Samstag, 7. Februar 1981
Zu meiner größten Überraschung hat der jugoslawische Außenhandelsmi-
nister Rotar vor 3 Tagen ersucht, wir sollten uns dringendst in Kla-
genfurt am Samstag treffen. Selbstverständlich habe ich diesen Vor-
schlag sofort angenommen. Rotar ist dann mit einem Landesregierungs-
mitglied aus Slowenien, Jahn, erschienen. Zuerst unterhielten wir
uns allgemein über die wirtschaftliche und politische Lage. Die Jugo-
slawen sind genauso ängstigend über die polnische Entwicklung, als wir
es sind. Bessere Informationen besitzen sie scheinbar auch nicht, sie
wollten daher insbesondere von mir wissen, wie ich die weitere Ent-
wicklung beurteile. Alles ist reine Spekulation, ohne entsprechende
konkrete Informationen kann man ja kaum wirklich konkrete Aussagen
machen.
Bei den dann bilateralen Gesprächen ging es erstens darum, daß Jugo-
slawien das Handelsbilanzdefizit nicht akzeptieren kann. Derzeit decken
die Exporte Jugoslawiens nur 35 % ihrer Importe. Mit Italien haben
sie jetzt 73 % erreicht, ihr Ziel ist mindestens 60 % zu erreichen.
Ich habe sofort darauf hingewiesen, daß wir alle notwendigen Erleich-
terungen geben und daß es außer für ein paar Agrarprodukte keine wie
immer gearteten Beschränkungen gibt. Der österreichische Botschafter
in Belgrad, Liedermann, hat darauf hingewiesen, daß z.B. jetzt eine
Einkaufsdelegation für Frühgemüse in Mazedonien war, sie mußte unver-
richteter Dinge nach Österreich zurückkehren, weil keinerlei konkrete
Angebote möglich waren.
Der zweite Punkt war, daß sie die Jugoslawen über den Zollprotektionis-
mus in Österreich beschweren. Die EG- und EFTA-Staaten haben Zollfrei-
heit, sie müssen große Zollbelastungen hinnehmen. Sie haben bei den
letztmal vorgeschlagenen Verhandlungen 200 Zollpositionen zur Dis-
kussion gestellt, 2 davon wurden positiv erledigt. Mein Gegenargument
war, daß wir eine weitere Spezifikation der jugoslawischen Seite be-
züglich einzelner Zollpositionen wünschen. Aufgrund der Ergebnisse,
die die jetzigen Zollverhandlungen mit der DDR aufgrund des Honecker-
Besuches zeigen, kann aber Jugoslawien nicht mit größeren Zugeständ-
nissen rechnen. Auch nach der DDR wurden nur 2 Positionen bis jetzt
vereinbart, für die dritte sind noch immer konkrete Verhandlungen im
Gange. Rotar kam dann auf den Vorschlag des Außenministers Pahr zu
sprechen, der gemeint hat, es könnte jetzt mit Jugoslawien ein EFTA-
konformer Vertrag zwischen Österreich und Jugoslawien gemacht werden,
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wie ihn auch die Jugoslawen auch mit der EG in Brüssel voriges Jahr
abgeschlossen haben. Rotar meinte, diese Möglichkeit sollte man sehr
genau prüfen. Es müßte ein Vertrag sui generis werden.
ANMERKUNG FÜR SC MEISL: Bitte vom Außenamt den Pahr-Vorschlag genau
prüfen.
Bezüglich des dritten Problems, kleiner Grenzverkehr, schlug Rotar
vor, wir können derzeit nichts daran ändern, weil die bisherigen Ver-
handlungen gezeigt haben, daß ein spezielles Abkommen zwischen Öster-
reich und Jugoslawien oder zwischen den Ländern Kärnten, Slowenien
usw. nicht möglich ist. Trotzdem ersucht er, man sollte die Verhand-
lungen aber nicht abbrechen. Den Jugoslawen kommt es primär darauf
an, daß weiterverhandelt wird und zwar auf Regierungsebene. Ein Ab-
schieben auf die Kammerebenen hält er nicht für zweckmäßig.
ANMERKUNG FÜR MEISL: Wie können wir diesen jugoslawischen Wunsch er-
füllen.
Bezüglich der konkreten Geschäfte hat Rotar drei besonders herausge-
griffen. Ich habe das Gefühl, daß er auch in diesen konkreten Fragen
die Sitzung verlangte. Das erste ist das Stahlwerk Jesenice. Hier habe
ich ihm mitgeteilt, daß die Vöest-Alpine mit 420 Mio. S den äußersten
Preis angeboten hat. Jetzt liegt es bei den Jugoslawen, zuzuschlagen.
Rotar ist der festen Überzeugung, daß es noch einen Verhandlungsspiel-
raum geben muß, die Vöest-Alpine ist nicht der alleinige Anbieter,
es gibt noch in Deutschland die Demag und in Amerika Pennsylvania Steel.
Bezüglich der gewünschten Kompensation hat die Vöest-Alpine 500 Mio. S
der slowenischen Maschinenvereinigung ZBS in Ljubljana zugesagt und schon
vereinbart. Hier, meint Rotar, wird man noch andere Firmen oder Organi-
sationen einschalten. Bezüglich der Kompensationsmenge von 500 Mio.
hatte er keinerlei Bemerkungen gemacht. Ich habe Rotar nur zugesagt,
über diese Aussprache sofort GD Apfalter zu informieren.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Mit Apfalter verbinden.
