Donnerstag, 4. Februar 1982
Bei der Staatswappenverleihung an die Speditionsfirma Gebrüder Lang
konnte ich feststellen, daß die Energieferien nicht nur im Verkehr,
im Bürobetrieb, sondern tatsächlich auch bei den Firmen eine wesent-
liche Einschränkung des Betriebes mit sich bringen. Deutlich erkennbar
geringere Aufträge, sodaß der größte Teil der riesigen Transport-LKW
in der Garage standen. Ich frage mich wirklich, ob nicht auch die
Energieferien zu der schlechten Beschäftigungssituation ein wenig mit
dazu beitragen.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Könnte man dies nicht einmal untersuchen
lassen.
Bei der Verleihung war auch der Obmann der Wiener Spediteure Kemetin-
ger dabei, der mir mit seinem Fachsekretär klagte, daß die ÖBB nicht
bereit ist mit den Spediteuren eine Kooperation zu versuchen. Die
Frächter könnten sich sehr gut vorstellen, daß wenn die ÖBB mit einem
Sondertarif ihnen entgegenkäme, sie sehr wohl den Fernverkehr mit der
Bahn abwickeln könnten. Derzeit bekommen sie 12 bis 15 S für den km.
Der Dieselanteil, grob gerechnet, ist 50 l pro 100 km, dies wären
allein 5 S plus die Reifenabnützung und plus anderer Aufwendungen,
wodurch sich annähernd die Frachtersparnis des Frächters errechnen
läßt. Hier müßte die ÖBB dann mit seinen Sonderfrachteinsätzen, wodurch
eine echte Kooperation Frächter – Bahn entstehen könnte. Ich habe den
Frächtern versprochen, darüber mit Lausecker zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Industriesektion soll eine Grobberechnung
mit den Frächtern machen und mir einen Brief an Lausecker entwerfen.
Die Staatswappenverleihung an die Fa. Smolka war die einfachste, die
ich überhaupt jemals erlebte. Smolka, übrigens ein Nachbar von meiner
Sommerfrische in Weidlingbach, hat an und für sich nur 4 Beschäftigte.
Er ist ein Rahmenerzeuger, der sehr gut verdienen muß. Immerhin ist
er imstande, jetzt sogar Bilderrahmen, auf einzelne Gemälde abge-
stimmt, bis nach Amerika zu exportieren. Ich besuchte seine Verkaufs-
stätte, zwei kleine Lokale in der Stadt, wo er die Kunden bedient. Er
zeigte mir Dutzende von Bilderrahmen, er selbst hat auch Kunstge-
schichte studiert, arbeitet auch als Kunsthändler, sein Sohn und sei-
ne Tochter arbeiten auch im Geschäft mit. Niemand aber war überhaupt
63-0125
zu der feierlichen Übergabe gekommen. Zwischen zwei Kunden, die er
bedienen mußte, händigte ich ihm sozusagen das Dekret aus und er meinte
nur, es ist sehr lieb, daß sie es mir persönlich bringen. Sozusagen
wie der Briefträger seine Post.
Der neue britische Botschafter, Alexander, wollte scheinbar unbedingt
einen Antrittsbesuch machen, diese Gelegenheit benützte MR Steiger
und ich um ihm die entsprechenden Wünsche, die wir an die britische
Regierung haben, bei den Verhandlungen bei den EG Unterstützung von
England zu bekommen. Insbesondere verwies ich darauf, daß jetzt, wo
die längste Übergangsfrist für die sensiblen Produkte, nämlich das
Papier auch zu Ende geht, wir hoffen, daß die englische Regierung nicht
der Papierlobby Rechnung trägt und womöglich eine Ausnahmegenehmigung
für die zollfreie, durch kein Kontingent gebundene Einfuhr von Papier
nach England wieder in Erwägung zieht. Die österreichische Papier-
industrie hat lange genug an dieser Schlechterstellung gelitten, noch
jetzt muß bei Papierexporten nach England, wenn das zollfreie Kon-
tingent überschritten ist, Jahr für Jahr dann die österreichische Pa-
pierindustrie für Mehrlieferungen entsprechenden Zoll bezahlen. Die
Handelsbeziehungen zwischen England und Österreich sind auf ein ver-
hältnismäßig tiefes Niveau gesunken. Sie stagniert seit Jahren, was
infolge der sonst generellen Steigerung unseres Außenhandels ein Ab-
sinken der perzentuellen Anteile bedeutet.
