Mittwoch, 29. September 1982
Bei der Eröffnung des Donaukraftwerkes Melk durch den Herrn Bundes-
präsidenten gibt es nicht eine lange Rednerliste, sondern auch wahr-
scheinlich die größte Zusammenkunft der E-Wirtschaft. Alle Direktoren der
Bauunternehmer-, der Maschinen- und Anlagenfirmen, die geliefert haben, aber
vor allem alle E-Gesellschaften des Landes, der Sondergesellschaften
der Verbund und natürlich auch deren Betriebsräte.
Auf der Fahrt nach Melk hatte ich Gelegenheit mit NR Heindl und seinem
Chef, dem Bauunternehmer Maculan, über deren Auslandsaktivitäten zu
diskutieren. Dies war mir deshalb wichtig, weil ich zu Mittag den Außen-
handelsminister Veres zu einer längeren Aussprache traf. Maculan erzählt
mir, daß er jetzt als Baufirma mit den Ungarn ein joint venture ab-
schließt. Bis jetzt haben die Ungarn nämlich Bauaufträge, die nach Öster-
reich vergeben wurden, z.B. die Hotels, nur schlüsselfertige Projekte
bestellt. Da diese, um finanziert werden zu können, nur 20 % Eigenan-
teil der Ungarn haben durften, waren sie durch die österreichischen Bau-
arbeiter verhältnismäßig teuer. In Hinkunft soll durch die gemeinsame
ungarisch-österreichische Firma, sei es in Ungarn, sei es aber auch auf
Drittmärkten, wesentlich preisgünstiger angeboten werden können. Die
Österreichische Kontrollbank, die an dem Österreichanteil besonderes
Interesse hat, ist damit einverstanden, daß dann, wenn auch nicht das
ganze Projekt, Teile von ihr finanziert werden könnten. Die ungarische
Seite hofft aber, daß sie mit dieser neuen Konstruktion nicht nur mehr
bauen kann, sondern auch z.B. vielleicht in der SU Bauaufträge erhalten
könnte. Die SU hat zwar in der Vergangenheit die Ungarn oft aufgefordert,
sie sollen im Rahmen des COMECON Bauofferte legen, die Ungarn sind dem
aber ausgewichen, weil sie für diese Tätigkeit nur in Verrechnungsrubel
bezahlt werden. Die Ungarn hoffen jetzt mit der neuen Gesellschaft freie
Westdevisen dafür zumindestens für einen Teil zu bekommen. Ich erklärte
Maculan, daß ich diese Konstruktion für sehr interessant finde, nicht
beurteilen kann, wie stark Geschäftsmöglichkeiten in den COMECON-Staaten
wirklich bestehen, daß es aber für mich nur interessant ist nach Öster-
reich Aufträge hereinzuholen, dies gilt auch für die leicht jetzt
zustandekommende Gaspipeline für die italienische Gaslieferung über Un-
garn.
Nach der Begrüßung durch Präs. Maurer ergriff sofort ich das Wort, um
so schnell als möglich nach Wien zurückzukommen. Maurer hatte die Ent-
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stehungsgeschichte der DoKW und besonders dieses Kraftwerkes dargelegt
und dabei auf die umweltschutzfreundlichen Bauten der DoKW hingewiesen.
Ich konnte daher an diesen Punkt anknüpfen. Erklärte aber dezidiert, daß
nach wie vor die Regierung voll hinter dem Elektrizitätsausbauprogramm
steht, in Summe will ja die E-Wirtschaft 42 Mrd. S in den nächsten 3
Jahre investieren, wozu noch 9 Mrd. S für Leitungsbauten kommen. Auch die
Fernwärme soll in den nächsten drei Jahren mit 8,3 Mrd. den Arbeitsmarkt
entlasten und gleichzeitig auch umweltsfreudige Energie abgeben. Besonders
verwies ich darauf, daß jetzt, für die DoKW von Bedeutung, der Marchfeld-
kanal gebaut wird, wodurch auch, wenn auch durch die 14 m³ pro Sekunde
ein verhältnismäßig kleiner Elektrizitätsverlust in Hainburg und Wien
entstehen wird. Dies erscheint mir aber von der Optik notwendig immer
wieder herauszustreichen, denn der Laie kann sich ja kaum vorstellen,
daß dies ein verhältnismäßig kleiner Energieverlust im Verhältnis zu
der starken agrarpolitischen Bedeutung der Wasserentnahme ist. Allgemein
wird man daher sagen, hier hat die E-Wirtschaft zugunsten der Landwirt-
schaft verzichtet.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte nächstes Jour fixe Fremuth setzen.
