Dienstag, 1. September 1981
Dr. Burian ruft mich von Alpbach an und informiert mich, daß einige
sozialistische Teilnehmer, wie Kienzl, Veselsky, NR Schmidt und er
über ein sozialistisches Regierungsprogramm, welches die große Trend-
wende anzeigen soll, verhandelt haben. Beim Investitionsprogramm des
Bundes für 10 Jahre sollen die ersten zwei Jahre sofort vorgezogen
werden. Die Subventionen sollen dafür auf die Hälfte reduziert werden.
Die Mehrwertsteuereinnahmen sollen durch die Rechnungslegungspflicht
wesentlich erhöht werden. Eine Steueranpassung, aber gleichzeitig auch
mit einer Amnestie, soll ebenfalls mehr Einnahmen bringen. Die österr.
Nationalbank sollte 1 Mrd. Forschungsüberleitungsmaßnahmen finanzieren,
die große neue Investitionsaktion TOP soll von 1 Mrd. auf 3 Mrd. er-
höht werden, die Exportförderung ausgebaut und ein mehrjähriger Budget-
plan erstellt werden. Die Strukturanpassung ist verstärkt fortzusetzen,
neues Haben-Zinsabkommen sollte abgeschlossen werden. Eine Pause in
der Einkommens- u. Preispolitik wäre von den Sozialpartnern zu verein-
baren. Zur Sanierung der Sozialversicherung sollen nicht nur Sozial-
politiker, sondern auch Ökonomen als Experten sofort beginnen. Die
Donnerstag-Feiertage sollen sofort an einen Freitag verschoben werden.
Burian erwartet, daß Kreisky bei der Ministerratsvorbesprechung diese
Ideen vortragen wird, obwohl er selbst zugibt, daß nicht einmal der
in Alpbach anwesende Finanzminister diesem Programm, soweit es sein
Ressort betrifft, bis jetzt zugestimmt hat. Ich halte es für unmög-
lich, über solche Ideen könnte frühestens bei der Regierungsklausur,
und wahrscheinlich nicht einmal dort, gesprochen werden. Wenn erst
einmal eine Partei, so wie die Sozialisten, jetzt so lange in der
Regierung ist, können so großzügige Programme in meinen Augen nicht
von paar außenstehenden Experten beraten, zusammengefaßt und dann
vorgeschlagen werden, ohne daß es nicht bei den zuständigen Fach-
ministern tausend wenn und aber gibt, die solche Programme in den
Detailverhandlungen dann, fast würde ich sagen zerpflücken. Ein
solches Programm hat nur eine Aussicht, im wesentlich kleineren
Rahmen präsentiert und verwirklicht zu werden, wenn der Bundeskanzler
selbst ein solches aufgreift.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte die endgültige Fassung, und die daran
gearbeitet haben, sofort vorlegen.
Beim Jour fixe in der HK berichtet mir Sallinger zum x Male, daß er
jetzt von Kreisky aufgefordert wurde, selbst nach Chile zur Ausstellung
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zu fahren, wo viele österr. Unternehmer sich daran beteiligen werden.
Mit NR Wille haben Sallinger und Kehrer eine Diskussion über die
Panzerlieferungen gehabt.
In Moskau wird Sallinger die technisch-wirtschaftlichen Wochen er-
öffnen, frägt an, ob ich dort eine Ansprache halte, was ich selbst-
verständlich sofort mit Ja beantworte.
Der japanische Botschafter war bei ihm und verlangte, daß die Wirt-
schaftsmission österr. Unternehmen nach Japan unter Staatsführung
erfolgen müsse. Dies bringt Sallinger gleich furchtbar auf, weil er
darin die Gefahr sieht, daß Exportaktivitäten vom Handelsministerium
im Ausland mit den Unternehmern entfaltet werden. Da ich vom zuständigen
Referat keine Information habe, erkläre ich nur, ich werde mich sofort
danach erkundigen.
ANMERKUNG FÜR SC MEISL UND HAFFNER: Was haben uns die Japaner gesagt?
Sallinger hat beim gestrigen Besuch der Rieder Messe festgestellt, daß
120.000 Besucher dort sind. Ich erinnere ihn sofort daran, daß die
Welser Messe den Streit mit der Wiener Messe noch immer führt, obwohl
die Wiener Messe sich an Sallinger gewendet hat, damit er dieses
Problem bereinigt. Da Sallinger dies auch nicht kann, möchte er am
liebsten es wieder an mich abschieben. Außer der Terminplanung, wo
es eine Kollision gibt, erwartet Sallinger, daß die Landmaschinenher-
steller und -händler die Wiener Messe boykottieren werden. Dies glaube
ich zwar nicht, doch wäre damit sein Vermittlungsversuch nicht nur
gescheitert, sondern schlechter als der bisherige Zustand. Ähnliches
gilt für die von der Intern. Nutzfahrzeugföderation den Wienern zuge-
sprochene Autoausstellung.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Erkundige Dich vorsichtig bei der Wiener Messe
über diese Probleme.
Ich informiere die HK über die Statutenänderungen in der ÖFVW. Sallinger
und Kehrer sind sehr erschüttert, daß die Länder jetzt den seiner-
zeitigen Kompromiß, die HK stellt den Vorsitzenden im Direktorium, wenn
ich nicht dort bin, nicht in die Statuten aufnehmen wollen. Sallinger
ruft sofort LR Bassetti an, der als Sprecher der Länder angeblich
diesen Kompromiß seinerzeit fix mit der HK vereinbarte. Bassetti be-
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hauptet Sallinger gegenüber, das Ganze sei selbstverständlich verein-
bart, und ich verzögere nur die endgültige Beschlußfassung. Dagegen
spreche ich mich sofort entschieden aus und erkläre, was ich aus den
vielen Gesprächen, die ich geführt habe, feststellen mußte, daß nicht
nur die sozialistischen Bundesländer, sonderen auch die anderen größte
Bedenken haben, diesen Kompromiß auch in den Statuten zu verankern.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte nächste Besprechung Zolles vormerken.
Der Wunsch einzelner Fremdenverkehrsfunktionäre, aber sicherlich
vieler Betriebe und Reisebüros, an den Außenhandelsförderungsbeiträgen
mitzupartizipieren, meint Gen.Sekr. Kehrer, könnte zwar aufgrund der
letzten AHF-Novelle vielleicht gedeckt sein. Die österr. Kontrollbank
kann auch jetzt Reisebüroforderungen garantieren. Sallinger hat natür-
lich auch dagegen Bedenken und meint, gerade noch meinem Vorschlag
zustimmen zu können, daß das Handelsministerium und die HK sich an-
schauen sollen.
Bezüglich der Sanierung des steir. Exportringes erklärt Sallinger, daß
er sich nicht von den Steirern unter Druck setzen läßt. Ursprünglich
bestand sogar die Absicht, daß die HK die Firma aufkauft, resp. bei-
tritt, und sogar das Münchener Auslieferungslager sanieren soll. Die
HK hat seinerzeit dem LR Peltzmann, als ein gewisser Pölzl noch Ge-
schäftsführer war, dem steir. Exportring eine Starthilfe gegeben, die
der Rechnungshof dann angeblich kritisierte. Neben der Steiermark hat
seinerzeit auch die Bundessektion Gewerbe für Kleinbetriebe eine solche
Exportorganisation begonnen. Alle sind bis jetzt noch gescheitert, weil
erfolgreiche Kleinexporteure sich dann letzten Endes selbstständig
gemacht haben und auf die Exportring- resp. Bundessektionsgewerbeorgani-
sation verzichteten. Auch hier ist Sallinger nur bereit zuzustimmen,
daß man über dieses Problem zwischen Handelsministerium und HK Ge-
spräche führen sollte.
ANMERKUNG FÜR SC MEISL UND HAFFNER: Bitte mit Dr. Gleißner diesbezügliche
Gespräche beginnen.
Kehrer frägt wegen der Schrottimportpreisregelung, die die HK ent-
schieden ablehnt, an, ob ich hier schon eine Entscheidung getroffen
habe. Ich erkläre ihm sofort, daß über die Schrottfrage eine Sitzung
stattfindet, zu der, wie ich nachher feststellen muß, die HK nicht ge-
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laden ist. Kehrer hat keine Zeit und schickt deshalb Dr. Rief.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: In Hinkunft bitte die HK immer zeitgerecht
verständigen.
Kehrer hat sich eine Information über die Aussprache mit der Bäcker-
innung und Brotindustrie bezüglich einer Maschinensemmelpreiserhöhung
durch die Paritätische Kommission verschafft. Darin wird ihm mitge-
teilt, ich hätte angeblich der Bäckerinnung und der Brotindustrie zu-
gesagt, daß man die Maschinensemmel deshalb erhöhen müsse, weil der
Brotpreis mit 60 Groschen die Kosten der Bäcker nur unzulänglich deckt.
Dies entspricht nur insoferne der Tatsache, als ich mich bereit er-
klärt habe, den Interessenvertretungen mitzuteilen, daß eine Vor-
sprache der Bäckerinnung und der Brotindustrie bei mir den Wunsch er-
geben hätte, wenn die Brotpreise nur um 60 Groschen erhöht werden, ich
mich dafür einsetzen sollte, daß die Maschinensemmeln, welche allerdings
erst am 31. Mai d.J. erhöht wurden, frühzeitiger als innerhalb der
Jahresfrist neuerdings erhöht werden sollen. Kehrer wird mit dem Bundes-
innungsmeister der Bäcker darüber sprechen, meint aber, daß unmittelbar
eine Semmelpreiserhöhung nicht in Frage kommt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Jour fixe AK und ÖGB setzen.
Vor der Ministerratssitzung übermittle ich Minister Firnberg die Ein-
ladung von Dr. Hübner, die sie, wenn ihre Zeit erlaubt, annimmt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Dr. Hübner verständigen.
Gesundheitsminister Dr. Steyrer informiert mich, daß er jetzt im Pinzgau
ebenfalls die Verhältnisse wegen Nationalpark und Elektrizitätswirt-
schaft besprochen hat und sich vorstellen kann, daß dort sehr wohl
ein Speicher errichtet wird. Seine Taktik sei, um die Elektrizitäts-
wirtschaft einigermaßen zu bremsen, sich allerdings vorerst ganz auf
die Seite der Naturschützer zu stellen. Ich erkläre ihm sofort, daß
für mich die Nordabdachung des Nationalparks kein Problem mehr dar-
stellt, da das Projekt außerhalb der Kernzone liegt.
Kreisky hat dann in der offiziellen Vorbesprechung sofort mit dem
Araber-Überfall begonnen. Er meint, nach dem Mord Nittels seien schon
Warnungen nicht berücksichtigt worden. Schon bei der ersten Aussprache,
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Kreisky bei Gratz am 1. Mai, wo man noch ziemlich ratlos war über die
Ursachen, hätte er schon auf diese politische Entwicklung hingewiesen.
Der Mut der Profil-Journalistin, dann entsprechend zu recherchieren,
hätte das Ergebnis gebracht, daß die Abu-Nidal-Gruppe dahinter steckt.
Diese Journalistin hat auch mit ihm gesprochen, der ORF verweigerte
ihr einen Auftritt, die Behörden haben ihre Ergebnisse abgewertet.
Die Journalisten sind auf sie eifersüchtig, weil sie lieber in Partei-
sekretariaten recherchieren, wo es weniger gefährlich ist, dafür aber
auch weniger Ergebnisse bringt. Die PLO wird Hilfe bei der Aufklärung
geben, unter anderem sei auch der Waffenschmuggel-Hinweis von der PLO
gekommen, die Beamten lachieren , Lanc muß sich selbst um alles kümmern.
Lang anwesende Araber, aber auch internationale Beamte, sind scheinbar
immer wieder in solche Affären, wenn auch nur weit entfernt, mit ver-
strickt. Die Information durch den ORF, auch wenn beim letzten ein
gewisser Stamm, der der SPÖ angehört, darüber berichtet, sei immer ein-
seitig. Seitdem im Libanon der Waffenstillstand unter amerikanischem
Druck vereinbart wurde, ist die PLO das erste Mal zumindestens indirekt
auch herangezogen worden. Syrien und den radikalen Palästinensern
paßt dies nicht, weshalb sie jetzt zu den Terrormethoden greifen. Diese
Politik wird aber nichts an Kreiskys PLO-Einstellung und -Einsatz
ändern. Wenn man die zwei Waffenschmuggler hierbehalten hätte, wären
weitere Terrormaßnahmen zu erwarten gewesen. Dasselbe gilt jetzt dann
auch für die auf lebenslänglich zu verurteilenden Terroristen. Er werde
daher, was immer geschieht, seine PLO-freundliche Politik fortsetzen.
Obwohl er keine Vermittlerrolle anstrebt, denn dazu müßten ihn ja beide,
also auch die Israelis, ersuchen. Er wird keine opportunistische Politik
machen, er hält die Idee, nicht dabei zu sein, sozusagen sich zu distan-
zieren, falsch. Die Schweden haben in der letzten Zeit eine kleinkarierte
Politik betrieben und sind jetzt im Winkel der Weltpolitik gelandet.
Mit NR Braun hatte er eine Aussprache gehabt, der ihm unbedingt er-
klären wollte, was er gesagt hat und was nicht. Kreisky meint, was immer
er gesagt hat, ist ihm auch recht, er will niemanden auf seine Politik
binden, doch er wird sie wie bisher fortsetzen. Kreisky meint auch, die
Regierungsmitglieder sollten darüber berichten, wenn sie sich damit
nicht identifizieren können, ist es ihm auch recht, wenn man sozusagen
schweigt. Für Österreich hat diese arabisch-freundliche Politik große
wirtschaftliche Vorteile. Die Araber sind nicht nur mit zwei Drittel
die Energielieferanten der Welt, sondern auch die größten Weltgeldgeber.
Schon aus diesen wirtschaftlichen Gründen können die Araber daher nicht
politisch unterlegen. Seine Politik sei nicht Rechthaberei, und schon
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gar nicht Altersstarrsinn, sondern durch diese ökonomische, aber
auch politische Situation gegründet, und werde fortgesetzt.
Die Wirtschaft entwickelt sich unerfreulich. Er berichtet über Eumig,
insbesondere, daß der deutsche Grundig-Vorstand solche Betriebe, die
er mit ihnen in Fürstenfeld gesehen hat, in Deutschland alle zusperrt.
Für Wr. Neudorf dagegen sieht er eine Möglichkeit, da die Grundig-Leute
doch eine neue Videorekorder-Produktion auch überlegen, wie er streng
vertraulich andeutet. Grundig und Philips würden dann 20 % der Welt-
produktion haben, die Japaner 80 %. Die Grundig wäre bereit, event.
eine größere Anzahl von Beschäftigten zu übernehmen, wenn es Stari-
bacher gelingt, handelspolitische Voraussetzungen mit den Grundig-
Leuten zu erreichen. Wenn die steir. Landesregierung für Fürstenfeld
Betriebe präsentiert, so muß die steir. Landesregierung auch die Bonität
prüfen und garantieren. In der Vergangenheit hat sie für Eumig 33 Mio.
für Fürstenfeld seinerzeit zur Verfügung gestellt. Ebenso hat die steir.
Landesregierung seinerzeit die Pelzfabrik in Fürstenfeld und die Fahr-
radfabrik in Köflach empfohlen, beide sind zugrunde gegangen.
Die Bankdirektoren haben sich in Krisenzeiten nicht bewährt. Die einen
durch Gefühllosigkeit, die anderen aber durch Maßnahmen, wo sie jetzt
vor Gericht landen können. Den Gen.Dir.Stv. bei Steyr-Daimler-Puch,
Feichtinger, hat Kreisky gefragt, warum sie gerade jetzt im Wahlkampf
die Mopedproduktion einstellen. Vor ein paar Jahren hat man noch ihm
erklärt, es dürfe das Ölsaatenprojekt in Österreich nicht verwirklicht
werden, damit man die Exporte von Mopeds nach Amerika damit nicht ge-
fährdet.
Der Alpenländische Kreditorenverband hat jetzt eine Analyse über die
Konkurse gemacht, worin klar und deutlich gegen die Argumente der ÖVP,
insbesondere des Parteiobmanns Dr. Mock, bewiesen ist, daß doch nicht
die Regierung, sondern die Unternehmer schuld sind.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte diese Analyse sofort beschaffen.
Die Bauindustrie dürfte 82 in eine Krise kommen, weshalb trotz der
Budgetsituation Kreisky vorschlägt, man soll Aufträge vorziehen.
Koren als Präs. d. österr. Nationalbank hat jetzt ein Interview gegen die
Regierungspolitik gegeben. Seine Frau dagegen hat Frau Kreisky mitge-
teilt, daß es so nicht gemeint war. Kreisky wird mit Koren eine Aus-
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Sprache haben, um ihn daran zu erinnern, daß die Nationalbank die
Regierung laut Gesetzesauftrag zu unterstützen hat. Österreichische
Bankdirektoren sollen im Ausland auch angeblich über die schlechte
österr. Finanzlage herumreden und dadurch nicht nur das Ansehen
Österreichs schädigen, sondern ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Mit Rösch, der allerdings bei der Ministerratssitzung nicht anwesend
war, möchte über die Auftragsvergabe diskutieren. Für die Abfangjäger
würde jetzt General Dynamics bis 15. September ihm ein konkretes Anbot
geben, bis jetzt weiß er nur aus Zeitungsinformationen von den angeb-
lich 4.000 Beschäftigten.
Er frägt, was an der Ablehnung der österr. Kontrollbank bezüglich
Haftungsübernahme durch das Karawankentunnel richtig sei. Sekanina
erklärt sofort, daß vier österr. Firmen die jugoslawische Strecke aus-
bauen sollten, die Jugoslawen aber bis jetzt über die Finanzierung
noch nicht entschieden haben. Der Gesandte Bogen vom Außenamt hätte
ihn informiert, daß die jugoslawische Regierung zwar dieses Problem
jetzt positiv entschieden hat, eine schriftliche rechtsverbindliche
Erklärung aber noch nicht vorliegt. Salcher ergänzt, daß die österr.
Kontrollbank alle Vorkehrungen getroffen hat, doch die Jugoslawen
den Termin, der mit der österr. Kontrollbank vereinbart war, ablaufen
ließen. International wird jetzt Jugoslawien so wie Polen behandelt,
Kreisky meint, bei Polen könnte es sich noch um einen karitativen Akt
handeln. Jugoslawien wird aber die USA und andere Staaten auf alle
Fälle halten. Lanc, der in der Zwischenzeit erschienen ist, erklärt,
er hätte mit seinem jugoslawischen Gegenpart auch darüber gesprochen
und dieser meint, es sei ein echter Kampf der Republiken. Da alle
Republiken zustimmen müssen, kann sich alles verzögern. Salcher meint,
nicht die österr. Kontrollbank, sondern die österr. Nationalbank hat
jetzt die Bonität von Jugoslawien, die allerdings auch international
sehr gelitten hat, herabgesetzt. Kreisky meint, er werde auch darüber
mit Koren sprechen, denn dieser will sich als einzig Verantwortungs-
bewußter jetzt auf Kosten der Regierungspolitik profilieren. Diese hat
er aber zu unterstützen.
