Sonntag, 19., bis Samstag, 25. September 1982
Die österr. Delegation zur 14. sowjet.-österr. gemischten Kommission
war diesmal riesig. Immer mehr nehmen Firmenvertreter die Gelegenheit wahr,
um in Moskau gelegentlich der gemischten Kommission bessere Kontakte zu
ihren Außenhandelsorganisationen herzustellen. Dies ist, und das möchte
ich gleich vorwegnehmen, in meinen Augen der einzig positive Effekt für
österr. Unternehmen, aber auch für mich persönlich. Alles andere läuft in
dem gewohnten und jetzt nach einem Dutzend Jahren für mich schon selbstver-
ständlichen Rhythmus ab. Die Handelsdelegierten, die Botschafter auf österr.
Seite wechseln, die sowjet. Seite ist da viel stabiler, am stabilsten
aber sicherlich das Duo Patolitschew – Staribacher. Patolitschew selbst
war nach seinem Schlaganfall nach wie vor sehr gehandikapt, möchte aber
unbedingt die gemischte Kommission selbst führen, weshalb er ganz vor-
sichtig übers Protokoll angefragt hat, ob meine Zusage bei der letzten
gemischten Kommission in Moskau, die auch bereits hätte sollen in Wien
stattfinden, bereit wäre, neuerdings nach Moskau zu kommen. Schon allein
um diesen 74 Jahre alten Mann die Freude zu machen, zweifelsohne aber
auch, um vor allem den Sowjets zu zeigen, wie sehr wir an gute Beziehun-
gen interessiert sind, hat wie ich selbstverständlich sofort zugesagt.
Daß darüber bei der Spitze, insbesondere bei Patolitschew reine Freude
herrschte, konnte ich feststellen, ob dies auch bei allen sowjet. Dele-
gationsmitgliedern der Fall ist, die natürlich viel lieber nach Österreich
gekommen wären, bezweifle ich. Tatsache bestätigte man mir aber, daß es
eine große Zuvorkommen meinerseits ist, daß ich jetzt bereits das 3. Mal
der gemischten sowjet.-österr. Kommission in Moskau zugestimmt habe.
Wie üblich hat den Tag vor Beginn der Kommission der Handelsdelegierte
die österr. Firmenvertreter, aber auch die in Moskau sitzenden Vertreter
der österr. Firmen zu sich eingeladen, wo wir die Vorbesprechung abhal-
ten konnten. Ich schilderte den Firmen, wie ich mir morgen die Abwicklung
der gemischten Kommission vorstelle, die Firmen selbst erzählten mir dann,
was ihnen besonders wichtig ist. MR Fälbl hatte mit seinem Vis-a-vis
Simakow die Tagesordnung und das Protokoll Ja sogar schon abgestimmt, wer
von jeder Seite zu was reden wird. Dieser formelle Teil war daher bestens
vorbereitet.
Vor der gemischten Kommission am Montag hatten wir vereinbart, würden
sich die Delegationsleiter mit den engsten Mitarbeitern zu einer Vorbe-
sprechung treffen. Interessanterweise aber macht man dies in Rußland so,
daß man selbstverständlich die ganze Delegation zu dem selben Zeitpunkt
eingeladen ist und eben warten muß. Dies halte ich wieder für sehr zweck-
mäßig, denn dadurch haben die Delegationsmitglieder, insbesondere die Fir-
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menvertreter bereits Möglichkeit mit den Außenhandelsorganisationsleuten,
die ja ebenfalls bei der Kommission anwesend sind, meistens Generaldirek-
toren von Außenhandelsunternehmen, bilaterale Gespräche zu führen. Alte
Hasen, die schon manchmal bei meinen Delegationen dabei waren, nützen
gerade diese Zeitpunkt, um sich sofort Termine mit den GD zusätzlich
auszumachen. Erstmals mitreisende österr. GD wie z.B. Silbermayr von
Voith und Woltron, SGP, konnte man mit ihren Vis-a-vis bekanntmachen.
Beide waren von meiner Art der Verhandlungsführung und den Ergebnissen
dieser Kommission so begeistert, daß sie mir spontan dann ihre Anerkenn-
ung und Dank aussprechen.
Patolitschew selbst war hoch erfreut, mich wieder zu treffen, ältere
Herren und ganz besonders, wenn sei eine schwere Krankheit hinter sich
haben, sind ja besonders rührselig und melancholisch, sodaß er kaum die
Tränen zurückhalten konnte.
