Donnerstag, der 6. Mai 1982

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Donnerstag, 6. Mai 1982

Die Schweizer Handelskammer in Österreich hat ihre diesjährige General-
versammlung in Zürich abgehalten. Die ganze Generalversammlung dauerte
nicht einmal 1 Stunde, der Höhepunkt war, wie die Schweizer mir erklärten,
mein Vortrag, die österreichische Wirtschaftspolitik heute und morgen,
mit anschließender Diskussion. Vorher hatte ich mich direkt einstim-
men können, den der österreichische Botschafter in der Schweiz Sautter
der Konsul in Zürich vor allem aber der Handelsdelegierte Dr. Koch und
sein zugeteilter, diskutierten mit mir in der Handelsdelegation unsere
Wirtschaftspolitik. Koch mußte zugeben, daß er, seitdem ich Handels-
minister bin, mir immer wieder sagte, zugegeben bis zu diesem Zeitpunkt,
wo wir diskutierten, ist es ganz gut gelaufen, aber in der Zukunft muß es
zum großen Krach kommen. Diesmal gab es natürlich eine lange Diskussion
über das Regierungsbeschäftigungsprogramm, insbesondere aber über das
Konferenzzentrum. Botschafter Sautter hatte vom Außenministerium als
er in Wien war, dieses Problem eingehend studiert, weil er auch die
entsprechenden Vertretungen bei den internationalen Organisationen und
auch innerösterreichisch namens des Außenministeriums zugeteilt be-
kommen hat. Sautter ist davon überzeugt, daß wir ein solches Konferenz-
zentrum brauchen, auch für die zukünftige UNO-Arbeit. Er meinte nur,
während die UNO das Konferenzzentrum natürlich sehr praktikabel findet,
wenn es in ihrem Territorium liegt, die anderen Konferenzorganisationen
nicht zuletzt wegen des sightseeings und wegen des Einkaufens lieber
in der Hofburg weiter tagen werden. Da meines Wissens die Hofburg ja
nicht aufgelassen wird, kann jeder Organisator eines größeren Kongres-
ses selbst wählen, wo er diese Konferenz abhalten will. Sautter bestä-
tigte aber, daß die Hofburg zu klein ist, denn im nächsten Jahr wird
ein Weltraumkongreß in Wien abgehalten und zu diesem Zweck muß man
den Reitsaal der Spanischen Hofreitschule ausräumen und umbauen.

Die zweite wichtige und sehr hart geführte Diskussion war die Budget-
situation in Österreich. Koch ist fest davon überzeugt, daß früher
oder später, jetzt sogar früher, nachdem er in den vergangenen Jahren
ja immer wieder gesagt hat, im nächsten Jahr geht es nicht mehr weiter,
das ganze Finanzierungssystem zusammenbrechen muß. Ich versuchte ihm
klarzumachen, daß wenn natürlich, wenn der einzelne theoretisch durch
die Massenmedien, vielleicht auch sogar wirklich durch eine entspre-
chende liederliche Finanzpolitik dazu käme, daß er das Vertrauen voll-


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kommen verliert und nicht nur er dann das Geld behebt, die Anleihen
verkauft, wenn er es persönlich braucht, sondern aus Überlegungen, sonst
ist mein Geld pfutsch, dann macht es nichts, wenn es aber alle tun,
müßte der Kladderadatsch kommen. Dies ist aber nicht anzunehmen, denn
solange die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht
wesentlich ändern, wird der der ein höheres Einkommen hat und es nicht
vollkommen konsumieren kann oder will, er auf alle Fälle Spareinlagen
leisten, Geldanlagen suchen und damit die notwendigen Mittel über die
Banken dem Staat bereitstellen. Dies gilt nicht nur für Österreich,
sondern genauso für die Schweiz. Die Schweizer behaupten zwar, daß sie
wegen der von uns durchgeführten Exporte in nicht mehr so sichere Länder
unsere Anleihen in der Schweiz zwar noch immer bedienen, sogar verhält-
nismäßig sehr gut und rasch, doch hätten sie gewisse Vorbehalte. Die
Schweizer erklärte ich aber sofort, haben gar keine Möglichkeit ihr
Geld anders anzulegen. Wenn die in Skandinavien noch besser sind, wenn
gewisse exotische Länder scheinbar jetzt sicherer sind, dann ist es
aber schon Schluß und man muß mehr oder minder auf dem österreichi-
schen Kapitalmarkt sein Geld anlegen. Bei den Exoten riskiert man doch
wesentlich mehr als in Österreich. Koch konnte letzten Endes diese Be-
hauptungen alle nicht widerlegen und meinte nur, wie er dies jetzt fast
über ein Jahrzehnt tut, wir werden ja sehen, ob es wirklich weitergeht,
bis jetzt gab er neuerdings zu, läuft es ja ganz gut.

So eingestimmt habe ich dann vor der Generalversammlung nur ganz flüch-
tig die Unterlagen gebraucht und die Situation mehr von heute geschil-
dert. Die sehr gut zusammengestellten Fakten von gestern habe ich na-
türlich überhaupt nicht erwähnt, um nicht die Zeit zu verlieren. Voll
bin ich dann in die wirklichen Fragen der Zukunft eingegangen. Weitere
Integrationsnotwendigkeiten im Rahmen der EFTA und der sonstigen in-
ternationalen Verträge und Vereinbarungen, die große Leistung der Ver-
gangenheit und jetzt daß wir in der weltweiten Rezession nicht, wie dies
bei der Krise in den 30-er Jahren der Fall war, uns gegenseitig abge-
schlossen haben, sondern doch mehr oder minder den freien Handel aufrecht
erhalten haben. Ein weiterer wichtiger Punkt, daß wir auf alle Fälle
und die österreichische Bevölkerung bestätigt dies zu 98 % auf dem
marktwirtschaftlichen System weiterbauen werden, hier kam, es ging
ja gar nicht anders der Gag, die einen reden von der sozialen Markt-
wirtschaft, ich glaube, daß wir die sozialdemokratische Marktwirtschaft
jetzt schon teilweise handhaben und auch in Hinkunft noch theoretisch
untermauern müssen. Für die Schweiz aber ganz besonders gedacht, die
alte Idee von mir EFTA soll nicht als Klub ausschließlich auf die


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jetzigen Länder beschränkt bleiben, sondern sich auch, wenn auch vor-
sichtig, dem Osten öffnen. Mit Jugoslawien wurden ja schon etliche aller-
dings unbedeutende Verträge ober Punzierung, Schiffsvermessung usw.
abgeschlossen. Hier kann man wesentlich mehr tun, wenn man auch sicher-
lich nicht für Jugoslawien eine Sonderregelung der finnischen ähnlich,
gleich in Aussicht nehmen muß. Daß andere Oststaaten diese Entwicklung
besonders beobachteten, habe ich angedeutet, ohne die Staaten zu nennen.

Diese Ausführungen machte ich insbesondere im Hinblick auf die Anwesen-
heit vom Leiter der handelspolitischen Sektion des volkswirtschaftli-
chen Departements Sommaruga . Dieser hat mir vom Bundesrat Honegger
nicht nur Grüße geschickt, sondern auch nachher bestätigt, daß man doch
wirklich vielleicht mehr über die jugoslawischen Möglichkeiten EFTA-
intern einmal reden sollte. Steter Tropfen höhlt den Stein, vielleicht
werden meine immer wieder jetzt seit Jahrzehnten vorgebrachten Ideen
doch bei den größten Widerständlern und Sommaruga gehört dazu, geleg-
entlich doch auch akzeptiert.

Bei dem anschließenden Essen wurde der ehemalige Präsident der Schwei-
zer Handelskammer Schneider von der Spedition Alpina geehrt, Schneider
hat mir selbst mitgeteilt, er hätte schon vor Jahren sehr gerne einen
Nachfolger vorgeschlagen, doch hat er gewartet, bis der jetzige Nestle-
GD in Österreich, Bettschart, wieder zur Verfügung stand. Er selbst konnte
diese Funktion nicht länger ausüben, weil er doch jetzt immer zu 90 %
sich in Basel aufhält, der Zentrale dieser Spedition, und nicht in Wien
in der Zweigstelle. Zum Abschied hatten sie ihm auf ein Privatkonto
einen größeren Betrag überwiesen. Bettschart erklärte, daß sie ihn ge-
fragt haben, welches Geschenk sie ihm machen sollten. Schneider selbst
hat einen Sohn, der in einem ganz kleinen Dorf im Kanton Luzern bei
einer Elektrizitätsfirma arbeitet. Dort herrscht ein solches Elend, daß
Schneider nur sagen kann, überweist bitte auf mein persönliches Konto,
das ich dort errichtet habe, Spenden, damit ich mit diesem Geld dort
helfen kann. Er erzählte mir, dort gibt es einen Bergbauern, dessen
Frau durch einen Autounfall getötet wurde, 6 Kinder, und zu Weihnachten
hätte dieser Bergbauer jedem seiner Kinder nur eine Rippe Schokolade
geben können. Für ein Paar alte Skischuhe um 6 Franken reicht es nicht
mehr. Ich war bass erstaunt, daß es in der reichen Schweiz solche Fälle
gibt, man sagte mir, mehr als man denkt. Da es in der Schweiz weder
Kinderbeihilfe noch sonst besondere soziale Einrichtungen gibt, bei uns
würde diese Familie auf alle Fälle 6.500.– S Kinderbeihilfe bekommen und
wahrscheinlich auch andere Sozialleistungen, gibt es dies in der Schweiz


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alles nicht. Schneider wollte sich schon in diesem Dorf anmelden,
dadurch hätte er seine Steuer dort bezahlt anstelle in Basel-Land wo
er jetzt wohnt. Der Kanton Basel Land hat ihn aber nicht freigegeben,
sozusagen, denn natürlich muß er beruflich dort wohnen. Wenn er sich im
Kanton Luzern 6 Monate aufhält, dann könnte er dort die Steuer bezahlen.

Die Schweizer hatten, wie Schneider mich dann verabschiedete, durch ihren
Secret service erfahren, daß ich Markensammler bin und gaben mir eine
Flugpostmarke von der Zwischenkriegszeit, gestempelt als Erstflug mit
dem Graf Zeppelin Hindenburg, sicherlich eine Rarität, wobei sie ge-
schickterweise gleich sagten, die könnte ich jederzeit in dem Marken-
geschäft am Limmatquai umtauschen. Leider bin ich zeitmäßig nicht mehr
dazugekommen, da ich nach dem Vortrag sofort wieder am Flughafen fahren
mußte. Knapp, daß ich noch gleich neben dem Zunfthaus zur Meise, wo der Vor-
trag und das Essen stattfand die Chagall-Fenster in einer reformierten
Kirche besichtigen konnte. Überall würde man dafür wahrscheinlich Ein-
trittsgeld verlangen, dort war zu meiner größten Überraschung, denn die
protestantischen Kirchen sind sonst immer geschlossen, bei freiem Ein-
tritt offen, die Kirche selbst war schmucklos wie jede andere umso mehr
beeindruckten diese herrlichen Fenster von Chagall. Wieso er gerade auf
diese Kirche verfiel, erklärt sich dadurch, daß der Pfarrer mit ihm be-
kannt war.

Beim Rausflug hatte ich etliche österreichische Unternehmer getroffen,
die auch zur Generalversammlung folgen, wir glaubten zuerst, daß wir
alle zusammen sitzen konnten, die AUA hat aber jetzt das idiotische
Reservierungssystem, das auch die Swissair handhabt, mindestens für
die Strecke Wien–Zürich übernommen, man muß daher den reservierten
Platz einnehmen. Der GD der Universale erzählte mir von ihren Ab-
schlüssen jetzt insbesondere für die algerische Eisenbahn, außerdem er-
fuhr ich das erste Mal, daß man in Saudi-Arabien, aber angeblich auch
in Südamerika, wenn man ein AUA-Ticket hat, dort nicht auf andere Ma-
schinen umbuchen kann, als die die eben in dem Ticket vermerkt ist. Luft-
hansavertretungen oder KLM lehnen solche Umbuchungen ab. Da ich mich
gleichzeitig auch wegen dieser idiotischen Reservierung bei Heschgl
beschweren werde, versprach ich ihm dies zu klären.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Heschgl verbinden.