Die Aussprache mit Veres war, da wir beim Essen nebeneinander saßen,
sehr fruchtbringend und vor allem sehr lang. Bezüglich der nächsten
GATT-Ministertagung in Genf ist Veres der selben Meinung wie ich, daß
man jetzt überhaupt noch nicht sagen kann, wie diese Verhandlungen resp.
Besprechungen laufen werden. Bezüglich der EFTA-Beteiligung von Oststaa-
ten, insbesondere auch von Jugoslawien, erklärte ich Veres, daß bis
jetzt keine Änderung der EFTA-Mitgliedsstaaten, insbesondere der Schweiz
und Schweden, zu verzeichnen war, durch den Regierungswechsel in Schwe-
den ist es möglich, daß sich die Stellungnahme dieses Staates ändert.
Bilateral gibt es für Österreich, Ungarn das einzige wirklich schwerwie-
gende Problem nämlich die Zahlungssituation. Die ungarischen Einfuhrrestrik-
tionen, die beim GATT notifiziert wurden, treffen Österreich ganz beson-
ders beim Papiersektor. Von rund 1 Mrd. der von Österreich betroffenen
Exporte entfallen 677 Mio. auf Papier. Dies entspricht 10 % unseres Ge-
samtexportes nach Ungarn. Veres sagte mir zu, daß nur kurzfristig diese
Maßnahme gesetzt wurde. Er wird sich sehr bemühen Österreich, wenn ir-
gendwo möglich, bevorzugt zu behandeln. Bezüglich der Importgebühr von
20 %, wenn man so will, eigentlich ein Zusatzzoll, haben die Ungarn die
erklärte Absicht, damit die Mentalität ihrer Betriebe zu bekämpfen, die
Ersatzteillager in unverhältnismäßig großem Maße anlegen. Veres sprach
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von 60 %-iger Steigerung der Importe in den letzten Jahren.
Da ich gerade über diesen Punkt nach der offiziellen Aussprache mit
unseren Unternehmervertretern feststellen konnte, daß jetzt aber gewisse
Ersatzteillieferungen auch betroffen sind, die die Ungarn dringendst
brauchen, um Überhaupt ihre Produktion aufrechterhalten zu können, verein-
barte ich dann am Abend mit Veres, daß der österreichische Handelsdele-
gierte Wagner mit den Firmenunternehmungen sofort beim Außenhandelsmini-
sterium diesbezüglich intervenieren sollten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: MR Tschach soll Entsprechendes veranlassen.
Die Ungarn möchten von den 300 Mio. Fremdenverkehrskredit den verbleiben-
den Rest von 130 Mio. $ nicht nur für Fremdenverkehrseinrichtungen, Hotels,
Grenzstationen, Flughafen Budapest, sondern auch für die Zitronensäure-
fabrik, die Vogelbusch offeriert hat und 450 Mio. S kosten würde, damit
finanzieren. Ebenso möchte Veres aus einem Bankenkredit, den er von
den Sparkassen erhalten hat und wofür Konsumgüter gekauft werden müßten,
dafür auch Halbfabrikate bezahlen. In beiden Fällen glaube ich, daß
man Ungarn entgegenkommen wird, ich erklärte ihm aber, daß ich dafür
nicht kompetent sei, sondern er dies mit dem Finanzministerium resp.
mit den Kreditinstituten klären müssen.
Die Ungarn sind bei uns nach Kontrollbankauskunft mit 7 1/2 Mrd. S Garan-
tiekrediten und 2,4 Mrd. Promessen verschuldet. Da jetzt die ungarische
Nationalbank von anderen Nationalbanken einen 300-Mio.-$-Kredit, wenn auch
nur bis April nächsten Jahres, erhalten hat, erklärte mir Veres dann aben
noch, jetzt würden die ausständigen Rechnungen an österreichische Firmen
sofort bezahlt werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Tschach soll die Handelskammer und auch Firmen,
die bei uns interveniert haben, davon verständigen.
Erfreut war Veres von mir zu hören, daß jetzt bei den Verhandlungen in
Moskau die Sowjets sich bereit erklärt haben, gegebenenfalls beim nächsten
Elektrizitätsaustauschvertrag, wo eine zusätzliche Leitung wahrscheinlich
notwendig sein wird, diese über Ungarn zu führen. Nachdem auch jetzt
Italien seinem Vertrag über sowjetisches Gas endgültig zustimmen wird,
besteht auch die Möglichkeit die Gaspipeline aus der SU nach Italien
über Ungarn zu bauen. Die letzte Entscheidung trifft natürlich die SU.
