Mittwoch, der 10. Februar 1982

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Mittwoch, 10. Februar 1982

Die Schweizer-österreichische Handelskammer hat ihre Generalversammlung
in Zürich, dort wird der neue Präsident GD Bettschart von Nestle
in Österreich gewählt. Sie ersuchte mich um ein Referat, was ich sofort
zusagte. Bettschart selbst hat für das volkswirtschaftliche Departe-
ment in Japan Studien gemacht, wie der Schweizer Export nach Japan er-
höht werden kann. Den Schweizern ist es geglückt, eine aktive Handels-
bilanz mit Japan zu haben. Bettschart erklärt dies dahingehend, daß
sie 37 Welthandels und Transithäuser haben, ein Dutzend davon ist in
Japan tätig. Diese Welthandelshäuser wirden still und leise, die Fa.
Andre z.B. hat in Lausanne 90 % des Getreidehandels. Sila und Heger,
Volkart usw. sind Handelshäuser, die Generationen alt sind und in Singa-
pur, Taiwan, Hongkong also im fernen Osten wirken. Diese Handelshäuser
haben die besten Geschäftsbeziehungen auch in Japan zu den heimischen
Firmen. Aus diesen Handelshäusern wurde jetzt ein Swiss-Info gegründet,
die als Vermittler tätig sind. Will eine Firma exportieren, so wendet
sie sich an Swiss-Info, dort wird zuerst überlegt, ob es Handelshäuser
gibt, die den Export übernehmen, wenn dies nicht interessant und mög-
lich ist, dann wird eine japanische Importfirma von Swiss-Info gesucht.
Was die Schweizer heute nach Japan exportieren, ist hohe Technologie,
d.h. wie man so schön sagt intelligente Produkte. Ingenieurfirmen
kommen in Japan kaum zum Zug. Die Banken dagegen sind in Japan eben-
falls stark vertreten. Selbstverständlich haben die großen Firmen wie
BBC, Sulzer eigene Niederlassungen. Die Schweizer exportieren noch
viel mehr nach Japan weil sei z.B. über Singapur oder Hongkong zusätz-
lich noch Schweizer Waren nach Japan verkaufen können, die in der Sta-
tistik aber als Exporte nach Singapur und Hongkong aussehen. 1 Mrd.
sfr. z.B. Hongkong-Exporte hat 60 % dann davon nach China und 20 %
nach Japan. Ich war fest davon überzeugt, daß Bettschart viele schrif-
tliche Unterlagen dem volkswirtschaftlichen Departement geliefert hat,
da ich aber die Schweizer Disziplin kenne und ihn nicht in Verlegen-
heit bringen wollte, erklärte ich ihm sofort, ich werde bei der nächste
EFTA-Zusammenkunft Bundesrat Honegger resp. Staatssekretär Jolles
ersuchen, daß sie Bettschart ermächtigen, mir dieses Material zur Ver-
fügung zu stellen. Bettschart war sehr froh, daß ich ihn nicht selbst
deswegen angesprochen habe, denn er hätte sicherlich als guter Schwei-
zer Bürger da größte Gewissensbisse und Konflikte gehabt, ob er mir
dieses Material geben kann. Ich selbst bin sehr gespannt, was Honegger
resp. Jolles sagen wird.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß bitte die Informationen über die Handels-
häuser zusammenstellen und gib mir die Unterlagen dann.



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nach Helsinki mit.

