Mittwoch, 23. März 1983
Die Bauarbeiten am Zillergründl sowohl beim Kraftwerk Häusling als
auch am Staudamm gehen deutlich sichtbar gut voran, seit meinem letzten
Besuch im Vorjahr konnten, durch den milden Winter bedingt, die Bauarbeiten
mit nur 10 Tagen Unterbrechung fortgesetzt werden, sodaß der Zeitplan
genau eingehalten wird. Wesentlich anders sieht es aber mit den Kosten
aus. Im Kraftwerk Häusling gibt es keine Schwierigkeiten, wohl aber beim
Staudamm. Als wir vor Jahren das erste Mal die Baustelle besichtigten,
wurde mir dezidiert erklärt, die linke Flanke wird die größten
Schwierigkeiten bereiten. Genau umgekehrt ist es. Auf der linken Flanke
konnte bereits Beton aufgebracht werden, auf der rechten Flanke dagegen
mußte der Fels immer weiter infolge der Sprünge abgegraben werden, bei
meinem letzten Besuch wurde dann, was den Boden betrifft, mir ein Bauver-
fahren vorgeführt, an das ich rein gefühlsmäßig oder, wenn man so will,
aus den geringen Bauerfahrungen, die ich seinerzeit beim Schachtkommando
4 oder, wenn man so will, aus den geringen Bauerfahrungen, die ich seiner- in Buchenwald miterlebte, ich sofort zweifelte,
zeit beim Schachtkommando 4
daß dieses System erfolgreich sein könnte; um den nachdrückenden Schwemm-
sand von der Baustelle abzuhalten, wurde amphitheatermäßig durch Gefrie-
ren des Sandes und Schotter versucht, die Baustelle vom nachdrückenden
Sand und Wasser durch Gefriermethode festzuhalten. Letzten Endes aber
mußte doch Wasserseite ein über 30 m hoher Damm an Pfahlbauten errichtet
werden. Durch diese zusätzlichen Arbeiten und vor allem aber durch die
neuen Erkenntnisse der Schwierigkeiten bei Malta und damit neuer Dimensio-
nierung des Staudammes stellt sich jetzt die Kosten für das Zillergründl
auf 8 Mrd. S. Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß ich , ähnlich wie dies
auch bei Malta von mir prognostiziert wurde, noch nicht das Ende der
tatsächlichen Kostenhöhe ist. Auch bei Malta werden letzten Endes fast
10 Mrd. aufgewendet. Ich fürchte, daß wir auch beim Zillergründl nicht
viel billiger wegkommen werden. Optisch kann ich dies immer eindeutig
demonstrieren, daß ich nicht nur mit den Fingern der beiden Hände zeige,
wie viel es kostet, sondern eben ganz einfach die beiden offenen Hände
den Fachleute entgegenhalte. Anfangs sind sie immer erschreckt, doch
am Ende müssen sie klein beigeben und die Abrechnungen geben mir leider
immer recht. Trotzdem, und dies habe ich den Bauingenieuren der TKW,
die mich begleiteten, lobend bestätigt, gibt es eigentlich bei der E-
Wirtschaft niemals solche Skandale, wie dies bei anderen großen Bauvorha-
ben in Österreich scheinbar jetzt gang und gäbe ist. Auch bei der E-
Wirtschaft werden Milliardenprojekte gebaut, doch niemals ist Gott
sei Dank ein so großer, ja überhaupt ein Skandal aufgetaucht, wie dies
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leider bei anderen Großprojekten jetzt scheinbar gang und gäbe ist. Ing.
Rienößl meinte zur Erklärung, dies gehe eben auf die jahrzehntelange
Bautradition der E-Wirtschaft, den eingespielten Apparat und doch wahr-
scheinlich den jahrzehntelang gewachsenen Mannschaft in der E-Wirtschaft
zurück. Wie denn immer auch sei, für mich ist es eine beruhigende Situ-
ation zu wissen, daß man mir allgemein versichert, solche Vorkommnisse
wie bei den anderen Großbauprojekten in der letzten Zeit könne es in
der E-Wirtschaft nicht zuletzt auch durch die zweckmäßige Kontrolle
dort gar nicht geben.
