Freitag, der 23. Jänner 1981

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Freitag, 23. Jänner 1981

In der Fraktionsbesprechung über die parlamentarische Enquete, die
Lage der gewerblichen Klein- und Mittelbetriebe wurde natürlich ich
zuerst gefragt, was ich zu dieser beitragen würde. Ich hatte eine
ganz dicke Mappe von Unterlagen des Hauses bekommen. Die Grundsatzab-
teilung hatte das Material entsprechend aufgearbeitet. Hätte ich
dies alles studiert, wäre ich tagelang damit beschäftigt gewesen. Mir
persönlich ist es ein Rätsel, daß selbst nach über 10 Jahren Minister-
schaft es mir nicht geglückt ist, meine Arbeitsweise dem Haus klar
zu machen. Mir tut es schrecklich leid, wenn ich die Arbeitsaufwendun-
gen von einzelnen Abteilungen und Referenten sehe, die doch wissen
müssen, daß ich dieses detaillierte Unterlagenmaterial niemals studiere.
Sekt.Chef Marsch, Dr. Buchauer, Dr. Reim haben versucht, dieses Mate-
rial dann entsprechend aufzuarbeiten. Ich an ihrer Stelle wäre fru-
striert, wenn ich immer wieder erleben müßte, daß eigentlich niemand,
soweit ich dies überblicken kann, dieses Material dann auch benützt.
Optisch haben wir natürlich in der Enquete einen sehr guten Eindruck
damit hinterlassen. Bei solchen ins Detail gehenden Unterlagen kann
es vorkommen, daß wenn man einzelne Aussagen oder gar Ziffern daraus
verwenden möchte, man erst sehr umfangreiche Erklärungen dafür abge-
ben müßte. Z.B. wurde mir gesagt, daß es 170.000 Gewerbebetriebe gibt.
Dies mag aufgrund der Volkszählung stimmen. Die landläufige Zahl
aber, die überall verwendet wird und welche in der Vorbesprechung na-
türlich sofort der Zentralsekretär des Freien Wirtschaftsverbandes
Sallaberger mit Recht begründen konnte, waren 250.000. Die Differenz
ergibt sich, daß in der Volkszählung, wenn ein Gärtner, also eindeutig
Gewerbebetrieb, daneben noch eine kleine eigene Blumenproduktion hat,
sofort automatisch als Landwirtschaftsbetrieb gerechnet wird. So gibt
es viele sehr differenzierte Abgrenzungen, die man im Detail erörtern
müßte, wenn man tatsächlich mit der 170.000er Zahl operieren möchte.
Sinnvoll wäre es, eine solche Zahl überhaupt nur zu verwenden, wenn
man damit eine wirtschaftspolitische Aussage machen möchte. Diese
könnte z.B. eben lauten, es gibt gar nicht mehr 250.000, sondern eben
nur mehr 170.000 Gewerbebetriebe. In diesem Fall würde man eine Pole-
mik entfachen, die ganze Enquete, fast würde ich sagen, über den
Haufen geworfen hätte. Das Abgrenzungsproblem aber war insbesondere
beim zweiten Referenten, dem neuen Staatssekretär Seidel, ein wichti-
ger Hauptpunkt in seinem Referat. Daß ich mich darauf überhaupt nicht
eingelassen habe, war selbstverständlich, was solls?



