Montag, 15. September 1980
Vor Wochen wurde schon von Frau Staatssekretär Albrecht und Dr. Burian
geplant, ein außergewöhnliches Pressefrühstück zu veranstalten, um
die Arbeit des Handelsministeriums darzustellen. Grundlage sollten
die schriftlichen Berichte des Handelsministeriums zur Regierungsklau-
sur bilden. Vollkommen richtig wurde von den beiden angenommen, daß
bei der Regierungsklausur diese Unterlagen vollkommen uninteressant
von der Presse unbeachtet bleiben. Die Präsentation bei einer eige-
nen Pressekonferenz war daher logisch. Um dies besonders herauszustrei-
chen, war auch beabsichtigt, nicht, wie dies seit einem Jahrzehnt jetzt
geschah, bei mir im Zimmer, sondern im Marmorsaal zu veranstalten.
In der Zwischenzeit war es zur großen Personaldiskussion in der Soz.
Partei gekommen. Damit im Zusammenhang wurde ja auch von der Auftei-
lung des Finanzministeriums gesprochen. Die Presse rätselte, ob ein
neues Wirtschaftsministerium entsteht, ob nicht doch große Teile des
Finanzministeriums ins Handelsministerium übertragen werden usw. Ich
muß gestehen, ich hatte deshalb eine große Angst, daß die Journalisten
jetzt in diese außergewöhnliche Pressekonferenz verschiedensten hin-
einheimsen würden. Tatsächlich wurden einzelne Sekretäre von Journa-
listen mit oft ganz komischen Fragen gepiesackt, wie, was, wo denn
überhaupt jetzt geschehen würde. Die Gefahr bestand, daß man uns nicht
abnimmt, wir wollten nur eine besondere Pressekonferenz machen, um
tatsächlich einen Rechenschaftsbericht von der jetzt laufenden Legisla-
turperiode, also die Tätigkeit, Erfüllung der Regierungserklärung, bis
jetzt darstellen und gleichzeitig dann zu sagen, was im nächsten Jahr
konkrete Arbeit geleistet werden sollte. Allzu leicht konnte jemand
meinen, dies Ganze sei ja doch nur vorbereitet worden, um zeitgerecht
das verstärkte Ministerium vorzustellen, die große neue Politik dar-
zulegen usw. Wir führten vor dieser Pressekonferenz eine freundschaft-
liche, aber harte Diskussion darüber. Zum Glück hatte ich mich geirrt.
Der Marmorsaal war bummvoll, allerdings nicht mit Journalisten, sondern
mit Beamten des Hauses. Auch diese waren wahrscheinlich so überrascht,
daß jetzt eine Pressekonferenz im Marmorsaal stattfindet, und sind in
Massen gekommen. Die beste Idee hatte aber Albrecht, als sie, da
ja von vornherein feststand, sie würde über die Konsumentenpolitik
referieren, auch den Konsumentenbeirat mit all seinen Unterausschüssen
eingeladen hat. Wären die Journalisten, die maximal ein Dutzend wa-
ren, allein geblieben, so wäre dies im Marmorsaal ein richtiggehendes
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Debakel geworden.
Den Journalisten wurden außer den beiden Berichten, die bereits bei
der Regierungsklausur aufgelegen sind und die kaum jemand gelesen hat,
noch ein Waschzettel von ein Dutzend Seiten vorgelegt. Das Wichtigste
aber war dann auch eine Inhaltsangabe von 1 Seite. Diese Seite nahm
ich zur Grundlage, um über alle Punkte, die darauf aufgeführt waren,
kurz zu referieren, wunschgemäß über Innovation, Außenhandelsdefizit,
Fremdenverkehr und Energie ein wenig länger. Immerhin schaffte ich
ich einer 1/2 Stunde das Ganze runterzuraschpeln. Albrecht ergänzte
dann über ihre Arbeitsgebiete, strich aber ganz besonders heraus,
daß sie ja für alles zuständig sei, um schon zu demonstrieren, daß sie
im Handelsministerium eine andere Stellung hat als die Staatssekretä-
rinnen in den anderen Ministerien. Überraschenderweise gab es dann
sogar eine entsprechende Diskussion. Als letzter Rest für die befürch-
tete Situation, die obligatorische Frage, ob ich amtsmüde sei. Zu-
sammenfassend muß ich festhalten, daß ich Albrecht im wahrsten Sinne
des Wortes Abbitte leisten muß. Mein Pessimismus, den ich sonst gar
nicht habe, hat auch sie, bevor die Pressekonferenz begonnen hat, wie
sie mir nachher gestanden hat, in Furcht und Schrecken versetzt. Meine
Erkenntnis aus diesem Ereignis ist, vielleicht einmal im Jahr, viel-
leicht auch in längeren Abständen ist es ganz zweckmäßig tatsächlich im
Marmorsaal eine groß angekündigte Pressekonferenz zu machen, besonders
wenn wirklich eine exorbitant wichtige Frage oder ein entsprechend
gut vorbereiteter Bericht zur Debatte steht.
Das Essen des Bundeskanzlers mit den OPEC-Ministern, von jedem Land
sollten ja sowohl der Außenminister als auch der Finanzminister als
auch der Ölminister kommen, war für 1/2 2 Uhr vorgesehen. Mit 1 Stunde
Verspätung konnte dann begonnen werden. Wie nicht anders zu erwarten,
war bei der Eröffnung der Konferenz, die ja hinter verschlossenen Türen
stattfand, wie man dann aber von den Ministern erfahren konnte, diese
sofort unterbrochen worden, um Verfahrensfragen in kleinerem Kreis,
also ohne Berater zu erledigen.