Meine Absicht bestand jetzt, nachdem Patolitschew nur ganz kurze Ein-
leitungsworte in der Vorbesprechung gesagt hat, sofort mein Programm, das
ich nur mit ihm besprechen wollte und das nicht alles für die gemischte
Kommission geeignet war, abzuwickeln. Zuerst versicherte ich ihm, daß die
Handelspolitik in Österreich, was immer jetzt rundherum geschieht, fort-
gesetzt wird. Als nächsten Punkt hatte ich die VÖEST-Alpine ersucht, ich
sollte unbedingt wegen der Sperrmetallkerne intervenieren, daß die Sow-
jetunion nicht nur den Lizenzvertrag mit ihnen verhandelt, sondern für
die 2 Jahre, bis es zu einem Abschluß kommen könnte, 150.000 Granatenker-
ne beziehen sollte. VÖEST-Alpine hat mit der Lizenzintorg Gespräche ge-
führt. Dir. Gasser, der ja mich vorher informierte, wollte auch diesbe-
züglich mit dieser Stelle weiter verhandeln. Im Laufe der Tagung stell-
te sich dann heraus, daß Lizenzintorg nicht mehr dafür kompetent ist.
Dies geht sozusagen an höhere Stellen. Die Ennstaler Metallwerke in Lie-
zen, 7 % VÖEST-Alpine, 26 % Planseewerk, ist von dieser Produktion un-
geheuer abhängig. Leider haben sich die ganzen friedlichen Produkte, die
dort erzeugt wurden, von den Straßenwalzen angefangen bis zu den Teil-
lieferungen, alle als viel zu teuer und können weder auf den österr. noch
geschweige denn auf dem Weltmarkt abgesetzt werden. So sehr mir persönlich
und insbesondere im Hinblick auf meine Jugend die militärische Produktion
wider dem Strich geht, muß ich ehrlich gestehen, sehe ich derzeit keine
andere Möglichkeit in vielen Werken in Österreich die Beschäftigung auf-
recht erhalten zu können.
Chemie Linz hatte mich ersucht, ich sollte bezüglich der Kooperation, wie
es bezeichnet wird, obwohl es eigentlich nur ein Tauschgeschäft ist,
zwischen Pflanzenschutzmittel Dicamba gegen Ammoniak, bis zu 30.000 t jähr-
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lich unbedingt Patolitschew bitten, er möge doch eine Entscheidung her-
beiführen. In der Sowjetunion ist nämlich Sojuskim-Export , die auch fach-
lich, wie mir der Handelsrat Stesnow dann im Laufe der Woche, wo er mich
ja immer begleitete, dezidiert erklärte, zuständig ist, für diese Kompen-
sation die Sojusplomexport dagegen ein anderes AH-Unternehmen legt sich
quer. Ich habe Patolitschew gebeten, er möge diese Angelegenheit berei-
nigen, er versprach mir sie zu prüfen.
Ein wichtiger Punkt war, daß Botschafter Jefremow aufgrund der Beschlüsse
des Zentralkomitees in Österreich schon lange sich für Lebensmittelpro-
duktion, -kooperation, -lieferung usw. interessierte. Ich habe ihm ja sofort
entsprechende österr. Firmen namhaft gemacht, die er besuchen könnte.
Darum hat er nämlich gebeten respektive die gerne liefern würden. Wenn
ich jetzt gesagt habe, sofort, so muß man dies unter den österr. bürokrati-
schen Verhältnissen sehen. Für meine Begriffe hat es nämlich auch viel
zu lange gedauert, bis ich ihm eine Liste überreichen konnte, die neben-
bei bemerkt gar nicht besonders attraktiv oder vollständig ist. Österr.
Firmen haben nämlich noch immer gewisse Angst mit sowjet. Seite zu ver-
handeln. Auf alle Fälle hat Jefremow mich wissen lassen, daß die Sowjet-
union sehr gerne bereit wäre, Getreide, gegebenenfalls auch Mehl zu impor-
tieren. Ich verwies dabei ganz besonders auf die Möglichkeit des Mehl-
exportes, da dieses erstens höherwertiger ist und zweitens nicht so
große Transportschwierigkeiten hat wie Getreide. Mein Vorschlag nämlich,
daß man Getreide oder gegebenenfalls Mehl nicht in die Sowjetunion
liefert, sondern, da die Sowjetunion, wie sie selbst allerdings sagt, nur
geringe Mengen nach Polen exportiert, gleich Getreide oder Mehl nach
Polen auf Kosten der Sowjetunion zu verfrachten, wurde sehr skeptisch
beurteilt und von den höchsten Stellen erklärt, das sollte man unbedingt
trennen.
