Dienstag, 17. Februar 1981
Beim Jour fixe mit der HK fragt Präs. Sallinger, wann endlich die
Statuten der österreichischen Fremdenverkehrswerbung geändert werden.
Ich erkläre ihm, daß die einstimmige Vereinbarung lautet, bis der
Rechnungshofbericht über die ÖFVW vorliegt.
Bezüglich KR-Titel stellt Sallinger fest, daß er mit Präs. Skardarasy
von der Hoteliervereinigung wegen des gewünschten KR-Titels für seinen
Vizepräsidenten Zorn mit beiden bei der Hoteliertagung in Zürs gespro-
chen hat. Er hat angeblich ganz scharf beide kritisiert, daß sie sich
an den Bundespräsidenten und an mich gewandt haben, sie müßten wissen,
daß nur dafür die Bundeskammer zuständig ist. Er betrachtet es schein-
bar als Sakrileg auch nur irgendwo anzufragen, ob nicht doch noch ein
KR-Titel außer der Reihe gegeben wird. Er wird auch das Problem mit
seinem Vizepräsidenten Mühlbacher besprechen. Mir kann diese harte
Stellungnahme nur recht sein, denn ich lege keinen Wert darauf, mich
womöglich noch in diese Frage auch reinzumischen.
Der von der Kärntner Landesregierung gewünschte KR-Titel Hrusl ?
ist deshalb nicht möglich, denn der ist überhaupt kein Kammermitglied.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Laß feststellen, wer von Kärnten diesen Antrag
stellte.
Ganz hart, Albrecht hatte den Eindruck, fast hysterisch, reagierte er
diesmal auf den Vorschlag des GD Kienzl, zur Exportförderung einen ei-
genen Verein zu gründen. Die OeNB würde aus ihren Überschüssen der
österr. Kontrollbank und Investitionskredit je 500 Mio., also insgesamt
1 Mrd. S Kredit geben. Den Zinserlös von 60 Mio. ungefähr könnte dann
ein Verein zur Unterstützung von Mittelbetrieben für Exportförderung
bekommen. Geschäftsführer soll nach Vorschlag Kienzls der derzeitige
Gesandte Dr. Otto werden. Kienzl hat mit Gen.Sekr Kehrer über die Ab-
grenzung verhandelt, scheinbar ist es ihm nicht geglückt, aber Präsident
Sallinger von der Zweckmäßigkeit zu überzeugen. Dieser sieht darin eine
Konkurrenz zur Handelskammer, vor allem aber fürchtet er, daß dies
nur der erste Schritt ist, um die, wie er sagt, doch ausschließlich von
der Handelskammer erfolgreich geführte Außenhandelsorganisation zu
zerschlagen. Nach heftiger Diskussion ist es mir geglückt, eine Kampf-
ansage gegen Kienzl mit allen Konsequenzen, Ende der Sozialpartnerschaft,
58-0227
wenn der Gewerkschaftsbund damit spielt, Zurückziehen der Handelskammer,
auf eine Methode der verbrannten Erde auch mir gegenüber usw., zu ver-
hindern. Ich habe erklärt, daß wenn Kienzl tatsächlich die 60 Mio. be-
kommen sollte und ein solcher Verein zustande käme, genau abzugrenzen
wäre, daß es sich um keine Aktion gegen die Handelskammer und vor allem
nicht um eine Zweigleisigkeit für Exportunterstützungsaktivitäten
handelt, die heute schon von der Handelskammer wahrgenommen werden. Ich
habe Kienzl dann sofort telefonisch davon verständigt, er kann dies
nicht verstehen, denn er glaubte mit Kehrer alles ausgeräumt zu haben.
Ich fürchte ehrlich gestanden, daß er nicht einmal innerhalb der Natio-
nalbank mit dieser Idee wird durchdringen können.
Kehrer verwies darauf, es gibt in Oberösterreich eine Studie von Prof.
Korwi, Linzer Universität, die sich kritisch mit der Verbesserung der
Exportunterstützung beschäftigt. Hier meinte er, es müsste zwischen
der Österr. Kontrollbank, der Handelskammer und dem Handelsministerium
die Zusammenarbeit verbessert werden. Kehrer hat mit GD Haschek von
der Österr. Kontrollbank auch darüber gesprochen und festgestellt, es
funktioniert alles bestens. Die Handelskammer ist in dieser Frage
äußerst sensibel, da sie darin ja letzten Endes ein Auflösen ihrer jahr-
zehntelangen erfolgreichen Außenhandelstätigkeit bei jeder noch so
kleinen kritischen Bemerkung sieht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die Studie verschaffen.
Österreich, und zwar die Republik Österreich, ist Mitglied des inter-
nationalen beratenden Baumwollkomitees, dort ist ein Mitgliedsbei-
trag von 110.000 S fällig. Bis jetzt hat das Handelsministerium dafür
34 % bezahlt. Jetzt hat Sektionschef Meisl erklärt, wir haben keine
Mittel, alles soll die Textilindustrie Österreichs bezahlen resp. die
Handelskammer, die dies aus den Außenhandelsförderungsbeiträgen nehmen
kann. Kehrer bezweifelt dies und ersucht, daß wir doch auf alle Fälle
so wie bisher unseren Mitgliedsbeitrag entrichten sollten. Ich sage nur
eine Prüfung und Aussprache mit Meisl zu.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte wie steht der Fall?
Für die Betriebsberatung durch die WIFI stehen nicht genug Mittel, auch
nicht für Energiesparberatung zur Verfügung. Die WIFI-Leute möchten
deshalb, daß die im Gewerbestrukturverbesserungsgesetz vorgesehene
58-0228
Möglichkeit von dort Mittel zu bekommen, gegebenenfalls herangezogen
wird. Dies lehnt Kehrer genauso wie ich ab, denn die dortigen Mittel
dienen ausschließlich zur Befriedigung der Zinsenzuschüsse für die
Gewerbebetriebe. Erst wenn dort Mittel überblieben, könnte man den
WIFIs etwas geben. Ich muß Kehrer aber auch den Wunsch ablehnen, mehr
als die 8 Mio. S, die wir für die WIFI aus unserem Budget zur Verfügung
stellen, zusätzliche Mittel zu geben. Ich verweise sofort darauf, daß
hier z.B. der Kienzl-Verein mit seinem Geld einspringen könnte.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wie sieht die Budgetlage aus?
Ich berichte der Bundeshandelskammer über die Aussprache mit dem
jugoslawischen Außenhandelsminister Rotar und überlasse ihnen den
Ministerratsvortrag darüber. Kehrer ist sehr einverstanden, daß von
24. bis 26. in Ljubljana oder Belgrad die von LH Wagner nominierten Ver-
treter der AK und HK mitfahren. Selbstverständlich wird auch der Jugos-
lawien-Referent Dr. Tschach und der jugoslawische Handelsdelegierte
daran teilnehmen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit dem österreichischen Botschafter in
Jugoslawien das Programm schön langsam vereinbaren.
Der taiwanische Außenhandelsminister Chang, den Prof. Winkler von der
chinesisch-österreichischen Gesellschaft gerne einladen will, wird von
mir eingeladen. Ob der 25. bis 31. Mai der günstigste Zeitpunkt ist, muß
noch im einzelnen mit Winkler besprochen werden.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Prof. Winkler verbinden.
Die Handelskammer wird untersuchen, ob mein Wunsch, die gebleichte
Zellulose, 200 Mio. S Import aus nordischen Staaten, tatsächlich für die
Milchpackung verwendet werden muß. Angeblich wird in diesen Staaten
jetzt ungebleichte verwendet, diese könnten wir in Österreich erzeugen
und dadurch den Import uns ersparen. Der Milchwirtschaftsfonds müßte
diesbezügliche Schritte setzen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND BURIAN: Vom Haus prüfen lassen und nächstes
Jour fixe AK setzen.
Im Ministerrat hat erstmalig Vizekanzler Sinowatz den Vorsitz geführt.
Es gab keinerlei Vorsprache. Fredl meinte nur mir gegenüber, es wäre
doch nicht notwendig gewesen, daß ich mich so elegant wegen diesem
Anlaß gekleidet habe. Die anderen verstanden diesen Spaß scheinbar
nicht und fragten mich nachher, warum ich wirklich so feierlichst ge-
kleidet erschienen bin. Die Tagesordnung war in 5 Minuten abgewickelt.
