Dienstag, 3. Mai 1983
Der mauretanische Industrie und Handelsminister Diop hat bei der UNIDO
verhandelt und gleichzeitig um eine Aussprache mit mir ersucht. Maure-
tanien ist eines der ärmsten Länder in der Sahelzone, 14 Jahre herrscht
Trockenheit, 82 der Höhepunkt, 80 % der Ernte vernichtet, 60 % des
Viehbestandes verloren. Die Idee der Regierung ist nun Industrie in
diesem Land aufzubauen, damit die Bevölkerung Beschäftigung hat, da sie
damit rechnet lange noch aus dieser Trockenperiode nicht herauszukommen.
Dafür benötigt sie technischen Transfer und auch entsprechende Ausbil-
dung, dies will sie mit neuen Partnern machen, scheinbar gehen die Franzo-
sen doch nicht so viel als sie möchten, vor allem Österreich als neu-
traler kleinen Staat wäre interessant. Das wirkliche Problem ist aber,
daß sie wahrscheinlich weltweit versuchen mehr Entwicklungshilfe zu
bekommen. Wir haben aus diesem Land im vergangenen Jahr gar nichts impor-
tieren können und auch vorher waren es immer nur 100.000-e S. Unser
Export belief sich im vergangenen Jahr belief sich allerdings auch nur
auf 3,1 Mio. S. Die von der VÖEST-Alpine errichtete Raffinerie ist vori-
ges Jahr mit 3 Jahren Verspätung in Betrieb gegangen, seit dem Juni
82 wurden 300.000 to verarbeitet, die Kapazität liegt aber bei 1 Mio.
Diop behauptete, sie funktioniert. Staatssekretär Lacina, mit dem ich ge-
sprochen habe, meinte dies trifft nicht zu. Er hätte auch mit Diop ge-
sprochen und dieser hätte ihn zum Unterschied von mir ersucht, die Maure-
tanier brauchen, nachdem sie 5 Jahre rückzahlungsfrei einen Kredit von
700 Mio. für den Raffinerieausbau bekommen haben, weitere 10 Jahre. Dann
soll auch der Zinssatz nicht 4 % betragen, sondern 0,5 %. Sie können nicht
zahlen, am liebsten wäre ihnen, es wird abgeschrieben,, geht dies nicht,
dann eben wieder Verlängerung der Kreditrückzahlung, früher oder später
also Abschreibung dieses Kredites.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was sagt die VÖEST, wie die Raffinerie funktioniert?
Bei der Ministerratsvorbesprechung ist Kreisky ganz pünktlich gekommen.
Ein deutliches Zeichen, daß er jetzt auch als mit der Geschäftsführung
des Bundeskanzleramtes betrauter Kanzler mehr Zeit haben muß als früher.
Einleitend stellte er eine einzige Frage. Der sudetendeutsche Tag zu
Pfingsten 83 ersucht die Regierung daran teilzunehmen. Er konnte sich
nicht daran erinnern, daß jemals ein Regierungsmitglied teilgenommen hat,
mir allerdings war dies sehr wohl in Erinnerung. Sinowatz, der immer da-
mit rechnet, daß Kreisky sowieso zu spät kommt, ist erst gerade in diesem
Moment zur MRV erschienen und erklärte sofort, daß er das letztemal teil-
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genommen hat und sogar einen Empfang gegeben hat. Diesmal wird Bundesprä-
sident Kirchschläger teilnehmen und sprechen. Außenminister Pahr meinte,
die Tschechen werden sowieso auf alle Fälle dagegen protestieren. Sinowatz
kann also daher auch ruhig wieder teilnehmen.
Bezüglich der Verhandlungen meinte Kreisky nur ganz kurz, sie beginnen
mit den Freiheitlichen in aller Form, die Vorstellungen von diesen sind
relativ bezüglich Regierungsbeteiligung maßvoll, abhängen wird es aber,
wie der Inhalt aussieht. Insbesondere die Steuerpolitik. Es wird Auf-
gabe des Verhandlungskomitees sein, die sozialistischen Zielvorstellungen
darzulegen. Der Herausgeber der Kronenzeitung Dichand wird einen hefti-
gen Kampf gegen die Quellensteuer führen. Gegen diese Zeitung muß man aber einmal diesen heftigen Kampf durchstehen. Es muß ein vertretbares
Kompromiß gefunden werden, daß man für die nächsten 4 Jahre gilt, man
darf jetzt keinesfalls kapitulieren. Das Fernsehen und die Radiosendun-
gen werden auch gegen uns sein. Überall ist eine Mafia am Werk. Er warnt
vor den Konspirierern in der eigenen Partei, die sich's mit Dichand regeln
wollen. Das Foyer hätte abgesagt, die Verhandlungspositionspapiere mit
der ÖVP werden, wie Fischer ihn dann korrigierte, heute um 16 Uhr ausge-
tauscht. Er selbst hätte keinen politischen Bericht. Dies war die kürze-
ste Vorbesprechung, keine 10 Minuten.
