Samstag, der 13. Juni 1981

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Samstag, 13. Juni 1981

Der Landesparteitag der Wr. SPÖ in der Kongreßhalle in Oberlaa war
verhältnismäßig sehr gut beschickt. Dies galt zumindestens zu Beginn um
9.00 Uhr. Abends um 18.30 Uhr, als er dann zu Ende ging, sah die Situa-
tion schon anders aus. Viele Delegierte waren letzten Endes dann nach
dem Referat Gratz, der durchgeführten Wahl und teilweise dann schon
nur mehr die Berichtsdiskussion verfolgend nach Hause gefahren. Bei
den Anträgen hatte sich der Saal schon sehr gelichtet. Bei diesen war
eigentlich nur interessant, daß der Antrag der JG, es sollten die
Mandatareinkommen veröffentlicht werden, immerhin 36 Gegenstimmen zu
verzeichnen waren, die den Antrag der Antragsprüfungskommission, diesen
Wunsch abzulehnen, nicht zustimmten. Die sonst von der JG eingebrachten
Resolutionen und Anträge wurden, wenn die jungen Leute anders ent-
scheiden wollten, immer nur mit 11, 12 Stimmen ihnen geholfen. Hierbei
handelte es sich eindeutig um die Vertreter der JG in den einzelnen
Bezirken. Bei der Frage der Einkommensveröffentlichung der Mandatare
waren also mehrere Delegierte dafür zu gewinnen. Daß die Antragsprüfungs-
kommission dies trotzdem ablehnte, halte ich deshalb für richtig, weil
wir jetzt gerade, als erste Partei, glaube ich, beschlossen haben, daß
jeder Mandatar sein Einkommen den delegierenden Stellen eindeutig dar-
legen muß.

Mit Humor wurde von der Konferenz zur Kenntnis genommen, daß im Antrag
des Bildungsausschusses zur sozialdemokratischen Schulpolitik der Name
Kerschensteiner gestrichen werden mußte. Niemand kannte Kerschensteiner,
wohl aber den vorher genannten Göbbel sehr gut. Die Streichung war not-
wendig, weil Kerschensteiner gar kein Sozialdemokrat war.

Bei den Wahlen hat, von 702 Delegierten, Gratz 110 Streichungen und
Stadtrat Mayr die höchste Streichung, 150, erhalten. Alle anderen waren
uninteressant, auch diese Streichungen sagen meiner Meinung nach nicht
sehr viel. Die große Frage ist nur, ob es sich hier wirklich um eine
gelenkte Aktion gehandelt hat, oder ob doch spontan ein Unmut von
Delegierten seinen Niederschlag findet. Ich versuchte unseren Delegierten,
insbesondere Heindl, klar zu machen, daß ich das Wahlsystem in den Ge-
werkschaften als zweckmäßig erachte. Dort gibt es maximal in den Frak-
tionen gelegentlich eine Abstimmung, wenn es mehrere Kandidaten gibt,
größtenteils aber wird vorher versucht, durch entsprechende Aussprachen
eine einvernehmliche Lösung zu finden. Da wir in den Gewerkschaften ja


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indirekte Wahlen haben. Geheim werden die Betriebsräte in den Be-
trieben gewählt. Diese sind dann als Delegierte der Betriebe in den
Gewerkschaftstagen und letzten Endes beim Gewerkschaftskongreß
legitimiert, für ihre Leute zu reden, so daß man natürlich auch sagen kann,
hier ist demokratisch dann doch eine indirekte Wahl erfolgt. Dieses
jetzt über Jahrzehnte gehandhabte System gibt eine gewisse Stabilität
in den Gewerkschaftsführungen, vor allem werden solche Wahlentscheidung-
en dann nicht von unmittelbaren Erfolgen oder Mißerfolgen einer Ge-
werkschaft letzten Endes dann beeinflußt. Gerade in der Gewerkschafts-
bewegung aber könnten aber bei einem anderen Wahlsystem sehr leicht
einzelne Gruppen, die oft nur demagogische Forderungen vertreten, die
entsprechende Versprechungen machen, sich radikal gebärden, Delegierte
also begeistern könnten, entsprechende Erfolge erzielen, die sich dann
letzten Endes, auf lange Sicht gesehen, sehr gefährlich in der Gewerk-
schaftsführung auswirken könnten.

GD Grünwald von der ÖIAG hat Sir Derek Ezra, den Vorsitzenden des
Nationalen Kohlenboards von GB, und den britischen Botschafter nach
Oberlaa gebracht. Dadurch hatte ich doch noch Gelegenheit, mich sehr
lange mit den für die Kohlenindustrie und auch den Verkauf Verant-
wortlichen zu unterhalten. Interessanterweise möchten jetzt die
Engländer ihre Kohlenlieferungen weitestgehend streuen. Sie versuchen
deshalb, mit vielen anderen Staaten, wo bisher kaum englische Kohle be-
zogen wurde, Lieferverträge abzuschließen. Die Idee ist, sie bieten also
zu Listenpreisen und nicht zu Weltmarktpreisen Kohlen an. Für Österreich
könnten sie sich vorstellen, daß die Vöest-Alpine 200.000 t und die
Elektrizitätswerke 250.000 t in Fünf- bis Zehn-Jahresverträgen beziehen
könnten. Da sie eigentlich nur mit 20 % fester Vereinbarung rechnen,
könnte zu einem späteren Zeitpunkt dann, wenn die Kohle tatsächlich
fällig wird, entschieden werden, ob man diese Mengen beziehen will oder
nicht. National Coal Board wird jetzt entsprechende Vertreter rüber-
schicken, um mit Firmen die Verhandlungen zu führen. Mir selbst erscheint
eine solche Bezugsquelle sehr interessant. Ich teile die Meinung von
Ezra, daß es für die europäischen Länder sinnvoller ist, von GB Kohle
zu beziehen, als von Amerika oder gar Südafrika oder Australien. Einige
europäische Staaten hätten auch die Zementindustrie jetzt auf Kohle-
basis umgestellt.

Der größte Vorteil aber ergab sich dann, als ich klären wollte, ob die Eng-
länder auch auf dem Standpunkt stehen, daß man Kohlentransporte in Hin-


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kunft nur mit mindestens 100.000-t-Frachtschiffen durchführen könne.
Der große Vorteil der englischen Kohlelieferung liege darin, daß im
Gegenteil kleinere Schiffe mit 10.000–40.000 t, die an allen europäischen
Häfen landen können, durchgeführt wird. Bei den englischen Bezügen muß
man nicht warten, bis dann die Transatlantikschiffe mit 100.000 t und
mehr durch Neuerrichtung der Hafenanlagen erst anlanden können.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Jour fixe Fremuth setzen.

Die Samstagbetreuung des albanischen Ministers ging deshalb daneben,
weil er sich im letzten Moment entschlossen hat, bei Prof. Reisner,
Allgemeines Krankenhaus, sich einer Kopfuntersuchung zu unterziehen.
Er war von der Ausrüstung, der Sauberkeit und dem großen Können der
Wiener Mediziner sehr beeindruckt, wie er mir dann beim Abflug noch
besonders versicherte.

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Tagesprogramm, 13.6.1981


Tätigkeit: Vors. National Coal Board Großbritannien [Nachname hs. korr.]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Prof., Arzt AKH


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      Tätigkeit: [Name auf einem Antrag; unklar]


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Büro des Bundesministers


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
            GND ID: 102318379X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
              GND ID: 1053195672


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: [unbekannter Name auf einem Antrag; unklar]


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 115563237


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Wr. Wirtschafts- u. Finanzstadtrat


                    Einträge mit Erwähnung: