Donnerstag, 24. Feber 1983
SPÖ-Präsidium Landstraße hat den neuen Vorschlag von Architekt Neumann
zur Verbauung der Rennweger Kaserne als einzig mögliche Lösung sofort
akzeptiert. Danach soll dieser Bundesgrund in zwei Teile geteilt werden,
der denkmalgeschützte Teil mit der alten Kirche soll, durch eine Grünan-
lage aufgelockert, dem Bund verbleiben. Da der Rennweg auch in Hinkunft
eine stark frequentierte Durchzugsstraße wird, soll auf dieser Seite
auch das vom Bund benötigte Verwaltungsgebäude gebaut werden. Auf der
Landstraßer-Hauptstraße-Seite dagegen sollen von der Gesiba die Wohnun-
gen errichtet werden. Der Bund nach wie vor 5.000,–– S/m² berechnen
will. Die Grundbelastung 4 % Bestandszins, 10,–– S/m² ausmachen. Heindl
hat deshalb ein anderes System vorgeschlagen. Man sollte mit 1% beginnen
und im Laufe von 10 Jahren dann um 7 % steigen. Mit Finanzminister
Salcher habe ich telefonisch über dieses Projekt gesprochen. Er hat, wie
ich gar nicht anders erwartet habe, vorgeschlagen, es zuerst Bautenmini-
ster Sekanina dieses Projekt begutachten und akzeptieren muß. Sekanina,
Bautensekretär Fuhrmann, der bei der Besprechung anwesend war, wird im
Bautenministerium jetzt so schnell als möglich begutachten.
ANMERKUNG FÜR NR HEINDL: Überleg, ob man nicht doch irgendwo mit dem
Abbruch beginnen kann, da ich ansonsten eine weitere lange Verzögerung
fürchte.
Vizepräs. Seidl verständigt mich, daß wenn das HGI nicht weiter die
Quantex-Studie zur Hälfte mitfinanziert, diese für die Textil- und Be-
kleidungsindustrie so wichtige, auch internationale ausgetauschte Grund-
lagenforschung eingestellt werden muß. Die 6 Privatfirmen unter Führung
von Chemiefaser Lenzing können ihren Beitrag nicht erhöhen. Meine Argu-
mentation gegenüber ist, daß wenn er eben die BuKa entsprechende Bei-
träge leisten müßte. Im Zuge der von allen verlangten Einsparung der
Subventionen sehe ich mich außerstande die bisherigen Subventionen in
voller Höhe aufrecht zu erhalten. Seidl ersucht mich, dieses Problem
beim Jour fixe mit der HK zur Sprache zu bringen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Entsprechendes veranlassen.
Der außerordentliche Ministerrat hat einen einzigen Tagesordnungspunkt,
die terminmäßig festgesetzte Ordnung für die Nationalratswahl.
Nach dem Ministerrat hat das Komitee über die Fragen der Ausdehnung der
Sonderunterstützung alle Unternehmungen der eisenerzeugenden Industrie.
Kreisky erhofft sich durch Einbeziehung der VÖEST-Alpine, VEW und vor
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allem aller privaten Firmen einen beträchtlichen Personenkreis bereits
mit 55, Frauen 50 in die Rente schicken zu können. Jetzt ist dies nur
bei Bergbaubetrieben möglich. Insgesamt schätzt man auf drei- bis vier-
tausend Personen. Um arbeitsplatzmäßig aber junge dann in diese früh-
pensionierten Plätze unterbringen zu können, festgelegt, daß drei Pen-
sionisten, 1 Jugendlicher, sei es, daß er nach der Lehre weiterbeschäftigt
wird, sei es, daß ein Junger aufgenommen wird, dafür halten werden muß.