Control Data, die große amerikanische EDV-Firma mit 60.000 Beschäf-
tigten, nimmt im österreichischen Markt den dritten Platz ein. Bevor
ich das neue Gebäude im dritten Bezirk beim Arsenal eröffnete, hatte
ich Gelegenheit mit der Geschäftsleitung über die Möglichkeit von Zu-
lieferungen österreichischer Firmen oder vielleicht gar Eröffnung einer
Produktionsstätte von Control Data in Österreich zu verhandeln. Der
amerikanische Marketingchef und gleichzeitig Vizepräsident Silet er-
klärte mir ihre Unternehmensphilosophie, eine Produktionsstätte kommt
in Österreich kaum in Frage, da die hardware heute in ihren Fabriken
wesentlich billiger hergestellt und durch den harten Konkurrenzkampf
kaum eine neue Fabrik in einem anderen Land als bis jetzt schon produ-
ziert wird, errichtet werden wird. In Europa ist es GB, Deutschland
Frankreich und zu meiner größten Überraschung auch Portugal. Die In-
formation warum sie nach Portugal gingen ist einfach, es ist vor
längerer Zeit diese Fabrik errichtet worden, als man Österreich gar
nicht vor so interessant fand. 1967 wurde in Österreich dann ein klei-
ner Handelsbetrieb begonnen, insbesondere um den Osten von Wien aus
besser bearbeiten zu können. Tatsächlich zeigt auch die Außenhandels-
statistik, daß wir EDV-Anlagen und insbesondere auch Teil in immer
stärkerem Maße in die Oststaaten exportieren können. Diese amerikani-
sche Firma hält sich aber, wie dann in einer Ansprache der Generaldi-
rektor Maz selbst sagte, an die CoCom-Verbotsliste, trotzdem expandiert
ihr Geschäft, denn sie sind auf dem wissenschaftlichen Sektor führend.
Bei einer Demonstration wurde mir gezeigt, wie Lernsysteme aber vor
allem auch dann Konstruktionen von Computer errechnet und dargestellt
werden können. Control Data hat die Absicht und macht dies auch schon
österreichische Zulieferfirma für die software sehr wohl zu beschäf-
tigen. Eine Liste wurde uns übergeben, wo solche Geschäftsbeziehungen
bereits bestehen oder angebahnt werden und wie die Zulieferung ver-
größert werden kann. Ich habe diese Liste dann sofort SC Marsch der
mich begleitete gegeben, er wird versuchen die Lernprogramme für
Österreich zu adaptieren und den dafür zuständigen Stellen empfehlen,
andererseits gleichzeitig auch die Zulieferung wesentlich zu ver-
größern.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die infragekommenden Sektionen sollen dieser
Entwicklung besonderes Augenmerk zuwenden.

Bei der Eröffnungsfeier selbst war dann Wissenschaftsminister Firnberg


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anwesend, sie sollte zwar keine und wollte auch gar keine Ansprache
halten, fühlte sich aber verpflichtet, weil immerhin Control Data
38 % der 100 Mio. S betragenden Computerausgaben für sich buchen konnte
Die großen Universitätscomputer werden fast ausschließlich von Control
Data geliefert u.a. auch die Universität Wien und die Meteorologische
Anstalt. Natürlich habe ich den Gag verwendet, in meiner wie mir selbst
dann der Amerikaner zusicherte sehr launigen und guten Rede. Wenn die
Meteorologen falsche Prognosen machen, so ist nicht die Control Data
daran schuld. In meinen Unterlagen war nichts vermerkt, daß dieses
Haus von der Versicherung Riunione gebaut und gemietet wurde. Der
zuständige Direktor hat mir nachher beim Rundgang dies besonders mitge-
teilt. Die Versicherung Riunione baut jetzt auch daneben für die Lan-
desdirektion ein neues hohes Bürogebäude. Das Control-Data-Haus, wo
auch die Firma Gilette in einem Stock eingemietet ist, hat 100 Mio. S
gekostet, da die Amerikaner die Baukosten genau kontrollieren, sie mußte
nämlich mit einem langfristigen Mietvertrag dann auch diese Baukosten
defacto bezahlen, hat mir Riunione selbst erklärt, wir haben aus der
begleitenden Kontrolle, die die Amerikaner in diesem Fall verlangten
sehr viel gelernt.

ANMERKUNG FÜR MARSCH: Vielleicht kannst Du mit den Bauherren entspre-
chende Kontakte aufnehmen um zu erfahren, wie diese Baukontrolle aus-
sieht.

Die Aussprache mit dem luxemburgischen Außenminister Colette Flesch
war eigentlich eine Fortsetzung für mich unseres Gespräches aus dem
Management-Symposium in Davor. Dort hatte ich sie bereits kennengelernt
da sie ja nicht nur Außenminister, Justizminister sondern gleichzeitig
auch Wirtschaftsminister ist. Diese Konzentration ist verständlich,
denn Luxemburg hat 360.000 Einwohner und die Stadt Luxemburg selbst
nur 80.000. Früher war sie in der Stadt Luxemburg Bürgermeister, bevor
sie liberale Parteiführerin und dann sogar auch jetzt diese bedeutenden
Ministerämter bekam. Da ich bereits in Luxemburg sie interpellierte, we-
gen Felten & Guilleaume, das in Österreich eine entsprechende Reduktion
ihrer Produktion, Bereinigung ihrer Produktionsstätten vornimmt, hatte
sie mir versprochen, sie wird mit der Muttergesellschaft von Felten &
Guilleaume in Luxemburg darüber verhandeln. Tatsächlich informierte
sie mich dann, daß der Präsident der Gesellschaft versichert hatte, er
hätte von Bundeskanzler Kreisky schon ein diesbezügliches Schreiben
bekommen und sie werden ihr Möglichstes tun, Da ich vorher Gelegenheit
hatte mit dem Generaldirektor von Felten & Guilleaume in Wien zu sprechen,
erfuhr ich von diesem Gott sei Dank den letzten Stand. In der Informa-


