Donnerstag, 16. Juli 1981
Die ÖFVW hat wieder einmal Journalisten zu einem Tagesausflug einge-
laden. Diesmal war es eine Kombination zwischen Eisenbahnfahrt, Radln,
Kunststättenbesuch und Besichtigung eines Kraftwerkes. Die Tour wurde
von unserem in Ybbs an der Donau geborenen Dr. Haffner mit dem Presse-
referenten und Öffentlichkeitsbetreuer Hofbauer von der ÖFVW zusammen-
gestellt. Diesmal wurde sogar die Tour von den beiden selbst gefahren,
sodaß keinerlei Pannen passieren konnten. Gestartet wurde vom Bahnhof
Ybbs, wo der Bürgermeister und sein Kulturstadtrat die beachtliche Rad-
fahrergruppe empfingen und dann auch begleiteten. Immerhin waren 2 Dutzend
Radler unterwegs, die Räder wurden zum größten Teil von der Bundesbahn
ausgeborgt. Jeder, der mit der Bahn irgendeinen Radleihbahnhof anfährt,
kann um 25 S sich ein Rad ausborgen und bei jedem Bahnhof wieder, wo
er die Heimfahrt antreten will, zurückgeben.
Beim Radln durch die Stadt hat mir der Bürgermeister mitgeteilt, daß
jetzt Ybbs mit einer großen oberösterreichischen Holzfirma verhandelt,
um diesen Betrieb nach Ybbs zu bekommen. Wesentlich interessanter für
mich war die Mitteilung, daß auch der große amerikanische Chemiekonzern
Dow Chemical Interesse hat ein großes Areal an der Donau zu erwerben.
Auf einem ursprünglichen Stahlerzeugungsbetriebsgelände, das jetzt die
Schiffahrtsfirma Kosmos hat, würde Dow Chemical eine riesige Chemieanla-
ge errichten. Obwohl eine ähnliche Anlage bereits in der BRD besteht und
dort keinerlei Umweltbelastungen durch moderne Umweltschutzmaßnahmen ge-
geben sind, kann der Bürgermeister zumindestens bis jetzt die Widerstände
der Ybbser nicht überwinden. Er selbst war bereits diese deutsche Fabrik
besichtigen und war überrascht, daß ein Chemiebetrieb so wenig eigentlich
umweltstörend arbeiten kann. Daß er den Betrieb dringend braucht, glaube
ich ihm ohne weiteres. Alle Kommunalaktivitäten der letzten Zeit, Sport-
zentrum mit Bad, Freizeitzentrum mit Stadthalle, Wohnbauanlagen, Autobus-
betrieb vom Bahnhof in die Stadt, brachten nicht nur Finanzierungsschwie-
rigkeiten, sondern können nur auch betriebskostenmäßig negativ gebaren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Kennt unsere Investorenwerbung diese Pläne.
Im Kraftwerk Ybbs-Persenbeug wurde ganz kurz der Ausbau der Donau er-
läutert und demonstriert, sehr kurz auch die Maschinenhalle besichtigt
und dann bis Grein auf dem ausgebauten Treppelweg geradelt. Vorher hatte
ich noch Gelegenheit den Teilnehmern mitzuteilen, daß sie den Stauraum
jetzt sehen können, der, ohne daß damals die Naturschutzbehörde einge-
schaltet war, ich glaube, es hat sie nicht einmal noch gegeben, so wenig
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als möglich landschaftszerstörend angelegt wurde.
Der Treppelweg ist nicht durchgehend asphaltiert, weshalb eine anlegende
Gemeinde, als wir das Gemeindegebiet betraten, nicht nur von dem Bürger-
meister sofort auch mit einem kleinen Umtrunk empfangen wurden, sondern
mit der Bitte, die restlichen 4 Mio. S, die noch zur Asphaltierung aufzu-
bringen wären, durch eine Subvention zu unterstützen. Ich habe keinerlei
Zusage gemacht, als daß wir im Handelsministerium diese Frage prüfen
werden. Interessant ist, daß wir bei der letzten Radtour im Burgenland
von den Ökologen und einer Jugendgruppe, die sich den Schutz des Neu-
siedler Sees als Aufgabe gestellt haben, gestoppt und in einer stunden-
langen Diskussion ersucht haben, daß man ja nicht alle Radwege asphal-
tieren sollte. Bei dem Treppelweg haben zumindestens die Gemeindeverant-
wortlichen der Landesregierung in NÖ eine ganz andere Meinung.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Hier müßte man eine prinzipielle Entscheidung
treffen.
Da der Strudengau der schönste Teil der Donau ist, waren die Teilnehmer
von dieser Radlerei sehr begeistert. Ich muß aber zugeben, daß durch
den Aufstau der Donau und durch das Wegsprengen von den gefährlichen
Felsen im Strudengau die Schiffahrtsrinne heute für die Schiffahrt
sehr vorteilhaft ist, landschaftlich aber hat natürlich die Donau sehr
an Attraktivität verloren. Wer sie allerdings nicht von früher gekannt
hat, hat keinen Vergleich und weiß dies nicht. Ich glaube mich daran er-
innern zu können, weil ich 1937, also in der ersten Republik, bevor Ybbs-
Persenbeug überhaupt begonnen wurde, mit dem Radl auf den Großglockner ge-
fahren bin und damals von Wien über Grein nach Linz den ersten Tag ge-
radelt sind. Solche Riesenradlstrecken waren damals üblich und auch mög-
lich, damals sogar nötig, denn in unserem jugendlichen Leichtsinn haben
mein Freund und ich gewettet, innerhalb einer Woche über die Glockner-
straße wieder in Wien zu sein. Da wir nicht einmal genug Geld hatten,
um uns auch das Essen kaufen zu können, sind wie es damals so schön
hieß, boben gegangen. Damals war es die 10fache Tagesleistung, die wir
heute geradelt sind, dafür auch das 10fache Essen, das wir heute gegen
damals angeboten bekommen haben.
Während die niederösterreichischen Fremdenverkehrsfunktionäre nur die
Referentin der Fremdenverkehrsabteilung geschickt haben, hat Oberöster-
reich den zuständigen Landesrat Leibenfrost und auch den Fremdenverkehrs-
direktor auf die Beine, sprich eigentlich besser, auf das Rad gebracht.
Da wir tüchtige Radler waren und auch verhältnismäßig zum Picknick nicht
so lange brauchten als vorgesehen, wurde noch schnell im Schloß Grein-
burg das oberösterreichische Schiffahrtsmuseum eingeschaltet. Dort konnte
man demonstrieren, wie die Schiffe im Modell aussehen, die früher die
Donau in diesem gefährlichsten Strudengau passierten.
In Grein selbst wurde dann das älteste Rokoko-Theater Österreichs
besichtigt. In einer stillgelegten Getreidekammer wurde zu der damaligen
Zeit von den reichen Bürgern in Grein der Erlaß des Kaisers Josef II. aus-
genützt, daß man zugunsten der Armen Theater, also Spektakel aufführen
durfte. Vor 17 Jahren hat sich dann eine Wiener Schauspielgruppe be-
reitgefunden im Sommer in diesem Theater zu gastieren, die Aufführungen
sind sehr gut besucht und bilden für Grein natürlich eine Fremdenverkehrs-
attraktion. Zum Glück war in der ersten Republik nicht genug Geld vor-
handen, dann damals wollte man das Theater schon renovieren, sprich
natürlich modernisieren. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte die besetzte
Zone, Oberösterreich war gespalten und das Mühlviertel von den Sowjets
besetzt, auch nicht genug Geld, um irgendwelche Aktivitäten dort zu ent-
wickeln. So blieb, kann man fast sagen zum Glück, aus Geldmangel das Thea-
ter unverändert. Interessant bei dieser Reise waren dann auch noch die Be-
strebungen der Bürgermeister, den alten Stadtkern durch entsprechende
Restaurierung so zu gestalten, wie er ursprünglich gewesen ist. In der
ersten Republik bezog sich dies höchstens auf die Kirchen, die beide
ein Juwel sind, jetzt kann man immer mehr Bürger mit ihren Bürgerhäusern
dafür gewinnen. Sicherlich, das Ganze ist auch nur eine Frage des Wohl-
standes einer Stadt.
Die Pressekonferenz in Grein in einem alten traditionsreichen Kaffeehaus
gab mir dann Gelegenheit die Verflechtung Fremdenverkehr, Elektrizität
darzulegen. Ich hätte eigentlich von den Journalisten, insbesondere auch
von den deutschen, eine härtere Kritik an unserem Elektrizitätsausbaupro-
gramm, sei es an der Donau, aber noch viel mehr in den Alpen erwartet.
Diesmal dürften nur die mehr ökonomisch beeinflußten und weniger die
ökologischen Kämpfer teilgenommen haben. Die Fremdenverkehrsergebnisse,
auch die schlechten des Mai, wurden von mir freimütig dargelegt.
Leider hatte ich zugesagt, bei Rank Xerox gegen den ehemaligen sowjeti-
schen Schachweltmeister Petrosjan in einer Simultanpartie als prominenter
Aufputz mitzuwirken. Mit Ach und Krach konnte ich dann um 6 Uhr endlich
mit den Wartenden die Partie starten. Da alle bereits für 5 Uhr einge-
laden waren und man die Spieler, ich glaube nicht einmal den Schachwelt-
meister, mehr verständigen konnte, war mir dies allein schon sehr peinlich,
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obwohl man dem Büro zugesagt hat, ich könnte ruhig um 6 Uhr erst
kommen. Auf so etwas darf ich mich nicht mehr einlassen. Außerdem war
das Ganze wirklich nur ein Pflanz, der Schachorganisator, Leiter des
Schachklubs auf der Landstraße, Harrer, hat mir sozusagen jeden Zug einge-
sagt. Immer, wenn ich einen anderen machen wollte, hat er mir sofort er-
klärt, warum dieser schlecht wäre. Nur beim ersten Zug, der Schachwelt-
meister eröffnete alles mit Damen-Bauer-Aufzug, hatte ich eigenwillig
mit Damen-Bauer reagiert. Da aber jeder bessere Schachspieler alle diese
Eröffnungspartien genau kennt, wurde ganz gegen meine Gewohnheit diese
Partie dann gespielt. Ich hätte sie wahrscheinlich nach spätestens 20
Zügen verloren, wenn es überhaupt so lange gedauert hätte, so aber waren
wir nach 20 Zügen, ohne daß eine einzige Figur gefallen war in einer
solchen Ausgangslage, daß angeblich die Position den sowjetischen Schach-
meister veranlaßte mir ein Remis anzubieten. Ich habe lauthals überall
natürlich erklärt, daß dies ja nicht mein Verdienst ist, sondern der
des Organisators und Beraters Harrer. So eine hochstaplerische Funktion
übernehme ich sicherlich nicht mehr. Wenn einzelne Kiebitze gelegentlich
von einem Schachspieler zum anderen gehen, immerhin waren es zwei
Dutzend Breter , und bei mir erschienen, ich dann einen Zug vorschlug, von
dem mancher Kiebitz meinte, der sei auch nicht so schlecht, wenn mich dann
Harrer korrigierte, so entstand doch unmittelbar der Eindruck, daß ich
ein sehr guter Schachspieler sei. Dies war mir in einer Art peinlich,
wie ich es seit langem nicht erlebt habe. Ich erinnerte mich nur und
habe diese Story dann auch tatsächlich dort erzählt, daß ich in der
Nazizeit mit einem Mittelschulprofessor in einer Einzelzelle inhaftiert
war, bevor ich mit dem selben auch nach Buchenwald gekommen bin. Er war
ein begeisterter Schachspieler und sehnte sich danach, ob er noch einmal
dieses königliche Spiel würde spielen können. Ich opferte ein Stück Brot
und formte ganz kleine Schachfiguren. Vorher hatte ich ihm dann natürlich
in meiner jugendlichen Selbsteinschätzung gesagt, daß ich ein sehr guter
Schachspieler sei, der in der Jugendgruppe die anderen alle meistens
schlug. Als wir dann das erste Spiel eröffneten, ich wahrscheinlich nach
ca. 5, 6 Zügen bereits einen vollkommen irregulären Zug machte, dachte
dieser stundenlang nach, weil er wahrscheinlich diese Eröffnung noch nie-
mals gespielt hatte. Nach weiteren 2 Zügen allerdings erklärte er sofort,
daß ich überhaupt nicht Schachspielen kann, was damals genauso zutraf
wie heute, denn selbstverständlich machte ich letzten Endes grundlegende
Fehler. Der grundlegende Fehler des sowjetischen Schachmeisters war ei-
gentlich nur, daß er angenommen hat, bei dem Minister braucht man sich
ja gar nicht besonders anstrengen. Er hat deshalb auch nur immer Figuren
in entsprechende Stellungen gebracht, wo er sozusagen auf meinen Fehler
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wartete. Ich hätte ihn sicherlich auch spätestens nach dem dritten oder
vierten Zug getan. Das Ganze war mir furchtbar peinlich und dauerte
furchtbar lange. Nie mehr wieder.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte versuche alle Veröffentlichungen zu ver-
hindern.
Tagesprogramm, 16.7.1981