Beim Dinner, von der OPEC offeriert, welches um 20 Uhr beginnen sollte,
war eine ähnliche Situation. Tatsächlich kamen die Minister, und zwar
auch nicht alle, um 1/2 10 Uhr. Beim Mittagessen war Kreisky nicht an-
wesend, ich glaube er war gar nicht in Wien, weshalb Vizekanzler
Androsch, Minister Pahr und ich die Gäste empfingen. Am Abend gesellte
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sich dann noch Lanc zu diesem illustren Kreis. Da wir ja aus Erfahrung
wußten, daß auch beim letzten OPEC-Empfang mit einer Stunde Verspätung
begonnen wurde, haben die Eingeladenen halt zu essen begonnen, ohne
daß die Minister anwesend waren.
Selbstverständlich nutzte ich die Gelegenheit, um erstens dem Ölminister
Karim von Irak mitzuteilen, daß Staatssekretär Albrecht jetzt nicht
nur die Messe in Bagdad besuchen wird, sondern als hochgradige Poli-
tikerin und Obmännin der Wiener Frauen politischen Kontakt zu den
irakischen Frauen aufnehmen möchte und auch wird. Für Irak ist es
nämlich, und dies bestätigt mir Karim, eine Revolution gewesen, erst-
mals Frauen organisieren zu lassen, wenn auch natürlich innerhalb
ihrer Einheitspartei, und jetzt noch sogar in das Parlament zu entsen-
den. Irgendwelche Wirtschaftsprobleme wird Albrecht überhaupt nicht
besprechen müssen. Soferne sie solche Gespräche allerdings führen
will, wird man sie mit offenen Armen empfangen.
Mit dem algerischen Ölminister besprach ich die Möglichkeit der Gas-
exporte von Algerien nach Europa. Interessant für mich ist, daß
Algerien weitere Pipelines durch das Mittelmeer bauen will, insbes.
ist an Spanien gedacht. Die Flüssiggasverschiffung kommt teuer und
soll weitestgehend durch Pipelinelieferungen ersetzt werden. Das
wirkliche Problem, um zum Abschluß zu einem Gasvertrag zu kommen,
liegt aber in der Preisgestaltung. Die Algerier denken nach wie vor,
daß die Gaspreise an die Ölpreishöhe herangeführt werden müssen und
daß ähnlich wie beim Ölpreis von ihnen beabsichtigt auch für Gaspreis
eine Indexklausel in die Verträge eingebaut werden müßte. Das wirk-
lich große Problem ist aber, und das wurde mir dann letzten Endes von
ihm auch bestätigt, daß sie derzeit auch mit den Großabnehmern,
Amerika, Frankreich, Italien in Preisverhandlungen sind. So lange dort
dieses Problem nicht geklärt ist, wird es für die Austria-Ferngas
sehr schwer sein, einen speziellen Gaspreis für Österreich zu bekommen,
den sie akzeptieren kann. Die Algerier werden, dies hat er mir zwar
nicht gesagt, aber das ist ganz selbstverständlich, entweder warten,
bis sie mit den großen abgeschlossen haben und uns dann einen ähnli-
chen Gaspreis vorschlagen, um nicht zu sagen diktieren, der zweite
Weg wäre nämlich verheerend, uns dazu zu benützen, um einen recht hohen
Gaspreis zu fixieren, damit sie für die anderen ein Demonstrations-
beispiel haben, daß Länder bereit sind, hohe Gaspreise, die über dem
italienischen dann liegen würden, mehr oder minder diktiert zu bekom-
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men. Dies wird eben von Österreich selbstverständlich abgelehnt wer-
den müssen. Der kuwaitische Ölminister hatte interessanterweise mir
gegenüber nur kritisiert, daß schon etliche Regierungsmitglieder in
seinem Land waren, ich aber noch niemals dort gewesen bin. Ansonsten
waren alle Unterhaltungen sehr freundschaftliche, selbst mit dem liby-
schen Ölminister.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich werde über einen Besuch von den Golfstaaten
und Saudi-Arabien nicht umhinkommen.
Außenminister Pahr ersuchte mich, den Brief für Hörtlehner abzuschicken.
Dieser wird innerhalb der Mission in Genf ein eigenes Referat für GATT
bekommen. Ich erklärte Pahr, daß dies ausdrücklich sein Wunsch ist.
Ich hätte eine solche Aufgliederung der Mission nicht gemacht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Akt jetzt abfertigen.
Prof. Mittag urgierte neuerdings bei mir, daß in der Novelle zum Post-
gesetz jetzt dem Werbemittelvertrieb die Existenzgrundlage entzogen
wird. 1936 wurde dieses Gewerbe eingeführt, nachdem die Post auf ihr
Postregal, zumindestens was die Werbemittelverteilung betrifft, verzich-
tet hat. In Österreich gibt es ca. 50 Betriebe mit 500 fest Angestell-
ten und 1500 Verteilern, die zusätzlich beschäftigt werden. Der
größte Betrieb ist die Fa. Feibra, die 50 % dieser Verteilung besorgt.
Wenn in der vorgesehenen Novelle diese Bestimmung bleibt, dann ver-
lieren diese Betriebe ihre Existenzgrundlage. Ich habe mit Sektions-
chef Jagoda darüber gesprochen, derzeit ist diese Novelle bei uns
in der internen Beratung.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte Jour fixe AK, ÖGB setzen.
Bürgermeister Köll von Matrei hat wegen des Gendarmeriepostenkommandos
mich neuerdings ersucht mit Minister Lanc zu sprechen. Er möchte,
daß der Leiter der Bezirksgendarmerie für die Bergrettung, Schnee-
berger , Postenkommandant wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Büro von Lanc darüber sprechen.
Tagesprogramm, 15.9.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)