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tion, die nämlich das Haus lieferte stand nämlich kein einziges Wort
darinnen. Felten & Guilleaume verhandelt jetzt mit der VÖEST-Alpine, sie
sind weitestgehend bereits einig, beide Firmen und wahrscheinlich sogar
auch noch die Firma Benk werden sich zu einer Drahtfirma verschmelzen.
Die VÖEST-Alpine verlangt in dieser Firma die Mehrheit und wird sie
jetzt auch nach langwierigen Verhandlungen bekommen. Das Kabelwerk
von Felten & Guilleaume in Wien wurde deshalb schon ausgegliedert,
eigentlich müßte ich richtiger sagen, die Brucker Fabrik wurde ausge-
gliedert. Diemlach mit den Siemens-Martin-Öfen wird auf alle Fälle
stillgelegt, dies ist deshalb notwendig, damit Donawitz eine kleinere
Kapazitätsausweitung dadurch bekommt. Früher sagte man, daß man diese
Qualität nur im Siemens-Martin-Ofen herstellen kann, jetzt ist es in
der normalen Stahlproduktion in Donawitz ohne weiteres möglich, solche
Qualitäten zu erreichen. Die überalterten Öfen, die deshalb vor Jahr-
zehnten schon hätten durch neue Investitionen ersetzt werden müssen
werden daher auf alle Fälle stillgelegt. Dadurch werden in Diemlach
400 Beschäftigte freigesetzt. Die Überbrückung von 35 Mio. S die Land
und Bund jetzt dazugeschossen haben, war nur eine Zeitverzögerung. GD
Apfalter von der VÖEST-Alpine hat deshalb auch mir gegenüber seinen
Unmut darüber schon geäußert. VÖEST-Alpine rechnet mit dem Schrott,
wenn sie dadurch mehr bekommt und andererseits mit der Liefermöglich-
keit der Walzware an Felten & Guilleaume, d.h. also in Zukunft an die
neue gemeinsame Gesellschaft. Unter diesem neuen Gesichtspunkt ist mir
auch erklärlich, daß Apfalter darauf verzichtet, daß wir das Schrott-
gesetz novellieren müssen resp. eine neue Verteilungsverordnung an-
ordnen. Durch die gemeinsame Gesellschaft wird sich auch die Schrott-
aufbringung durch die VÖEST-Alpine wesentlich verbessern.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Sektion soll dies genau verfolgen und ver-
suchen bessere Informationen zu bekommen.

GD Buchner und sein Wiener Vertreter Dr. Rimsky informierten uns über
eine OÖ Ferngasgesellschafterbesprechung bezüglich Gaspreiserhöhung
in diesem Jahr. Die OÖ Ferngas wird wahrscheinlich den Gaspreis bis
1.2.83 unverändert lassen können. Die RAG soll mit 1.2. diesen 1,45 S
bekommen, ab 1.12. wollen sie dann nur auf 1,75 S gehen, resp. solche
Preisbescheide akzeptieren und keinesfalls diese Bescheide anfechten.
Weiters wünschen sie eine Erklärung, daß der Inlandsgaspreis der RAG
den der ÖMV angenähert wird. Weder aber die Höhe noch der Zeitplan
müßte im einzelnen festgesetzt werden. Die wirkliche Erklärung der
Zurückhaltung von RAG falls sie tatsächlich den Verhandlungsleiter


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OÖ HK-Präsident Trauner diese Mitteilung gemacht haben, liegt darin,
daß sie vom Finanzminister ein entsprechendes Entgegenkommen beim
Förderzins erwarten. Nicht nur, daß er auf die Nachzahlung von 150 Mio.
S verzichtet, die er theoretisch, weil es ja jetzt keinen amtlichen
Preis mehr für 81 gibt, deshalb an den Importgaspreisen seinen Förder-
zins berechnen könnte, möchten sie auch wahrscheinlich, daß in Hinkunft
der Förderzins nicht erhöht wird. Genau die gegenteilige Absicht be-
steht aber durch den Gesetzentwurf den ich namens des Finanzministers
jetzt ausarbeiten lasse. Bis jetzt ist der Förderzins auf privatrecht-
licher Basis geregelt, in Hinkunft wünscht das Finanzministerium eine
gesetzliche Basis.

Zwischendurch hat mich Gen.Sekr. Kehrer von der Bundeskammer angerufen
und ersucht, ich sollte doch mich jederzeit bereit halten und zu einer
Aussprache mit dem Finanzminister und der OÖ Ferngas sowie der RAG
zusammenkommen, damit wir diese Frage endgültig bereinigen. Kehrer
hat dann mit Finanzminister Salcher gesprochen und dieser erklärte
ihm, zuerst müsse die Finanzprokuratur prüfen, wie die Rechtssituation
im einzelnen ist. Vorher hat es keinen Sinn, daß man ein Gespräch bei
ihm anberaumt.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte ziffernmäßig die Förderzinssituation
darstellen lassen.

Das ungarische Fernsehen wünschte ein langes Interview über die poli-
tischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ost und West. Der
Redakteur hatte sehr korrekt aber für ungarische Verhältnisse sehr
harte Fragen an mich gestellt. Da wir solche Interviewmethoden aus dem
österreichischen Fernsehen oder überhaupt dem westlichen Fernsehen
ja gewohnt sind, war es für mich kein Problem diese Fragen auch ent-
sprechend sofort zu beantworten. Es muß aber in der ungarischen Botschaft
selbst darüber eine große Diskussion gegeben haben, der Pressesekretär
begleitete das Team, der ungarische Botschafter Rande fragte mich
beim Treffen beim russischen Staatszirkus ob sich der Redakteur anstän-
dig benommen hat und nicht zu frech gefragt hat. Er war sehr froh von
mir zu hören, daß dies erstens nicht der Fall war und daß ich zweitens
solche Diskussionen im Westen gewohnt bin, ich muß zugeben allerdings
noch niemals von einem Oststaat erlebt hatte. Auch hier erklärte ich
Rande sehe ich die Liberalisierung in Ungarn.

Da bei diesem Interview natürlich auch die Frage auf Polen zu sprechen


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kam, hätte ich am liebsten dem Fernsehen gesagt, die Kriegszustand-
situation wird von uns abgelehnt und ich hoffe, daß die Liberalisierung
mit Solidarnosc, die im August 80 beginnend bis 13. Dezember begonnen
hat, wieder aufgenommen wird. Und als besten Vergleich hätte ich eigent-
lich sagen können, daß auch Kadar nach dem Ungarnaufstand ein sehr
hartes Regime führte und doch jetzt diese weiche Welle in Ungarn sich
immer mehr durchsetzt und die Liberalisierung gerade die ungarisch-
österreichischen Wirtschaftsbeziehungen sehr positiv beeinflußt hat.
Abgesehen von den politischen jetzt sehr guten nachbarschaftlichen Ver-
hältnis. Ich fragte mich eigentlich nach dem Interview warum ich diesen
Vergleich nicht auch wirklich den Ungarn zur Kenntnis gebracht habe.
Wahrscheinlich bin ich doch nicht so mutig als es scheint, ich wollte
auf der einen Seite nicht Jaruzelski mit Kadar gleichsetzen, da ich
nicht weiß, ob er wirklich ein Kadar für die Polen werden wird. Anderer-
seits wollte ich auch nicht die Ungarn daran erinnern, daß sie vor
nicht allzu langer Zeit eine typisch kommunistische Diktatur gehabt ha-
ben, die sich doch jetzt ein wenig in milderen Formen darstellt. Mir
persönlich erscheint aber die Entwicklung Ungarns typisch für die einzige
mögliche Lösung einer Verbesserung des politischen, gesellschaftlichen
und auch wirtschaftlichen Klimas in einem Oststaat.

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Tagesprogramm, 10.2.1982


Tätigkeit: Schweizer Diplomat


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ung. Parteichef


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Schweizer BR


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GF Nestlé Österreich


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: MR HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Chemie Linz


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: oö. ÖVP-LR


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: poln. MP


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Gen.Sekr.


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Dir. Chemie Linz


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: GD VÖEST


                        Einträge mit Erwähnung:


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                            GND ID: 118566512


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: ung. Botschafter


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Stat. Zentralamt, ab 1981 Büro JS


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                  GND ID: 11869104X


                                  Einträge mit Erwähnung: