Mittwoch, 4. Februar 1981
Der niederländische Botschafter ist zwar schon 3 Monate in Öster-
reich, beim Umziehen hat er sich aber eine Rückenverletzung zuge-
zogen und kennt daher Wien nur vom Spitalsbett und von seiner Woh-
nung. Er erkundigte sich über die Verhandlungen mit der Sowjetunion
betreffend Gas u. Öl. Die NL haben zwar die größten Gasvorkommen im
Westeuropa. Vor 1973 haben sie aber mit angrenzenden Staaten sehr
ungünstige Gaslieferverträge abgeschlossen. Da NL jetzt den Vorsitz
in der EG-Kommission hat, ersuchte ich ihn auf Anraten von MR Willen-
part u. MR Raaber wegen der Unterzeichnung des bereits im Oktober
voriges Jahres paraphierten Qualitätsweinabkommens zu intervenieren
Selbstverständlich sagten wir ihm, daß insbes. die Deutschen jetzt
wegen einer nicht befriedigenden Notlösung des Ursprungsabkommens
Stellung nehmen. Der Botschafter hat sofort zugegeben, er kennt die-
ses Problem überhaupt nicht und wird sich darüber informieren. Selbst-
verständlich gibt er den Wunsch Österreichs weiter.
Über die Wirtschaftslage in den NL meinte er, diese sei mit einer
6 1/2 % Preissteigerung, gleichzeitig aber einer 6 1/2 % Arbeitslosen-
rate und mit einem Budgetdefizit von 2 Mrd. Gulden äußerst kritisch,
auch die unmittelbare Zukunft ist eher pessimistisch.
Der Schweizer Botschafter überbrachte mir vom Bundesrat Honegger
einen Brief, wo dieser endlich die Tara-Abzüge bei österr. Exporten
in die Schweiz entsprechend den tatsächlich durchgeführten Ge-
wichtsproben erhöht, für Bonbons und ähnliche Produkten von 7 % auf
15 % und für Biskuits sogar auf 20 %. Dieses Abkommen sollte mit
1. April schon inkrafttreten, wenn Österreich, nach einer noch durch
das Finanzministerium vorzunehmenden Prüfung, dem zustimmt.
Bei der Feier über 60 Jahre Schweizer Handelskammer in Österreich
wird Honegger nach Wien kommen und den Festvortrag halten, bei dieser
Gelegenheit möchte er über die Schweizer Wünsche Joghurt, Zahngold-
einfuhr usw. ebenfalls abschließende Gespräche zu führen. Vorher
werden seine Beamten Sommaruga und Hr. Luser, wenn ich damit einver-
standen bin, kommen und mit österr. Beamten diese offenen Fragen zu
klären. Selbstverständlich war ich damit einverstanden und habe MR
Willenpart und MR Raaber ersucht, sie sollten die Vorbereitungs-
arbeiten sofort in Angriff nehmen.
Die Idee, daß ich mit BR Honegger dann am Neusiedler See fahre,
das ist sein Wunsch, ist deshalb nicht möglich, weil am Freitag,
den 8. Mai, noch immer Parlament sein wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: In Hinkunft bitte immer sofort feststellen,
ob Nationalratshaussitzungen sind.
Durch reinen Zufall erfuhr ich, daß beim Schweizer Botschafter d.
Präs. d. Nagra, welche die Atommüllentsorgung in der Schweiz durch-
führen will, mittaqs ißt. Ich ersuchte ihn, ob nicht Herr Rometsch
mich besuchen könnte. Nachmittag hatte ich dann mit ihm eine sehr
interessante Diskussion. Die Nagra ist eine Genossenschaft, an der
die Kernkraftwerkbetreibergesellschaft und der Bund beteiligt sind.
