Mittwoch, der 15. September 1982

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Mittwoch, 15. September 1982

Im fraktionellen Präsidium der Lebensmittelarbeiter mußte eine Differenz
zwischen zwei führenden Funktionären besprochen werden, Es gelang mir
hier letzten Endes dann doch, meine Theorie durchzusetzen, Funktionäre
kann man sich nicht aussuchen und die werden von den Mitgliedern ge-
wählt, mächtige Betriebsratsobleute muß man daher akzeptieren; auch
dann, wenn diese gegen selbst mitgefaßte Beschlüsse verstoßen, muß man
einen Ausweg finden, die Organisation der Betriebe besteht nämlich
länger als die Funktionsdauer solcher Funktionäre. Die Einheit der
Organisation muß das oberste Ziel sein. Da in schon ein Vierteljahr-
hundert meiner Obmannschaft immer bemüht habe Personalprobleme gütig
zu lösen, gibt es eigentlich ganz selten welche in unserer Organisation.
Ich habe, daß dies auch in Zukunft so bleibt.

Ing. Gehmacher von IFES möchte jetzt für Osttirol eine Studie schaffen
wo er Voraussetzungen für die Entwicklung in diesem Gebiet besonders
analysieren wird. Seiner festen Überzeugung handelt es sich hier um
spezifisch lokale Fragen des Fremdenverkehrs, die aufgezeigt werden
müssen. Von den Naturschützern ist eben die Lage ganz falsch einge-
schätzt worden, die Umbalfälle wurden jetzt als Symbolprojekt heraus
gestellt, ähnlich war es jetzt in Wien bei dem Sternwartepark und in
jedem Bundesland gibt es wahrscheinlich dutzende andere solche Symbol-
projekte. Dort verbeißt sich dann die öffentl. Meinung, dort wird dann
ein Kampf um ein paar Prinzipien geführt, wobei die Probleme ganz anders
liegen. Da wir nicht wollen, daß diese Studie, die ca. 300.000 S kosten
wird, vom Handelsministerium oder von der E-Wirtschaft direkt bezahlt
wird, einigten wir und darauf, daß die IFES ohne konkreten Auftrag diese
Studie jetzt macht. Wer sich für diese Studie dann interessiert, kann
durch einen Beitrag diese erhalten. Gehmacher ist überzeugt, daß er
auch die Naturfreunde, Alpenverein usw. dafür gewinnen kann. Ein Telefon-
gespräch mit Verbund-GD Fremuth bestätigte mir, daß er sofort bereit
ist notwendige Anzahl von Studien dann zu kaufen.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte Jour fixe Verbundges. setzen.

Staatssekr. Hoos vom Planungsbüro Ungarn war bei der Wr. Messe und
hat mir einen Besuch abgestattet, ich selbst habe bei dieser Gelegenheit
auf die gute Zusammenarbeit zw. Ungarn und Österreich verwiesen, beide
stimmten wir überein, daß die Kooperation der Unternehmer mit ung.



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Stellen sehr gut funktioniert. Ich kritisierte, daß die ung. Seite bei
GATT-Importrestriktionen, Roh- u. Grundstoff- u. Ersatzteile, angekündigt
hatte, ohne daß sie vorher Österreich davon verständigten. Hoos bestätigte
mir, daß dies nur aus ihrer Devisensituation vorübergehend der Fall
sein wird. Die Ungarn möchten einen grenznahmen Wirtschaftsverkehr, wo-
rüber ja noch immer gesprochen wird, ganz besonders hoffen sie, daß die
Gasleitung für den ital.-sowjet. Gasvertrag über Ungarn geführt wird.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: MR Tschach soll für den Lazar-Besuch alles
zusammenstellen.

Zentralbetriebsratsobmann Kulf ist jetzt auch zum Obmann der Sektion
Handel bei den Privatangestellten gewählt worden, die organisierten
großen Handelsbetriebe, insbesondere die Kaufhäuser, befürchten, daß
in Hinkunft durch Konkurrenz von kleineren Betrieben, die nicht organi-
siert sind, aber von großen Unternehmungen wie z.B. Hofer die eingesessenen
alten Betriebe wie Herzmansky, Gerngross, Meinl usw. nun verkorrenziert
werden. Die wirklich große Gefahr aber, die dem Handel droht, ist, daß
jetzt durch stärke Rationalisierung Angestellte genau dieselbe Ent-
wicklung mitmachen werden wie die Arbeiter in der ersten Republik.
Staatssekr. Albrecht hat dann mit ihnen Details besprochen, sie als
gerade bei Gerngross und Herzmansky gute bekannte Funktionärin mit Kulf
seit eh und jäh zusammenarbeitet. Das Handelsministerium wird selbst-
verständlich die Gewerkschaftswünsche im Rahmen der Sozialpartnerschaft
sowieso bestens vertreten.

ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Bitte halte mit Freitag und Kulf stets Kontakt.

Das erstemal, daß ein Chefredakteur eine sowjet. Zeitschrift Sozialista
Industria sehr konkrete Fragen, wenn auch verklausuliert, an mich richte-
te. Ihn interessierte die sowjet.-österr. Zusammenarbeit, in Wirklichkeit
aber wollte er wissen, wie Österreich auf die amerikanischen Ankündigung
es muß der Handel auch im Dienste der amerik.-europ. Verteidigungs-
politik gestellt werden, reagiert. Ich habe ihm genauso verklausuliert
geantwortet, daß wir an der bisherigen Politik festhalten werden.

Die Fa. Dragoco hat bei der Chemiemesse in Moskau gehofft größere
Aufträge zu bekommen. Geschäftsführer Brunk erzählte mir, daß selbst
er einige Tage dort war, sonst aber ständig vier Vertreter dort an-
wesend waren. Bisher hat die Fa. Essenzen und Duftstoffe in die Sowjet-
union geliefert, Brunk ersuchte mich seine Wünsche bei der Gem. Kommission
zur Sprache zu bringen, was ich ihm selbstverständlich auch versprochen


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habe. Im sowjet. System ist es auch bei Messen und Sonderausstellungen
so, daß niemand genau weiß, wieviele Aufträge dann wirklich letzten Endes
dann kommen werden. Bei westlichen Messen schließt der Unternehmer wo möglichst sofort mit den anderen ab, in der UdSSR gibt es den langen
Instanzenweg, bis es dann endgültig zu einer Bestellung kommt. Alles ist
dort eben anders.

GD Reisinger von den Stadtwerken teilte mir mit, daß der Gemeinde-Wien-
Vertreter bei Austria Ferngas gestern von großen Bezügen von
Gas aus Algerien, ohne auf die Preisangebote zu achten, gesprochen hat.
Wien bezieht jetzt aus der UdSSR vom vierten Vertrag 630 Mio. m³, mit den
806 aus den ersten drei Verträgen ergibt sich also eine Menge von 1 Mrd.
436 m³, mehr kann die Gemeinde Wien in der nächsten Zeit gar nicht brau-
chen. Darüber hinaus ist der algerische Preis noch immer nicht bekannt
und die ersten Gespräche auch dann, wenn sie jetzt schon 8 Jahre dauern
ergaben ein immer viel zu hohes Preisniveau. Diese Ergebnisse von Reisin-
ger
auch den zukünftigen Botschafter in Algerien Buchauer, der jetzt noch
im Handelsministerium arbeitet, mitgeteilt.

Reisinger ersuchte auch, daß wenn die Heizbetriebe Wiens jetzt aufgrund
ihrer Sonderverträge mit der Industrie und dem fallenden Heizöl-schwer-
Preis ihre Gaspreise senken müssen, daß diese Gaspreissenkung nicht
automatisch auf die Tarifkunden übertragen wird. Die Fernheizwerke und
auch die Heizbetriebe Wien haben so hohe Investitionskosten und kost-
spielige Projekte, daß in absehbarer Zeit den Preis zwar nicht erhöhen
werden, aber unbedingt die Einnahmen aus den jetzigen Preisen brauchen,
um diese Projekte verwirklichen zu können. Ich habe Reisinger zugesagt,
daß solange nicht an die Preisbehörde ein konkretes Ansuchen von einer
Interessensvertretung, insbesondere AK oder ÖGB oder einer sonstigen
Stelle kommt, die Preisbehörde von sich aus sicherlich nicht, wie es
so schön heißt, von Amts wegen tätig wird.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte dies besonders beachten.

Mit dem ägyptischen Energieminister Abaza, ehemaliger Staatssekr. und
jetzt Minister, führte ich ein richtiggehendes Arbeitsessen durch. Abaza
hat den Anschlag wo Präs. Sadat getötet wurde, wie seine Frau meiner
erzählte, überlebt und ist jetzt Elektrizitätsminister. Beim Arbeits-
essen haben wir die Frauen auf die eine Seite des Tisches gesetzt und
die Männer konnten auf der anderen Seite gleich die Verhandlungen ab-
führen. Abaza selbst will mehrere Elektrizitätsprojekte von Österreich
durchgeführt. Voraussetzung dafür ist, daß er entsprechende günstige


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Konditionen bekommt. Dies beginnt schon damit, daß er immer wieder
feasibility study vom BKA, Entwicklungshilfe, finanziert bekommen
möchte. Das BKA, Staatssekr. Nußbaumer, hatte ihm daher gestern schon
gesagt, wie der Vertreter mir schon vorher mitteilte, daß jetzt die
ägyptische Seite endlich ein Projekt kommerziell abwickeln müßte; da
wir bei diesem Arbeitsessen viel Zeit hatten, wurde über jedes einzelne
Projekt im Detail gesprochen und festgestellt, daß gewisse Unterlagen
von der ägyptischen Seite jetzt endlich zur Verfügung gestellt werden
müssen. Dir. Satzinger von Verbundplan war gerade in Ägypten, hatte
dort die Unterlagen auch wieder nicht bekommen und hofft, daß er sie
jetzt aufgrund der Zusage von Abaza erhalten wird. Erst dann kann die
Verbundplan entsprechende Vorschläge für eine feasibility study
machen. Abaza hat etliche Kohlekraftwerke in Österreich besichtigt,
auf Sinai haben sie jetzt große Kohlenvorkommen und möchten dort eben
ein 300-MW-Kraftwerk errichten. Ich hatte das Gefühl bei dem Essen,
außer Spesen nichts gewesen.

Beim Empfang des ägyptischen Botschafters für Abaza in seiner Residenz
lernte ich eine große Anzahl von Leuten der Internat. Behörde kennen,
die eben, wenn ein ägyptischer Minister kommt und der Botschafter einen
Empfang gibt, mehr oder minder freiwillig kommen müssen. Da für die Ent-
wicklungshilfe BK Kreisky selbst zuständig ist, ergibt sich die gute
Situation, daß neben der außenpolitischen Aktivität, die Kreisky ja auch
immer mit Ägypten im Zusammenhang mit dem Palästinenser-Problem führt,
er gleichzeitig eben dann auch die Entwicklungshilfegelder entsprechend
einsetzen kann.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Laß Dir dann über das BKA mitteilen, wie
es weiter geht.

Die Wiener Stadthallenges. die ja etliche Kinos betreibt, hat jetzt in
dem Haus, wo seinerzeit die irakische Vokal war, das durch einen Anschlag
ausgebrannt ist, ein Kinocenter errichtet. Bei der Eröffnung konnte ich
feststellen, daß tatsächlich vier Kinos gleichzeitig in diesem Komplex
untergebracht werden konnten; da dort überhaupt keine Parkmöglichkeit ist,
kann ich mir auf die Dauer nicht vorstellen, daß diese Center die In-
vestitionen hereinspielen. Angeblich gehen die anderen in Wien ganz
gut, alle leben sozusagen nur von der Laufkundschaft. Schon bei der
Eröffnung konnte man feststellen, daß der Krimi sehr gut besucht war,
die Mann-Verfilmung "Dr. Faustus" dagegen kaum Interesse fand. Wahrschein-
lich ist es auch wirklich schwierig das Opus von Mann zu verfilmen,
wie ich mich selbst überzeugen konnte.

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Tagesprogramm, 15.9.1982

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Tagesprogramm, 15.9.1982, Forts.


Tätigkeit: Staatspräsident Ägypten


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