Ministerrat wurde wie üblich abgewickelt, keinerlei Bemerkungen zu den
30 Punkten. Die Sitzung war so schnell aus, daß sogar kein Chauffeur beim
Auto war als wir runtergekommen sind. Nachdem wir eine halbe Stunde
gewartet haben, hat Staatssekretär Fast Albrecht und mich dann wie ich
immer sage ins Gewölb mitgenommen. Ich male mir aus was passiert wäre,
wenn mein Amtsvorgänger Mitterer, der ein furchtbares Heferl war, sozu-
sagen in seinem Abgangsstadium ja furchtbar getroffen hat passiert wäre
da kann ich nur sagen nicht auszudenken.
Vecsei berichtet mir von der Pressereferententagung der Ministerien und
sozusagen anderen Parteiverantwortlichen. Auch dort mehr als eine magere
Beteiligung. Deutliche Auflösungserscheinungen also überall.
Der niederösterreichische Landwirtschaftskammerpräsident Bierbaum hat
in einem Schreiben um eine Aussprache ersucht, die ich ihm sofort gewährte.
Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß bei Accordino-Verhandlungen im
letzten Jahr die Niederösterreicher nur für ein Jahr zugestimmt haben,
daß für 200 Stück Schlachtrinder die nach Südtirol exportiert werden
dürfen 1320 hl hereinkommen können. LRat Partl hätte dies sozusagen
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Bierbaum intern abgerungen. Über das heurige Kontingent hätte es sollen
zeitgerechte Verhandlungen der Interessensvertretungen geben, diese
haben aber dann nicht stattgefunden. MR Pschorn, der mir über diese De-
tails überhaupt nichts gesagt hatte, meinte, es hätten sehr wohl Gespräch
mit der Landwirtschaftskammer bereits im Vorjahr beginnend stattgefun-
den, doch müsse er sagen, es gibt kein bedingtes Kontingent bei den Italie-
nern. Bierbaum beharrt aber nach wie vor auf die Kürzung des Weinkontin-
gentes, die 200 Stück Schlachtrinder können im Inland leicht verkauft
werden, weil es sich hier angeblich um Wurstvieh gehandelt hat, das wir
im Inland sehr wohl gut brauchen können. Pschorn als Vorsitzender des
österreichischen Accordino-Komitees möchte mir klarmachen, daß er mit
dem Landwirtschaftsministervertreter sehr wohl alle Fragen bis ins De-
tail abgesprochen hat. Ich mußte ihm nach 13 Jahren, und das ist das
Erschütternde, erklären, daß es auch notwendig gewesen wäre, die Landwirt-
schaftskammer entsprechend zu informieren. Der Landwirtschaftskammerre-
ferent Dr. Slezak war angeblich informiert, da er derzeit auf Dienstreise
in Prag ist, konnte ich ihn resp. Bierbaum nicht erreichen. Ich habe
Bierbaum sofort für die Freitagverhandlung zum Accordino-Gespräch einge-
laden. Ich habe nämlich mit Außenminister Pahr und Landwirtschaftsminister
Haiden vereinbart, daß, was immer letzten Endes dann bei den Accordinover-
handlungen herauskommen wird, wir vorher mit der Landwirtschaftskammer
und den Teilnehmern der Accordinoverhandlungen unbedingt diese Aussprache
abhalten müssen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte stell fest, wer jetzt aller Freitag kommen
wird.
Im Präsidium auf der Landstraße wurde die Bestellung des neuen Bezirks-
vorstehers Bergen besprochen und auch dann einstimmig beschlossen. Meine
Nichtmandatsannahme als Nationalrat habe ich dann dem Landesparteise-
kretär und Präsidiumsmitglied Sallaberger nochmals im Detail klarge-
legt. Interessant ist, daß ich gar nichts jetzt unternehmen muß, denn
mein Mandatsannahmeschreiben, das ich Montag abends bereits am Postweg
übermittelt vorfand, wäre sowieso schon abgelaufen gewesen. Sallaberger
hat aber bereits mit meinem Einverständnis über das Wiener Präsidium
der Partei die Zentralpartei über meine Nichtannahme informiert. Nach
bekanntwerden des Wahlergebnisses muß nämlich innerhalb 48 Stunden diese
Erklärung im Innenministerium vorliegen.
