Dienstag, 30. Juni 1981
Im SPÖ-Parlamentsklub ließ sich Kreisky entschuldigen, weshalb
es auch keinen politischen Bericht gab. Er dürfte doch auf Rat
der Ärzte einer größeren Schonung bedürfen, als es ihm recht ist.
Sehr geschickt nimmt er einzelne Aktivitäten wahr, die ihn ver-
hältnismäßig wenig anstrengen; jedermann sagt daher, der Bundes-
kanzler will doch entsprechend, trotz ärztlichen Rats, arbeiten,
die Massenmedien berichten über ihn, und er erholt sich Gott sei
Dank. Nach dieser letzten anstrengenden Woche kann ja dann damit
gerechnet werden, daß die Juli-August-September-Ferien ihm einen
längeren Erholungszeitraum, wenn er ihm nützt, abgeben würden.
Klubobmann Fischer berichtete daher nur über die drei Parlaments-
tage-Tagesordnungen. Diskussion gab es sehr wenig. Fischer ersuchte
dann daher auch die einzelnen Minister, über ihre Aktivitäten zu
berichten.
Über Fischers Aufforderung berichtete ich daher auch über die Preis-
situation bei Benzin, Getreidepreis- und damit auch Mehl- u. Brotpreis-
erhöhung, und selbstverständlich auch über die Elektrizitätspreis-
verhandlungen. Hier berichtete ich auch über die Idee des Stadtrat
Mayr, einen einheitlichen Elektrizitätspreis in ganz Österreich ein-
zuführen und die große Differenz zwischen dem Westen, 81 Groschen/
KWh, und 1,27 S in Wien für den Fernwärmeausbau abzuschöpfen. Da ich
für diese Idee nicht einmal die Zustimmung der AK und des ÖGB be-
komme, halte ich diese Idee für undurchsetzbar. Die örtlichen AKn
und Gewerkschaftslandesexekutiven würden mit den zuständigen Landes-
hauptleuten und Elektrizitätsunternehmungen schärfstens gegen eine
solche Vorgangsweise protestieren. Interessanterweise gab es über-
haupt keinen Diskussionsredner, was Fischer zur Bemerkung veran-
laßte, sonst wird überall, und immer nicht zuletzt auch ihm gegen-
über, hart diskutiert, warum eine Preisregelung überhaupt noch auf-
recht erhalten wird, wieso der Benzinpreis schon wieder teurer wird,
usw. Jetzt, wo Gelegenheit wäre, mit mir zu diskutieren, meldet
sich niemand. Dafür gibt es für mich zwei Erklärungen. Entweder
waren meine Ausführungen so exakt und aufschlußreich, daß niemand
eine zusätzliche Frage hat, oder alle resignieren und sagen, da kann
man dagegen eh nichts unternehmen.
Rösch berichtete dann über den Landesverteidigungsrats-Beschluß,
die Mirage 50 zu kaufen. In Wirklichkeit war es ja nur ein Beschluß,
wo festgestellt wurde, was nicht gekauft wird. Jedermann weiß, daß
kaum die entsprechenden Mittel aufgebracht werden können, um diese
jetzt einstimmige Empfehlung des Landesverteidigungsrates zu ver-
wirklichen. Die Franzosen haben sich bereit erklärt, ihren Fixpreis,
der bis heute befristet war, bei entsprechender schriftlicher Be-
stätigung, daß die Mirage gekauft wird, die erste Rate wäre erst mit
1984, Auslieferung der ersten Maschine fällig, bis zu diesem Zeit-
punkt zu halten. Es besteht die Absicht, eine Maschine pro Monat
dann auszuliefern. Die Amerikaner haben für ihre F-16 einen Schätz-
preis angeboten. ÖVP-Abgeordneter Ermacora hat vorgeschlagen, daß
man sich sozusagen nur ein Jahr an den Beschluß gebunden fühlt, wenn
es zu keinem Abschluß kommt, wäre dann jedermann wieder frei. Die
Kompensation für die 24 Flugzeuge würde 130 % des Wertes betragen.
Sts. Nußbaumer hat, wie Rösch dort mitteilte, eine vollkommene
Kompensationsliste zusammengestellt.
Ich habe anschließend Rösch gesagt, wenn Nußbaumer, d.h. das BKA,
jetzt die Kompensationen abwickelt, ist mir dies auch recht. Rösch
meinte sofort, davon könnte keine Rede sein.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sofort die Kompensationsliste zu ver-
langen.
Ich habe Präs. Benya während des Vortrages von Rösch informiert, daß
ich nach wie vor auf dem Standpunkt stehe, die Franzosen müßten, wenn
wir tatsächlich die Flugzeuge kaufen, ihre Zusage, den Atommüll zu
behalten, verwirklichen. Benya sowie Rösch teilten meine Meinung.
Ich habe mit Rösch vereinbart, daß er jetzt mit der neuen Regierung
in Frankreich und mit den dafür zuständigen Stellen dieses Problem
neuerdings zur Sprache bringen muß. Rösch ist fest davon überzeugt,
daß auch jetzt die neuen Leute in Paris, die sogar österreichfreund-
licher sind als die alten, ohne weiteres in der Zusage der Franzosen
einsteigen werden. Über die Atommüllagerung kann und wird es keine
schriftliche Vereinbarung geben, doch ist Rösch davon überzeugt,
daß das bisherige Gentlemen-Agreement ausreicht. Eine schriftliche
Vereinbarung könnte, meiner Meinung nach, frühestens zum Zeitpunkt
des konkreten Abschlusses erreicht werden. Wenn wir die Kompensations-
verhandlungen dann im Handelsministerium führen, wird dies einer
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der wichtigsten Verhandlungspunkte sein. Da Bundeskanzler Kreisky
davon überzeugt ist, daß dieses Atommüllagerproblem so nicht ge-
löst werden kann, er rechnet noch immer auf eine internationale
Regelung, die ich allerdings nicht sehe, konnte Rösch, auch dann,
wenn die Franzosen einverstanden gewesen wären, kaum eine schrift-
liche Vereinbarung darüber treffen.
Rösch hat mir einen Vertragsentwurf, eigentlich eine Briefantwort
an die Franzosen gezeigt, die ihm seine Leute vorgeschlagen haben.
Ich versprach ihm, die Frage sofort strengst vertraulich bei uns
im Handelsministerium prüfen zu lassen.
ANMERKUNG FÜR SC MARSCH UND HAFFNER: Bitte sofort diesen Briefent-
wurf unter Verschluß aktenmäßig zu bearbeiten.
Im Ministerrat hat Vizekanzler Sinowatz nicht einmal eine Vorbe-
sprechung angesetzt, die Tagesordnung wurde in fünf Minuten abge-
wickelt. Zum Glück, und nach meinem System, hatte ich ja schon am
Vortag die sehr wichtige Frage des Rohstoffkonzepts im Pressefrüh-
stück vorgestellt.
Der Vorstand der BP-Austria, GD Hirnigel, und der für die Ölkalkula-
tion zuständige Direktor Schreinzer, kannte ich die beiden anderen
nicht, hat bei mir vorgesprochen, um mir ihre Situation zu schildern.
Bei der jetzigen Preissituation würden sie 1981 erstmalig dann aber
200 Mio. S Verlust haben. Mit anderen Geschäften kann der zu geringe
Erlös aus dem Benzinpreis nicht abgedeckt werden. Hirnigel verlangte
namens der gesamten Ölwirtschaft eine 80-Groschen-Benzinpreiser-
höhung, da sie 500 S pro Tonne Rohöleinsatz draufzahlen. Überrascht
war ich, von ihm zu hören, daß angeblich die Preiskommission oder
Mitglieder derselben erklären, es liege aussschließlich an dem
Handelsminister, wie hoch und wann der Benzinpreis in Kraft tritt.
Hirnigel erwartet, daß ich jetzt auch als Industrieminister die
Interessen dieser Sparte wahrnehme. Mein Gegenargument war, daß ich
in der Öffentlichkeit jetzt schon von den politischen Parteien als
Preistreiber Nummer eins dargestellt werde. Mehr kann man also als
Interessenvertreter einer Industrie nicht verlangen. In der Preis-
kommission habe ich weder einen Einfluß genommen, wann der Benzin-
preis in Kraft tritt, noch gar eine Weisung gegeben, daß die Preisver-
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handlungen sozusagen gestoppt werden sollen. Daß meine persönliche
Meinung dahin geht, den volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preis
nach dem deutschen und Schweizer Preisniveau zu richten, ist bekannt.
Die Schweiz wird jetzt angeblich wieder um 2 Rappen und Deutschland
neuerdings um 2 Pfennige erhöhen, so daß dort der Superpreis 11 S
betragen wird. Der österr. Preis müßte höher sein, weil der Netto-
erlös für die Ölfirmen, nach Abzug der höheren Steuer, die insbe-
sondere auch durch die Sonderabgabe besonders verstärkt wird, ist
ein Verlangen der Ölindustrie. Sofort erwiderte ich darauf, daß ich
darauf keinen Einfluß nehme, sondern nur erwarte, daß es, so wie auch
in der Vergangenheit, zu einem Akkord kommt.
Hirnigel kündigte auch an, daß die Multis jetzt im 2. Quartal um
160.000 to Rohöl weniger in der ÖMV verarbeiten werden. Die Multis
ziehen also aus den unzulänglichen Preisen entsprechende Konsequenzen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Was sagt die ÖMV dazu?
Die Unterhaltung erstreckte sich dann auf die Kohleversorgung.
BP wird in das Kohlengeschäft ganz groß einsteigen. Derzeit gibt
es eine harte Diskussion innerhalb der HK wegen des Generalverteiler-
Vertrages der Inlandskohle durch Gaskoks. Mit Präs. Sallinger und
dem Kohlenhandelsobmann, und gleichzeitig auch Sektionsobmann, Steidl
wurde vereinbart, daß die Vorjahreszuteilung , 80 % davon auch heuer
von Gaskoks erfüllt werden soll. Gaskoks hat aber im Vorjahr an
BP nichts geliefert. Ich versprach, dieses Problem durch eine Be-
sprechung im Handelsministerium neuerdings erörtern zu lassen.
Konkrete Zusagen über irgend eine Menge habe ich, nicht zuletzt
auch mangels entsprechender Kompetenz, nicht gemacht.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte sofort eine interministerielle Be-
sprechung mit Heranziehung der Interessensvertretungen, aber auch
der Kohlenabsatzgesellschaften durchführen lassen.
Dr. Danzinger von der Fa. Rella erkundigte sich, wann endlich jetzt
der Karawankentunnel in Angriff genommen wird. Da dies jetzt aus-
schließlich an der Finanzierungsfrage in Jugoslawien hängt, habe ich
ihm insbesondere vom Abschiedsbesuch des jugoslawischen Botschafters
erzählt. Zum Glück konnte ich also hier beweisen, daß ich jede Ge-
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legenheit nütze, um in Jugoslawien dieses offene Problem durchzu-
setzen. Ich gebe mich allerdings keiner Illusion hin, daß es noch
längere Zeit dauern wird, da die Zentralstellen in Belgrad anderer
Meinung sind als die slowenische Republikregierung in Laibach.
Die Fett-Industrie, Dir. Büttner, Unilever, und Ing. Erhard von Ebhart &
Herout, teilten mir mit, daß sie in ihrer Rapsgemeinschaft neuer-
dings beschlossen haben, höchstens die 1.000 to Raps zum Preis von
7 S zu übernehmen, d.h. zur gesamten Menge nur eine Stützung von
5 Mio. S beizutragen. 25 Mio. stehen vom Finanzminister zur Verfügung.
Eine Aussprache mit Präs. Lehner und der Fettindustrie hat keinerlei
positives Ergebnis gebracht. Auch diese 5 Mio. S würden für den
Rapsanbau heuer letztmalig von der Industrie aufgebracht werden.
Die Kostensituation und insbesondere die stärkeren Einfuhren haben
dazu geführt, daß die Fettindustrie keinerlei finanzielle Reserven
mehr hat. Ebhart & Herouth inbesondere hat durch den jetzt er-
neuerten Vertrag mit der Fa. Hofer nur knapp ihre wichtigsten Fix-
kosten decken können. Ich habe über diese Aussprache im Parlament
sofort Landwirtschaftsminister Haiden informiert. Haiden ersuchte
mich neuerdings, ich sollte mit Präs. Lehner sprechen und eine Lösung
in irgend einer Weise zu finden. Haiden hofft noch immer, daß der
Finanzminister mehr hergibt, weil Androsch doch mehr oder minder
50 Mio. seinerzeit zusagte.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Präs. Lehner verbinden.
GD Sundermann von der Fa. Unifrost berichtet mir, daß jetzt wegen
der panierten Fische ein Urteil erschlossen ist, daß in Hinkunft
diese Bezeichnung nicht mehr verwendet werden darf. Das Gericht hat
sich der Meinung von Dr. Petuely, aber auch in diesem Fall Dr. Psota
vom Gesundheitsministerium, angeschlossen. Paniert darf nur be-
zeichnet werden, wenn ein Ei verwendet wird. Unifrost verwendet
keinen Eizusatz, aus rein hygienischen Gründen, die Salmonellenge-
fahr wäre zu groß. Für Unifrost ist dies keine Kalkulationsfrage.
Sundermann befürchtet, wenn jetzt nicht bald dieses Problem gelöst
wird, ein Importeur dann letzten Endes irgendwo in Europa doch
eine Panier mit Eizusatz herstellen läßt und dann Markt erobern
könnte. In diesem Fall müßte Unifrost in ein solches Geschäft ein-
steigen, obwohl es nicht will. Ich hatte dem Gen.Dir. versprochen,
sofort mit Gesundheitsminister Steyrer zu reden, damit eine Aus-
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sprache und Lösung für diese Frage unverzüglichst gesucht wird.
Steyrer hat im Parlament mir zugesagt, ich könnte in seinem
Namen sofort entsprechende Gespräche aufnehmen. Er empfahl mir
von ihm die sog. Vier-P-Bande, Pindur, Psota, Petuely und Prustbauer .
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sofort unter meinem Vorsitz Termin
vereinbaren.
Mit GD Kienzl vereinbarte ich, daß ich jetzt selbstverständlich
alle Berichte von SWS bekomme, ohne daß ich dafür etwas bezahlen
muß. Kienzl erwartet nur, da er einen Auftrag vom Handelsministerium
gar nicht übernehmen könnte, ich ihm auch kaum einen geben kann,
daß wir in seinem Journal für Sozialforschung eine Annonce oder
Druckkostenbeitrag leisten. Eine solche Möglichkeit müßte sich er-
geben, wenn ein entsprechender, auch das Handelsministerium inter-
essierender Artikel erscheint.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte laß dies im Haus prüfen, ohne, daß wir
eine Weisung geben müssen.
Mit NR Heindl und Sekr. Tischler besprach ich die weitere Vorgangs-
weise und Aktivitäten in der SPÖ auf der Landstraße. Tischler und
auch ich kommen schön langsam ins Pensionszeitalter, da ich immer
langfristig alle Probleme, auch die personellen, stets nicht nur
besprochen habe, sondern auch vorbereitete, müssen wir uns darüber
auch schön langsam den Kopf zerbrechen. Unwahrscheinlich, wie ver-
hältnismäßig reibungslos ich, sei es in der Lebensmittelarbeiter-
gewerkschaft oder auch in der Landstraßer Partei, mit dem Sekretär
entsprechend zusammengearbeitet habe. Wenn man Rückblick machen muß,
bin ich dann immer selbst erstaunt, wie jahrzehntelang diese Arbeit
reibungslos funktionierte.
Tagesprogramm, 30.6.1981
Tagesordnung 94. Ministerratssitzung, 30.6.1981
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