Die Firma SGP möchte Kessel gegebenenfalls nach Argentinien als Dritt-
landsgeschäft für Kraftwerk liefern und wollte diesbezügliche Kooperation.
Der Vertreter des Staatskomitees für wirtschaftl. Zusammenarbeit GKS ,
Jakubow, hat dann besondere Gespräche mit SGP, Woltron, geführt. Vizemini-
ster Manschulo erklärte mir nur rundweg, in den laufenden Vertrag kann
die SGP nicht einsteigen, denn dieser wird bereits abgewickelt. Viel-
leicht gibt es aber für die Zukunft noch Möglichkeiten. Mir erschien bei
der Vorbesprechung nur wichtig diesen Punkt besonders herauszustreichen,
damit wenigstens ansatzmäßig für Drittländer-Kooperationen Österreich
bereit wäre. Der argentinische Markt ist nicht nur für Österreich inter-
essant, sondern wird von der Sowjetunion auch ganz systematisch bearbei-
tet.
GD Silbermayr von Voith ersuchte mich eine besondere, sogar in Russisch
verfaßte Projektliste schon bei der Vorbesprechung mit meiner Interven-
tion zu übergeben, was ich selbstverständlich auch gemacht habe. Gleich-
zeitig überreichte ich Patolitschew dann 4 auch in Russisch und Deutsch
abgefaßte Listen, diese wiesen eine Reihe von Projekten , die bereits
im Gespräch sind. Andere, die noch von österr. Seite gewünscht werden,
Liefermöglichkeiten der österr. Betriebe und vor allem auch die Bezugs-
wünsche österreichischerseits.
Zum Abschluß habe ich dann noch, weil ich dies vorher ausdrücklich mit
GD Wallner von den Spielbanken vereinbart habe, auch in Russisch und
Deutsch zwei Projekte, Errichtung eines Spielcasinos im internationalen
Handelszentrum, überreicht. In der gemischten Kommission wäre dies sehr
schlecht gewesen. Die sowjet. Seite ist hier noch viel restriktiver
als andere soz. Staaten. Was die Ungarn jetzt gemacht haben, wird von
den Sowjets noch ganz entschieden abgelehnt. Für sie ist Kasino noch
immer anrüchig. Wallner wollte aber gar nichts anderes haben, als daß
doch noch einmal auch von der sowjet. Seite dieses Projekt ins Gespräch ge-
bracht wird, keinesfalls in der gemischten Kommission, denn dort wären
sofort die negativen Momente stark herausgestrichen worden und dies hät-
te für weitere Verhandlungen Wallner nur geschadet. Nachdem ich alle mei-
ne Wünsche heruntergespult hatte, meinte Patolitschew, er wird die Kommis-
sion einleiten, dann soll ich etwas sagen und nachher müßten wir doch
die anderen referieren lassen. Da ich genau weiß, wie hierarchiebewußt und
andererseits gleichmäßig ausgewogen es bei solchen Verhandlungen immer
zugehen muß, war ich natürlich mit diesem Vorschlag sofort einverstanden.
Patolitschew eröffnete dann die Kommission, sagte, sie wird wie immer pro-
duktiv sein, die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit funktioniert
hervorragend, insbesondere erwähnte er, daß im vergangen Jahr unser ge-
genseitiges Außenhandelsvolumen 1,361 Mrd. Rubel erreicht hat und dann
nur so ganz nebenbei, daß er auch annimmt, daß 82 die selbe Zahl erreicht
wird. Von österr. Sicht, es waren immerhin die einzigen Ziffern, die er
nannte, konnte ich dies nur bestätigen. Der Unterschied liegt nur darin,
daß wir 1981 mit 21 Mrd. Importen, davon 90 % wahrscheinlich Öl und Gas,
nur 7,7 Mrd. Exporte gegenüber stehen können. Im heurigen Jahr dagegen
werden die Importe infolge des Rückganges von Gas- und Ölpreisen auf
unter 19 Mrd. fallen, die Exporte dagegen auf fast 9,5 Mrd. steigen.
Die Sowjetunion hat nämlich mit den berühmten Zeitverzögerungen im ver-
gangenen Jahr größere Aufträge rausgegeben, u.a. ja vor allem mal das
große Stahlwerk in Slobin. Jetzt gerade während meiner Anwesenheit
ein weiteres Schiff in Korneuburg mit 289,5 Mio. S Vertrag abgeschlossen
und weitere größere Aufträge auch für die Konsumgüterindustrie rausgegeben.
Stesnow sagte mir, daß insbesondere in Anlagemaschinen und Ausrüstungen
im 80er Jahr nur 110 Mio. Rubel, im 82er Jahr heuer 160 Mio. Rubel, aber für
das 83er Jahr bereits 280 Mio. Rubel fest vereinbart sind. Patolitschew
erwähnte dann auch den 4. Gasvertrag, sagte allerdings gar nichts über
die Menge, da sie in Wirklichkeit von der sowjet. Sicht als mit 1,5 Mrd.
sehr gering bezeichnet wird. Voll stolz meinte er, die Sowjetunion hätte
jetzt schon 110 Schiffe in Österreich bestellt und auch geliefert be-
kommen. Dir. Wild von der Korneuburger Schiffswerft hat mir dann zuge-
flüstert, es sind sogar schon 165 Schiffe. Ich erwähnte in meiner
Antwort dann nur, daß Patolitschew seinerzeit das schöne Passagier-
schiff Gorki getauft hat, zum Glück konnte ich mich genau daran erinnern,
denn weder der Handelsdelegierte noch Wild als GD wußte genau, ob dies
tatsächlich der Fall war. Patolitschew war natürlich gerührt, daß ich
solche Details noch aus unseren seinerzeitigen Verhandlungen und Erleb-
nissen kannte. Ich erwähnte dann auch noch, daß es diesmal möglich ist
bei der gemischten Kommission den Elektrizitätsaustauschvertrag mit
300 MW, Verhältnis 1 zu 1,25, d.h. Österreich kriegt für seinen Strom
ein Viertel mehr zurückgeliefert, dabei handelt es sich weniger um Aus-
tausch von Spitzenstrom gegen Band als wie von Sommer gegen Winter. All-
gemein wurde anerkannt, daß es sich hier um den ersten Schritt handelt
und daß insbesondere, wenn eine größere Menge dann wird vertraglich
zu vereinbaren sein, eine neue Leitung über Ungarn gebaut werden wird.
Derzeit wird ja der Strom noch auf der alten Leitung Polen-CSSR-österr.
HGÜ abgewickelt werden. Nebenbei bemerkt befürchtete ich, und es dürfte
sich bestätigen, daß mit den Polen hier gewisse Transitschwierigkeiten
geben wird. Diese wollen nämlich, wie ich erwartet habe, jetzt dasselbe,
was seinerzeit die Tschechen bei ihnen gemacht haben, als sie mit uns
eine Stromlieferung über die CSSR vereinbarten: höhere Peagierungskosten
in Strommenge und nicht in Verrechnungsrubel.
Eindeutig war, daß ungeheuer viel Papier mir zu der Tagung und vor allem
mal noch während der Tagung gegeben wurde, zu spät kommt, wie der Handels-
delegierte Draszczyk feststellt, stets die verstaatl. Industrie. Da die
Betriebe jetzt alles über die ÖIAG respektive BKA, Sekt. IV, melden müs-
sen, kommen die Listen dann so spät in die Handelsdelegation, daß man,
und dies mußte ich auch heuer wieder feststellen, mühsamst dann die Wün-
sche einflicken muß. Ich versprach den Handelsdelegierten darüber mit
GD Grünwald zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Grünwald verbinden.
Patolitschew hat mir erklärt, er höchstens an der Sitzung bis mittags
teilnehmen, wo dann ein Teil der normalen Tagesordnung abgewickelt wurde.
Über die Zusammenarbeit mit dem Handel und Wirtschaft berichtete Vize-
minister Manschulo, geantwortet hat Generalsekretär Kehrer. Über das Bau-
wesen berichtete vom Staatskomitee für Bauwesen, Garnischew und der
österr. MR Putz antwortete. Dabei stellte sich heraus, und ich interven-
ierte deshalb, ob nicht ein Tunnelbau, den sie derzeit in Walgau bei uns
sehr bewunderten, noch auch in der Sowjetunion von österr. Firmen durch-
geführt werden könnte, man auf alle Fälle prüfen wird. Über die Energie-
kooperation berichtete Lopatin und Fremuth antwortete. Woltron von SGP
hat dann darauf verwiesen, daß sie jetzt im Zuge der Abgasreinigung und
Entschwefelung ein Wirbelschichtverfahren ausgearbeitet haben, das sie
der Sowjetunion empfehlen können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß wirklich jetzt genau prüfen, um was dieses
Wirbelschichtverfahren bei der SGP schon kann.
Bevor Patolitschew uns vor dem Mittagessen verließ, hatte ich noch den
Gag parat, ihm zu beweisen, wie sehr wir die sowjet. Schriftsteller
kennen. Dir. Weith von der Stadlauer Malzfabrik hatte mir ja Dostojew-
skis Buch "Die Brüder Karamasow" zur Verfügung gestellt. Dort steht auf
einer Seite, daß ihm niemand helfen konnte, nur Malz, das man also vor
hundert Jahren schon in der Stadlauer Malzfabrik erzeugt hat. Dieser Gag
wurde mit großer Freude und Humor aufgenommen.
Das Mittagessen wird dort sofort immer im Regierungsgebäude auf den
Leninbergen in einem riesigen Nebensaal serviert. Wenn ich mich immer be-
schwere, daß wir zu wenige Variationen und vor allem zu wenig österr. Küche
bei unseren Essen in unseren Hotels organisieren, in der Sowjetunion
ist alles so schematisiert, daß ich dieses Essen jetzt schon bei jeder
Gelegenheit in der bekannten Reihenfolge mit den bekannten Speisen, wie
ich zugebe, von höchster Qualität, immer wiederbekomme. Was mich nur dabei
ärgert, ist, daß die sowjet. Seite reichlich frühstückt, opulente Mittag-
essen macht und dann noch womöglich am Abend Souper-diners. Die Folge da-
von ist, daß ich von jedem wirklich nur einen Bissen essen, am liebsten
paar Gänge auslasse, damit ich nichts stehen lassen muß, denn mich be-
drückt und ärgert es immer wieder, wenn so viel letzten Endes weggewor-
fen wird.
Nach dem Mittagessen berichtete dann noch über Wissenschaft und Technik
Woskoboi vom Staatskomitee für Wissenschaft und Technik und MR Fälbl
ergänzte über die Projektierung und Errichtung von Objekten berichtete
Jakubow, Gasser von der VÖEST, Wild von der Korneuburger Werft und Sil-
bermayr von Voith konnten antworten. Beim Bericht über die Arbeitsgruppe
Maschinen- und Ausrüstungen berichtete Koschin, Handelsdelegierter Drasz-
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czyk, aber auch Dautzenberg von Heid konnte seine Agrartechnik vorstellen,
die großes Interesse fand und vor allem mal kam der alte vetrane , wie man
ihn von der sowjet. Seite bezeichnete, Gärtner berichtete. Dieser hatte
die Idee und meint, man müßte in Zukunft von der sowjet. Seite ganze Be-
arbeitungszentren, wie er bereits eines der Fa. Heid verkauft hat und jetzt
für zwei in Österreich in Verhandlung steht, wird liefern. Die Elektronik
allerdings hat er sofort rausgeschmissen und durch Siemens ersetzt. Da
er als alter Veteran gilt, konnte er sich auch erlauben, es den Sowjets
ganz unverblümt zu sagen. Zum Schluß hat dann noch über Kammerkontakte
der Vizepräsident der sowjet. HK Pitowranow referiert und Generalsek-
retär Kehrer und von mir auch als Veteran dann der Firmenvertreter und
gleichzeitiger Bundesrat und in der HK Wien für Außenhandel zuständige
Dr. Pisec geantwortet.
Pisec hat mir gegenüber vertraulich gesagt, er könne sich vorstellen,
daß als Kompensation für das Getreide, das man der Sowjetunion nun ver-
kaufen möchte, er Dieselkraftstoff einführen möchte. Die Sowjets legen
größten Wert darauf, daß dieser Dieselexport jetzt endlich zustande kommt.
Fraglich ist noch, ob sie die bessere Qualität mit tiefen Stockpunkt
liefern können und wollen. Ich habe Pisec abgeraten die Dieselproduktion
mit dem Getreideexport zu koppeln. Hier sehe ich für ihn kaum eine Mög-
lichkeit, weil ich fest davon überzeugt bin, daß die landwirtschaftliche
Seite sich diesen Getreideexport nicht aus der Hand nehmen läßt. Vor
allem aber wird sie nicht bereit sein, dafür eine kleine Stützung für
den Dieselimport zu bezahlen. HR Stesnow hat dann nämlich während der
ganzen Tage immer wieder erklärt, daß er bereits mit GD Lunacek über
die Getreide- respektive Mehllieferung in Verhandlung steht. Dies sowjet.
