Mittwoch, 10. März 1982
Der ital. Reisebüroverband FIAVET hat seinen Kongreß nach Österreich
verlegt und wurde von mir in der Hofburg feierlich eröffnet. Zum Kongreß
war sogar der Minister für Tourismus und Spektakolo Signorello gekommen.
Der Präsident dieses Reiseverbandes ist der gleichzeitige Präsident
der ital.-österr. Handelskammer Magnoni. Zur Einleitung wollten sie beide
Hymnen spielen, was ich aber aus Zeitmangel verhindern konnte. Der
Kongreß begann natürlich nicht, wie vorgesehen um 9.00 Uhr, sondern
wesentlich später und ich hatte auch die Wiener Messe zu eröffnen.
Unerklärlicherweise war, obwohl bei diesem Kongreß hunderte Italiener
daran teilnehmen und die Gemeinde Wien den Italienern einen Empfang im
Rathaus gegeben hat, von der Gemeinde zur Eröffnung niemand eingeladen.
Im ital. Programm war der weitere Fehler passiert, daß Dr. Zolles von
der ÖFVW diesen Kongreß begrüßen würde.Protokollfehler über Protokoll-
fehler. Frau Vizebürgermeister Sandner hatte daher mit Recht, mir einen
diesbezüglichen Beschwerdebrief geschickt. Geschäftsführer Zolles hatte
zerknirscht zugegeben, daß hier von der ÖFVW ein unverzeihlicher Fehler
passiert ist. Die Einladung der Gemeinde Wien erfolgte über die ÖFVW
mit einem Schimmelbrief, sozusagen in der Beilage das Programm falls sie
einen Vertreter entsenden wollen. Zolles wird mir ein Entschuldigungs-
schreiben an Frau Vizebürgermeister Sandner schicken. Darüber hinaus
wird er sich beim Bürgermeister Gratz und bei ihr persönlich noch selbst
entschuldigen. Im letzten Moment hat man dann den Vertreter der Fremden-
verkehrswerbung Wiens, Dr. Krebs in das Präsidium gesetzt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Hilf auch Du mit diesen Lapsus auszubügeln.
Bei der 115. Mautner
Markhof die Begrüßungsworte. HK-Präs. Sallinger hatte zwar mir im Jour
fixe angekündigt, er wird dem Sozialminister wegen seiner Äußerung,
die Sozialpartnerschaft verhindere die Gesellschaftsordnungsänderung,
hart attackiert. In Wirklichkeit zitierte er zwar den Sozialminister
Dallinger wegen dieses Ausspruches bei dem Otto-Bauer-Seminar der
Sozialistischen Jugendinternationale, aber es verlief wesentlich
friedlicher, als ich befürchtet hatte. Auch Bürgermeister Gratz hatte
mir im Wiener Vorstand angekündigt, er wird die Unternehmer hart an-
greifen, weil noch immer etliche tausend Lehrlinge in Wien nicht unter-
gebracht sind. Bei seiner Eröffnungsansprache hat er dann aber wesent-
lich moderater nur darauf verwiesen, daß wir uns alle anstrengen müssen,
daß die Jugendarbeitslosigkeit nicht in Wien Platz greift und, daß, wenn
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alle Stricke reißen, eben dann die Gemeinde Wien mit Lehrlingsausbildungs-
stellen eingreifen müßte. Da ich ja auch gleichzeitig bei meiner Eröffnungs-
ansprache mehr oder minder als letzter Redner den Bundespräsidenten, der
sonst immer eröffnet, indirekt vertrete, war ich diesmal glaube ich auch
um eine Spur weniger streitbar, als sonst. Natürlich ging ich auf all
diese Bemerkungen meiner Vorredner ein und stellte nur fest, daß wir so
wie bisher versuchen werden, das Arbeitslosenproblem und ganz besonders
die Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam zu bekämpfen.
Bei dem traditionellen Gabelfrühstück in der Wiener HK hat mir dann der
Präs. Dittrich zugestimmt, daß das Lehrlingsproblem derzeit nur in Wien
aktuell ist. Er ist auch fest davon überzeugt, daß jetzt mit den sinkenden
Geburtsjahrgängen auch für Wien diese Frage nur temporär ist. Nur weil
rund um Wien weniger Lehrstellen im Prinzip angeboten werden, kommt es
überhaupt in Wien zu den Schwierigkeiten der Unterbringung. Wir einigten
uns sofort, daß es sich hier nicht, wie manche Leuten glauben, um eine
konzertierte Aktion der Unternehmer gegen die Regierung handelt. Dittrich
versicherte mir, daß im Gegenteil, wenn auf dem Lehrlingsgebiet irgend
jemand ein Politikum auch in seiner Partei machen möchte, er sich strikte
dagegen ausspricht.
Die Landwirtschafts-Ausstellung hat diesmal nicht Minister Haiden, der
angeblich keine Zeit gehabt hat, sondern Sts. Schober eröffnet. Er ist auf
die Anschuldigungen respektive Wünsche vom Landwirtschaftskammer-Präs.
Bierbaum, der diese immer wieder vorträgt, sehr geschickt eingegangen
und hat das soz. Agrarkonzept, insbesondere die Novellen des Marktordnungs-
gesetzes, die Biospritfrage usw. für die Bauern verständlich vorgetragen.
Die Bäckerinnung hat diesmal einen wesentlich schöneren Backbetrieb auf-
gestellt. Man hatte mich nicht davon verständigt, daß ich dort Bäcker-
lehrlinge für ihren Wettbewerb innerhalb der Lehrlingsausbildung auszeichnen
sollte.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wie ist das möglich, daß ich davon nichts wußte?