Insgesamt würden dafür ca. 400 Mio. S notwendig. Mit der Sonderunterstüt-
zung 57 für den Bergbau werden es dann über 500 Mio. S sein. 2/3 soll
die Arbeitslosenversicherung bezahlen, 1/3 der Bund. Bei der Arbeits-
losenversicherung, erklärte Dallinger aber sofort, wird es auch nicht
aus der derzeitigen Gebarung zu decken sein. In der Diskussion stelle
ich, aber auch Benya fest, diese Art der Pensionierung einer Lebens-
arbeitszeitverkürzung ist, die man zwar nicht generalisieren kann,
die aber in Hinkunft beibehalten werden sollte. Dabei spreche ich nicht
als Lebensmittelarbeitervertreter, denke wohl aber z.B. an die einzel-
nen Berufsgruppen z.B. in der Chemie- oder Papierindustrie wohl unter
ähnlichen Bedingungen wie die Stahlarbeiter arbeiten müßten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Diese Verordnung wird jetzt vom Arbeitsmarktbei-
rat begutachtet, veranlasse, daß unser Vertreter zustimmt.
Anschließend an diese Aussprache, von der Salcher, Dallinger, Benya
und ich teilgenommen haben, wird dann noch Verkehrsminister Lausecker
und für das Bautenministerium Sts. Eypeltauer zugezogen. Kreisky er-
klärt, daß für den 14. März bei der Bürgermeisterkonferenz er als ei-
gentliche Wahlkampfauftaktveranstaltung betrachtet, ein neues großes
Beschäftigungsprogramm vorstellen möchte. Kreisky betont ausdrücklich,
er hätte auch im letzten Präsidium jetzt verlangt, man müßte eine opti-
mistische Note, wir werden die Schwierigkeiten meistern, prägen möchte.
Die Taktik des Generalsekretärs des Wirtschaftsbundes, NR Schüssel, mit
seiner Einsparungspolitik zu erklären, 3 % könnte doch jedermann immer
überall einsparen. Wisse man in Gegensätzen, 180 Arbeitslose sind zu
viel. Durch das neue Beschäftigungsprogramm für die nächsten 5 Jahre
100.000 Arbeitsplätze sichern. Zu diesem Zweck soll neuerdings das
Investitionsprogramm der ÖVP, aber auch ausgedehnt durch die großen
Basistunnelprojekte, zumindestens das Südbahntunnel Semmering durch
Fortsetzung der zwei Beschäftigungsprogrammen im Vorjahr eingeleitete
richtige Politik. Durch Ausdehnung der Investitionsförderung und der
TOP-Aktion, ich denke sofort an die ERP-FV-Ersatzaktion, bestmöglichen
Elektrizitätswirtschaftsinvestitionen zu Kraftwerksbauten und Leitungs-
bauten so weiter zusammengefaßt werden.
Kreisky verweist darauf, daß in der Vergangenheit, als der Raab-Kamitz-
Kurs von der ÖVP groß gepredigt wurde, Waldbrunner auch sein 10jähriges
Investitionsprogramm für die Verstaatlichte Industrie angekündigt
und auch durchgebracht hat. Dieses neue Beschäftigungsprogramm müßte
auch einen Riesenimpuls geben. Die neuen Steuern im Maßnahmenpaket müsse
man klar und deutlich jetzt sagen, wozu sie verwendet werden: die Be-
kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, Abbau der Strukturschwächen. Der
Bund müsse gegebenenfalls dort einspringen, wo z.B. ein Land OÖ nicht
mehr geben will. Die BMW-Investitionen will LH Ratzenböck nur 100 Mio.
geben. Letzten Endes wird der Bund eben mehr als bei General Motors
Wien, wo ja nur mit der Gemeinde Wien günstig teilen konnte, in OÖ des-
halb das Projekt nicht scheitern lassen sollte.