Da österreichische Firmen sich für dieses Projekt besonders interessieren,
informierte ich anschließend nach der offiziellen Aussprache die anwesenden
Firmenvertreter, die VÖEST-Alpine hofft noch immer, und dies mit Berechti-
gung, daß die französische Firma von Ungarn, wenn es über Ungarn gebaut
wird, für die Gaspipeline den Zuschlag bekommt, dann ist die VÖEST-Alpine
daran beteiligt. Zweite Gruppe mit der deutschen Firma Mannesmann hat
hier glaube ich weniger Chancen.
Neuerdings habe ich Veres vorgeschlagen, da er mir mitteilte, der Ausbau
vom Donaukraftwerk Gabcikovo mit der CSSR wird jetzt mindestens auf 5
Jahre verschoben, daß es doch zweckmäßig wäre, wenn die CSSR, Ungarn und
Österreich dieses Projekt gemeinsam errichten. Österreich verlangt nach
wie vor 15 % des Stromanteiles, weil der Aufstau bis in die österreichi-
schen Grenzgewässer, sprich zum Kraftwerk Hainburg, erfolgen wird. Die
Ungarn haben wegen der landwirtschaftlichen, wasserwirtschaftlichen Folgen
größte Bedenken Gabcikovo wie geplant weiterzubauen. Auch hier könnte
die DoKW aufgrund ihrer großen Erfahrungen den Ungarn sehr helfen.
Veres wäre mit einer Kooperation sofort einverstanden, doch liegt die Ent-
scheidung bei den Tschechen, diese haben nämlich laut Vertrag die
Außenbeziehungen für dieses Kraftwerk zu führen.
Ein zweites Projekt wäre bei Paks, wo jetzt ihr Atomkraftwerk steht,
ebenfalls eine Donaustufe zu bauen. Hier hat der GD Fremuth von der Ver-
bund sich bereit erklärt, eine feasibility study für die Ungarn zu er-
stellen, wenn ein so ein Kooperationsvertrag zustande käme.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Was weiß unsere Sektion davon.
Bezüglich einer Grenzlandregelung ähnlich dem Accordino zwischen Bur-
genland und den angrenzenden Komitaten hat LH Kery bei einem Besuch in
Ungarn erklärt, dem stehe die österreichische Verfassung nicht entgegen.
Dies ist, wie ich Veres sagen mußte, leider eine falsche Auskunft. Abge-
sehen von den politischen innerösterreichischen Schwierigkeiten, die
Bundeshandelskammer spricht sich ja ganz entschieden dagegen aus, geht
dieses Projekt allein aus Beispielfolgen schon für die Bundesregierung
nicht. Ich habe zwar Veres dies nicht gesagt, bin aber fest davon über-
zeugt, daß wenn wir heute mit Ungarn eine solche Lösung machen würden,
dann sofort die Jugoslawen kommen; während im Burgenland die dortige
Landeskammer dafür ist, ist in Kärnten nicht nur die Handelskammer da-
gegen, sondern die gesamte Landesregierung. Wir einigten uns daher mit
Veres darüber, daß jetzt der ungarische Handelsrat in Österreich, Hammer,
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überprüft, welche konkreten Betriebe auf der ungarischen Seite und auf
der österreichischen Seite überhaupt eine solche Kooperationslösung
anstrebt. Dann werden wir versuchen, die rechtlichen auftauchenden, ins-
besondere natürlich zolltechnischen Probleme zu lösen.
Veres informierte mich dann, daß er den Eindruck hat, die österreichischen
Firmen bemühen sich um den Telefonauftrag im Verhältnis zu der schwedi-
schen Ericsson und auch Philips viel zu wenig. Für diese vertrauliche In-
formation war ich ihm sehr dankbar, da ich sofort die anwesenden Firmen-
vertreter von Kapsch und Schrack, die dieses 5-Mrd.-S-Projekt gerne
haben möchten, dann auf die unzulänglichen Aktivitäten ihrerseits aufmerk-
sam machte. Sie erklärten sich sofort bereit mit unseren österreichische
Handelsvertreter Wagner in Hinkunft in Budapest auch insbesondere die
Postverwaltung zu besuchen und entsprechende Auskünfte resp. Unterla-
gen zu liefern. Der Vorteil, den die schwedische Firma Ericsson hat,
ist, daß sie schon eine Referenzanlage in Saudi-Arabien besitzt und
vor allem aber mit der ungarischen Post ständig Kontakt hat, weil sie
die Anlagen bereits errichtete.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Versucht hier auch entsprechen Unterstützung zu
geben.