Seite wünscht aber jetzt Mehl von höchster Qualität, wie sie es nämlich
sagt zur Makkaronierzeugung.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Lunacek verbinden.
Die Sowjets legten dann noch Wert darauf, daß ich den Vizepremierminister
Archipow treffe, allerdings nur Patolitschew, Archipow, unser österr. Bot-
schafter Liedermann und ich. Dort wurde einmal mehr das Wohlwollen und
die Sympathie der Sowjets für Österreich dokumentiert. Alle wissen die
guten Beziehungen sehr zu schätzen, insbesondere noch der Besuch Kirch-
schlägers bei Breschnew bildet die beste Grundlage. Ich schnitt sofort
das Handelsbilanzdefizit an, das sich allerdings von 1:3 jetzt auf 1:2
reduziert hat. Patolitschew meinte, es sei ohne weiteres 1:1 möglich,
wenn Österreich nur Waren anbietet, die Sowjetunion braucht und einiger-
maßen preisvergleichsmäßig unterzubringen sind. Mehl könnte sofort für
Makkaroni geliefert werden. Man wünscht aber unbedingt eine Trennung
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zwischen Lieferung in die Sowjetunion und für Polen abzutauschen kommt
nicht in Frage. Selbstverständlich habe ich einmal mehr das Atommüll-
lagerproblem angeschnitten, Archipow gestand freimütig, daß sie das ge-
prüft haben, derzeit haben sie aber keine Verwertungsmöglichkeit auch von
den anderen sozialistischen Ländern und von Finnland müssen sie ja den
Atommüll zurücknehmen, sie müssen ihn lagern, sie haben noch keine Ver-
wertungseinrichtungen und, wie er sich ausdrückte, nur große Scherereien.
Interessant war dann noch nur die Erklärung, daß für die Schwermetall-
kernprobleme nicht Lizenzintorg zuständig sei, sondern ein Minister
Parchierev, mit dem er geredet habe. Dieser Minister ist laut einer CIA-
Aufstellung, niemand weiß nämlich sonst genau, wieviele Ministerien es gibt
und wer dort aller tätig ist, für den Maschinenbau zuständig, in Wirk-
lichkeit dürfte er Rüstungsindustrie bearbeiten.
Die sowjet. Seite hat wegen der weiteren Lieferung von Gas, wir werden
heuer nach Berechnungen des HR Stesnov nur 3 Mrd. abnehmen, im vergangenen
Jahr waren es immerhin 3,3 Mrd., und auch wegen der Ölexporte große Prob-
leme. Stesnow möchte so schnell wie möglich mit dem neuen Generaldirektor
Kaes zusammenkommen. Er erkundigte sich bei mir sehr eingehend, wie dieser
ganze neue Vorstand zustande gekommen ist usw.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Kaes verbinden.
Ursprünglich war beabsichtigt, daß wir die Gasproduktionsstätten in
Urengoi besichtigen sollten. Dieser Wunsch wurde mir nicht erfüllt und
ich habe auch gar nicht angenommen, daß ich das tatsächlich erreichen
könnte. Man hat mir dafür Baku angeboten. Auch das ist letzten Endes
nicht gegangen und so wurde ich nach Jaroslawl geschickt. Dort hat Pato-
litschew vor Kriegsbeginn als Gebietsparteisekretär gearbeitet, während
des Krieges hat er ja dann Ural hinten die Rüstungsindustrie organisiert,
alles immer als Politkommissar. In Jaroslawl war man daher sehr froh,
daß eine österr. Regierungsdelegation hinkommt. Zu meiner größten Ver-
wunderung blieb mir Fabriken und landwirtschaftl. Güter zu besuchen
erspart. Man hat ein verhältnismäßig interessantes kulturelles Programm
gehabt. Natürlich hätte ich in diesen zwei Tagen goldenen Ring sehen
können. Dies ist eine kunsthistorische Route in mehreren Städten mit
alten Kirchen; alle hoch interessant, aber leider wie gesagt durch die
ewigen Essen konnten wir sie nur zum Teil sehen. Da der erste weibliche
Kosmonaut Rowa aus dem Gebiet stammt, wurde dort ein Museum errichtet,
das wir auch besuchten. In Moskau selbst hat mir Pisec dann angeregt
und mir auch tatsächlich kurzfristig durchgesetzt, daß wir die Kosmo-
nautenschule besuchen. Alle erwarteten, daß wir jetzt Details dort
sehen werden. In Wirklichkeit wurde uns das Gagarin-Museum, der erste
