MARSCH UND HAFFNER: Welche Möglichkeiten seht Ihr?

Zum 31. Mal wurde heuer der Staatspreis "Die schönsten Bücher Öster-
reichs" verliehen. Diesmal war eine sehr starke Beteiligung und zwar,
was beachtlich ist, von 1.400 S das Buch bis zu 60 S, ein Lehrbuch,
aber auch nicht subventioniert. Der Bücherexport hat sich im vergangenen
Jahr, im Verhältnis der letzten 10 Jahre, auf 900 Mio. entwickelt und
damit verdoppelt. Die österr. Bücher machen Furore, insbesondere aber
auch unser Farbprospekt. Die Aktion wurde, wie dann Präs. d. Hauptver-
bandes, Maiwald, in seiner Dankesansprache erinnerte, 1947 vom Haupt-
verband das erste Mal verliehen. 1954 hat dann das Handelsministerium
diesen Staatspreis gegründet. In meiner Ära, betonte Maiwald, wurde
insbesondere der Farbkatalog geschaffen, der heute bei den deutschen
Buchmachern nicht mehr wegzudenken ist und dort wirklich guten Anklang
findet. Maiwald betonte, und dies glaube ich wirklich zu Recht, daß sich
kein Minister vorher und kaum wahrscheinlich nachher einer so für die
Bücherauszeichnung interessieren wird. Dies führt er aber zu Recht
auf meine Berufsausbildung, Stein- u. Offsetdrucker und daher diesem
graphischen Gewerbe besonders verbunden, zurück.

Die Firma Niedermeyer hatte bereits vor längerer Zeit das Staatswappen
bekommen. Durch Gesellschaftsänderung mußte es jetzt neu verliehen
werden. Diesmal waren nicht, wie bei der 25-Jahr-Feier, viel Hono-
ratioren eingeladen, sondern, was mich viel mehr freute, ein großer Teil
der Belegschaft. Zwei Fotofirmen haben bis jetzt das Staatswappen be-
kommen. Die Firma Herlango ist allerdings in Konkurs geschlittert,
weshalb die Vertreter der Handelssektion meinten, ich könne es doch
der Firma Nettig, die auch führend in der Branche ist, verleihen.
Dort allerdings, hat man mir gleich gestanden, gibt es keinen Betriebs-


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rat, weshalb die AK sich dagegen ausgesprochen hat.

ANMERKUNG FÜR VECSEI: Bitte bei der AK rückfragen.

Die Aussprache mit Präs. Hesoun von der AK-NÖ und SL Zluwa, MR Burian
ergab, daß Hesoun in Hinkunft stärker mit der HK gemeinsam, also
auf Sozialpartnerbasis die Energiefragen besprechen und koordinieren
möchte. Diese Vorgangsweise halte ich nicht nur für zweckmäßig, sondern
auch als einzige zielführend. Die politischen Parteien werden auch dann,
wenn jetzt in die Regierungserklärung der Ausbau von Hainburg extra
aufgenommen werden soll, sich in allen Energiefragen äußerst schwer tun.
Die Umweltschutzansichten innerhalb der Regierung werden nicht nur
ressortmäßig große Differenzen geben, sondern eben auch parteipolitisch
große Schwierigkeiten bereiten. Dies ist der Grund, warum GD Fremuth
von der Verbundgesellschaft dem AK-Präs. Czettel, der im Verhandlungs-
komitee der FPÖ sitzt, allen Ernstes vorgeschlagen hat, man sollte
die elektrische Energie wieder aus dem Handelsministerium herauslösen.
Eine solche Vorgangsweise halte ich für sachlich überhaupt nicht be-
gründet und unzweckmäßig. Wenn die Elektrizitätswirtschaft Schwierig-
keiten mit ihrem Ausbau hat, muß sie sich eben versuchen, im Rahmen
des Handelsministeriums, gegebenenfalls gegen den Minister durchzu-
setzen. Ich persönlich bin auch überzeugt, daß jeder Minister dann
aus Sachzwängen im täglichen Entscheidungszwang andere Stellungnahmen
abgeben wird als bei den Wahlkämpfen als Oppositionspartei. Wenn es
zu einer zielführenden Kooperation zwischen AK und HK kommt, wird dies
der Elektrizitätswirtschaft einigermaßen helfen können.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte diese Politik, wenn möglich, weiter-
verfolgen.

Bei der Fa. Shell wurden zumeist schon in Pension befindliche Direktoren
mit Orden ausgezeichnet. Für mich am interessantesten war Dir. Balogh.
Dieser hat wirklich in den Jahrzehnten, wo ich mit ihm zusammenarbeitete,
nicht nur sich als ausgesprochener Fachmann erwiesen, sondern auch die
ganze Arbeit bezüglich der Preisbildung und Preisverhandlungen zu
führen gehabt. Die Generaldirektoren waren nämlich immer in Wirklichkeit
auf sein Wissen angewiesen. Selbstverständlich ist es bei diesen An-
sprachen zu vielen Pomous und Geschichterln aus dieser gemeinsamen
Tätigkeit gekommen. Die Shell-Leute haben es dann bedauert, daß sie
kein Tonband haben laufen lassen. Balogh und ich haben ein Stück der
Ölgeschichte Österreichs humorvoll erzählt.



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ANMERKUNG FÜR VECSEI: Da sollte man gelegentlich Aufzeichnungen machen.

Erstmals wurde mir mein beginnendes Pensionistenleben so klar, als ich
abends mit den ehemaligen Jugendlichen, d.h. unserer Gruppe von den
Roten Falken der Ersten Republik über die ganze illegale Zeit bis dann
zur SJ der 2. Republik zusammengetroffen bin. Von denen sind alle
schon in Pension und man hat mich sozusagen als Pensionist liebevoll
wieder begrüßt.

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Tagesprogramm, 11.5.1983

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Präs. AK NÖ


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      Tätigkeit: Shell Österreich


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        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 115563237


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            Tätigkeit: GD Wiener Werk Grundig


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Gründer Grundig AG


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                  Tätigkeit: Stat. Zentralamt, ab 1981 Büro JS


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                    Tätigkeit: Präsident AK
                    GND ID: 121924882


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                      Tätigkeit: Pressesprecher Staribachers


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                        Tätigkeit: Beamter HM


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                          Tätigkeit: Innungsmeister graph. Gewerbe


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