Im Vorstand wurden dann die Präsidiumsmaßnahmen bestätigt, natürlich gab
es eine längere Diskussion über die Rücklegung Reviczkys und die rein
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theoretische, ob ich nun ein Bezirksmandat oder ein Gewerkschaftsmandat
im Nationalrat gehabt habe. Erstmals hat im Präsidium, aber dann ganz
besonders im Vorstand Sallaberger erörtert, daß Heindl nicht nur durch
den Gewinn der Vorzugsstimmen Caps von seinem sicheren Listenplatz sein
Nationalratsmandat nicht erreichte, sondern auch über das Reststimmenman-
dat, das ja bereits Stadtschulratspräsident Matzenauer bekommen hat, dann
in Hinkunft über die Verbandslisten, Pöder, Dohnal, Fast, Lacina und
wahrscheinlich auch noch viele andere, die jetzt aus anderen Bundesländern
stammen, zum Zuge kämen und keinesfalls, wie immer die Regierungsbildung
auch auslaufen würde, Heindl.
Als weiteren Punkt gab es dann im Vorstand die Diskussion über das Ver-
halten der SJ der Landstraße beim Maiaufmarsch. Ein halbes Dutzend Fah-
nenträger wollten vor dem Rathausplatz dann schnell ein Transparent,
Sozialisten in die Opposition, das sie vorher nicht gezeigt hatten, in
unserem Zug mittragen. Die paar Mandln wollten aber die 1.700 gezählten
Teilnehmer der Landstraße in ihre Politik einbinden. Wir beschlossen
nächsten Dienstag wieder eine außerordentliche Vorstandssitzung, wo
um 5 Uhr die JG und um 7 Uhr die SJ eingeladen wird.
In der Ausschußsitzung gab es dann über die Nationalratsmandatsniederle-
gung und vor allem über die Neunominierung des Bezirksvorstehers Bergen
eine umfangreiche Diskussion. Mühsam gelang es Sallaberger und auch mir,
unsere Funktionäre davon zu überzeugen, daß für den Bezirk es ungeheuer
wichtig war, daß ich mich zu diesem Schritt entschlossen habe, alle meinten,
wir haben immer zwei gehabt, warum sollen wir jetzt nicht auch zwei haben
und dies womöglich für alle ewigen Zeiten. Der ehem. Obmann des Freien
Wirtschaftsverbandes Wien und Vizepräsident der Handelskammer und sogar
auch mein Stellvertreter in der Bezirksorganisation Landstraße, Jodl-
bauer meinte, man müsse mir wegen meiner tieferen inneren Haltung und
meiner vorausschauenden Politik für den Bezirk herzlichst danken, er
wisse niemanden, der so etwas machen würde. Zu meiner größten Überraschung
hat er dafür sogar noch Applaus bekommen. Letzten Endes wurde dann aber
auch dieser Beschluß einstimmig gefaßt.
Überrascht war ich aber dann über die Diskussion bezüglich der Rücklegung
von Reviczky, dieser hatte mir ja vor der Wahl schon erklärt, daß aus
familiären Gründen nach der Wahl nicht mehr zur Verfügung steht, Bergen
wurde zwar dann einstimmig beschlossen, aber die Diskussion lief so, daß
die Vertrauensleute die Begründung Reviczkys nicht akzeptieren konnten
oder wollten. Viele meinten, da sei etwas anderes dahinter, obwohl Reviczky
zweimal dezidiert erklärte, daß es nur familiäre Gründe sind, einer meinte ,
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man hätte Reviczky im Wahlkampf nicht genügend unterstützt, da die ÖVP
Schindler auf Plakate brachte, wir aber ja seinerzeit beschlossen haben,
daß wir nur mit dem Programm und unserem Bezirksratsteam in den Wahlkampf
gehen. Dies hat sich übrigens bestens bewährt, denn die ÖVP hat ja ge-
hofft und war fest davon überzeugt, daß sie den nächsten Bezirksvorsteher
auf der Landstraße stellen wird. Wo die SPÖ, wie z.B. im neunten Bezirk
mit Schmiedbauer ein seinerzeit anerkannter Bezirksvorsteher der Sozia-
listen, mit Plakatwerbung gehofft hat, ihn der Alserbacher Bevölkerung in
Erinnerung rufen zu können, wurde nichts erreicht. Dasselbe auch in ande-
ren Bezirken, die wir beim letzten Mal oder schon früher an die ÖVP ver-
loren haben. Da sich unsere Funktionäre in diesem Wahlkampf wirklich
sehr angestrengt haben, erkläre ich mir die Reaktion, die in der Diskussion
zum Ausdruck kam, als eine Enttäuschung für ihren Erfolg um die Person
Reviczkys. Ich bin fest davon überzeugt, daß Bergen dies mindestens ge-
nauso gut machen wird, obwohl ich eigentlich aufgrund des Verhaltens Revicz-
kys eine andere Reaktion der Vertrauenspersonen erwartet habe.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Beim Gespräch mit Reviczky bitte vorsichtigst
vorgehen.
Tagesprogramm, 3.5.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 175. Ministerratssitzung, 3.5.1983
Nachtrag TO 175. Ministerratssitzung, 3.5.1983
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)