Der zweite wichtige Punkt war der Karawankentunnel, Hier verlangen
die Jugoslawen einen 30-jährigen Kredit, wie er auch beim Tauerntunnel
und anderen österreichischen Straßenbauprojekten gilt. Die österrei-
chische Kontrollbank hat aber mitgeteilt, daß sie höchstens 15 Jahre
für den 1,4 Mrd. S Kredit gewähren kann. Rotar fragte, ob dies eine
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Durchschnittslaufzeit ist, in einzelnen Bauabschnitten könnte man
dann vielleicht doch noch längere Kredite gewähren. Für den jugosla-
wischen Teil, den auch die österreichischen Firmen bauen sollen, haben
sich etliche dafür interessiert. Die Ilbau, eine Kärntner Firma, soll
1,8 Mrd. S mit einer 20-jährigen Laufzeit nicht selbst erwägen, sondern
erklärt haben, dies ist die Forderung der Jugoslawen. Das slowenische
Regierungsmitglied Jahn machte hier die Bemerkung, daß der Jugosla-
wien-Anteil der österreichischen Firmen durch 50 % an jugoslawischen
Subunternehmen durchgeführt werden mußte. 80 % der Kredite hätte die
österr. Kontrollbank zugesagt, 20 % müßte man noch verhandeln. Hier
käme entweder der Euro-Dollar-Markt oder die Bayern-Bank infrage.
Wenig zielführend betrachtet Rotar, wenn man hier die Weltbank ein-
schalten will. Diese ist insbesondere nur an Entwicklungsländern in-
teressiert. Unmöglich ist es der jugoslawischen und schon gar der
slowenischen Regierung, zuzustimmen, daß diese Kredite, die man auch
für den jugoslawischen Teil aufnimmt, der jugoslawischen Devisenbilanz
angerechnet werden. In diesem Fall nämlich würden die Slowenen einen
Großteil ihrer zustehenden Devisenquote für dieses Projekt verlieren.
Das kann Slowenien nicht akzeptieren, deshalb erwarten die jugoslawi-
sche Regierung und ganz besonders Slowenien, daß eine entsprechende
Finanzierung gefunden wird. Ich habe nur zugesagt, dieses Problem dem
Finanzminister mitzuteilen resp. in der österreichischen Bundesre-
gierung zu berichten.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Castellez, Österr. Kontrollbank, ver-
binden.
Das dritte wichtige Problem war der Ausbau vom Hafen Koper. Dort
möchten die jugoslawische und ganz besonders natürlich wieder die slo-
wenische Regierung einen großen Kohlehafen schaffen. Da sie auch da-
für kein Geld haben, müßte auch hier eine entsprechende Finanzierungs-
gesellschaft gefunden werden. Ich verwies darauf, daß mich mehrere
österreichische Firmen resp. Vertretungen von Multis diesbezüglich
angesprochen haben. Sowohl für die Multis als auch für die österreichi-
sche Elektrizitätswirtschaft, ja selbst für die ÖMV ergibt sich die
Notwendigkeit Anlandungen für größere Kohlenmengen in der Adria zu
schaffen. Ob dies in Rijeka, Koper, Triest oder sonstwo erfolgt, liegt
letzten Endes bei diesen Gesellschaften. Sie werden den günstigsten
Hafen und die günstigsten Ausbaumöglichkeit bevorzugen. Voraussetzung
aber für einen rationellen Kohletransport ist, daß mindestens Schiffe
mit 100.000 t Kohlen landen können. Der österreichische Botschafter
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Liedermann hat mit der österreichischen Bundesbahn bereits Kontakt
aufgenommen, um dann den Abtransport der Kohle von den Adriahäfen
nach Österreich zu überprüfen. In allen Fällen müßte ein zweigleisi-
ges Bahnnetz erstellt werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit ÖBB und Kohlenimportgesellschaften
das Projekt besprechen.
Rotar ist fest davon überzeugt, daß bei dem offiziellen Besuch des
jugoslawischen Ministerpräsidenten in Wien, voraussichtlicher Termin
im Juni dieses Jahres, diese Fragen positiv schon entschieden sein
sollten und womöglich schon konkrete Verträge abgeschlossen werden.
Da dafür aber noch wesentliche Untersuchungen und wahrscheinlich
auch Informationsaussprachen notwendig sind, schlug ich Rotar vor,
vom 24.–26.3. nach Jugoslawien zu kommen. Rotar ersuchte mich sofort,
wir sollten nach Ljubljana fahren, um dort mit der slowenischen Regie-
rung, die mich diesbezüglich gerne empfangen wird, zumindestens einen
Tag zu verbringen. Von dort würden wir mit dem Regierungsflugzeug
nach Belgrad fliegen und von Belgrad wieder zurück nach Ljubljana.
Ich war mit diesem Vorschlag im Prinzip einverstanden. Der österreichi-
sche Botschafter in Jugoslawien, Liedermann, wird das Nötige veran-
lassen.
Tagesprogramm, 7.2.1981