Laut gesetzlichen Auftrag müssen sie Endlagerung in der Schweiz für
den Atommüll, der von der Wiederaufbereitung zurückkommt, finden. Bis
1985 steht ihnen dafür ein Betrag von 200 Mio Schweizer Franken zur
Verfügung. Wenn dann die Projekte, an denen sie gerade arbeiten, ge-
nehmigt sind und die Durchführung für die Entsorgung der 5 Kernkraft-
werke-Abfälle erfolgen wird, so schätzt man auf 1 Mrd. Schweizer Fran-
ken. Der absolute Betrag erscheint irrsinnig hoch, auf die Kosten um-
gerechnet ist es ca. 1 % der Elektrizitätstarife.
Ein Rauchfangkehrermeister, der zwar einen Gewerbeschein, aber keine
Konzession hat, wollte unbedingt mit mir reden. Der Herr Matz be-
scheinigte mir einmal mehr, daß in Österreich keine Kehrungen mehr
vorgenommen werden, sondern eben nur Besichtigungen erfolgen. Wenn
die Kamine entsprechend gekehrt werden und die Ölöfen zum Beispiel
richtig eingestellt, könnte man sich ungeheure Mengen von Heizöl er-
sparen. Dies ist keine neue Aussage, Frage ist nur, wie wir dies
ändern können. Im neuen Energiekonzept, Wirtschaftsprogramm 80, wird
ja auf diese Frage besonders hingewiesen. Matz hat dann noch mit
der Wiener Innungsmeisterdynastie Quester eine handgreifliche Aus-
einandersetzung gehabt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wie ging die ganze Angelegenheit dann weiter?
Direktor König von der Fa. Löwa und sein Kalkulant berichten mir
über ihre Tätigkeit. Löwa hat jetzt 2,5 Mrd. S Umsatz, 1.400 Beschäf-
tigte und 140 Lehrlinge. Da die Firma keinerlei Chancen hat, ver-
billigte Geschäftslokale von der Gemeinde Wien z.B. zugewiesen zu
bekommen, hat sie eine Miettangente von 6,71 % gegenüber
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Billa mit 4 %. Von 71 Geschäften, wovon 34 sogenannte Nahversorgungs-
geschäfte, Zielpunkt genannt, sind, ist bei den letzteren insbes. die
Mietbelastung äußerst groß. Da sie teurer Lokale anmieten müssen,
zahlen sie 120 bis 150,–– S pro m². Vor Jahren ist es nicht zuletzt
auch durch meine Intervention bei Stadtrat Pfoch geglückt, daß sie
ein Gemeindelokal bekommen, dort ist der Mietzins 35,–– S, mit Be-
triebskosten 42,–– S pro m². Trotz dieser hohen Mieten haben sie
nur 17 bis 18 % Gesamtspannenkosten, die Konsumgenossenschaft, Billa
und Meinl haben alle um ca. 6 % mehr. Natürlich möchte aber Löwa
im Hinblick auf die Nahversorgungsfunktion, daß man interveniert,
damit sie in 10 bis 12 Standorte, die sie bereits dem neuen Stadtrat
Hatzl mitgeteilt haben, ebenfalls ein Gemeindelokal bekommen können.
Auch mit dem Sozialen Wohnbau hatten sie Gespräche wegen Lokalen ge-
führt, auf Intervention der Konsumgenossenschaft wurden dann diese
Verhandlungen abgebrochen. Da für diese Nahversorgungsfrage sich ganz
besonders Frau Staatssekr. Albrecht interessiert, habe ich sie zum
Gespräch zugezogen. Sie wird auch in dieser Frage nach Vorlage der
entsprechenden Unterlagen mit Stadtrat Hatzl reden.
Natürlich wollte die Fa. Löwa auch gleich für ihre Supermärkte,
wo sie 2 im Jahr errichten möchte, um 500 bis 600 m² Verkaufsfläche
braucht, ebenfalls eine Intervention für mögliche Lokalmieten. Dies
haben sowohl Albrecht als auch ich ganz entschieden abgelehnt. Hier
handelt es sich nicht mehr um Nahversorgungsfragen, sondern um eben
günstige Verkaufspositionen für Märkte. Die Behauptung, daß Löwa ei-
nen Radius von 700 m als Einzugsgebiet betrachtet, hat uns mehr in
der Auffassung verstärkt, daß hier keinerlei Nahversorgungsgesichts-
punkte gelten. Nur bei Zielpunkt-Lokalen, wo der Radius 150 Meter
ist und wo das Grundsortiment auch tatsächlich angeboten wird, kann
man von Nahversorgungsproblem sprechen. Löwa meinte, daß die wirk-
lichen großen Verbrauchermärkte, bei ihnen Wertkauf betitelt, Einzugs-
gebiete wie z.B. den, den ich eröffnet habe, von 60 km haben müssen.
In Oberwart werden zumindestens in diesem Radius die Flugblattaktion
und die Propaganda für Einkauf in Wertkauf in Oberwart gemacht.
Selbstverständlich kamen auch die nicht kostendeckenden Spannen für
sozial kalkulierte Preise zur Sprache, ebenso die gestiegenen Energie-
kosten die 75 bei Löwa 0,26 % ausmachten und jetzt auf 0,9 % ge-
stiegen sind.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Ich habe das letztemal eine Aussprache zw.
d. Stadträten vermittelt, was Löwa schon
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als Intervention betrachtet.
Der Pressereferent der Landesorganisation der Sozialisten in Graz,
Herper, teilt mir mit, daß LH Krainer jetzt eine große Änderung vor-
nimmt. In der Personalpolitik trennt er sich von allen Vertrauens-
leuten des Vorgängers LH Niederls. U.a. soll jetzt von der STEWEAG
Altziebler abgezogen werden und als Energiebeauftragter der Steier-
mark fungieren. An seine Stelle wird Märzendorfer kommen. Der Landes-
amtsdirektor Tropper, auch ein Niederl-Freund, wird in seinen Kompe-
tenzen ständig beschnitten. Herper sieht aber die größte Schwierig-
keit darin, daß jetzt die Sozialisten in der Steiermark für Kapfen-
berg ein großes Energiekonzept erstellen wollen. Gleichzeitig müssen
sie feststellen, daß die Baubehörde, Abt. 1b, wie in der Landesregie-
rung mit den Gemeinden kommunale Energieplane erstellt. Konkret wird
dies in Murau und Murfeld gehandhabt. Die Finanzierung dieser Projek-
te soll durch Wiener Stellen erfolgen. Da dies nur über die Raumord-
nungskonferenz ÖROK möglich wäre, ersuche ich Herper sofort, er soll
die Kontaktpersonen im BKA, die er ja nicht kennt, aber von denen er
behauptet, sie unterstützen diese Projekte und damit Krainer, gegen
die soz. Idee namhaft machen. Herper wird diese Arbeit sofort in
Angriff nehmen. Krainer macht eine sehr geschickte Personalpolitik,
u.a. hat er sich jetzt Dipl.Ing. Herbert Paierl, ein Schüler v.d.
Technischen Universität, Prof. Matzner, als Sekretär geholt. Dieser
hat ihn für Mur-Mürz-Furche ein Regionalprogramm erarbeitet, welches
als Gegenprogramm für die Regionalkonferenz der Sozialisten in Leo-
ben, welches BK Kreisky einleitete, ausweist. Diese Taktik ist mir
nicht neu, Krainer hat immer schon verstanden, sogar bevor er noch LH
in der steirischen Landesregierung wurde, mit tüchtigen Sozialisten
guten Kontakt zu halten. Dies gilt z.B. auch für den derzeitigen
soz. Nationalrat Gmoser.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte nimm mit Herper Kontakt auf.
GD Bauer informiert mich, daß er jetzt mit dem Europachef von Mobil,
Lewinsky, der lange Zeit auch die Mobil in Österreich geführt hat,
wegen zusätzlicher Gaslieferungen nach OÖ gesprochen hat. Lewinsky
hat eingesehen, daß die vorgenommene Kürzung von westeuropäischem
Gas zur OÖ Ferngas in diesem Ausmaß nicht durchgeführt werden kann.
Er wird deshalb seine Österreichvertreter zu mir schicken, damit sie
mir statt 75 Mio. 110 Mio. m³ für OÖ anbieten.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Laß dir die Gasverträge d. OÖ Ferngas
im einzelnen erklären.
Redakteur Merten vom Bayer. Rundfunk hat eine 1/2-Stunde-Sendung u.
wollte über die Wirtschaftsbeziehungen zw. Deutschland und Österreich
entsprechende Detailauskünfte. Für mich überraschend war, daß er im-
mer wieder auf die angeblichen Anschlußbemerkungen einiger Gastwirte
oder auch Bestrebungen in der BRD hinwies. Bezugnehmend auf eine
Äußerung eines bayr. Landtagsabgeordneten, daß man infolge der
schlechten Zahlungsbilanzsituation in der BRD die freizügige Aus-
reise deutscher Urlaubsgäste nach Österreich überprüfen müßte, hat
angeblich in Westösterreich österr. Gastwirte veranlaßt zu sagen,
da muß man sich sofort wieder an Deutschland anschließen. Meine
Aussage war natürlich genau das Gegenteil. Die seinerzeitige 1.000-
Mark-Sperre in der Nazi-Zeit hat die österr. Fremdenverkehrswirtschaft
ruiniert. Wenn solche Ideen wieder kämen, dann müßte sich Öster-
reich als neutraler Staat mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Ich
erklärte aber einmal mehr, daß ich es für ganz unmöglich halte,
daß die deutsche Bundesregierung so etwas beabsichtigt. Der Wirt-
schaftsminister Lambsdorff hat auch bereits ganz dezidiert gegen
diese Ideen Stellung genommen.
Der russ. Redakteur Bojew, von der Presseagentur Nowosti hat auch
ein Interview mit mir gewünscht, dort war es aber so, daß er die
Fragen schön säuberlich aufgeschrieben gehabt hat und nur diese
beantwortet wissen wollte. Was den Redakteur und wahrscheinlich auch
den sowjet. Leser nur interessiert, war, wie die Wirtschaftsverhand-
lungen in Moskau gelaufen sind, was der 10-jährige langfristige Ver-
trag für die Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zw. UdSSR und
Österreich bedeutet und ob letzten Endes diese Politik zur Entspannung
beiträgt. Deutlicher hätte die gegenteilige Auffassung einer Inter-
viewmethode nicht demonstriert werden können, als bei den beiden
Redakteuren.
10 Firmen wollten das Dekret zur Führung des Staatswappens so schnell
als möglich, außerdem haben sie aus verschiedensten Gründen, die
ich allerdings nicht im Detail kenne, keinen Wert darauf gelegt,
daß ich ihnen dieses Dekret in ihrem Betrieb überreiche. Selbstver-
ständlich wurden sie auch mit lebenden Worten von mir bedacht, als
ich dann doch verhältnismäßig in kurzer Zeit ihnen ihren Wunsch er-
füllen konnte. Da ja die meisten Firmen glauben, daß das Dekret zur
Führung des Staatswappens eine exklusive Angelegenheit nur für sie
ist, haben solche konzentrierte Übergaben einen gegenteiligen opti-
schen Effekt. Ich beabsichtige daher eigentlich, wenn es keine Mög-
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lichkeit gibt, das Dekret in der Firma bei einer passenden Gelegen-
heit zu überreichen, ohne daß dort riesige Veranstaltungen durchge-
führt werden müssen, so doch jede Firma einzeln zur Übergabe nach
Wien einzuladen. Ich muß ja dann nicht eine riesenlange Laudatio
halten und schon gar nicht zu einem Kaffeeplauscherl dann noch
einladen, die Übergabe kann ja wirklich sehr formlos und schnell er
folgen. Auf alle Fälle möchte ich nicht eine gemeinsame Übergabe.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte überleg dir diese Idee.
Tagesprogramm, 4.2.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)