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Kosmonaut, der im Weltall war, sein Arbeitszimmer gezeigt, ein Museum
und dann natürlich ein Essen offeriert. Dieses Sternstädtchen, das ganz
neu errichtet wurde, hat angeblich nur 3000 Bewohner. Selbst die poli-
tisch verantwortlichen von dort konnten uns nicht sagen, wieviele Astro-
nauten trainiert werden. Alles ist natürlich top secret, alles wissen die
ganz genau, nur sagen sie halt überhaupt nichts. 60 bis 80.000 Besucher
kommen, 180 ausl. Delegationen pro Jahr, 120.000 Zirkel gibt es in der
Sowjetunion, die sich mit der Raumfahrt beschäftigen, d.h. überall wird
über Raumfahrt Propaganda gemacht, aber erfahren kann man auch nicht
einen Bruchteil dessen, was einem interessiert. Nicht einmal die Stätten
konnte man besuchen. Überrascht waren wir nur alle als uns dann ein Ge-
neralmajor Klimuk, ein Astronaut, empfangen hat, der hätte auch können
aus Amerika sein. Ansonsten kann ich nur feststellen, schwirren in Mos-
kau nur die Gerüchte. Jeden Tag, heißt es, wird Breschnew und die ganze
Regierung abgelöst, nichts trifft zu, niemand weiß etwas Genaues. Die
Sowjetunion bleibt, so wie es bis jetzt immer war, mystisch, unerklärlich
und selbst für jemand, der jetzt 12 Jahre dort verhandelt, bis zu einem
gewissen Grad, außer in der Kompetenz, für die man eben zuständig ist,
ein Rätsel.
Samstag, 25., und
Sonntag, 26. September 1982
Das Wochenendtreffen der Funktionäre im Vorstand und Bezirksräten im
Bauarbeiterheim in Brunn am Gebirge war ein voller Erfolg. Wie man mir
nach meiner Ankunft, aus Rußland bin ich sofort hingefahren, berichtete,
war am Freitag abends eine lange ausführliche Diskussion über die Perso-
nalprobleme auf der Landstraße: Freimütig wurde über alle Fragen gespro-
chen und hart kritisiert. Insbesondere wurde das Personalproblem Be-
zirksvorsteher, wie mir NR Heindl dann versicherte und auch andere be-
stätigten, endgültig bereinigt. Unser jetziger Bezirksvorsteher Re-
viczky konnte sich in jeder Beziehung behaupten. In der Diskussion, wo
ich dann anwesend war, wurde einmütig erklärt, man müsse gerade Reviczky
jetzt sehr unterstützen. Der Wahlkampf für die Nationalratswahl hat ja
begonnen, die wesentlich schwierigere Auseinandersetzung für uns Land-
straßer Genossen wird aber der Gemeinderatswahlkampf. Die ÖVP macht sich
große Hoffnungen für Oktober 83 den Bezirksvorsteher wieder zurückzu-
erobern. Landesparteisekretär Sallaberger, der ja immer noch bei uns im
Bezirk sehr aktiv mitarbeitet, referierte am Sonntag daher über die Ge-
meinderatswahlen. Die Landesorganisation stellt sich vor, daß Wien 2000,
die Entwicklungstendenzen eben für das nächste Jahrtausend, enthält und
im Wahlkampf dargelegt werden muß. Gleichzeitig aber wird gegen die ÖVP
eine Art "Für-Wien"-Aktion gestartet, darin soll dokumentiert werden,
wie sehr die jetzt von der ÖVP bekämpften Großprojekte, von ihr sogenannten
Saurierprojekte genannt, im Interesse der Wiener errichtet wurden. Dies
gilt ganz besonders für die U-Bahn und die Donauinsel. Für diese hat man
sogar einen schönen Gag. Nächstes Jahr im Frühjahr will man in das
Guinness-Buch der Rekorde kommen. Angeregt durch die eben am Faaker See
in diesem Herbst durchgeführte show, wo jeder seine entsprechenden Rekord-
bemühungen machen konnte, will man auch jetzt die Donauinsel inoffizielle
Eröffnung dazu benützen. Im Frühjahr nächsten Jahres sollen die Wiener
aufgefordert werden, sozusagen einer neben dem anderen die ganze Donau-
insel zu umfassen. 26.000 Wiener werden dafür benötigt. Jeder soll eine
Teilnahmeurkunde bekommen. Ich bin überzeugt davon, wenn das Wetter an
diesem Tag einigermaßen mitspielt, wird das tatsächlich ein Hit. Am
Faaker See soll diese Idee so gut eingeschlagen haben, daß dort ein Mann
8.800 Frauen geküßt hat, ein anderer dieselbe Anzahl von Nägeln einge-
schlagen hat. Hier würde ich fast sagen, beides probiert, kein Vergleich.
Man sieht aber, jeder Blödsinn kommt dort an und daher auch ins Buch der
Weltrekorde.
Ernstlich aber muß man doch festhalten, daß die Gemeinde Wien bis jetzt
ihre Großprojekte, die bei der Bevölkerung großen Anklang finden, wie
eben z.B. die Donauinsel und die U-Bahn, schön langsam erst richtig zu
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vermarkten beginnt. Die Wiener SPÖ-Organisation wird daher für ihre Mit-
glieder für das nächste Jahr einen Kalender zur Verfügung stellen, in dem
die Stellungnahmen der ÖVP gegen die Donauinsel zum Beispiel ausführlich
dargelegt werden. Tatsächlich ist ja immer, wenn ein solches Projekt ein-
schlägt und von der Bevölkerung dann angenommen wird, die ÖVP bereit
umzuschwenken und zu sagen, das war doch gut und man sei nur miß-
verstanden oder man hätte halt mit weniger Geld dies alles machen können
usw.
Innerhalb dieses Wahlkampfes soll jeder Bezirk seine spezifischen Be-
zirksprobleme darlegen. Auf der Landstraße haben einige junge Genossen
die Landstraßer Probleme und Projekte analysiert und in dieser Konferenz
wurden sie auch dargelegt. Insbesondere unser ehemaliger SJ-Obmann Wol-
ler, der jetzt Landesbildungssekretär ist, hat mit einer Gruppe von
jungen Mitarbeitern sehr instruktiv und sehr effektiv dies vorbereitet
und hat auch die begeisterte Zustimmung unserer Funktionäre gefunden.
Unser neuer Bezirkssekretär Hohenberger referierte dann über seine Vor-
stellung des bevorstehenden Bezirksvorsteher- respektive Gemeinderats-
wahlkampfes. Auch seine Ideen wurden größtenteils akzeptiert, obwohl
sie natürlich noch im Einzelnen von ihm vorbereitet und letzten Endes
auch durchgeführt werden müssen. Ich glaube auch, daß wir mit diesen
neuen und jungen Bezirkssekretären einen guten Griff gemacht haben. Die
alte Bezirkssekretärin, Genossin GR Tischler, wurde auch von bei dieser
Gelegenheit ganz feierlichst verabschiedet. Als sinniges Geschenk hatten
wir ihr, wer die Idee gehabt hat, gehörte wirklich prämiert, einen ver-
goldeten Schlüssel des Sekretariats gegeben. Damit sollte dokumentiert
werden, daß sie jederzeit in das Sekretariat reinkommen kann.
Bei der Festansprache, wie könnte es anders sein, wurde alte Gezeiten
und Geschichten berührt. Immerhin war Tischler 37 Jahre im Sekretariat
beschäftigt, die letzten 23 als Bezirkssekretärin. Da Tischler behauptet
daß ich bereits Mitte der 50er Jahre, also, wenn man so will, unmittelbar
nach dem Staatsvertrag nach der Landstraße von dem damals verantwort-
lichen Genossen Stadtrat Thaller geholt wurde, ist es auch schon eine
ganz schöne Zeit, wo ich gemeinsam mit Tischler mehr oder minder die
Geschicke des Bezirkes mitgestaltet habe; wie wir beide einvernehmlich
feststellten, eine ganze Generation, die jetzt von einer neuen Genera-
tion schön langsam abgelöst wird. Daß dieser Generationswechsel jetzt
bei uns auf der Landstraße so reibungslos vor sich geht, beruhigt mich
sehr. Daß überhaupt bei dieser Tagung die offenen Personalprobleme ge-
löst werden konnten und daß wir jetzt wieder mit Sachproblemen, wenn
man so will, eingedeckt sind, ist ein sehr erfreuliches Zeichen. Mehr
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kann man sich eigentlich gar nicht wünschen.
Tagesprogramm, 18.–26.9.1982