Sozialminister Dallinger berichtete nur dann ganz kurz über die Ar-
beitslosenziffer für Mitte Februar. Dort konnte gegenüber Ende Jänner
die starke Arbeitslosenzunahme gestoppt werden, gegenüber dem Vorjahr
liegen wir aber genauso wie im Jänner um 14.000 höher.
Nach der Sitzung haben wir uns ein bißchen noch alle unterhalten, damit
nicht draußen im Pressefoyer der Eindruck entsteht, daß die Regie-
rungsmitglieder gar nichts mehr zu besprechen haben, wenn Kreisky
nicht hier ist. Lausecker rief Firnberg, Sekanina, Dallinger, Salcher
und mich zusammen, um über die Verhandlungen zwecks Umstellung des
österreichischen Ferngesprächssystems zu berichten. Seine Techniker
und Beamten haben geprüft, daß Northern Telecom, also die Kanadier,
welche von Kapsch und Schrack vertreten werden, das bessere System
ist. Von 100 Punkten hätten sie 75 erreicht, das System Siemens nur
65. Da ja die Produktion durch die ÖFEG von allen vier aufgeteilt ist,
können sich weder die genannten drei noch ITT beschweren, wie entschieden
wird. Natürlich geht es aber bei der endgültigen Entscheidung, welches
System angewendet wird, nicht nur allein um eine Prestigefrage. Lausecker
schlägt daher vor, man sollte dem Northern-Telecom-, also Schrack-und-
Kapsch-System die Ortsämterumstellung geben, das sind 13.050 in Öster-
reich. Siemens soll dafür für die Fernämter, sozusagen die Spitze der
Telefonvermittlung, eine Option erhalten. Alle sind mit dieser Vorgangs-
weise einverstanden. Ich empfehle Lausecker nur, es schnell durchzu-
ziehen, weil ansonsten die Interventionen und die Intrigiererei losgehen
werden. Lausecker meint, er würde jetzt mit ÖGB-Präsident Benya und
AK-Präsident Czettel darüber sprechen und dann eine interministerielle
Aussprache mit allen Interessensvertretungen durchführen.
Finanzminister Salcher fragt mich, ob ich wegen der Beschwerde des
Mercedes-Importeurs Papas, der nicht nur in der Kronen-Zeitung polemi-
siert, sondern auch ihm und angeblich mir einen Brief geschrieben hat,
etwas unternehme. Bei dieser Gelegenheit bemerkt Salcher zu mir, daß
mit dir ist es gut zusammenzuarbeiten, da macht man etwas auch und das
hält und du gehst nicht immer vorher in die Öffentlichkeit. Salcher ist,
glaube ich, mit Recht sehr erschüttert und verärgert, daß in seine
Kompetenz, nämlich was mit der Steuer geschehen soll, jetzt jedermann
58-0230
schon reinregieren will. Da ich ja seit 10 Jahren immer der Überzeugung
war, so kann man nicht den Finanzminister immer wieder präjudizieren,
andererseits auch niemals irgendwelche Maßnahmen ankündige, die der
Finanzminister dann finanzieren müßte, habe ich eine solche Politik nie
gemacht, weder bei Androsch, geschweige denn jetzt bei Salcher. Interes-
sant haben andere die Meinung, wie ich dann feststellen konnte, beim
Finanzminister muß man ununterbrochen schauen mehr Geld zu bekommen.
Und scheinbar heiligt der Zweck das Mittel und es ist jede Maßnahme
dafür gerechtfertigt. Wenn dies so weitergeht, muß es schief gehen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was gibt es von Papas für Unterlagen im Haus.