Bei der offiziellen Sitzung hat Kreisky nur ganz kurz eingeleitet, er
bedankte sich bei Lazar über die schnelle und befriedigende Lösung
all der, wie sie schon heißen, menschlichen Probleme einzelner österrei-
chischer Staatsbürger, insbesondere verwies aber auch Kreisky darauf,
daß jetzt eventuelle Grenzzwischenfälle sehr schnell und im freundschaft-
lichen Geist sofort positiv erledigt werden. Dann gab mir Kreisky sofort
das Wort. Ich berichtete daher über die bisherige Aussprache mit Veres.
Zusätzlich bemerkte ich dann nur noch, daß auch im Fremdenverkehr eine
gute Entwicklung zu verzeichnen ist. Im ersten Halbjahr 82 sind neuerdings
um 31 % mehr Österreicher nach Ungarn gefahren, die ungarische Seite da-
gegen hat durch das Streichen des Drei-Tage-Kurzurlaubes für Kultur-
zwecke, der natürlich von den Ungarn als Einkaufstrip benützt wird, die
ungarischen Ausreisemöglichkeiten verringert. Nach ungarischer Statistik
dagegen ist eine 35 bis 40 %-ige Steigerung Ungarnreisender nach
Österreich festzustellen. Veres bestätigte all meine Äußerungen und das
Gesprächsergebnis, welches wir erzielt hatten, und gab seiner Hoffnung
Ausdruck, daß Österreich in Ungarn immer am zweiten Platz nach den
sozialistischen Ländern selbstverständlich und daß Ungarn in Österreich
auch auf dem zweiten Platz der sozialistischen Länder bleiben möchte.
Ein Problem habe ich nachher mit den Firmenvertretern besprochen, das
Maisverarbeitungsprojekt in Szabadegyhaza. Die VEW hat dort bei
dem 560-Mio.-Projekt, angeblich durch Verschulden der Ungarn, den Fertigstel-
lungstermin nicht eingehalten. Die Ungarn haben jetzt Drittfirmen dort
eingesetzt, das Projekt geht aber auch noch nicht richtig weiter. VEW
behauptet nun, hätte man sie weiter arbeiten lassen, wäre alles schon
fertig. Die Ungarn haben aber darüber hinaus noch in Bern jetzt für
94 Mio. S Klage erhoben. Das hat die VEW veranlaßt 122 Mio. Widerklage
dort zu erheben, sodaß jetzt VEW und die ungarische Firma Komplex in
einem Streitverfahren verwickelt sind. Ich hatte das letztemal schon in
Ungarn auf Wunsch VEW versucht eine friedliche Lösung herbeizuführen, die
ist, obwohl ich Vizeministerpräsident Marjai damit beschäftigte, nicht
geglückt. Jetzt hat VEW mich ausdrücklich ersucht, ich sollte über dieses
Projekt nicht mehr mit den Ungarn reden, sondern nur über den letzten
Stand informiert sein.
Abends beim Volkstheaterbesuch, Wiener Blut, das die Ungarn zwar nicht ver-
stehen konnten, selbst die die Deutsch sprachen, haben ja große Schwierig-
keiten dieses Stück zu verstehen, war wenigstens die Musik den Ungarn na-
türlich bestens bekannt. Als ich zu dieser Theaterveranstaltung Veres
vom Imperial abholte, kam ich gerade in die 25-Jahre-Feier des Hotels,
ich nützte daher die Gelegenheit, um ihnen zu gratulieren, obwohl mir
der neue Direktor mitteilte, ich mich ja bereits schriftlich entschul-
digt hatte, daß ich nicht kommen konnte. Nach Auskunft der neuen Direktion
läuft das Geschäft sehr gut. Schön langsam dürfte jetzt auch Wien mit
dem Städtetourismus doch eine gewisse Aufschwungphase im Fremdenverkehr
verzeichnen können.
Mit dem VW-Vertreter Matousek besprachen Haffner und ich das Problem von
den beiden österreichischen Werken von Bauknecht. Matousek ist der Meinung,
daß wenn tatsächlich Absatzmöglichkeiten für die Produkte in der BRD von
den Nachfolgefirmen vom deutschen Bauknecht gegeben sind, er sich vor-
stellen könnte, daß man die österreichischen Auffanggesellschaften sehr
wohl mit Hilfe der Länderbank zu richtiggehenden Nachfolgebetrieben aus-
bauen könnte. Matousek, der sich jetzt bei Eumig Fohnsdorf, Überführung
in einen deutschen Betrieb, bestens bewährt hat und auch bei Bundeskanzler
Kreisky ungeheures Ansehen genießt, wird sich auch dieser beiden Betriebe
annehmen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sofort berichten, wenn irgendwelche positi-
ven Lösungen sich abzeichnen.
Tagesprogramm, 29.9.1982