Kreisky fragt dann Gott sei Dank nicht mich, sondern Finanzminister
Salcher, was mit der Fa. Motronic für eine Bewandtnis hat. Salcher er-
klärt ihm, daß es sich hier um eine neue Firma handelt, die das Glücks-
spielsystem nicht ausrufen lassen will und doch dem Monopolgesetz ent-
sprechend ein System entwickelt hat. Mit Hilfe einer Scheckkarte, für
die man S 5.000,–– bezahlen muß, kann man dann in die aufgestellten
Glücksspielautomaten durch Einstecken der Karte Glücksspiel betreiben,
die Karte wird dann automatisch langsam entwertet und muß dann immer
wieder vom Besitzer der Glücksspielautomaten durch neue ersetzt werden.
Salcher errechnet sich durch Einnahmen von S 2 Mrd. Darüber hinaus hat
die Firma durch MUPID, ein neues, über die Fernseher mögliches Anschluß-
system für Daten von Katalogen, von Supermärkten bis zu den Neuerklärungs-
ausfüllungssystemen, eine ganz moderne Informatik entwickelt. Vorausset-
zung allerdings ist, daß eine notwendige Datenbank dann über Grundbuch,
Verkaufskatalog, Steuerkarteien usw. zur Verfügung steht. Die Post jetzt
schön langsam sammelt . Notwendig wäre für die Firma ein Marktingschiff
und eine entsprechende Beteiligung. Angeblich interessiert sich Siemens
dafür, Philips wäre aber geeigneter.
Kreisky stellt sofort fest, vielleicht wirklich diese beiden Firmen
geeignet sind. Siemens wird jetzt in Villach eine Mikroelektronik für
1 Mrd. S Investition errichten. Dieses noch strengst vertrauliche Pro-
jekt muß finanziert werden. Salcher bemerkt, das Budget ist derzeit
aber praktisch leer.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wieso erfahren wir nichts über diese Projekte?
Eine lange Diskussion ergibt sich dann, weil Salcher berichtet, daß er
gestern mit mir gemeinsam einer FWV-Veranstaltung ein Unbehagen der
Klein- und Gewerbetreibenden und die Großprojekte feststellen konnte.
Kreisky ist darüber sehr verärgert und meint, da müsse man halt einen
Fonds von 500 Mio. S auch die Kleingewerbetreibenden schaffen. An diesem
Geld kann und darf es nicht liegen. Auch vom ERP-Büro müßte man halt
Mio. für die Kleineren reservieren. Die für die unterentwickelten Ge-
biete reservierten ERP-Mittel werden sowieso nicht gebraucht. Kreisky
kritisiert auch indirekt mich, indem er meint, Staribacher hätte halt
schon müssen vor längerer Zeit diese hunderten Mio. S verlangen, dann
hätte man sie ihm ohne weiteres gegeben. Ich erkläre sofort, daß dies
dies alles gar nicht notwendig war, die für die Klein- und Mittelbetrie-
be aufzubringenden Zinsenzuschüsse und Prämien waren bis jetzt immer
noch gesichert. Entscheidend wäre nur, ob es doch noch mehr gelingen
würde, die Zinsenzuschußaktionen, die nur den Banken helfen, auf Prämi-
en umzustellen. Bei Prämien bekommt der Unternehmer das Geld sofort
auf die Hand. Kreisky stimmt dem zu und verlangt eine entsprechende
detaillierte Aufstellung.
Über die jetzt so kritischen Betriebe Brevellier Urban, Schlöglmühl,
beide werden in Konkurs gehen müssen, meinen Kreisky und Dallinger, den
Betrieb dürfte man nicht stillegen. Dallinger verlangt allerdings, zu-
erst die Betriebe in Konkurs gehen und sonst die Weiterbeschäftigung
nicht finanzieren kann. Die Belastung durch Fortführung der Betriebe
ist zu groß.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: In Hinkunft brauchen wir hier schnellere und
verläßlichere Informationen.
Kreisky und auch Dallinger urgieren neuerdings die Auftragsvergabe der
öffentlichen Hand an die Textil- und Bekleidungsindustrie zu wenig
koordiniert wird. Ich versuche zwar, Kreisky klarzumachen, daß der
Zentralsekretär der Textilarbeitergewerkschaft, Ettl, mir gegenüber er-
klärt hat, das jetzige System sei in Ordnung, Obmann der Gewerkschaft,
BR Steinle, aber dürfte Kreisky aber anders informieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte entsprechende Briefe an Gewerkschaft,
Kreisky und Dallinger vorbereiten.