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In der Vorbesprechung stellte ich an den Vorsitzenden der Fraktion,
Präs. d. Freien Wirtschaftsverbandes NR Mühlbacher die Frage, wie weit
er bei meinen Ausführungen überhaupt, wenn ich so sagen darf, eine
konservative Darstellung oder eine aggressive Analyse wünscht. Im
letzteren Fall wäre ich auf all die Probleme, die die Mitglieder des
Freien Wirtschaftsverbandes bei der Enquete in der Vorbesprechung auf-
geworfen hatten, eingegangen. Mühlbacher entschied sich sofort, daß
ich eine, wie auch ursprünglich vorgesehene, konservative Darstellung
geben sollte. Mir war es nicht ganz erklärlich, aber dann auch Recht.
Ein weiterer Punkt war, ob Staatssekretär Albrecht unmittelbar nach
den Referaten und der ersten Wortmeldung von Präs. Sallinger als Haupt-
redner der ÖVP, dann Dr. Stix als freiheitlicher Sprecher, sofort meine
Ausführungen wie beabsichtigt mit Problemen des Konsumenten ergänzen
sollte. Mühlbacher hat mit Recht darauf bestanden, daß er sofort in
der ersten Runde, wenn man so sagen darf, zu Wort kommt. Bei der parla-
mentarischen Enquete ist es nämlich wie in Haussitzungen üblich, daß
immer jeweils ein Vertreter der Parlamentsfraktion schön hierarchisch
gestaffelt zu Wort kommt. Daß die Frage der Klein- und Mittelbetriebe
den Freien Wirtschaftsverband ganz besonders angeht, ist unbestritten,
selbstverständlich wurde daher von Albrecht ihre Wortmeldung zurückge-
zogen. Das Ganze war mir dann beim Ablauf umso erklärlicher, als
Mühlbacher 10 Punkte des Freien Wirtschaftsverbandes als Forderungspro-
gramm vorlegte. Nachher habe ich Mühlbacher gefragt, warum er uns
nicht vorher dieses 10-Punkteprogramm zur Kenntnis gebracht hat. Er
meinte, und das glaube ich ihm wirklich, daß er dieses Programm erst
während der letzten Stunden ausgearbeitet hat. Trotzdem hätte er es
uns sagen sollen, da Burian in Erfahrung gebracht hatte, daß er dies
auch mit den Gewerkschaftsbundvertretern abstimmte.

Die Klubleitung hatte beschlossen, nachdem bekannt wurde, daß auch
der Gen.Sekr. Schüssel vom Wirtschaftsbund um 12 Uhr eine Pressekon-
ferenz angesetzt hat, daß ebenfalls um 1 Uhr eine solche von der so-
zialistischen Seite abgehalten wird. Überrascht wieder war ich zu er-
fahren, daß ich diese Pressekonferenz beschicken sollte und daß z.
B. die 10 Punkte des Freien Wirtschaftsverbandes überhaupt nicht dort
präsentiert werden sollten. Ich habe Mühlbacher sofort vorgeschlagen,
er muß als wichtigster Debattenredner diese 10 Punkte dort präsentieren.
Natürlich wurde er gefragt, wie die 10 Punkte verwirklicht werden
sollten und was sie budgetär kosten. Mühlbacher hat sich sehr ge-
schickt dabei herausgewurschtelt. Sehr konkret war ja nur die Erhöhung


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des Freibetrages der Gewerbesteuer von derzeit 60.000 auf zukünftig
120.000 S pro Jahr, welche 200 Mio. S Budgetentfall bringen würden.
Ich selbst habe ihm dann insoferne unterstützt, als ich erklärte,
diese Punkte wird man in der Regierung natürlich genau untersuchen,
sie wurden aber noch nicht, dies stimmt auch, mit den Regierungsmit-
gliedern, die davon betroffen sind, abgesprochen.

Der Verlauf der Enquete selbst war rein formal, ein solcher wie ihn
auch andere Minister sicherlich erlebten. Alle drei Präsidenten des
Nationalrates teilen sich den Vorsitz, Redner kommen zu Wort, ich
als erster, als zweiter dann Staatssekretär Seidel. Als er zu diesem
Referat vom Präsident des Nationalrates eingeladen wurde, war er noch
Leiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes und von der ÖVP als Referent
nominiert, als dritter dann Univ.Prof. Theuer. Die Ausführung dieser
beiden Referenten konnte ich nicht ganz verfolgen, denn ich mußte
zwischenzeitig in die LUGA. Dort tagte eine Molkereiarbeiterkonferenz.
Am Vortag wurden in der Paritätischen Kommission die Lohnverhandlungen
freigegeben. Ich fühlte mich verpflichtet, die über den letzten Stand
der Milchpreisforderung der Landwirtschaft aufzuklären und mit ihnen
die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Wie man mir dann mitteilte,
hatte ich nicht allzu viel aus den beiden Ausführungen versäumt.