Die Ankunft von Gaddafi, der als Bruder Oberst angeredet werden will, war
sehr unbestimmt. Der Zeitpunkt wurde etliche Male geändert. Als er dann
um 15.30 Uhr wirklich ankommen sollte, landete bald eine erste Maschine.
Er selbst kam dann später, angeblich war aber der verspätete Grund, weil
Kreisky mit seiner Frau noch nicht am Flughafen war und daher die Maschine
kreisen mußte. Die libysche Kolonie war mit ein paar dutzend Leuten er-
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schienen, die irgendwelche Parolen brüllten. Auch aus dem Flugzeug
nach Gaddafi kamen drei Leute, die ebenfalls immer diese Parolen wieder-
holten. Lärm war also wie noch nie bei einem solchen Staatsempfang.
Ein Staatsempfang dürfte es aber eigentlich gar nicht sein, denn Gaddafi
ist nicht mehr das Oberhaupt, weder Präsident noch sonst eine leitende
Funktion, sondern eben nur Revolutionsführer.
Ich wurde mit dem Volkssekretär für die Schwerindustrie vom Protokoll
in das Auto gepackt. Ich war überrascht, daß ich dann im Laufe der
Fahrt draufkam, daß dieser Minister früher Generaldirektor der Ölfirma
war, der etliche Male natürlich in Wien war und mit GD Bauer über die
Lieferungen und Preise verhandelte. Schön langsam erinnerte ich mich
sogar, daß ich ihm schon bei manchen Essen getroffen hatte und er vor
allem bei dem OPEC-Überfall, wo der libysche Sicherheitsbeamte getötet
wurde, von den Terroristen damals auch gefangen gehalten wurde. Auf der
Fahrt nach Wien gab ich ihm dann sofort die Projektlisten und versuchte
ihn festzulegen, daß wir am nächsten Tag um 10.00 Uhr die Gemischte
Kommission haben. Ein unbestätigtes Gerücht hatte mir nämlich zugetragen,
wenn die Gemischte Kommission in Wien nicht stattfinden kann, dann würde
man eben doch übernächstes Wochenende diese in Tripolis abhalten müssen.
Im Parlament gab es außer dem Rechnungsabschluß 81 und der AK-Gesetz-
Novelle sowie einige andere Sozialgesetze, die erwartete dringliche
Anfrage an Landwirtschaftsminister Haiden wegen seiner Personalpolitik.
Haiden konterte ungewöhnlich scharf gegen die von der ÖVP begonnene
Rufkampagne gegen Beamte des Landwirtschaftsministeriums. Sehr geschickt
wendete er das Blatt und aus der Anklage der ÖAAB-ler insbesondere
Gen.Sekr. Heinzinger, wurde ein Angriff Haidens auf die Verleumdung von
Beamten. Mit Recht meinte er, wenn jetzt alle Einzelschicksale, es
handelt sich auch um einige, die bei Prüfungen durchgefallen sind oder
Disziplinarfälle waren, im Parlament in aller Öffentlichkeit diskutiert
werden, so wird dies für die Beamten tatsächlich unerträglich. Ganz un-
abhängig, welcher Couleur er angehört. Mit NR Heindl der ja neben mir
sitzt, diskutierte ich, wie sehr in unserem Ministerium die Personal-
politik anders gelaufen ist. Ich kann nur immer lächeln, wenn die ÖVP
andere Minister attackiert, weil sie Gruppenleiter- oder vielleicht einmal
eine oder andere Sektionschef-Besetzung im Parlament zur Sprache bringt,
weil diese der Soz. Partei angehören. Auf alle Fälle dauerte dadurch die
Parlamentssitzung bis Mitternacht und ich hatte die Gelegenheit, an dem
nicht vorgesehenen Essen mit dem ital. FV-Minister im Rahmen des Kongresse
teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wurde unserem Zweigstellen-Leiter
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Oberegger in Mailand ein hoher ital. Orden vom Fremdenverkehrsminister
persönlich überreicht. Dafür danke ich ihm und habe gleichzeitig auch
Oberegger dazu gratuliert. Das Ganze verlief sehr feierlich und auch
sehr lange.
GD Kienzl informierte mich, daß nach Auffassung der Nationalbank,
Libyen die angeblichen 100 Mrd. S auf der hohen Kante hat. Nach Be-
rechnungen der Nationalbank und Information des Präsidenten Koren, der
jetzt gerade von der BIZ, Bank für Intern. Zahlenausgleich aus Basel ge-
kommen ist, haben alle OPEC-Staaten zum Unterschied vom Vorjahr, wo
sie noch 50 Mrd. $ Überschuß haben, heuer mit einem 50 $ Handelsbilanz-
passivum zu rechnen.
Bezüglich der Wahlverhaltenssituation ergibt die Meinungsumfrage der
SWS, daß die entschlossenen Wähler von 42 % im Jänner auf 43,5 % im
Februar von den Soz.stimmen und von 29 % auf 23 % bei der ÖVP gefallen
ist. Nicht, daß die Volksparteiler jetzt dann aber der ÖVP den Rücken
kehren, wohl aber die Unentschlossenen von 19 % auf 29 % gestiegen sind,
die diesmal auf die ÖVP-Verluste zurückzuführen sind. Er glaubt daher
nach dieser Meinungsumfrage, daß für Kreisky das nächste Mal noch immer
die absolute Mehrheit drinnen ist. Die Frage, die wir natürlich dann be-
sprochen haben, ist, wird Kreisky kandidieren, was wird Benya machen usw.
Da aber bis zu nächsten Wahl mindestens noch ein Jahr Zeit ist, glaube
ich, kann sich in allem noch sehr viel ändern.
Tagesprogramm, 10.3.1982