Freitag, 31. Juli, bis Sonntag, 2. August 1981
Dr. Kirchweger von Voest-Alpine ruft mich auch im Auftrag des GD
Apfalter an, um die Frage der Stoßstangenproduktion zu klären. Die
Voestler waren vor längere Zeit in Wolfsburg und haben mit dem VW-Ein-
kaufsdirektor Münzner besprochen, daß sie an dieser Rollenstoßstangen-
produktion sehr interessiert sind. Die Voest macht derzeit Studien, wo
dieses Werk am besten produziert wird. Die Bleche kommen von Linz, die
Transportkosten müssen deshalb sehr genau berechnet werden, um einiger-
maßen rentabel produzieren zu können. Scheinbar ist dieses Projekt streng
vertraulich nur von einem ganz kleinen Kreis in der Voest behandelt
worden. Kirchweger ersuchte mich deshalb, ich sollte kein Präjudiz
schaffen, indem ich jetzt in Judenburg Standorthoffnungen erwecke. Ich
war über diese Aussage sehr überrascht, da ich fest angenommen habe,
KR Matousek hätte mit Voest-Alpine resp. mit VEW, also der Tochter wegen
des Standortes Judenburg schon Vorgespräche geführt. Matousek hatte mich
ja dahingehend informiert, daß er jetzt mit MR Gröger, der extra den
Urlaub unterbricht, Judenburg besucht, um dort sozusagen schon Details
zu klären. Ich versprach Kirchweger, daß selbstverständlich das Handels-
ministerium sich in diese Diskussion nicht einschalten wird. Mein bis-
heriges Prinzip, und daran werde ich sicherlich nichts ändern, ist zu
trachten, Produktionen nach Österreich zu bringen; wo dann die Investoren
resp. Besteller diese Produktion hingeben, ist ausschließlich den bei-
den Vertragspartnern vorbehalten, ich habe mich und werde mich in Zukunft
dabei nicht einmischen.
Noch mehr war ich dann überrascht zu erfahren, daß Dienstag bereits eine
Betriebsratsdelegation von Judenburg ins Handelsministerium kommt, um
hier, wenn ich so sagen darf, Schützenhilfe zu bekommen, damit, wenn der
Vorstand wieder einmal mehr Judenburg benachteiligen will, daß sie mit
Hilfe des Handelsministeriums diese Produktion oder vielleicht sogar
noch andere sichern zu können. Das Handelsministerium darf sich aber
auf diese Frage nicht präjudizieren und schon gar nicht in eine schwere
Auseinandersetzung der Rekonstruktion der Voest-Alpine resp. der VEW
einmischen. Wie gefährlich eine solche Politik ist, zeigt sich am besten
in der Auseinandersetzung, die es zwischen der ÖIAG und ihren Betrieben,
andererseits aber auch zwischen dem BKA, Sektion IV, und der ÖIAG und den
Betrieben und letzten Endes sogar zwischen dem Bundeskanzler und den ein-
zelnen Generaldirektoren immer wieder in der Öffentlichkeit zeigt. Solche
diffizilen Fragen können und müßten nur von den Fachleuten im kleinsten
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Gremium vorbereitet und dann von den zuständigen Organen entsprechend
schnell gelöst werden. Wie sehr die Auseinandersetzung über die Errich-
tung von neuen Produktionsstätten, das Zusammenlegen veralteter Anlagen
und leider auch oft die Stillegung nicht nur Vorstände, sondern noch
viel mehr die Belegschaft auseinanderbringt, zeigt das Wahlergebnis in
Judenburg. Dort hat bei den Betriebsratswahlen der radikale Flügel unter
dem neuen BRO Sladek die letzte Betriebsratswahl gewonnen und möchte
nun mit seiner Methode und mit seiner Art die Judenburger Reorganisation
nicht nur beeinflussen, sondern auch bestimmen. Wenn er jetzt ins Han-
delsministerium kommt, um mit SC Marsch sozusagen die zukünftige Produk-
tion von Judenburg zu besprechen, nach seiner Auffassung sicherlich
festzulegen, dann entsteht ein ungeheures Präjudiz. Ich verspreche des-
halb Kirchweger, daß wir uns in keiner Beziehung diesen schwierigen
Reorganisationsprozeß einmischen.
ANMERKUNG FÜR MARSCH UND HAFFNER: Bitte keinerlei Zusagen, nicht einmal
Andeutungen machen.
Am meisten überrascht war ich aber, als dann NR Tirnthal von Mürz-
zuschlag anrief und meinte, er bräuchte diese Produktion unbedingt in
Mürzzuschlag. Die dortige VEW-Tochter hätte auch wenig zu tun und dort
sei der geeignete Standort. Er war fast ein wenig ungehalten, als ich
ihm erklärte, ich habe zwar volles Verständnis, daß jetzt jedermann bei
mir interveniert, doch könnte ich und wollte ich dies nicht entscheiden
und das sei auch noch gar nicht so weit. Tirnthal erklärte mir, die
VEW-Spitze weiß davon gar nichts und er bittet um Verständnis, daß
er sich als zuständiger Abgeordneter jetzt sofort einschaltet, um diese
Produktion nach Mürzzuschlag zu bekommen. Natürlich habe auch ich ihm
nur einmal mehr meinen Standpunkt erklärt. Meine Aufgabe besteht darin
eine Produktion nach Österreich zu bringen, wo sie durchgeführt, wer
sie macht, obliegt nicht mehr meiner Kompetenz. Vor allem aber will und
werde ich in Hinkunft bei dieser schweren Auseinandersetzung nicht ein-
greifen.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß die VW-Organisation, weil sie den
Bundeskanzler Kreisky zugesagt hat, sie wird sich um das Problem der
Obersteiermark auch annehmen, jetzt eben eine kleine Produktion nach
Judenburg geben will, um ihre Verwendungszusage sozusagen einzulösen.
VW ist es dabei ja vollkommen gleichgültig, wie die Voest-Alpine resp.
die VEW dann kostenmäßig heraussteigen. Da dagegen in der Voest-Alpine,
so hoffe ich zumindestens noch immer, der Rechenstift bei der Erstellung
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eines Projektes eine große Rolle spielt, ist diese Diskussion viel zu
früh vom Zaun gebrochen. Zum Glück hatte ich persönlich, aber hoffentlich
auch das Handelsministerium bis jetzt nichts anderes getan, als eine
Projektüberlegung, die der Importeur uns mitgeteilt hat, sozusagen in
kleinstem Kreis besprochen und weitergegeben, daß dann eine derartige
Ausbreitung in den eigenen Firmengruppen erfolgte, war Gott sei Dank
nicht unsere Schuld.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Gröger muß auch hier äußerst vorsichtig vorgehen.
Die Frau Horn hat in den letzten Wochen so wenig Pferde aufkaufen können,
daß sie jetzt Kuhfleisch für ihre Produktion zusätzlich verwendet. Dies
ist verboten, doch sieht sie keine andere Möglichkeit ihre Kunden, nicht
nur Letztverbraucher, sondern auch kleinere Pferdefleischhauer, beliefern
zu können. Eine Rücksprache mit dem Landwirtschaftsministerium hat er-
geben, daß man dort das Sekretariat des Ministers, er selbst ist auf
Urlaub, vollkommen falsch informierte. Angeblich wird die sogenannte
Exportstützung nur für reine Zucht- und Nutzpferde gegeben, alles ist
korrekt, immer muß nachgewiesen werden, daß tatsächlich die Fohlen und
die Nutzpferde als solche verwendet werden. Hier glaube ich aber den
Pferdefleischhauern mehr, die rundweg erklären, daß durch die Export-
stützung, 1.500 S das Landwirtschaftsministerium, 1.500 S das betreffende
Land pro Stück, alle Pferde fast in den Export gehen. Landwirtschaftsmi-
nister Haiden wird über meine Intervention informiert, ich glaube, es
kann auch nicht in seinem Interesse sein, daß die inländische Versorgung
mit Pferdefleisch jetzt so schlecht erfolgt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Unsere zuständige Abteilung soll dieses Problem
weiterverfolgen.
Am Wochenende konnte ich feststellen, daß die Diskussion über die Ener-
gieversorgung und über den Ausbau der österreichischen Elektrizitäts-
wirtschaft nicht nur durch eine neue Bemerkung von BK Kreisky, im Herbst
wird neuerdings über die Inbetriebnahme von Zwentendorf geredet, sondern
auch durch die ununterbrochene Donauausbaudiskussion, teilweise eine
große Verunsicherung herrscht. Ich konnte mich in der Wachau selbst
davon überzeugen, daß wenn man die Weingärten noch oben durchwandert,
man immer mehr feststellen kann, daß die oberen Etagen nicht mehr be-
baut werden. Die Erklärung dafür ist sehr einfach, die Aufwände an Ar-
beit in diesen höheren Lagen sind unvergleichlich größer als unten im
Ufertal, außerdem glaube ich, wird heute immer mehr in besseren Lagen
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Wein produziert, sodaß die höheren Lagen jetzt bereits überwuchern.
Dir. Kobilka von den Donaukraftwerken hat mir empfohlen, ich sollte mir
einmal dies im einzelnen ansehen, damit ich verstehe, warum die Wachau-Ge-
meinden erklären, wenn die Kraftwerksstufe kommt, dann würde der Wein-
bau sehr geschädigt. Die wirkliche Gefahr für den Weinbau besteht darin,
daß nicht nur diese schwere Arbeit, das Raufschleppen der Spritzmittel,
Düngemittel, die Ernte dann, alles kann nur händisch erfolgen, durchge-
führt wird.
Warum Kreisky jetzt das Zwentendorf-Problem neuerdings in die Diskussion
gebracht hat, weiß ich nicht. Ich kann mir dies nur so erklären, daß
er gegenüber der Presse, die ein Spezialinterview mit ihm machte, bei-
läufig auch das Energieproblem erwähnte und dort eben sagte, darüber
müsse man auch wieder sprechen. Präs. Benya vom ÖGB, der gleichzeitig
auch immer bezüglich der Inbetriebnahme von Zwentendorf eine klare Linie
vertreten hat, hat diese nur wieder bestätigt, als zur Äußerung Kreiskys
befragt wurde. Das Ganze wurde, glaube ich, von der Presse viel stärker
verbal betont, als vielleicht in den Interviews angedeutet wurde. Da
die Presse aber jetzt durch den Streik im Pressehaus nicht erscheinen
konnte, haben andere Massenmedien, insbesondere das Fernsehen diese Äuße-
rung Kreiskys sofort übernommen und ganz groß herausgebracht. Auch der
Unterrichtsminister Sinowatz, in dem Fall als Vizekanzler, der zum Zeit-
punkt des Interviews den jetzt in Deutschland kurenden Kreisky vertritt,
wurde mit dieser Frage konfrontiert.
Das große Ereignis dieses Wochenendes war aber eigentlich der gelungene
Vermittlungsversuch von Präs. Benya im Druckereiarbeiterstreik. Die
Druckereiarbeiter im Pressehaus haben im Zuge der Umstellung auf Licht-
satz mit ihrer derzeitigen Druckereileitung eine so harte Auseinander-
setzung gehabt, daß sie in einen Streik getreten sind und verlangten,
daß die drei leitenden Herren abgezogen werden. Der Besitzer Dichand
hat dem natürlich nicht zugestimmt, Vermittlungsversuche der Fachge-
werkschaft sind gescheitert, deshalb wurde von der Arbeiterseite Präs.
Benya angerufen, vermittelnd zu verhandeln. Von der Journalistenseite
wurde sogar an Bundeskanzler Kreisky ein solches Verlangen herangetragen.
Zum Glück konnte Benya dann in einer sicherlich sehr schwierigen Ver-
handlungsphase einen Kompromiß erzielen, der von beiden Teilen akzeptiert
wird. Der Druckereileiter bekommt eine andere Funktion, bleibt aber in
der Druckerei, die Druckereileitung selbst übernimmt Dkfm. Merkl, der
bis jetzt kaufmännischer Direktor gewesen ist. Für Benya ist dies ein
sehr großer Erfolg, für die Gewerkschaft Druck und Papier weniger, denn
ihre Vermittlung ist am harten Widerstand von Dichand gescheitert, obwohl
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Sich auch dort zuerst gewisse Kompromißbereitschaft und schon ein Er-
gebnis abgezeichnet hat. Auch auf Gewerkschaftsebene stellt sich immer
mehr heraus, daß die Unternehmer, wenn sie in Schwierigkeiten kommen,
nicht mehr mit den örtlichen Betriebsräten, schon gar nicht mit der
Landesfachgewerkschaft, ja nicht einmal mit der zentralen Fachgewerk-
schaft, sondern letzten Endes sogar nur mehr mit Gewerkschaftsbundpräsi-
denten verhandeln wollen. Dieser Zug zur Zentralisierung, alles immer
nach oben zu bringen, ist absolut unbefriedigend. Ich fürchte, daß
früher oder später daraus ein Organisationsschema und System entsteht,
das niemand mehr dann bewältigen kann. Die paar Leute oben an der Spitze
werden so überlastet, werden oft in so verhältnismäßig kleinen Fragen
letzten Endes zur Entscheidung herangezogen, daß dann das Informations-
system nicht mehr funktioniert, die Verhandlungszeit und der Verhand-
lungsspielraum nicht mehr zur Verfügung steht, von einem Mitverantwor-
ten der anderen dann immer weniger die Rede sein kann, und letzten Endes
alles auf paar Schultern nur ruht. Diese Entwicklung ergibt sich aber
nicht nur aus dem Bestreben sozusagen der unteren und mittleren Schicht
alles nach oben zu delegieren, sondern leider auch aus dem Bestreben
der oberen alles an sich zu ziehen. Letzteres kann sogar wirklich eine
Notwendigkeit sein und der einzelne möge sich dies gar nicht bewußt sein
oder unterschätzt, die Arbeit die dadurch auf ihn zukommt. Diese Entwick-
lung, auch für mich persönlich gesprochen, betrachte ich als eine große
Gefahr
Tagesprogramm, 31.7.1981