In dem Unterausschuß für Kernkraftwerksvolksbegehren gab es das
übliche Heckmeck mit der ÖVP. Ich hatte vom Handelsministerium ent-
sprechende Gutachten der IIASA, des Wirtschaftsforschungsinstitutes und
der GKT vorgelegt. Die ÖVP wollte natürlich gar nicht darüber sachlich
diskutieren und meinte, sie müssen diese Unterlagen erst studieren,
obwohl sie sie vor ein paar Tagen bekommen haben. Auch über das das
letzte Mal von mir schon vorgelegte Geowag-Gutachten, eine Geologiestu-
die, sieht sie keine Notwendigkeit darüber zu diskutieren. Die ÖVP
wünscht, daß womöglich ein Regierungsbericht, zumindestens aber über je-
den einzelnen offenen Punkt ein Bericht des zuständigen Ministers vor-
liegt. Über den möchte sie dann diskutieren und wahrscheinlich dann
auch immer wieder erklären, die Regierung hat unzulänglich gearbeitet,
bei dieser Gelegenheit erneut festzustellen. Kreisky hat, leider ver-
spätet, eine sehr detaillierte Liste der Studie vorgelegt, welche die
Reaktorsicherheitskommission machen wird. Die ÖVP konnte keinen wie
immer gearteten Einwand gegen diese Vorgangsweise und vor allem über
die Zweckmäßigkeit einer solchen Studie, die Kreisky dann dem Ausschuß
übermitteln wird, einbringen. Wiesinger meinte nur, dies würde Monate
dauern, bis die Unterlagen vorliegen, da man ja noch gar nicht begonnen
hätte. Der Sekretär der Reaktorsicherheitskommission, der Bundeskanzler-
amtsbeamte Schmidt, erwiderte aber, daß der Unterausschuß in dieser Reak-
torsicherheitskommission sehr weit schon ist und wahrscheinlich bis
16. März die notwendigen beschlußfähigen Unterlagen der Reaktorsicher-
heitskommission vorliegen werden. Diese werden dann sofort dem Unter-
ausschuß übermittelt.
Wesentlich anders lief es bezüglich der Strahlenschutzkommission. Dort
hat während meiner Abwesenheit noch SC Pindur vom Gesundheitsmini-
sterium erklärt, er hätte das Schreiben, wie es ich an die zuständigen
58-0231
Minister gerichtet habe, zwecks Erstellung der Berichte nicht verstan-
den. Deshalb hätte er die Strahlenschutzkommission nicht einberufen.
Sein Minister hat einen Brief zu den 5 Punkten vorgelegt. Dort steht,
uns allen unerklärlich, wie wir nachher in einer Besprechung festge-
stellt haben, drinnen, daß bezüglich der offenen Punkte bis jetzt nichts
geschehen ist, ja auch kaum etwas geschehen kann, ohne daß es nicht
zu riesigen gesetzlichen Änderungen kommen müßte, genau die verkehrte
Taktik, um das Kernkraftwerk überhaupt bald in Betrieb bringen zu
können. Vor allem aber ist dieser Brief, wie dann auch sofort im Rund-
funk zu hören war, das beste Argument der ÖVP gegen die Regierung.
Es geschieht nichts, alle Gesetze reichen nicht aus, die Sicherheit
ist nicht gewährleistet, weshalb die ÖVP gar keinen Grund hat, von ihrem
bisherigen Standpunkt abzugehen. Ich befürchte, daß SC Pindur allein
aus ressortegoistischen Interessen glaubt, jetzt kann er bei dieser
Gelegenheit alle offenen Fragen und Wünsche seines Ressorts, wie mehr
Einfluß, stärkere und bessere Kompetenzen, bei dieser Gelegenheit unter-
bringen. NR Heindl, als Energiesprecher, der von diesem Brief auch
nichts wußte, war darüber mit Recht sehr empört.
Beim Unterausschuß über das Energiesicherungsgesetz wurde dann festge-
legt, daß jetzt über das Wegerecht der leitungsgebundenen Energie,
insbesondere Fernwärme und Gas, eine Arbeitsgruppe mit Dr. Zluwa im
Handelsministerium und vor allem aber mit dem Ländervertreter und ÖVP-
Experten, Landesamtsdirektor Kathrein, sowie den Interessensvertretungen
so schnell als möglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen
sollten. In der Vorbesprechung hatte Zluwa allen Ernstes mir gegenüber
und dem fraktionellen Ausschußmitglieder erklärt, dazu würde er ein
paar Monate brauchen. Wir beschlossen sofort, er muß von allen anderen
Arbeiten freigestellt werden, damit diese dringendste Aufgabe in einer
Woche erfüllt ist. Bis Mitte des Jahres soll dem Plenum ein Bericht
des Unterausschusses resp. des Handelsausschusses vorgelegt werden. Wenn
wir so weiter arbeiten, wird es zwar Mitte des Jahres, aber wahrschein-
lich am Ende der Legislaturperiode sein.
Die ÖVP wollte dann auch noch im Unterausschuß, daß wir über die Um-
stellung von Öl auf Kohle in der Industrie und E-Wirtschaft entspre-
chende Fallstudien machen. Dr. Oberndorfer von der Industriesektion der
Handelskammer hatte ein Papier über die Umstellungsproblematik bei der
Zementindustrie vorgelegt. Für die ÖVP lauft es letzten Endes darauf
hinaus, daß sie anstelle von reglementierenden Maßnahmen, z.B. eben
58-0232
durch ein Energiesicherungsgesetz, lieber Förderungsmaßnahmen sieht.
Wenn nämlich der Bund entsprechende Steuernachlässe gewährt oder
zumindestens entsprechende Subventionen gibt, dann braucht man nach
Auffassung der ÖVP, insbesondere Dr. Königs, keinerlei Lenkungsmaßnahmen.
Dies möchte ich gar nicht bestreiten, nur gilt hier der Grundsatz, und
ich habe den auch deutlich gesagt, daß ich nicht beabsichtige beim
Finanzminister eine halbe Milliarde Schilling oder vielleicht noch
mehr für die finanzielle Unterstützung der Umstellung für die Industrie
oder E-Wirtschaft auf Fernwärme zu verlangen. Die Verhandlungen auch
über das Energiesicherungsgesetz sind verhältnismäßig sinnlos, weil
die ÖVP auch hier nur rausschiebt, jedes kleinste Zugeständnis sofort
mit anderen Wünschen, die sie hat, komplizieren möchte. Am liebsten
wäre ihr, wenn man für die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwenten-
dorf versichern würde, nach den nächsten Wahlen, wenn die Soziali-
sten nicht mehr die absolute Mehrheit hätten, eine große Koalition
mit ihr zu bilden. Politisch, taktisch dumm genug ist sie ja, daß sie
von einzelnen ihrer Sprecher dies inoffiziell anderen Sozialisten sagt.
Ich warte nur, bis dies einmal in der Öffentlichkeit platzen wird,
dann hat sie endgültig bei den Grünen ihr Gesicht verloren. Wichtig
ist nur, daß diese Frage nicht von sozialistischer Seite in der Öffent-
lichkeit aufgebracht wird, dann würde die ÖVP dies nämlich wieder so-
fort abstreiten. Ich gebe mich keiner Illusion hin, daß wir in den
wichtigen Fragen der Energiepolitik mit der ÖVP kaum eine Übereinstim-
mung erreichen können.
Der Sekretär des portugiesischen Hilfsfonds im Rahmen der EFTA, der
100 Mio. $ von den EFTA-Ländern für Investitionsprojekte zur Verfügung
stellen kann, besuchte Österreich. Tatsächlich hat Österreich zu diesen
100 Mio. $ fast 16 %, also 16 Mio. $ zugeschossen. Die Unternehmer haben
aber in Österreich nur für 3,8 % Projekte mit Portugiesen gemeinsam
eingereicht und zugeschlagen bekommen, die Schweiz mit einer Quote
von 27 % hat 25 % ausgenützt. Noch sind 30 Mio. $ frei, es kommt jetzt
wirklich darauf an, so schnell als möglich vielleicht doch einige
Unternehmer dafür zu gewinnen. Ich habe auch GD Haschek angerufen und
ersucht, er möge bei Exporteuren, die nach Portugal ihn um Kreditgaran-
tie bitte, auf diese Möglichkeit besonders aufmerksam machen. Mit
Recht meinte Haschek, dies sei eine spezifische Aufgabe der Bundeshan-
delskammer. Er wird mit Dr. Gleißner darüber reden.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Hier müssen auch wir aktiver werden.