Ich besichtigte auch dann das Kraftwerk Roßhag. Dort mußten 4 Genera-
toren der Elin ausgewechselt werden. Nach nicht einmal 10 Jahren Betrieb
sind, wie ich mich an Ort und Stelle überzeugen konnte, durch eindeutige
Fehler der Elin zuerst ein Generator, dann sehr bald durch genaue Messun-
gen bei allen 4 Generatoren Schäden aufgetreten, die ein Auswechseln
notwendig machen. Interessant ist nur, daß die Reparatur nicht viel we-
niger kostete als gleich die Anschaffung aller neuen 4 Generatoren. Über-
rascht war ich, daß die Bundesländerversicherung dies als Maschinen-
schaden anerkannt hat, den sie zu tragen hat.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte nächstes Jour fixe Fremuth setzen.
Die Kreditinstitute in Tirol hatten die ERP-Fachkommission und alle
Unterausschüsse zu einem Mittagessen eingeladen. Dort hatte ich Gelegen-
heit mit den Kreditfachleuten über die spezifischen Kreditprobleme
zu sprechen, wie nicht anders in Österreich wird auch in Tirol derzeit
von den Kreditinstituten jede Investition gesucht, da sie überliquide sind.
Die Leute sparen viel zu viel, die Wirtschaft investiert zu wenig, die
Kreditinstitute können sozusagen ihr Geld nicht anbringen. Erst in
letzter Zeit aber hat sich die Situation durch die Kreditzinsensenkung
entsprechend verbessert. Der große Boom ist aber noch immer nicht ein-
getreten.
Die Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft, insbesondere die Gastwirte vom
Zillertal, hatten ein sogenanntes Testfest, also Festland-Österreich-
Motto übernehmend, ganz groß aufgezogen. 120 Journalisten, größtenteils
natürlich aus der BRD, aber auch von den Niederlanden, Belgien und vor
allem auch inländische Journalisten wurden drei Tage ins Zillertal,
Mayrhofen, eingeladen. Tagsüber gab es jede Sportaktivität, mit Arnold
wurde Wie-schnell-bin-ich-Skifahrten veranstaltet, der seinerzeitige
Mount-Everest-Bezwinger Habeler hat eine herrliche Skitourenführung
in die Berge gemacht. Gletscher-Skifahren war möglich, eine ganze Reihe
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anderer Betätigungen.
Für die Journalisten wurde dann eine große Pressekonferenz im Europa-
haus gegeben. Dir. Zolles leitete sie und Präs. Sallinger, LRat
Bassetti, aber auch der Bezirkshauptmann von Schwaz, der ja angeblich alles
organisiert hat und den Kapitänen der Tyrolean Airways, die die ganzen
Ausländer eingeflogen haben, berichteten über die Aktivitäten. Ich selbst
konnte einleitend auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs, aber ganz be-
sonders auf unseren neuen Slogan "Festland Österreich, mitfeiern" und dessen
Entstehungsgeschichte verweisen. Umfragen in der BRD haben nämlich ge-
zeigt, daß Österreich, was die Gastlichkeit, die Freundschaft, das
Einfügen des Gastes in die Familie, die Höflichkeit, die Betreuung usw.
im Vergleich zu anderen europäischen Fremdenverkehrsländern an der
Spitze steht. Mit unserem Slogan "Mitfeiern, Gastland Österreich" wollten
wir insbesondere gegenüber den Deutschen diese Grundstimmung für Öster-
reich besonders nützen.
Bei den Fragen der Journalisten, die sich auf die verschiedensten Probleme
bezog, gab es nur eine einzige kritische Situation. Bereits am Vorabend
hatten mir die holländischen Journalisten zugesetzt, wieso in Holland
noch immer die Aversion gegen den Bürgermeister von Mayrhofen, der be-
schuldigt wird, bei der SS Greueltaten begangen zu haben, sozusagen noch
immer amtiert, wodurch viele Niederländer nicht nach Mayrhofen kommen.