Kreisky kündigt an, daß bei der Regierungsklausur am Montag über die
Grundsätze der Budgetpolitik gesprochen wird und über die wesentlichen
Ressortaufgaben. Auf Anfrage von Salcher meint er, bei der Klausur sollte
insbesondere das Finanzressort nur fünf bis sechs Seiten vorlegen, die
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man lesen und dann auch beschließen kann. Scheinbar hat in der Ver-
gangenheit Androsch, durch die Vorlage von hunderten Seiten, dann er-
klärt, das sei in der Regierungsklausur beschlossen worden, obwohl
dies niemand lesen konnte oder gelesen hat.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT UND SEKRETARIAT: Bitte auch Punktationen für
ein diesbezügliches Papier sofort vom Handelsministerium vorbereiten.
Darüber hinaus hat Kreisky jetzt einen langen Brief für die Vertrauens-
männer über die österr. Wirtschaftspolitik geschrieben. Er schlägt vor,
daß in Drei-bis-vier Wochen-Intervallen auch die Ressorts solche eben-
falls sechs bis acht Seiten langen Briefe verfassen sollten. Als erstes
das Finanzministerium über die Budgetpolitik, dann Lanc über die Innen-
politik. Über die anderen wird man dann später reden.
LH Ludwig hat das Marchfeldkanal-Projekt bei ihm urgiert, die OÖ wollen
in Kirchdorf a.d. Krems, daß der Kasernenbau vorgezogen wird. Darüber
wird er dann bilaterale Gespräche führen.
An den Parteiengesprächen, ÖVP am 3.9. um 15.00 Uhr im Parlament und
FPÖ am 4.9. um 11.00 Uhr im BKA, auf diese feine Unterscheidung weist
er besonders hin, können alle Wirtschaftsressortminister, die wollen,
daran teilnehmen.
In der Zwischenzeit ist Lanc erschienen, und er fordert ihn auf, über
den Überfall zu berichten. Alles ist im Grunde schon aus der Presse
bekannt, und es entwickelt sich eine Diskussion zwischen Kreisky und
Lanc über die Zweckmäßigkeit der Bewachung. Kreisky meint, hier seien
die Beamten niemals optimal aufgetreten oder eingesetzt, man müsse
neue Wege gehen. Der Flughafen Schwechat sei gut bewacht, die anderen
gefährdeten Objekte überhaupt nicht. Das Auf- und Abgehen hätte keinen
Sinn, Lanc meint, dann würde man gewisse Punkte zu kleinen Festungen
ausbauen müssen. Kreisky unterstreicht zwar auch jetzt, bei Anwesenheit
von Lanc, daß die Beamten versagen, Lanc sich aber über alle Details
kümmert. Mir tut Lanc in der jetzigen Situation sehr leid, denn ich
weiß, wie es mir bei der Energiefrage seinerzeit ergangen ist.
Dallinger berichtet über die Arbeitsmarktsituation, Ende August 1,4 %
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Arbeitslosenrate, um 0,4 % mehr als im Vorjahr. Trotzdem eine äußerst
günstige Situation, die Hochrechnung ergibt derzeit eine Durchschnitts-
arbeitslosenrate 81 von 2,4 %. Die Gastarbeiter haben um 4.100 abge-
nommen, die Unternehmer wollen immer neue Gastarbeiter, anstelle die
in Österreich schon Anwesenden gegebenenfalls zu beschäftigen. Der
Grund dafür liegt darin, daß die neuen Gastarbeiter weder ihre Sozial-
rechte noch die entsprechenden Löhne bekommen. Neue Kontingente wird
es daher nach Dallingers Meinung kaum geben. Die WHK hat mit Bürgermeister
Gratz und Finanzstadtrat Mayr bei ihm immer wieder um neue Gastarbeiter
vorgesprochen. Die Wiener haben aber ein stärkeres Anwachsen der Ar-
beitslosigkeit festzustellen, daher sei das General-Motors-Projekt
gerade richtig geplant und in Wien richtig loziert.
