Montag, 8., und Dienstag, 9. Dezember 1980
Die IEA hatte die Pariser Ministertagung als besonders wichtig heraus-
gestrichen. Wie mir Botschafter Jankowitsch mitteilte, war zuerst nur
vorgesehen, daß das Kohlenkomitee nur einen Bericht den Ministern vor-
trägt. Der Gen.Sekr. der IEA, Lantzke, auf den Jankowitsch nicht be-
sonders zu sprechen ist, wollte alle wegen diesem Bericht vor Monaten
schon, daß diese Tagung mit allein diesem Tagesordnungspunkt festgelegt
wird. Dazu kam dann allerdings im Laufe der Monate die Notstandssitu-
ation. Lange Zeit wollte auch Jankowitsch, daß Österreich unbedingt den
Vorsitz nimmt. Andeutungsweise hatte man erklärt, daß Österreich die
größte Chance hätte. Ich habe Jankowitsch mit aller Deutlichkeit erklärt,
selbst wenn Deutsch die Verhandlungssprache wäre, ich ablehnen würde.
In Wirklichkeit wird in allen internationalen Gremien, auch wenn Deutsch
bei der IEA zugelassen ist, fast ausschließlich Englisch gesprochen.
Ich hätte mich als Vorsitzender dort unendlich blamiert. Jankowitsch
hat dies dann im Laufe der Zeit auch wirklich eingesehen. Da in der
Zwischenzeit klar war, daß der amerikanische Energieminister Staatsse-
kretär Duncan zum letztenmal an einer solchen Sitzung teilnahm, wurde
ihm dann der Vorsitz angeboten und er war darüber sehr glücklich.
Duncan hatte kleinere Staaten zu einem Lunch eingeladen, darunter auch
Österreich, neben Türkei, Griechenland, Neuseeland, Spanien, Schweden.
Duncan wollte dabei unbedingt herausfinden, wie sich die kleineren
Staaten zum amerikanischen Vorschlag, Importhöchstquoten festzulegen,
verhalten. Im Prinzip wurde von allen erklärt, könne man sich so etwas
vorstellen, aber die meisten Staaten, darunter auch Österreich hatten
keine gesetzliche Möglichkeit diese zu exekutieren. Der liberale schwe-
dische Energieminister Petri hatte dann auch noch ideologische Probleme,
ich nur keine gesetzliche Möglichkeit.
Beim offiziellen Abendessen wurde dann nicht von den Ministern, schon
unter Vorsitz von Duncan, das beabsichtigte dinner-issues besprochen,
sondern zu meiner größten Verwunderung bereits das Kommuniqué. Da es
in dem Entwurf sehr viele differente Auffassungen gegeben hat, haben
die Beamten nur ein unzulänglich vorbereitetes Papier vorlegen können.
Duncan und der vorjährige Vorsitzende aus Deutschland, Lambsdorff, wollten
aber die Gelegenheit nützen, um ihre stark differenten Auffassungen
auszugleichen. Die Amerikaner waren immer für energischere und weiter-
gehendere Maßnahmen, die Deutschen, Lambsdorff, schon alle in aus ideolo-
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gischen Gründen für die geringstmöglichen Maßnahmen. Die Folge war
bis spät in die Nacht hinein dauernde Diskussion mit über zwei Dutzend
Wortmeldungen. Um 11.00 Uhr nachts wollte der englische Minister Howell
dann sogar noch die Energiepreisdiskussion neu entfachen. Da einigte
man sich dann allerdings auf die Formulierung, dies sollte vom Sekre-
tariat entsprechend vorbereitet werden, damit zu einem späteren Zeit-
punkt einmal darüber ernstlich diskutiert werden kann.
Die offizielle Tagung begann dann mit einem Bericht der Kohlenarbeits-
gruppe. Dort geht man davon aus, daß bis 90 der Kohlenverbrauch ver-
doppelt werden soll. Kernkraftwerke und Kohle sind die Zukunft, die
Umweltbelastung sei möglich in den Griff zu bekommen. Derzeit hat es
noch den Anschein wie Erdgas würde Öl, aber teilweise auch Kohle er-
setzen können. Das große Problem ist die Infrastruktur, insbesondere die
Transportfrage. Die einzelnen Staaten haben dann in der Diskussion fest-
gehalten, was sie alles machen, um die Kohleverwendung zu fördern. Ich
konnte darauf verweisen, daß die Elektrizitätswirtschaft beabsichtigt
hatte, Öl- und Gaskraftwerke zu errichten und daß es jetzt geglückt ist,
sie davon zu überzeugen, daß Kohlekraftwerke die Zukunft sind. Gemeldet
hatte ich mich aber aus einem einzigen Grund, nämlich auf der einen
Seite darauf zu verweisen, daß in den Resolutionen sogar auf Vorschlag
Österreichs ein Punkt aufgenommen wurde, daß man mit nicht IEA-Staaten,
sprich natürlich dem Osten, in dieser Frage auch kooperieren sollte.
Außerdem bedankte ich mich bei den Amerikanern für die Einladung zum
großen Kohlensymposium der abtretenden Administration, woran auch
GD Fremuth von der Verbund teilnehmen wird.
Der zweite wichtige Tagesordnungspunkt war dann, die noch offenen klei-
nen Fragen des Kommuniqués zu bereinigen und über die Ölsituation, be-
sonders über die drohende neue Preiserhöhung zu sprechen. Van Lennep,
der Gen.Sekr. der OECD, auf den Jankowitsch auch nicht gut zu sprechen
ist, hatte einleitend festgehalten, daß wenn jetzt weitere 10 $
pro Barrel die Ölpreise erhöht werden, weitere 100 Mrd. $ dann an die
OPEC-Staaten fließen würden. Der Ölpreis hat sich im vergangenen Jahr
um 150 % erhöht, von 13 auf 32 $ das Barrel, eine weitere 10 $-Stei-
gerung wäre das Ende der Zahlungsmöglichkeiten vieler Staaten. Das
Kommuniqué, welches dann nach langwierigen Verhandlungen einstimmig von
allen angenommen wurde, sollte als Signal gegen die OPEC wirken. Insbe-
sondere will man alles unternehmen, damit nicht auf den Spot-Märkten
die Preise steigen, ja selbst aus der jetzt angedeuteten und vereinzel-
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ten Käufe zurückführenden Höhe von 40 $ und darüber bleiben. Am
schlimmsten dran ist derzeit bei allen IEA-Staaten die Türkei, sie
hat nur mehr einen Vorrat von 7 Tagen. Jetzt muß sich beweisen, ob die
IEA-Administration imstande ist, ohne daß der Notstand ausgerufen wird,
die Gesellschaften zu veranlassen, nach Türkei mehr zu liefern. Noch
immer glauben nämlich einzelne Länder und Beamte, daß ohne daß der
trigger, der Notstand ausgerufen wird, die IEA auch entsprechende Hilfe
leisten sollte. Türkei ist jetzt sozusagen der Paradefall. Dieses Land
hat vor dem Iranisch-Irakischen Krieg 60 % seiner Ölmenge von diesen
beiden Staaten bezogen. Österreich ist in einer ähnlichen Situation,
da wir ja 40 % vom Irak bezogen haben. Allerdings ist es ja durch
Kreisky geglückt von Saudi-Arabien 35 Barrel pro Tag, das sind 1.750.000
t, und jetzt noch 15.000 Barrel, das sind 850.000.––, über die Aramco
zu beziehen. Außerdem hat Irak bereits einen Tanker, 150.000 t, jetzt
schon wieder geliefert. Im nächsten Jahr sollte pro Quartal Irak
500.000 t liefern, dies wären 2 Mio t. Ob dies möglich ist, bezweifelt
GD Bauer, aber einen Teil davon werden wir sicher erhalten. Algerien
wird im nächsten Jahr 700.000 t an die ÖMV liefern. Auch Libyen wird
fast 1 Mio. t im nächsten Jahr nach Österreich liefern. Dazu kommt, daß
die SU 1,7 Mio., davon 1 250.000 über die ÖMV, 500.000 über Shell, indi-
rekt nach Österreich liefern wird. Bauer ist der festen Überzeugung,
daß damit die Ölversorgung Österreichs gesichert ist, ohne daß man mit
größeren Partien auf den Spot-Markt gehen muß. Vielleicht werden einzel-
ne Firmen dies machen müssen. Alle diese Ziffern habe ich natürlich
überhaupt nicht erwähnt. Das Importhöchstquotensystem wurde ja auch
im Prinzip gar nicht diskutiert, sondern im Kommuniqué nur festgehal-
ten, daß man alles weiter beobachtet und diese Möglichkeit von vorn-
herein nicht ausschließt.
Wichtiger als die ganze Tagung war mir, daß ich zu meiner größten
Überraschung dort den japanischen Handelsminister Tanaka getroffen ha-
be. Durch Zufall kam ich beim Lunch auf seinem Tisch zu sitzen. Vorher
hatte ich ihm bereits mit aller Deutlichkeit erklärt, daß unsere
österreichisch-japanische Außenhandelssituation unerträglich ist. In
den ersten 10 Monaten haben die Japaner für 6,2 Mrd. S Waren nach Öster-
reich exportiert, wir konnten dagegen nur 1,6 Mrd. S nach Japan liefern.
Das bedeutet, daß wir von unserem Außenhandelsbilanzdefizit von 77 Mrd.