Auch die von Dir. Weiser, EVA, angeschnittene Abschöpfung einer ev.
Preissenkung Rohöl, an die sich Gesundheitsminister Steyrer angeschlos-
sen hat, wird diskutiert. Ich erkläre sofort, daß dafür eine gesetzl.
Regelung notwendig ist, die keinesfalls vor der 2. Hälfte 83 möglich
sein wird im neuen Parlament durchzusetzen. Kreisky wendet sich ganz
entschieden gegen die Idee von Steyrer und meint, Weiser als apoliti-
scher Mensch, der keine Verantwortung trägt, leicht solche Vorschläge
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machen. Steyrer hätte niemals darauf eingehen sollen. Dies ist meiner
Meinung nach sehr schwer möglich, wenn eine solche Schnapsidee auf-
taucht und er dann als Gesundheitsminister gefragt wurde, daß er sich
dazu äußert. Zugegebenermaßen hätte ich, da ich ja auch gefragt
wurde, mich auf alle Fälle so verhalten, daß ich glattweg erklärt
hätte, da muß man erst gesetzliche Maßnahmen schaffen und das muß noch
geprüft werden.
ANMERKUNG FÜR SC JAGODA UND VECSEI: Reicht das jetzige Preisgesetz
zu einer solchen Maßnahme aus.
Beim Besuch der österr. Wirtschaftsmesse konnte ich einer freien
Aussprache mit MR Fellner und seinen Leuten feststellen, daß Befürch-
tungen leider zutreffen. Diese österr. Wissenschaftsmesse ist eine
ausgesprochene Veranstaltung der Wissenschaftsinstituten und einiger
Firmen. Notwendig wäre es auf diese Messe die große Masse der Mittel-,
aber auch Großbetriebe käme diese Wissenschaftserkenntnis auswerten
könnte. Mit den Veranstaltern hatte ich daher beim Durchgang eine Dis-
kussion über dieses Problem. Ich erklärte sofort, ich wollte nicht
kritisieren, aber ich glaube, daß für die nächste Wissenschaftsmesse
man sich etwas einfallen lassen muß, damit die Interessenten dorthin
kommen und mit offiziellen, offiziösen und privaten Wissenschaftsstellen
entsprechend Kontakt aufnehmen.
ANMERKUNG FÜR SC MARSCH UND HAFFNER: Hier muß man entsprechende Ge-
spräche vorzeitig führen.
In der Hohenauer Zuckerfabrik hatte ich Gelegenheit vor der sehr gut
besuchten Jahresversammlung ausführlich über die Gewerkschaftspolitik
und über die Wirtschaftssituation zu referieren. Da dort auch die An-
gestellten anwesend waren, ist eine sehr lange und intensive Dis-
kussion gegeben. Die Angestellten fragen an und für sich mehr. Die ÖVP-
Vertreter, unter ihnen natürlich jetzt dann ganz besonders der Ang.-BR-
Obmann, hatten dann im Schlußwort erklärt, meine Ausführung muß man doch
auch im Hinblick auf die Nationalratswahlen sehen. Schade, daß er dies
nicht früher gesagt hat, dann wäre ich nämlich auf diese, wie ich glaube,
falsche Behauptung noch eingegangen. Ich habe ihm sogar im Gegenteil
bemüht, überhaupt nicht parteipolitisch zu agieren, sondern versucht,
nur die Situation zu schildern, wie sie ist oder zumindestens, wie ich
sie sehe. Als Demokrat mußte ich aber zur Kenntnis nehmen, daß nach
einem Schlußwort auch ich nicht mehr das Wort ergreifen darf.
Tagesprogramm, 24.2.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)