Erwartungsgemäß ergab sich dann eine sehr lange Diskussion. Ursprüng-
lich wollten wir ja eine Mittagspause, in diesem Fall hätte ich zu
diesem Zeitpunkt die Molkereiarbeiterkonferenz begrüßt und mit ihnen
besprochen, angeblich kamen aber die Parteien überein, die Referenten
sollen nur je 20 Minuten sprechen, die Diskussionsredner höchstens je
10 Minuten. Theoretisch hätte es daher um 2 Uhr ohne Mittagspause aus
sein sollen. Tatsächlich dauerte es dann bis fast 4 Uhr. Neue Er-
kenntnisse gab es wenig, dafür einzelne harte Attacken. Das typischste
Beispiel war, daß NR Dittrich, Präs. d. Wr. HK erklärte, sie hätten vom
Sozialminister aus der Arbeitsmarktförderung gewisse Forderungen un-
zulänglich erfüllt bekommen. Für General Motors z.B. werden Milliarden-
beträge aufgewendet, für Kleinbetriebe, die sich redlich bemühen,
weibliche Lehrlinge in nicht weiblich typische Berufe aufzunehmen,
schäbig behandelt. Wenn z.B. in einem Betrieb, weil eben weibliche
Lehrlinge aufgenommen werden, gewisse sanitäre Anlagen errichtet wer-
den müssen, so hatten sie eine großzügige Unterstützung des Sozial-
ministers erwartet. Dieser hat dann für 10 Fälle im Prinzip einen
Zuschuß für WC genehmigt.



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ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte sofort nachprüfen lassen.

Ich muß zugeben, wären die 10 Punkte des Freien Wirtschaftsverbandes
nicht so detailliert von Mühlbacher vorgetragen worden und dann auf
meine Veranlassung von ihm schriftlich auch der Pressekonferenz prä-
sentiert, so wäre die Enquete wirklich ausgegangen wie das Hornberger
Schießen. Dies hat scheinbar auch der Wirtschaftsbundgeneralsekretär
Schüssel erkannt, denn er meldete sich zum Schluß ein zweites Mal, um
die Enqueteergebnisse zusammenzufassen. Im Prinzip meinte er, hätte
es keine Ablehnung der Hilfe für Klein- und Mittelbetriebe, sprich
Mittelstandsgesetz, wie es die ÖVP vorschlägt, gegeben, weshalb er große
Hoffnung darauf setzt, daß es jetzt im Unterausschuß zu einem positiven
Ergebnis ihrer Initiative kommt. Mühlbacher hatte ihnen mit dem 10-
Punkteprogramm und wir vom Handelsministerium mit der Überreichung
des vielen Materials die Show im wahrsten Sinne des Wortes gestohlen.

Geärgert habe ich mich ein klein wenig, daß wir ganz vergessen haben
nachzuforschen, ob es nicht schon früher Initiativen in dieser Richtung
gegeben hat. Der Vizepräsident der NÖ HK und Obmann des Freien Wirt-
schaftsverbandes, Abt, verwies nämlich in seinem Diskussionsbeitrag dar-
auf, daß NR Kostroun, vorhergehender Präsident des Freien Wirtschafts-
verbandes, schon einmal einen solchen Vorschlag über Hilfe der Klein-
und Mittelbetriebe erstattet hat. Damals hat die Alleinregierung der
ÖVP seine Forderungen abgelehnt. Dies kann ich mir sehr gut vorstellen,
denn bestimmt hat Kostroun damals alles zusammengeschrieben, was gut
und teuer ist, schon allein in der Hoffnung und Annahme, daß eine
ÖVP-Alleinregierung dies gar nicht erfüllen kann.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte Antrag heraussuchen.