Der britische Coal Board macht jetzt größte Anstrengungen in Europa
sich Kohlenmärkte zu erschließen und wird daher in Österreich auch
entsprechende Gespräche führen. Alexander hofft, daß ich an diesen
teilnehmen oder sie zumindestens eröffnen kann.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Termin prüfen.
Herr Elsner, von der gleichnamigen Firma in Innsbruck, einer Tochter-
organisation der Genossenschaftlichen Zentralbank GZB, also einer
Raiffeisenorganisation, macht jetzt mit der DDR gigantische Geschäfte.
Er importiert für ca. 150 Mio. S von ihn genannte Rohstoffprodukte.
Aus der DDR z.B. 1.000 to Eipulver um 50 Mio. S. Dieses Eipulver ver-
kauft er dann nach Saudi-Arabien, Kuwait, Abu Dhabi, aber auch in die
Schweiz, transferiert also Ostdevisen in Westdevisen. Aus diesen Roh-
stofferträgen ist er imstande 200 Mio. S zu exportieren, aber eben nicht
nur das Eipulver, sondern auch andere Lebensmittel. Wenn jetzt Ei-
pulver entliberalisiert wird, so sieht er diese Geschäftsmöglichkeit
63-0126
für verloren und damit die Basis seines Handelsgeschäftes.Immerhin
beschäftigt er je 20 Leute in Wien und in Innsbruck hat aber jetzt
auch Filialen in Hongkong 6 und in Singapur 5 Beschäftigte. Interessant,
daß die Landwirtschaft in sich sich nicht koordinieren kann, denn
der Antrag der Entliberalisierung kommt ja, weil Schärding, aber auch
Hartberg, landwirtschaftliche Produktionsbetriebe, diese Entliberali-
sierung des Eipulvers wünschen. Da das Außenamt und sicherlich auch die
AK dagegen größte Bedenken hat, eine diesbezügliche Besprechung findet
noch im Februar statt, konnte ich ihm zwar noch nicht endgültig zu-
sagen, daß der Wunsch der Landwirtschaft nicht erfüllt wird, wohl aber,
daß sehr wenig Aussicht besteht, daß er tatsächlich durchgeführt
wird. MR Willenpart hat mir nachher gesagt, er hätte auch größte Be-
denken, wenn man neben der vorgesehenen Entliberalisierung von Gemüse-
positionen, Beipulver jetzt ebenfalls GATT-liberalisieren würde.
Elsner erklärte mir, daß der DDR-Handelsrat Bevermann in Innsbruck,
die DDR hat dort eine Filiale errichtet, sehr gerne an der Innsbrucker
Messe teilnehmen möchte, die Innsbrucker Messe hat ihm aber erklärt,
daß sie keinen Quadratmeter Platz mehr frei hat. Die DDR glaubt dies
scheinbar nicht, sondern vermutet, daß man sie von der Innsbrucker
Messe ausschließen möchte. Ich habe sofort erklärt, daß ich diesbe-
züglich mit der Direktion der Messe reden werde und dann Handelsrat
Bevermann resp. die Wiener Zentrale der DDR-Handelsvertretung verstän-
digen werde.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Innsbrucker Messe verbinden.
Bei der Besichtigung des Umspannwerkes Dürnrohr mit dem sowjetischen
Vizeenergieminister Lopatin, fragte ich ihn, was er eigentlich nicht
nur an positiven Bemerkungen und Erklärungen zu seinem bisherigen
Besuchsprogramm, sondern Negatives festgestellt hat. Unter 6 Augen,
nämlich GD Fremuth und mir, hat er dann gestanden, daß wir in der Ver-
gangenheit zu wenig Kontakt hatten. Die SU hat gerade jetzt auch eine
Hochspannungskurzkupplung errichtet und dort entsprechend große Pro-
bleme gehabt, hätte die SU gewußt, daß wir in Österreich so etwas
bauen, wäre eine Kooperation zwischen SU und Österreich zweckmäßig
gewesen, Erfahrungsaustausch, Information hätte wahrscheinlich beiden
sehr genützt. Bei der Besichtigung dann des halbfertigen Baues und der
Anlage stellte Lopatin fest, daß die österreichischen Unternehmungen
ungeheuer präzise und schön arbeiten. Bei dem Bau kommt es allein
durch den Sichtbeton optisch auch deutlich zum Ausdruck.
Ein weiterer Punkt, den er kritisch bemerkte, war, daß beide Staaten
ihren Stromaustausch und wahrscheinlich auch ihr ganzes Verbundsystem
nicht maximal optimieren, auch hier könnte eine Kooperation dem ab-
helfen.
Die kritischsten Bemerkungen aber bemerkte ich dann, als wir das
Kernkraftwerk Zwentendorf besichtigten. Die Sowjets und insbesondere
die Fachingenieure, die sie begleiten waren der Meinung, daß die Woro-
nesch-, sprich sowjetischen Kernreaktoren, eine größere Sicherheit
darstellen als die westeuropäischen. Die Sicherheitsphilosophie ist
scheinbar in beiden Ländern auch ganz verschieden. Nach sowjetischer
Bauart, kann beim Woronesch-Typ, wenn der gesamte Strom ausfällt, die
Kühlung durch angeordnete Wasservorratsbecken ohne einen Pumpbetrieb
weitergeführt werden. Bei den Westeuropäern ist zwar eine doppelte
Stromversorgung vorgesehen, das Kühlsystem aber arbeitet unter allen
Umständen mit Hochdruck resp. Normalpumpenbetrieb, dies erschien den
Sowjets unzweckmäßig und zu kritisch bei einem ev. GAU, größten anzuneh-
menden Unfall, diese Diskussion war für mich sehr interessant.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Hier möchte ich gerne noch entsprechend
mehr Detailinformationen.
Auch bei der Gewerkschaft kann ich feststellen, ähnlich wie bei den
Sektionen in meinem Landstraßer Bezirk, daß man es sehr liebt, wenn
ich überraschend zu Veranstaltungen erscheine. Die WIMO hat eine Jubi-
larehrung auf dem Flaggschiff der DDSG der Theodor Körner, die alle
Jahre im Winter, so auch dieses Mal, wieder in der Nähe der Reichsbrücke
vor Anker liegt. Diesmal hat es seinen Platz geändert, die Zufahrt zur
DDSG wird auch immer schwieriger, die Auszeichnung ist denkbar schlecht,
sodaß ich erst nach etlichen Fehlversuchen dann mein Ziel erreichte.
Die Überraschung war dort vollendet. Die Betriebsratsobmännin Schlein-
zer hatte fest damit gerechnet, daß ich komme, denn in der Früh bei
meinem Gewerkschaftsrundgang hatte ich sie getroffen und sie hat mich
eben diesbezüglich eingeladen. Alle anderen, die nichts davon wußten,
waren umso mehr überrascht, als ich erschien. Noch überraschter waren
sie, als ich mit dem engagierten Elektroorgelspieler zum Tanzen, aber
auch Lieder zum Singen mit der Mundharmonika zum Besten gab. Zwischen-
durch aber diskutierte ich mit den Betriebsräten der Arbeiter und An-
gestellten ihre nächste Lohnbewegung. Mit 1. März sind die 12 Monate
um, die Molkereiarbeiter rechnen aber gar nie, daß sie innerhalb eines
Jahres so wie die anderen Gruppen jeweils eine Lohnbewegung abschließen,
63-0128
sie sind schon froh, wenn sie 14 Monate nur bis zur nächsten Lohner-
höhung warten müssen. Unwahrscheinlich, wie geduldig manche Arbeiter-
gruppen wirklich sind und vor allem, welches Vertrauen sie in mich
setzen. Manchmal kommen mir wirklich Zweifel, ob ich dieses Vertrauen
verdiene und ob ich mich wirklich optimal für sie einsetze.
Tagesprogramm, 4.2.1982