Er wurde auch gefragt, wie die niederländischen Übernachtungsziffern
aussehen. Statt daß er kurz diese Frage beantwortet hätte, ließ er sich
insbesondere dann nach der Pressekonferenz auf Polemiken mit den
niederländischen Journalisten ein. Diese werden sicherlich nicht seine
Entschuldigung bringen, sondern, wie ich fürchtete, ganz einfach wieder
entsprechende Artikel in ihren Zeitungen schreiben.
Den Abschluß bildete dann am Abend ein großer Festzug, die Achenseebahn
hat ein Achenseeschiff auf einem Tieflader mitgebracht und dann auch
eine sehr schön hergerichtete Lok der ältesten Zahnradbahn, die heute
auch von Jenbach nach Achensee rauf in Betrieb ist. Die Skilehrer er-
schienen mit alten Skiausrüstungen und Gewand, die Musikkapellen und die
Schützen waren für diesen Umzug alle nach Mayrhofen gekommen. Ich glaube,
den Journalisten wurde wirklich vordemonstriert, wie man in Österreich
Feste feiert.
Bei der Heimfahrt den Gasthofbummel, wo sozusagen der Journalist in
jedes Gasthaus einkehren konnte und sollte, habe ich mir Gott sei Dank
erspart. Mit SC Jagoda besprach ich dann noch die Ergebnisse der ERP-
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Fachkommissionssitzung. Solange ich dort anwesend war, wurde verständ-
licherweise nur das Positive gemeinsam besprochen und herausgestrichen.
ERP hat tatsächlich viel geleistet, ERP-Ersatzaktion mit 1 Mrd. S Kre-
ditvolumen, jetzt in den letzten Jahren fast schon zur ständigen Ein-
richtung, wird auch heuer von der Hoteltreuhand schon sehnlichst er-
wartet. Sobald das Budgetüberschreitungsgesetz, BÜG, im neuen National-
rat genehmigt sein wird, können sofort die bei der Hoteltreuhand be-
reits aufgearbeiteten Projekte vergeben werden. Eine große Diskussion
gab und gibt es immer wieder, ob die Richtlinien zum B ., Klo getrennt von
Bad oder Dusche, überall eingehalten werden müssen. Jagoda steht auf dem
berechtigten Standpunkt, daß mit Ausnahme der Einbettzimmer, dort mag
es den einzelnen selbst ja nicht stören, bei Mehrbettzimmern unbedingt
die Einhaltung dieser Richtlinien verlangt sein muß. Die Handelskammer-
vertreter haben jetzt auf einmal Bedenken, daß dadurch die Zimmer sich
natürlich entsprechend verteuern und aus Konkurrenzgründen man wieder
von dem seinerzeit einstimmig gefaßten Beschluß der Richtlinien Abstand
nehmen soll. Jagoda kann sich dazu mit Recht nicht durchringen. Jagoda
ist an sich sehr beweglich und schupft neben vielen anderen Agenden
auch diese Aufgabe ganz hervorragend. Wahrscheinlich erleichtert ihm
dies auch mein absolutes Hinter-ihm-stehen. Auch in den ERP-Fragen kann
ich mich auf ihn hundertprozentig verlassen und decke daher wirklich seine
geschickte Verhandlungsführung und seine Vorgangsweise.
Einmal mehr hatte ich wieder das Erlebnis im Mayrhofen bei Autofahrer-
Unterwegs-Übertragung von Votava nur begrüßt zu werden. Die Weisung
des Gen.Intendanten Bacher lautet, während der Wahlkampagne keine Poli-
tiker, es sei denn sachbezogen müßte er ins Fernsehen oder Radio kommen,
wenn irgendwie möglich nicht zu interviewen. Votava durfte mich daher
nur sozusagen als Anwesender begrüßen, hat das sehr lieb und sehr ge-
schickt gemacht. Zum Glück brauche ich zur Verbesserung meines Images
durch zusätzliche Interviews durch meinen Bekanntheitsgrad mich auch
in Mayrhofen mich nicht profilieren. Bei einer offiziellen Ansprache
hat man dort von seiten der Gemeinde rundweg erklärt, ich bin der Minister,
seitdem man im Zillertal zurückdenken kann, am öftesten dort gewesen.
Tagesprogramm, 23.3.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)