Mir nicht ganz klar resp. verständlich war, daß die FPÖ so wenig
konkrete Forderungen aufstellte resp. ihre seinerzeit gestellten For-
derungen nicht deutlicher vertrat. Ich hatte erwartet, daß Stix oder
ein anderer freiheitlicher Abgeordneter sich mit den Problem des
Ladenschlusses intensiver beschäftigen wird. Scheinbar weiß aber die
FPÖ ganz genau, daß die Klein- und Mittelbetriebe eine solche Änderung
des Ladenschlusses ganz entschieden ablehnen. Da aber Stix im Parlament
immer wieder, insbesondere wenn er weiß, daß die Massenmedien seine
Forderung gern übernehmen, dieses Problem zur Sprache bringt, war ich
sehr erstaunt, daß er bei der Enquete darüber fast nichts sagte. Die


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Freiheitlichen dürften die Taktik verfolgen, bei Klein- und Mittel-
betrieben spricht man davon weniger, in der Öffentlichkeit, wenn
Konsumenten sozusagen mithören oder Zeitungen darüber schreiben, umso
mehr.

Da überraschend vor Beginn der Enquete von den Parteien festgelegt
wurde, daß jeder Redner, um eben ohne Mittagspause um 2 Uhr fertig zu
sein, höchstens 20 Minuten sprechen soll, blieb mir gar nichts ande-
res übrig, als wie ein Maschinengewehr die wichtigsten Probleme dar-
zulegen. Auch hier wollte ich neben der optischen Präsentation des
umfangreichen Materials durch schnelles Aufzählen der wichtigsten Maß-
nahmen, wie z.B. die Aufhebung der amtlichen Preisregelung während
der letzten 10 Jahre von gewissen Produkten, darlegen, was wir alles
in jeder Beziehung für die Klein- und Mittelbetriebe getan haben.
Am eindrucksvollsten war aber eine färbige Graphik, die zeigte, daß
das Kreditvolumen von 1500 Mio. 1970 auf über 10.000 Mio. 1980 gestiegen
Wenn ich allerdings für mich selbst ein Resümee mache, so steht der
bürokratische Aufwand in keinem Verhältnis zu dem politischen Erfolg
bei solchen Enqueten.

Mit LH Wallnöfer sprach ich telefonisch noch einmal über die Stützungs-
aktion für die Auffanggesellschaft Kneissl. Wallnöfer hatte mit dem
Masseverwalter Prutscher noch einmal gesprochen. Dieser hatte ihn
überzeugt, daß tatsächlich die Annahme Wallnöfers, die 30 Mio. für die
Sozialversicherungsnachträgehaftung könnten aus der Konkursmasse ge-
nommen werden, vollkommen falsch ist. Wallnöfer hat aber nach wie vor
größte Bedenken, seine 10 Mio. zuzuschießen. Er machte mir klar, daß
er damit nächsten Dienstag in die Regierungsbesprechung im Land gehen
muß und will. Dagegen habe ich gar nichts einzuwenden, ich machte
Wallnöfer nur klar, daß das Land Tirol letzten Endes Anfang der
Woche unbedingt eine Entscheidung treffen muß.

Wallnöfer hat dann mich ersucht, ich sollte auf GD Fremuth einwirken,
damit man doch so schnell als möglich zu einem Ergebnis wegen Ost-
tirol-Kraftwerk kommen sollte. Ich erörterte neuerdings den Wallnöfer
auch altbekannten Plan, daß die TIWAG oder das Land Tirol sich im
stärkeren Ausmaß bei Tauernkraftwerken beteiligen soll. Wallnöfer
erwiderte nur, auch darüber sollte Fremuth mit seinen Leuten sprechen.
Ich habe GD Fremuth von diesem Wunsch sofort informiert.

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Tagesprogramm, 23.1.1981




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    Tätigkeit: Vizepräs. BHK, Präs. FWV


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      Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


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        GND ID: 118764136


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          Tätigkeit: Masseverwalter Fa. Kneissl Ski; Falschschreibung?


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            Tätigkeit: Vizepräs. nö. HK, Präs. FWV


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                Tätigkeit: Sts. HM


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                  Tätigkeit: Präs. Wr. HK


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                      Tätigkeit: Beamter HM


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                        Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


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                          Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


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                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                  Tätigkeit: ÖVP-Wirtschaftsbund


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                                    Tätigkeit: Vorst. Institut f. Absatzwirtsch.
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