Eine Diskussion mit Kreisky ergibt sich dann durch den Hinweis, daß
die Arbeitslosenversicherung 2,6 % auf 3 % von Dallinger releviert
wurde, weil er für 82 eine Gefahr sieht, nicht mehr mit 2,6 % auszu-
kommen, wenn eine größere Arbeitslosigkeit eintritt. Aus dem Budget
kann er keine Mittel bekommen, 81 ist der Fonds leer, 100 Mio. ist
noch eine Schuld an den Fonds. Kreisky meint, darüber hätte man aber
in der Regierungsklausur mit dem ÖGB diskutieren sollen und nicht
ankündigen. Salcher wieder sagt über die Sozialversicherung, die man
ab 82 finanzieren müßte, müßten überhaupt noch entsprechende Verhand-
lungen geführt werden. Sekanina verweist darauf, daß wir jetzt eine
größere Arbeitslosigkeit bei den Bauarbeitern haben als 1970, damals
betrug sie 11.000, jetzt wird 11.000 überschritten werden. 73, im
besten Jahr, waren es nicht einmal 4.000. Er verbindet die Gelegenheit
gleich, um allein für einen Inflationsausgleich im Hochbau 300 Mio. S
zu verlangen, für die jetzt gegründete neue Straßengesellschaft IIASA,
die 30 km Wechsel, 2,4 Mrd. S 82, und für die S 6 und S 36 1,4 Mrd. bei
Bruck und 950 Mio. bei Gloggnitz 82 finanzieren sollen. Heuer wurden
noch 106 Mio. Brücken und 170 Mio. für Niklasdorf ausgeschrieben.
Den Ländern mußte er für das 82er-Jahr bereits 50 Mrd. S zusagen, die
Mineralölsteuer wird aber heuer statt 13,5 Mrd. nur 13,2 Mrd. bringen,
mit einem Wort, er hat die ganzen Mittel und darüber hinaus Länderzu-
sagen gemacht, die er nicht finanzieren kann.
Lanc berichtet über die 16.000 Flüchtlinge, 12.000 aus Polen, 2.300
aus der CSSR, die übrigen aus übrigen Ländern. Wenn keine Trendwende
im September eintritt, die Kreisky nicht sieht, kommt er mit den Budget-
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mitteln nicht aus. Kreisky berichtet, daß jetzt ein vertraulicher
Bericht des Außenamtes vorliegt, wo der ehemalige tschechische
Außenminister Dr. Hájek meint, die Hodic-Affäre sei anders verlaufen,
er sei zur Rückkehr gezwungen worden. Pahr frägt an, ob der Bundes-
präsident, der dies auch wissen will, jetzt Husak-Einladung ver-
schieben sollte. Kreisky meint, die Tschechen überlegen das selbst,
man sollte daher zuwarten.
Löschnak fragt an, ob die Minister der Österr. Gesellschaft für Ge-
setzgebungslehre des Univ.-Prof. Schäffer als Opponenten beitreten sollen.
Prof. Öhlinger hat eine solche Gesellschaft schon früher gegründet.
Ich erkläre sofort und auch Pahr, er hat es abgelehnt, Kreisky meint,
jeder Minister soll selbst entscheiden, ein Bedürfnis besteht nicht.
Im Ministerrat informiere ich dann über die Vorsprache der Bregenzer-
wälderbahn-Demonstranten und übergebe das Material an Minister Laus-
ecker. Dieser wird als Ressortzuständiger die weiteren Gespräche führen.
Eine Aussprache mit Frau Corrieri, der Meerschaum Traxler Pfeifenproduzentin , die ich gestern ausgezeichnet habe, und MR Waas ergibt, daß
die Türken jetzt annehmen, die Präferenzen, die die Regierung be-
schlossen hat, schon so sicher zu haben, daß sie jetzt bei Meerschaum-
lieferungen Schwierigkeiten machen. Die Firma ist bereit, 1,20 $ für das
kg zu zahlen, und braucht im Jahr 5 to. Die türkischen kleinen Liefer-
firmen würden sehr gerne ihrem Aufkäufer diese Mengen liefern, aber
die türkische Regierung gibt keine Ausfuhrgenehmigungen. Da die
Präferenzzollösung, welche die Türkei den anderen Entwicklungsländern
gleichgestellt hat, noch nicht vom Parlament beschlossen ist, wird
MR Waas den österr. Botschafter informieren, daß, wenn die Türkei eine
so intransigente Haltung einnimmt, bei der Beschlußfassung im Par-
lament große Schwierigkeiten entstehen werden. Ich selbst werde mich,
sollte die Türkei ihre Stellung nicht ändern, im Parlament gegen eine
Beschlußfassung aussprechen. Waas hofft, mit dieser Drohung das Problem
zu lösen.
Ein Interview mit DDR-Journalisten gab die üblichen bereits aufge-
setzten Fragen, die leicht zu beantworten waren.
Das Interview mit Schweizer Journalisten betreffend des Staatsbesuches
war wesentlich lockerer, allerdings gibt es dort überhaupt keine
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Probleme. Als man unbedingt wissen wollte, was wir bilateral zu
lösen hätten, erwähnte ich die Joghurt-Frage. Spaßhalber meinte
ein Journalist, könnte man schreiben, Joghurt-Krieg zwischen Österreich
und der Schweiz.
Eine Aussprache mit Gen.Dir. Wenzl und Dir. Hochwimmer von der OKA
betreffend Abwärmenutzung Riedersbach II, zeigte mir deutlich, daß
zwar alle für eine solche Energiesparpolitik sind, aber niemand die
notwendigen finanziellen Konsequenzen daraus ziehen will. Die OKA,
die übrigens an der SAFE auch mit 36 % beteiligt ist, also diese
beiden Landesgesellschaften, könnten, meiner Meinung nach, 33 km
Leitung von Riedersbach in den Raum Salzburg vorfinanzieren. Salzburg
hat derzeit 100 MW thermisch und würde 100–200 MW zusätzlich auf
lange Sicht brauchen. Die Leitungskosten betragen 1,2 Mrd. S, weil
3–4 Pumpstationen notwendig sind. Das ergebe einen 50 Groschen
Transportzuschlag für die KWh, 35 Groschen würde vom Kraftwerk die
Wärmeeinheit kosten, so daß insgesamt 85 Groschen der Preis wäre, gegen-
über derzeit 45 Groschen. Da Salzburg aber ihr Fernwärmewerk von Dampf
früher oder später aus Umweltschutzgründen wird einstellen resp. um-
stellen müssen, glaube ich sehr wohl, man sollte dieses Projekt neuer-
dings mit Salzburg besprechen. Die Investition der Turbine und Rieders-
bach II macht 450 Mio. S aus, hier wäre neu schnell zu kalkulieren, was
die Abwärmevariante kostet.
Bezüglich der warmwasser-geothermischen Energie in Braunau hat die OKA
kein besonderes Interesse. Die Fa. Shell hat Geinberg Warmwassergeo-
thermik ausgebaut, obwohl die OKA auch dort erklärte, sie könne es
nicht kalkulieren und finanzieren.
Wenzl wollte mich dann unter vier Augen sprechen und hat mir bezüglich
der Stromtarifverhandlungen erklärt, daß MR Burian sich sehr geschickt
und tüchtig verhält, die Interessenvertretungen aber unzulässigen
Widerstand leisten. Das Ganze wird durch ewige Prüfungen nur hinaus-
geschoben, Wenzl schlagt vor, man sollte im kleinsten Kreis über das
Ausmaß der Erhöhung, sozusagen den volkswirtschaftlich gerechtfertigten
Preis verhandeln, dann den Termin vereinbaren und die ganze Prozedur
abkürzen. Überhaupt ist er von Burian so begeistert, daß er verwundert
fragt, wieso der nicht schon längst Sektionschef der Energiesektion
ist. Die Elektrizitätswirtschaft und er persönlich würden einen solchen
Plan sofort unterstützen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Ich möchte mit Burian darüber sprechen.
Tagesprogramm, 1.9.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 98. Ministerratssitzung, 1.9.1981
61_1085_03Nachtrag TO 98. Ministerratssitzung, 1.9.1981
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)