Der Vertreter der Firma General Dynamics, Gen.Leutnant Graves, setzte
MR Gröger und mir auseinander, warum und wie sie glauben, daß am besten
die gewünschten Kompensationsgeschäfte für die Lieferung der F-16
Flugzeuge durchgeführt werden könnten. Gröger hat mit seinen Leuten
darüber bereits eine Einigung erzielt, daß gegebenenfalls auch eine
Bankgarantie für diese Kompensationsgeschäfte gegeben werde könnte, die
nach entsprechender Abwicklung dann vom Handelsministerium wieder
freigegeben wird. Selbstverständlich würde auch eine gewisse pönale
Verpflichtung vorgesehen sein. Mir erschien die ganze Kompensations-
frage mit Gegenlieferungen für Flugzeuge, die wir sowieso heute nicht
kaufen können, nicht so wichtig. Da Graves aber auf dem Standpunkt
steht, es müßte jetzt in absehbarer Zeit entschieden werden, habe ich
ihm klar gemacht, daß das Finanzministerium keine finanziellen Mittel
dem Verteidigungsministerium dafür zur Verfügung stellen kann. Rösch,
mit dem ich nach dem Ministerrat über diese Frage auch gesprochen habe,
gibt sich keiner Illusion hin, daß er in den nächsten Jahren dafür die
5 Mrd. S für den Ankauf bekommen könnte. Ich habe deshalb dem General-
leutnant Graves klargemacht, daß es langfristig für sie viel ziel-
führender ist, wenn wir vielleicht doch zu einer Übernahme der abge-
brannten Brennelemente durch die amerikanische Regierung kommen könnten.
In diesem Fall würde eine Finanzierung der Abfangjäger durch die E-
Wirtschaft wesentlich erleichtert werden können. Anfangs gab sich
Generalleutnant Graves einer solchen Idee überhaupt keine Chance, im
Laufe der Diskussion meinte er aber, er wird dies in Amerika zur Sprache
bringen. Ich gebe mich keiner Illusion hin, daß wir dort viel erreichen
werden. Ohne eine Lagerung wird Zwentendorf nicht in Betrieb gehen
können, weshalb ich alles versuchen muß.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Jour fixe HK und AK, ÖGB setzen.
Eine Textildelegation unter Führung von Dr. Hladik, Hämmerle, hat
wegen der Belastung, welche aus der Schicht- und Schwerstarbeiterregelung
kommt, bei mir vorgesprochen. Sie hoffen, daß das Handelsministerium
gegen diesen Gesetzentwurf des Sozialministeriums schärfstens Stellung
nimmt. Laut Berechnungen würde die Fa. Hämmerle 38 Mio. S Mehrbelastung,
die Fa. Borckenstein 12 Mio. ohne die Kollektivvertragsregelung, die
jetzt fällig ist, auf sich nehmen müssen. Dies ist nach Meinung der
Unternehmungen unmöglich. Ich habe dem Firmenvertretern in Anwesenheit
des SC Marsch klargemacht, daß mein System seit 1970 niemals darin
bestand, gegen einen Gesetzentwurf eines Ministerkollegen Einspruch
zu erheben und dadurch die Gesetzwerdung zu verhindern. Die Regierung
58-0234
tritt immer geschlossen auf. Niemals hat ein Minister gegen einen
anderen in der Ministerratssitzung offen Stellung genommen, niemals
noch wurde auf diese Art und Weise ein Ministerratsgesetzentwurf ver-
hindert und damit nicht ins Parlament weitergeleitet. Ich schlug daher
der Textilindustrie die selbe Vorgangsweise für dieses Gesetz vor, wie
für alle anderen bisherigen. SC Marsch wird sich, wenn wir diesen Ge-
setzentwurf bekommen haben, mit dem Sozialministerium sofort in Verbin-
dung setzen, um die Unterlagen, die wir von der Textilindustrie kriegen
und die die Belastungen darlegen, mit dem Sozialministerium erörtern.
Eine Vetozusage habe ich auf das entschiedenste abgelehnt.
