Donnerstag, 21. April 1983
Die Betriebsräte der Stärkefabrik Aschach ersuchten um eine Vorsprache,
die selbstverständlich, schon allein weil ich Obmann der LUGA bin, von
meinem Büro sofort zugestimmt wurde. Alle waren wir ein wenig überrascht,
als dann GD Wohlmeyer gekommen ist, der die Situation der Stärkeindustrie
schilderte. Er war auch der der allein gesprochen hat um drei Wünsche
zu deponieren, erstens müßte jetzt die Ausgleichsabgabe für Importstärke
oder deren Derivate geändert werden. Derzeit kostet der Mais im Inland
3,80 S, der Stärkepreis ist 3,90 S, die Differenz ist also viel zu gering,
ausgelöst wird dieser Preis durch die verhältnismäßig billige Import-
stärke. Der zweite Wunsch war dann, daß endlich bezüglicher Biospriter-
zeugung aus Stärke eine positive Entscheidung fallen sollte und der
dritte war die große Chance für die Gmünder Industrie, ein Ölsaatenpro-
jekt mit Staatshilfe zu starten. Nach längerer Diskussion einigten wir
uns darauf, daß die Stärkeabschöpfung sofort in Angriff genommen werden
soll.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die zuständigen Abteilungen sollen diesbezüglich
Vorarbeiten sofort beginnen.
Bezüglich der Biospriterzeugung, wo die Sozialpartner auf dem Standpunkt
stehen, daß Zuckerhirse das beste Produkt dafür sei, müßten die Gmünder
die entsprechenden Unterlagen so schnell als möglich diesen zur Verfügung
stellen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Nächstes Jour fixe AK ÖGB setzen.
Für eine Ölsaatenfabrik hat Aschach ein Angebot aus der DDR, das ungeheuer
preiswert ist. Die DDR möchte nämlich eine Referenzanlage im westlichen
Ausland in Zusammenarbeit mit Vogelbusch Österreich errichten. Voraussetzung
dafür ist, daß dort aber auch tropische Ölsaaten verarbeitet werden
können. Mit Hilfe dieser Referenzanlage würde nämlich die DDR in
allen tropischen Gebieten Ölsaatenanlagen auch für diese Staaten liefen.
Wohlmeyer erkannte sofort, daß er hier äußerst vorsichtig vorgehen muß,
die tropischen Ölsaaten würden nur so lange zur Verfügung stehen als
in diesen Staaten dann eben nicht selbst eigene Ölsaatenfabriken er-
richtet werden. Das Haupthindernis erwartet er sich aber natürlich von
den agrarischen Kreisen, selbst Wohlmeyer war immer ein analytischer Denker ,
seine eigenen Leute sagen, er ist ein Spinner, weil er meistens Projekte
vertreten hat, die sie dann letazten Endes gar nicht mehr wollten.
ANMERKUNG FÜR MARSCH UND HAFFNER: Diese Möglichkeit genau prüfen
lassen.
Die Fa. Messer Griesheim hat die 1906 als ungarisch-österreichisches
Sauerstoffwerk gegründete und nach dem zweiten Weltkrieg als USIA-Be-
trieb besetzte heruntergewirtschaftete Anlage in Gumpoldskirchen
gekauft. Jetzt wurde eine ganz moderne Luftzerlegungsanlage ähnlich der
der Fa. AGA in Schwechat, die ich vor nicht allzu langer Zeit besuchte,
berichtet. Der Beirat aus der BRD war anwesend und daher war der öster-
reichische Vorstand Herr von Storm und Dipl.Ing. Peschl sehr daran inte-
ressiert, daß ich gerade zu diesem Zeitpunkt ihren Betrieb besuche.
Heute werden alle Industriegase dort erzeugt aber auch Schneid und
Schweißanlagen aus der Mutterfirma vertrieben. Die Firma beschäftigt
120 in Österreich, wie der Vorstandsvorsitzende aus der BRD mir berichte,
hat der Konzern 8000 Beschäftigte und einen Umsatz von 1,6 Mrd. DM.
Selbstverständlich ersuchte ich sofort, ob man nicht von diesem
riesen Umsatz ein klein wenig auch noch nach Österreich als Produktion
legen könnte. Platz ist genug vorhanden, ich hoffe, daß es sich die
deutsche Seite überlegt. In letzter Zeit wurden von der Firma 160 Mio.
investiert, mit Industriegasen kann man heute noch immer ein ganz gutes
Geschäft machen. Die Konkurrenz zu AGA existiert, aber eigentlich haben
sich diese beiden Produktionsstätten nicht gegenseitig umgebracht. Der
Betrieb in Österreich wurde eben von den Deutschen 1969 gekauft und aus-
gebaut, weil sie von hier aus einen besseren Ostexport in die Comecon-
Staaten haben, was sie sofort zugegeben hatten. Ähnliche Anlagen, die die
Comecon-Staaten in ihrem Gebiet errichten, dauern erstens wesentlich
länger bis sie arbeiten und erreichen dann nicht diese Qualität der Gase ,
die heute notwendig ist. Heute wird nicht nur die Reinheit gemessen,
sondern auch schon die Verunreinigungspartikel, dies ist nicht nur
für die Lebensmittelindustrie von Bedeutung, sondern insbesondere für
die elektronische Chipproduktion. Wenn auf den fingernagelgroßen Chips
mit x-zehntausenden von Kontaktstellen ein Partikelchen drauffällt, ist
dieser Chip sofort unbrauchbar. Das ist der Grund, wieso heute noch so große
Ausschußmengen bei der Chipproduktion anfallen. Reinheit in dieser Branche
heißt, daß auf 1 m³! Gas nur 1 cm³ sozusagen verunreinigt sein darf.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Man soll mit den Direktoren Kontakt aufnehmen,
ob wir sie in irgendeiner Weise unterstützen können, bitte mir dann
berichten.
Bez.Vst. Reviczky, der ja durch meine Intervention bei Präs. Sallinger für
70-0509
seine Tätigkeit vorübergehend aus der Sozialversicherung der Selbständi-
gen freigestellt wurde, möchte nach der Wahl doch lieber dorthin zurück-
gehen. Er erklärte rundweg, daß die Tätigkeit als Bezirksvorsteher, wenn
man sie wirklich erfüllt, so zeitraubend ist, daß für sein vierjähriges
Kind überhaupt keine Zeit mehr zur Verfügung steht. Die meisten sehen
halt die politischen Geschäfte, Ämter und Aufgaben wesentlich leichter
als sie dann in Wirklichkeit sind.
ANMERKUNG FÜR VECSEI: Nächstes Jour fixe HK erinnern.
BK Kreisky hat Landeshauptmann Wallnöfer über dessen Wunsch wegen
Osttirol zu einer Sitzung eingeladen, an der auch Finanzminister Salcher
mit seiner Begleitung als auch Sekanina und Staatssekretär Lacina
teilnahmen. Da ich anfangs angenommen habe, es würden nur die Regierungs-
mitglieder mit den Tiroler Landesregierungsmitgliedern reden, wollte ich
schon den Kollegen Grossendorfer ersuchen, nicht mitzugehen, da auf der
Einladungsliste von Kreisky nur die Regierungsmitglieder standen. Zum
Glück hat dies Lacina verhindert, denn als Salcher dann mit seinen Leuten
dann gekommen ist, hätte ich mich über meine Entscheidung dann sehr ge-
ärgert. Salcher erklärte zwar vor der Sitzung mir gegenüber, du wirst
sehen, Wallnöfer, so viel ich ihn kenne, kommt ganz allein. Tatsächlich
hat er dann nur einen Mann vorgestellt, der sein persönlicher Sekretär
und gleichzeitig sein persönlicher Vertrauensmann ist. Kein anderes
Landesregierungsmitglied hat er mitgenommen.
Wallnöfer meinte, das Kraftwerk und damit im Zusammenhang der National-
park würde nicht so bald für Osttirol verwirklicht werden können, wes-
halb er eine anderweitige Aktion und Hilfe erwartet. Er schlug dann ein
1-Mrd.-Investitionsprogramm vor, 539 Mio. hätte der Bund, 245 Mio. das
Land und 237 Mio. die Gemeinden und Interessenten aufzubringen. In diesem
Programm ist für 600 Mio. die Bundesstraße von Kärnten bis Sillian, also
quer durch Osttirol noch nicht enthalten.
Er hatte zusammengeschrieben, daß 100 Mio. für die Bundesstraße, 22
Mio. für Landesstraßen, 10 1/2 Mio. für die Wildbachverbauung, 18 Mio.
für den Flußausbau, 72 Mio. für Höfeerschließung der Bauern, 400 Mio. für
das Krankenhaus in Lienz, 30 1/2 Mio. für den Fremdenverkehr, und zwar
Aufstiegshilfen, Schwimmbäder, und 178 Mio. für Gewerbe und Fremdenverkehrs-
betriebe zur Verfügung gestellt werden müßten.
Kreisky ersucht sofort die einzelnen Minister darum, Stellung zu nehmen.
Sekanina verwies darauf, daß jetzt im Bundeshochbau, insbesondere Kasernen
70-0510
in Matrie und Lienz mit 141 Mio. geplant sind, bisher wurden 7 Mio.
ausgegeben, 1983 werden es 37 Mio. sein. Die Straßen in Osttirol sind
mit 115 Mio. S im Plan, 83 Mio. wurden bisher schon ausgegeben. In Angriff
genommen soll sofort die Sillian-Umfahrung werden, die 150 Mio. zusätzlich
kosten würde.
Sekanina hat außerdem darauf verwiesen, daß wenn das Kraftwerk im Dor-
fertal oder die obere Drau dann ausgebaut wird, vom Wasserwirtschaftsfonds
dafür 335 Mio. S bereitgestellt werden müssen. Diese seien im Gesamt-
budget von 5 Mrd. S des Wasserwirtschaftsfonds unterzubringen.
Ich selbst verwies darauf, daß wir für den Fremdenverkehr aus Osttirol
Priorität 1 gesetzt haben, jedes Vorhaben wird dort sofort von der
Bürges und von sonstigen Aktionen bevorzugt behandelt, wenn Tirol mir
einen konkreten Fall sagt, der nicht erledigt ist, werde ich dem persön-
lich nachgehen. ich schlug auch vor, weil immer wieder festgestellt wird,
daß in den Ländern viel zu wenig über die Aktionen, insbesondere über
den neuen bekannt ist, daß wir einen Beratungstag, wie wir dies auch in
anderen Bundesländern machen, in Lienz durchführen sollten.
Kreisky meinte dann, wie es um den Elektrizitätswerksausbau mit Osttirol
steht. Ich erklärte sofort, daß die beiden neuen Projekte 82 1 und 2,
die zwar rauslassen der Umbalfälle, dafür aber rigorose Einbeziehung
aller anderen Bäche, vom Aufsichtsrat der ÖDK, Hälfte Land, Hälfte Bund,
selbst sofort verworfen wurde. Dies würde mit Recht auf den größten
Widerstand der Naturschützer stoßen. Kreisky war ungehalten, daß man
sich wegen der Schwierigkeiten, die für die Baumöglichkeit der E-Wirt-
schaft dort besteht , nicht an ihn gewendet hat.
Ich habe ihm anschließend an die Sitzung, wo nur Salcher noch zugehört
hat, sofort erklärt, daß ich erwarte, daß nach den Wahlen die Regierung
insbesondere für das neue Regierungsprogramm dann entsprechende Richt-
linien festlegt. Vor den Wahlen wäre es unmöglich gewesen, mit dem Land-
wirtschaftsminister als Wasserrechtsbehörde, die ja im Streit mit den
E-Gesellschaften wegen Dorfer-Speicher liegt, und dem Gesundheitsminister
zu einer einigermaßen Kompromißmöglichkeit zu bringen. Dasselbe, erklärte
ich Kreisky, trifft auch für Hainburg zu. Kreisky hat meine Argumentation
hoffentlich eingesehen und vor allem verstanden, warum ich nicht jetzt
etliche Wochen oder Monate schon vor der Wahl diesen Streit in der
Öffentlichkeit austragen wollte.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte nächstes Jour fixe, das dringendst
notwendig ist, mit Fremuth festsetzen. Fremuth verbinden.
Kreisky schlug dann vor es sollte eine Ministerdelegation nach Lienz
reisen, um dort mit den zuständigen Stellen die Gespräche aufzunehmen.
Er hat Betriebsansiedlungssubvention 50.000 S und Arbeitsplatz von Bund,
wenn 50.000 S das Land bezahlt, ähnlich der Regelungen im Osten angeboten,
außerdem, sagte er, gäbe es einen großen Sonderbetrag der ERP-Hilfe für
dieses Problemgebiet. Dieser Sonderkredit, 2 Jahre tilgungsfrei, 5
Jahre 2 % Verzinsung, Lacina sagte, dies wird jetzt auf 1 % gesetzt, und
dann 5 %, ist dieser Kredit äußerst günstig. Als erstes hat er dann
allerdings nur 25 Mio. S ERP-Sonderkredit für Osttirol angeboten. Salcher
wieder verwies darauf, daß der Landwirtschaftsminister an Grippe erkrankt
ist, sowohl die Wildbachverbauung als auch Bergbausonderprogramm, was
über 1 Mrd. beträgt, Hoferschließungen zahlen könnte.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND HAFFNER: Bitte sofort alle Vorbereitungen mit
dem Sekretär von Wallnöfer treffen, der ihn begleitet hat, damit die
Beratungsgruppe Bürges, ERP, Hoteltreuhand, Sozialministerium nach Lienz
fahren kann.
Selbstverständlich kam auch dann die Textilsituation zur Sprache. Matrei
und Reutte arbeiten jetzt gut. In Telfs ist nicht zuletzt durch die
DDR auch Jenny & Schindler gut ausgelastet, der Betrieb gebart aber
noch immer negativ und muß daher in Konkurs gehen, hätte sich Jenny
& Schindler gleich bei den Textil West beteiligt, hätte man dort nicht
Investitionen machen müssen, die die Fabrik Jenny & Schindler ohne
weiteres hätte erfüllen können. Kreisky war sehr erstaunt, dies zu erfahren,
auch ich hätte eigentlich ganz gerne zeitgerecht für diese Sitzung
einen Bericht über den letzten Stand Textil West gehabt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was haben wir davon gewußt.
Die SPÖ Favoriten hat eine sogenannte Kettenveranstaltung gemacht. In
5 Sektionen im ganzen Bezirk verteilt wurden Musik, Kabaretts usw.
aufgeführt. Zwischendurch hatte ich dann mit dem Obmann des Bezirkes
NR Braun die Möglichkeit, ca. 1/2 Stunde ein Referat zu halten. Der Empfang,
den man im 10. Bezirk, was immer für eine Veranstaltung auch ist, hat,
ist immer für mich überwältigend. In den alten Gemeindebaugebieten
sind es ja meistens ältere Genossen, die insbesondere beim Erscheinen
von den Sitzen aufspringen, applaudieren, ja am liebsten umarmen würden.
Da ich zwar alle Probleme, die ich dort sagen möchte, insbesondere was
die Wirtschaftslage betrifft, sage, diese aber sehr humorvoll vortrage,
bin ich aber glaube ich dort auch als Referent sehr gerne gesehen. In
den Neubaugebieten konnte ich dagegen feststellen, daß nicht nur die
70-0512
alten Genossen, sondern auch schon jüngere an den Veranstaltungen teil-
nehmen. Einen kleinen Heimvorteil habe ich dann immer in Favoriten, weil
die Sektionsleiter teilweise wissen, daß meine Frau aus diesem Bezirk
stammt und ich daher nicht nur als Bezirksobmann eines Nachbarbezirkes,
sondern eben als halber Favoritener begrüßt werde. Ich kann mir sehr gut
vorstellen, daß diese gut besuchten Veranstaltungen beim Referenten und
auch daher bei vielen anderen den Eindruck erweckt , diese Wahl ist ge-
laufen. Wenn nicht noch ein Wunder geschehen ist, ich sage immer wenn
Gott will schießt er mit einem Besen, wird das Ergebnis am Sonntag
leider nicht dieser Siegesstimmung entsprechen.
Tagesprogramm, 21.4.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)