Dienstag, 1. Dezember 1981
Im Parlamentsklub berichtete Heinz Fischer über die Klubarbeit, AK-
Präsident Czettel über die AK-Novelle, Wissenschaftsminister Firnberg
über die Studentenstreiks, Freier-Wirtschaftsverband-Präsident über
das Abgabenänderungsgesetz und Kreisky dann zuletzt über die ver-
staatlichte Industrie und ganz besonders die Personalprobleme bei der
Voest-Alpine. Über diesen Punkt hätte es sicherlich eine längere
oder vielleicht heftigere Diskussion gegeben, da ja etliche National-
räte der Metallarbeiter, insbesondere der Zentralbetriebsratsobmann
NR Ruhaltinger von der Voest-Linz konträrer Ansicht von Kreisky sind.
Da aber die Klubsitzung und insbesondere der Kreisky-Bericht meistens
bis zum Einläuten der Sitzung dauert, wurde über diesen Punkt nicht
diskutiert. Auf diese geschickte Zeiteinteilung hat man sich manche
Diskussion im Klub erspart.
Im Ministerrat gab es keine Vorbesprechung, Kreisky fragte daher, bevor
die Tagesordnung wie üblich abgewickelt und angenommen wurde, was es
mit der Erklärung von Präsident Kandutsch zum AKH-Geschehen für Be-
wandtnis hat. Salcher berichtete, daß er jetzt mit Kandutsch kein un-
mittelbares Gespräch führen konnte, weil er unerreichbar war für ihn,
Kandutsch aber nicht der Generalmanager gewesen, als der ihm die Zei-
tung hinstellte, sondern nur Präsident des Aufsichtsrates und gleich-
zeitig Leiter der begleitenden Kontrolle. Dies soll und wird er auch
weiter bleiben. Es ist richtig, daß erwogen wurde, die Voest-Alpine
mit einem Gesellschaftsanteil an der AKPE zu beteiligen, derzeit 50 %
Bund, 50 % Gemeinde. Das jetzt bestellte Management ist aus der zwei-
ten Linie. Wenn der weitere Bauauftrag einer Gesellschaft übertragen
werden kann, dann wird es zu einem schnelleren Abschluß kommen. Das
wirkliche Problem ist derzeit, daß Verträge mit Firmen über Lagerräume,
Baracken usw. abgeschlossen wurden, wo jetzt Bauaktivitäten erfolgen
müßten. Ausweichmöglichkeit für diese Lager gäbe es im alten TGM und
auch auf dem Sensengasse-Sportplatz. Dieser ist wieder an die Hoch-
schülerschaft verpachtet und es findet sich sozusagen niemand der Er-
satzlagerräume den Firmen zur Verfügung stellt, die die entsprechenden
Baufortschritte jetzt hemmen. Salcher teilte mit, daß mit Kandutsch
es alle 14 Tage größere Probleme gegeben hat, weil er stets, wie man
im Wienerischen sagen würde, einen Wickel ausgelöst hat, in dem er er-
klärte, er tritt zurück usw.
Kreisky stellte dann auch fest, daß über die Polenflüchtlinge in der
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Bevölkerung ein großer Unwille herrscht und man sich daher überlegen
muß, die Visapflicht einzuführen. In Polen gibt es keine Verfolgung,
weshalb die Flüchtlinge nicht so gefährdet sind als seinerzeit in
der CSSR und in Ungarn oder auch jetzt in anderen Oststaaten. Auch die
reiche Schweiz hat keine Visafreiheit. Innenminister Lanc berichtet,
daß jetzt 1.000 bis 1.200 Flüchtlinge pro Woche kommen, das große Pro-
blem sind aber die nicht Asylwerber. Als Touristen einreisend, wollen
sie insbesondere schwarz arbeiten, um hier entsprechende Aufenthalts-
möglichkeiten sich zu schaffen. Pahr informierte, daß die polnische
Regierung die Visaeinführung begrüßen würde, es selbst aber nicht macht,
um ihren liberalen Anstrich nicht zu verlieren. Kreisky faßte zusammen,
daß wo entsprechende notwendige Flüchtlingsaktivitäten wie aus den
anderen Oststaaten und auch aus den Judenauswanderungen aus der SU,
diese von Österreich erwartet wird, sie weitergegeben wird, aber ge-
genüber der Polenflut Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Auf Vorschlag Kreiskys beschlossen wir, aus den Repräsentationsaufwen-
dungen für Amnesty International, jeder, wenn er aufgefordert wird, 1.000
S zu spenden. Bei dem mündlichen Bericht, der von Lanc über den Austra-
lienbesuch, von Dallinger über den französischen Sozialminister, von
Salcher für Lausecker, der auf der Regierungsbank in der Fragestunde
war, für die europäische Verkehrsministerkonferenz schriftliche Berich-
te genehmigten. Ich selbst habe für meine Reise nach Prag und dann in
die arabischen Staaten Minister Haiden ersucht mich zu vertreten. Zu
diesem Zeitpunkt glaubte ich auch noch, daß ich nach Saudi-Arabien
fahren werde. MR Fälbl teilte mir dann mit, daß die österreichischen
Botschafter, sowohl der Botschafter als auch unser Handelsdelegierter
mitteilten, daß es unmöglich ist, in Riad am Donnerstag, für die Araber
sozusagen der Samstag, jemanden anzutreffen. Andererseits ist es un-
vorstellbar, daß ein Minister nach Riad kommt und nicht eben von Mi-
nistern ebenfalls empfangen wird. Unter diesen Umständen, erklärte ich
MR Fälbl, müßte man eben auf diesen Teil der Reise verzichten. Es ist
schon ein sehr interessantes Phänomen, daß der österreichische Bundes-
kanzler sofort bereit ist, den Samstag, Sonntag und einen Dienstag-
Feiertag zu opfern, um die arabische Reise zu absolvieren, während die
Araber wahrscheinlich kaum bereit sind, ihren Feiertag, nämlich Donners-
tag, Freitag zu opfern.
Bei den Parteienverhandlungen über das Energiesicherungsgesetz und die
Gewerbeordnungsnovelle machte die ÖVP-Seite, glaube ich, einen weiteren
taktischen Fehler. So wie sie bei der GewO-Novelle mehr oder minder in
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langwierigen Verhandlungen der endgültigen Formulierung zugestimmt
hat und dann nur erklärte, die Energiebestimmungen sollten nicht in
der Gewerbeordnung, sondern im Energiesicherungsgesetz verankert werden,
verlangte die ÖVP gleich einleitend, man sollte die strittige Frage,
ob die auszuarbeitenden Regelungen befristet werden, wie sie es unab-
dingbar dann hinstellten, erst am Schluß behandelt wird. In stunden-
langen Verhandlungen wurde daher über die Formulierungen für Fernwärme,
Vorbereitung von Lenkungsmaßnahmen für den Notstand, Einsparung von
Energien erfüllt von bindenden IEA-Beschlüssen, Meldevorschriften für
größere Energieverbraucher, Verantwortlicher für Energieangelegenheiten,
über die Biospritfrage, der Erfüllung der Art. 17 und 18 der Verein-
barung mit dem Bund und Länder, über Einsparung der Energie, über die
Substitution weitestgehend Einvernehmen erzielt. Strittig war nur,
auf welche Betriebe sich dies erstreckt. Die von der sozialistischen
Seite vorgesehene Untergrenze 5 MW für die Genehmigung der Errichtung
und Änderung von Anlagen zur Wärmeerzeugung würde ca. 2.715 Betriebe
umfassen. Die ÖVP wird sicherlich einen höheren Wert vorschlagen, be-
ginnen sie dann mit über 100 MW, das wären 15 Stück, wenn sie von 30–
100 MW geht, 215 Stück Dampfkessel, die genehmigt werden müßten. Hier
wird man sicherlich ein Kompromiß finden können. Ebenso wäre festzule-
gen, wann ein Verantwortlicher für den Energieverbrauch einzusetzen
wäre, der Vorschlag 50 Terrajoule würde 800 Firmen betreffen. Auch hier
wird die ÖVP entsprechende Erhöhung verlangen. Keine Möglichkeit sieht
die ÖVP auf eine unbefristete Verlängerung auch einzelner Bestimmungen
dieser Vereinbarungen. Unter Hinweis auf die ÖVP-internen Schwierigkei-
ten, die Landwirte werden niemals zustimmen, daß aus der Paketlösung
Wirtschaftsgesetze auch nur irgendetwas herausgelöst wird, sahen sich
die ÖVP-Unterhändler außerstande hier ein Zugeständnis zu machen. Ge-
nauso kategorisch erklärten aber sowohl unser Verhandlungsführer Ener-
giesprecher NR Heindl als auch ÖGB-Vertreter NR Schmidt und nicht zu-
letzt ich, daß wir auf eine unbefristete Gesetzeslösung für Fragen, die
die Gewerbeordnung betreffen, die Erfüllung der Staatsvertragsverpflich-
tungen gegenüber den Ländern, aber auch den Durchführungsbestimmungen
für den IEA-Vertrag beharren müssen. Da dieser Punkt erst zum Schluß
zur Sprache kam, als letzten Endes alles bereits ausgehandelt war, liegt
es jetzt an der ÖVP bis zur Sitzung des Unterausschusses ihre endgül-
tige Stellungnahme festzulegen. Sollte es über diesen Punkt zu keiner
Einigung kommen, haben wir eine Formulierung vorliegen, die zeigt, daß
wir verhandlungsbereit gewesen sind und weitestgehend nachgegeben ha-
ben, die ÖVP natürlich auch das von sich behaupten kann, da aber keine
Einigung zustande kommt, wird dann im Unterausschuß die von der Regie-
rung vorgeschlagene GewO-Novelle mit einfachgesetzlicher Mehrheit, d.h.
mit unseren Stimmen zu beschließen sein.
Bei der Protokollabfassung hat Dr. Rief als Experte der Handelskammer
immer wieder versucht, die, wie er sagt, für die Handelskammer vollkommen
inakzeptablen Punkte entweder herauszubringen oder doch zumindestens
entsprechend abzuschwächen, gegebenenfalls als nicht geeinigt hinzustel-
len. Bei Durchgang des Protokolls haben dann sowohl König als auch
der Wirtschaftsbundgeneralsekretär Schüssel mehr oder minder zugeben
müssen, daß dies, wie die sozialistische Seite, Protokollabfasser waren
SC Jagoda und Dr. Zluwa sowie der Experte der AK, Dr. Maurer, festgestellt
haben. Gen.Sekr. Kehrer ist am Abend dann später erst wieder zur Sitzung
gekommen, als die Formulierungen eigentlich schon alle festgelegt
waren. Der Ausschußvorsitzende Staudinger hat auch dann an der Sitzung
teilgenommen. Neuerliche Verhandlungen wurden dann nicht mehr aufge-
nommen, weil ich erklärte, ich muß unbedingt zu einer nächsten Bespre-
chung. Die Vorstandssitzung der Landstraße hatte ich sowieso schon
versäumt und zum Ausschuß wollte ich zeitgerecht kommen. Wichtiger
war mir aber, daß eben keine weiteren Verhandlungen mehr stattfinden,
weil die ÖVP-Seite ja unsere Formulierungen als Verhandlungsergebnis
bestätigen mußten. Gen.Sekr. Kehrer war sichtlich über das Ergebnis
nicht sehr erfreut, ganz im Gegenteil, er war schon während der Ver-
handlung über die verschiedensten sozialistischen Wünsche sehr empört.
Am meisten wehrte er sich über die Bestellung des Energiebeauftragten,
den ich, um es ihm vielleicht zu erleichtern, zum Energieverantwortli-
chen umbenannte.
Klubobmann Fischer, dem ich über diese Ergebnisse berichtete, war
anfangs sehr enttäuscht und sogar sehr verärgert. Er meinte, alle
hätten ihm erklärt, daß von der Beschlußfassung über die GewO-Novelle
nicht abgegangen und jetzt scheint doch ein Kompromiß zu kommen, wo
diese Bestimmung in das Energiesicherungsgesetz übertragen wird, wo
man eine 2/3-Mehrheit braucht. Aus der Erfahrung, die er am Unterrichts-
sektor mit den Schulgesetzen hat, diese waren früher auch Einfachge-
setze, wurden dann auf Vorschlag der Sozialisten in der Koalition
mit qualifizierter Mehrheit als Verfassungsbestimmung verlangt und
dann auch durchgesetzt, ergibt sich jetzt ein sehr schwieriges Ver-
handeln. Dasselbe, meinte er, geschieht jetzt mit einer Gewerbenovelle,
die einfachgesetzlich geregelt werden kann, durch Übertragung von
Energiebestimmungen in das Energiesicherungsgesetz. Beruhigt hat er sich
dann nur, als ich ihm dezidiert sagte, daß der gesamte Verhandlungs-
ausschuß auf dem Standpunkt steht, entweder akzeptiert die ÖVP, daß
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diese Bestimmungen unbefristet sind, oder es kommt zu keiner Vereinba-
rung. Er wird diese Frage also jetzt im Klub, Präsidium und Klubverhand-
lungen mit der ÖVP endgültig klären.
Die Tagesordnung des Nationalrates war viel schneller zu Ende, als an-
genommen wurde, ich wurde z.B. zu meinen Tagesordnungspunkten Inter-
nationales Weizenabkommen und Gesetze über Kraft-Wärme-Kopplungs-
Durchführungsprojekte der IEA überraschend schnell hingerufen. Der
Berichterstatter für den letzten Punkt, NR Wille war ebenfalls bei ande-
ren Parteiverhandlungen und wäre bald nicht zeitgerecht gekommen. Der
Präsident Minkowitsch war schon sehr nervös, weil er die Sitzung hätte
unterbrechen müssen. Anstelle des Berichterstatters kann der Ausschuß-
obmann Staudinger in Vertretung berichten, der aber ebenfalls nicht
anwesend war. Ich alarmierte daher schnell Ausschußobmannstellvertreter
des Handelsausschusses, Mühlbacher. Es war ein richtiges Durcheinander.
Die ÖVP hat daher auch eine dringliche Anfrage über die Erklärung von
Kandutsch an den Finanzminister eingebracht. Dieser hat dann sehr sach-
lich, aber kurz nur festgestellt, daß ein Teil der Fragen falsch ge-
stellt sind, er sie daher gar nicht beantworten braucht und den anderen
Teil eben nur erklärt. Kandutsch ist kein Generalbevollmächtigter ge-
wesen, seine Funktion, die er vertragsmäßig bis jetzt gehabt hat, bleibt
auch unverändert. Darüber war natürlich die ÖVP jetzt umso mehr empört,
doch ging diese dringliche Anfrage, glaube ich, wirklich daneben.
Mein Bericht beim Bezirksausschuß auf der Landstraße wurde dann insbe-
sondere, was die Flüchtlinge und die Preissituation betrifft, hart kri-
tisiert, besonders, daß ich nichts über die Erhöhung der AZ, 1 S auf 6 S
ab ersten Dezember, vorher nichts berichtete, wurde mir übel genommen.
Ähnlich war ja die Situation ja schon im Wiener Vorstand und Ausschuß,
wo auch heftig Klage geführt wurde, daß man dies zwar sicherlich im
Parteivorstand als offizielles Gremium beschlossen hat, aber eigentlich
niemand zeitgerecht informierte.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte in Hinkunft mich auch bei Parteiproblemen
besonders erinnern.
In der Stadthalle wurde ein Musical vom Broadway übernommen und soll
ausverkauftes Haus bringen. Die Aufführung ist sehr exakt, alles was
am Broadway gespielt wird, ist dort wirklich höchste Perfektion. Beim
Premierenpublikum, zumindestens mit denen ich zusammengetroffen bin, waren
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lauter ältere Jahrgänge, denen es meistens zu laut war. Da in dieses
Musical viele alte Hits eingebaut sind, kannte sogar ich einige Stücke.
Die Lautstärke stört mich überhaupt nicht, das bin ich vom Üben der
Band meines Sohnes sehr gewohnt.
Tagesprogramm, 1.12.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 111. Ministerratssitzung, 1.12.1981
Nachtrag TO Ministerratssitzung, 1.12.1981
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)