Nachmittags schon bei der Fraktion der Bezirksräte, aber ganz besonders
dann am Abend bei den Sektionsleitern versuchte ich trotz meiner ange-
schlagenen Stimme infolge Verkühlung ihnen doch einen Bericht über
die politische und wirtschaftliche Situation zu geben. Aus Solidaritäts-
gründen wurde dann nur sehr wenig darüber diskutiert. Neu für mich
war, daß die Verkäufer von Autos jetzt überall Kunden erklären, sie
sollten schnell kaufen, denn im Sommer kommt eine 50 %-ige Mehrwert-
steuer auf Autos.
Beim Empfang des amerikanischen Botschafter Kaiser, wo ich auch noch
ganz kurz vorüberfuhr, hatte ich Gelegenheit mit dem Verleger Fritz
Molden über sein Buch, wo er seine Widerstandstätigkeit schildert, zu
sprechen. Ich habe ihm neidlos meine Anerkennung ausgesprochen, nicht
nur für dieses Buch, sondern auch für seine Tätigkeit. Für mich ist
es unerklärlich, wie es Molden als 20-jährigen gelang, sich dem Ameri-
kanern, ganz besonders dem Leiter der OSS, also des amerikanischen Ge-
heimdienstes, Dulles, in der Schweiz als Repräsentant der österreichi-
schen Widerstandsbewegung zu präsentieren und sogar von dort gewisse
Unterstützung zu bekommen. Zufällig war auch der Konsulent der CA-
BV, Dr. Grimm, der zu dieser Zeit in der Schweiz den Widerstand in
Österreich zu organisieren versuchte, ebenfalls anwesend. Er hat mir
bestätigt, daß Molden wirklich sehr tüchtig war und damals auch
Schweizer und Amerikaner, aber auch Engländer und Franzosen beeindruckte
und mit jedermann Kontakt versuchte und auch erhielt. Da ich zu dieser
Zeit ja bei der deutschen Wehrmacht war und vorher in Buchenwald aber
einigermaßen über den Widerstand informiert war, kann ich umso mehr
die Tätigkeit Moldens wirklich schätzen. In einem einzigen Punkt stimmte
ich mit seiner Meinung nicht überein, daß es zweckmäßig gewesen wäre,
wenn die O5 also die überparteiliche Widerstandsorganisation, die aller-
dings keinen großen Andrang in Österreich gehabt hat, die Regierung
und die Politik nach dem Kriegsende übernommen hätte,
58-0235
in diesem Fall werden wir früher oder später von den erfahrenen Poli-
tikern und geschulten Ideologen der Kommunistischen Partei, vor allem
aber von Moskaus Machtpolitik inhaliert geworden, die besten Beispiele
dafür sind Ungarn und CSSR. Molden gab mir recht, er meinte nur, man
müsse verstehen, welche große Enttäuschung es für ihn persönlich, aber
auch für die Widerstandsbewegung, die er immerhin repräsentiert, damals
gewesen ist, daß nach 45 nach Abzug der deutschen Wehrmacht in Wien,
insbesondere der SS, dann Repräsentanten der alten Parteien, sei es der
Christlichsozialen oder der Sozialdemokraten, mehr oder minder das
Ruder in die Hand genommen haben. Ich kann mich an diese Zeit noch sehr
gut erinnern. Auch ich war damals sehr enttäuscht. Bevor noch die Russen
abgezogen sind, hatte ich durch meinen illegalen Verbindungsmann und
ehemaligen Lehrer an der Hauptschule, Dvorak, Gelegenheit den damals auch
im Allgemeinen Krankenhaus untergetauchten Genossen Speiser kennenzu-
lernen. Hauptschullehrer Dvorak, der sich natürlich mit entsprechendem
Respekt vor diesem auch in der ersten Republik schon hohen Parteiwürden-
träger genähert hatte, hatte mir Speiser vereinbart, daß er mich ihm
vorstellen wird. Dvorak war damals leider schon schwer krank und wollte,
daß ich unbedingt diesen Mann kennenlerne. Speiser war für die damaligen
Verhältnisse für mich überhaupt kein Begriff. Alle diese sogenannten
rechten Sozialdemokraten wurden von uns jungen revolutionären Soziali-
sten oder Kommunisten, Rote Falken, Sozialistische Arbeiterjugend oder
wie immer wir uns nannten oder wie immer wir auch arbeiteten, mit
Schemaugen betrachtet, waren doch nach Auffassung unserer jungen revolu-
tionären Leute sie mitschuld, daß die erste Republik 1934 zu Ende ging.
Die Aussprache zwischen Dvorak, Speiser und mir, die während eines
Spazierganges, um möglichst unauffällig zu sein, im Spitalhof vom Allge-
meinen Krankenhaus im Frühjahr 45 erfolgte, verlief für mich äußerst
enttäuschend. Speiser hörte sich, von Dvorak und mir berichtet, unsere
Aktivitäten an, insbesondere auch über die noch sehr intakte Jugendgruppe
erkundigte er sich dann, was ich persönlich machte. Als er erfuhr, daß ich
jetzt mein Diplom auf der Hochschule beende, meinte er, dies sei äußerst
gut und wichtig. Ich sollte meine Studien abschließen, denn man wird
in der zweiten Republik gute Beamte brauchen. Ich kann mir vorstellen,
daß es Molden ähnlich ergangen ist wie mir, wir Jungen glaubten da-
mals mit revolutionärem Elan, wir würden die Welt ändern und ein neues
System auch in Österreich etablieren und dann sagen uns die Alten, es
bleibt mehr oder minder wie wir es früher gemacht haben und zur Durch-
führung braucht man gute Beamte, daher studierst schön fleißig zu
Ende und meldet auch dann zum Dienstantritt. Nach dem Abzug der Russen
habe ich dann Speiser, der Vizebürgermeister in Wien wurde und eine
58-0236
bedeutende politische Persönlichkeit sehr bald im Wiener Vorstand, wieder
getroffen. Dort wurde ich als Wiener Jugendobmann der Sozialistischen
Jugend kooptiert. Er konnte sich an mich nur sehr flüchtig mehr erinnern.
Ich habe ihn anfänglich wegen unserer seinerzeitigen Besprechung ver-
achtet. Ich kürzester Zeit mußte ich mich eines Besseren belehren lassen:
Die Art und Weise, wie er geschickt die Politik nicht nur der Wiener
Gemeindeverwaltung führte, vor allem aber, wie er dann als Wiener Partei-
obmann die Zusammenfügung der Revolutionären Sozialisten, also der jün-
geren, und der Sozialdemokraten, also der älteren Generation vorantrieb,
war für mich mustergültig und beispielhaft. Die revolutionären Soziali-
sten Slavik, Afritsch, Jonas, Pittermann wollten entsprechenden Einfluß
auf die Gemeindeverwaltung, Speiser für die Sozialdemokraten hat dies
niemals abgelehnt. Er hat nur verstanden, dies so geschickt zu lenken,
daß genau auf die Posten die jungen Leute gesetzt wurden, wo sie nichts
oder nicht viel anrichten konnte. So hat er eine Spaltung der Partei
verhindert, die politische Führung in Wien in die Hand genommen und die
Gemeindeverwaltung so besetzt und geführt, wie sie wahrscheinlich für
die damaligen Zeiten wirklich optimal war. Jeder hat seinen Posten,
besser gesagt, seine Aufgabe bekommen, jeder aber auch größtenteils doch
nach seinen Fähigkeiten und vor allem, wie es Speiser und seine Gruppe
als richtig empfunden haben. Ähnlich ist für mich, zumindestens von
außen betrachtet, damals Renner vorgegangen. Dies ist mir alles in den
Sinn gekommen, als ich mit Molden über diese Zeit diskutierte. Er hat
sicherlich auch die selben Enttäuschungen miterlebt. Molden hat aber
jetzt ein zweites Buch geschrieben, worin er, wie er mir sagte, aner-
kennt, daß er heute auch zur Überzeugung kommt, es war besser, daß
damals die etablierten alten Parteien das Heft in die Hand genommen
hatten. Wir Jungen hätten sicherlich eine andere Politik gemacht, ich
glaube aber, sie wäre für Österreich schlechter gewesen.
Tagesprogramm, 17.2.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 76. Ministerratssitzung, 17.2.1981
58_0236_03