Der GD von Nestle, Bettschart, beschwerte sich bei mir, daß die AK immer
wieder von den Anschuldigungen gegen Nestle, im Extremfall wird die Firma
ja als Kindermörder bezeichnet, auch Informationen in ihrer Publikation


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bringt, ohne daß sie sich vorher selbst nicht einmal über die Betriebs-
räte erkundigt, wie es wirklich ist.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Nächstes Jour fixe AK setzen.

Die Fa. Hediger in der Schweiz hat Stumpen nach Österreich exportieren
wollen und seit 72 darüber verhandelt. Die Importrestriktion der Tabak-
regie widerspricht dem EFTA-Vertrag und ich habe mich daher verpflich-
tet gefühlt, ich werde mich diesbezüglich beider Tabakregie intervenie-
ren lassen. Der Gen.Sekr. der schweizerischen Handelskammer in Öster-
reich Scheier hat auch diesbezüglich etliche Male erfolglos interve-
niert.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Angeblich wurde jetzt eine Stumpenausschreibung
vorgenommen. Bitte über das Ergebnis Hediger verständigen.

Auf dem Heimweg lernte ich von einer Zweigfirma Controlldata einen Ver-
treter kennen, der jetzt eine amerikanische Lizenz Energieersparnis durch
ionisierte Luft vertritt. Dort sind garantiert 10 % Ölersparnis bei
Verwendung dieses Vorsatzgerätes vor dem Brenner möglich. Eine neue Er-
kenntnis aber war für mich, daß er sagte, theoretisch könnte er 20 %
versprechen, denn bei den Industrieanlagen und nur dort kommt es ja in
frage sind die Brenner so schlecht eingestellt und betreut, daß allein
schon aus der richtigen Einstellung und Reinigung eine weitere 10-
%-ige Energieeinsparung als sicher angenommen werden kann. Diese In-
vestitionen rechnen sich in 1 1/2 Jahren.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Energiesektion bitte verständigen.

Beim Abendessen für den japanischen Präsident Okada, Warenhaus Mitsu-
koshi, teilte mir dieser Präsident mit, daß er es sehr bedauert, bei der
riesigen japanischen Delegation nicht wieder nach Wien kommen zu können
er selbst wird aber einen Generaldirektor mitschicken. Dieser Waren-
hauskonzern der größte in Japan hat nicht nur Warenhäuser, sondern so-
gar Theater, die Anwesenden pensionierten Symphoniker, Schrammelquartett
spielten für ihn nicht nur Wienerlieder, sondern auch ein japanisches
Kirschblütenlied. Die Übersetzerin, die neben mir saß, war davon so
gerührt, daß sie in Tränen ausbrach. Sie entschuldigte sich dafür bei
allen, denn wahrscheinlich ist es für japanische Verhältnisse ein Ver-
stoß gegen das Protokoll eine solche Rührung zu zeigen. Handelskammer-
präsident von Wien, Dittrich der den Gast mit Vizebürgermeister Sandner


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betreut hatte diesen für den Opernball eingeladen. Dittrich vertritt
genau wie ich die Meinung, daß eine Verstärkung des österreichischen Ex-
portes nach Japan nur über solche persönliche Kontakte möglich ist. Wenn
dieser Konzern in Österreich Waren kauft, und davon bin ich fest über-
zeugt, so geht das sofort in etliche Millionen bei jedem Artikel. In
Summe rechnet Dittrich, daß er mindestens 500 Mio. kaufen wird und sehr
bald die Milliardengrenze erreicht. Ähnliche Erfolge, hat der japanische
Botschafter in Österreich mir erklärt, wird es im Gefolge dieser großen
Delegation, fast 100 Japaner sollen kommen, geben. Ich habe Dittrich sofort
ersucht, man müsse dafür sorgen, daß die einzelnen Branchen mit den
kommenden Vertretern der japanischen Großindustrie Warenhäuser usw.
in privaten Kontakt kommt. Natürlich kostet eine solche Betreuung viel
Geld, die Handelskammer hat es und es ist aber der einzige Weg in Japan
Fuß zu fassen.

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Tagesprogramm, 6.5.1982


Tätigkeit: Schweizer Diplomat; evtl. ident mit Sommaruga, A


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