S 4,6 Mrd. bei Japan haben. Ich ersuchte Tanaka daher, er sollte prüfen,
wie weit wir auf der einen Seite Kompensationen für die stark gestie-
genen Autoimporte liefern können, auf der anderen Seite, ob es nicht
doch besser wäre, eine Selbstbeschränkung für gewisse Elektrowaren von
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der japanischen Seite durchgeführt werden könnten. Diesbezügliche Ge-
spräche mit dem japanischen Handelsdelegierten der Botschaft in Öster-
reich, die SC Meisl bis jetzt geführt hat, waren negativ verlaufen.
Tanaka erklärte sofort, er könne jetzt nicht dazu Stellung nehmen, wird
aber beide Probleme in Japan in der Regierung und vorerst in seinem
Ministerium zur Sprache bringen.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND MEISL: Jankowitsch hat dar österreichischen
Botschaft in Japan sofort ein diesbezügliches Kabel über die Aussprache
geschickt.
Natürlich habe ich die Gelegenheit genützt, um meinen Pariser Aufenthalt
sowohl die Handelsdelegation als vor allem die österreichische Fremden-
verkehrswerbung zu besuchen. Der Handelsdelegierte Lukas meint, die
Importe, aber auch die Exporte nach Frankreich nehmen so stark zu, daß
bald England überschritten sein wird. Die Vertreterin der Österreichi-
schen Fremdenverkehrswerbung, Schmid, wieder hat voller Stolz mir das
neue Lokal gezeigt. Dieses ist kein Gassenlokal mehr wie das alte,
dreimal so groß, aber verhältnismäßig sehr teuer. Schmid war ein wenig
enttäuscht, als ich ihr sagte, bei aller Anerkennung der Tätigkeit in
Frankreich haben die Deutschen mit einem im Verhältnis geringeren Auf-
wand, wenn man an die ungeheuren Massen der deutschen Besucher in Öster-
reich denkt, doch eine wesentlich größere Bedeutung. Von den 82 Mrd.
S, die wir heuer wahrscheinlich aus dem Tourismus erlösen werden, brin-
gen die Franzosen, wenn es gut geht, 800 Mio.
Am Flughafen, Schmid hat es sich nicht nehmen lassen, mich überraschend
dort zu verabschieden, meinte sie dann, es könnten doch für Sparmaßnahmen
jetzt die Zweigstellenleiter, deren Sprecherin sie bis März nächsten
Jahres noch ist, zu entsprechenden Vorschlägen aufgefordert werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Dies möchte ich mit Zolles besprechen.
Schmid teilte mir auch mit, daß der französische Jugend-, Sport- und
Tourismusminister Jean-Pierre Soisson ein begeisterter Wanderer ist. Ich
sollte ihn für nächstes Jahr im Frühjahr zu irgendeiner Wanderung im
Osten Österreichs einladen. Diese Idee halte ich für gut, da dann ent-
sprechende französische Journalisten gleichzeitig mit ihm kommen könnten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Zolles besprechen.
Der Österreichische Handelsdelegierte Lukas hat darauf verwiesen, daß
die AUA jetzt zwei Airbus A310, das sind die kleinen, gekauft hat
und für zwei weitere Optionen erstellt hat. Ihm ist es unerklärlich,
daß die AUA hiefür nicht eine Kompensation ausmachte. Dies kann auch ich
nicht verstehen, es sei denn, daß die AUA von der französischen Liefer-
firma ganz besonders günstige Preis- und Kreditkonditionen erhalten hat.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Gröger soll dies sofort prüfen.
Mit Lambsdorff hatte ich auch eine kurze Aussprache wegen der japani-
schen Selbstbeschränkung. Hier hat Lambsdorff gegenüber dem Standpunkt
in Travemünde im Sommer dieses Jahres seine Meinung ein wenig geändert.
Er erklärt noch immer, Deutschland denkt nicht daran, irgendwelche
Maßnahmen gegen Japan zu ergreifen. Gleichzeitig hat er aber zu erkennen
gegeben, wenn jetzt die Japaner keine Selbstbeschränkung bei den EG-
Verhandlungen erkennen lassen, dann wird auch Deutschland keine andere
Möglichkeit haben, als eben die EG-Maßnahmen gegen Japan zu unterstützen.
Lambsdorff meint, da werden wir im nächsten Sommer in Kärnten Gelegen-
heit haben darüber ernsthaft zu diskutieren.
Die Japaner sind überall und ganz besonders bei der IEA mit der größten
Delegation erschienen. Über 2 Dutzend Leute waren dort gemeldet. Die
japanische Tüchtigkeit ist heute jedermann schon unheimlich.
Tagesprogramm, 6., 8./9.12.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)