Mittwoch, 3. September 1980
Sektionschef Jagoda berichtet mir, daß die Preisabteilung bezüglich
der amtlichen Festsetzung des Kaffeepreises aufgrund des § 4, Fest-
setzung der Verbraucherpreise, weil die Rohkaffeeverbilligung nicht
weitergegeben wurde, unmöglich ist. 24 Firmen müßten geprüft werden,
die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit festgestellt. Vom Gruppen-
leiter Singer abwärts bis zum Referenten sagt jeder, diese Arbeit
ist unmöglich. Genau solche Widerstände habe ich erwartet. Jagoda hat
nur, so wie immer, eine Lösung parat, wo wir, wie auch in anderen Ver-
fahren, eben den volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preis oder Zu-
schlag festsetzen werden. Er nimmt allerdings an, daß im Zuge des
Preisverfahrens die Sozialpartner sich sowieso einigen werden. An-
deutungsweise hat ja bereits beim letzten Jour fixe mit der Handels-
kammer Kehrer gemeint, man sollte alles der Paritätischen Kommission
Preisunterausschuß rückverweisen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte nächstes Jour fixe AK ÖGB setzen.
Die Verhandlungen über die Grundpreisauszeichnung gehen für Jagoda auch
zu langsam. Immer mehr kommt dabei die Frage Geschäftsführerbestellung,
zwar eines hauptberuflichen, zur Debatte. Jetzt sind viele Strohmänner
tätig. Sektionschef Jagoda hat mit Dr. Farnleitner von der Handels-
kammer vereinbart, daß wenn es zur Gewerbeordnungsnovelle im Parlament
kommt, dann durch Initiativanträge sowohl die hauptberuflichen Ge-
schäftsführer als auch die Reisebüroaktivitäten der Fremdenverkehrs-
verbände geregelt werden sollten.
Die Hoteltreuhand, Dr. Grenz, ist mit der Lösung 9 1/2 % ERP-Ersatz-
aktion, Höchstkreditgrenze + 1/2 % für seine Kosten nicht einverstan-
den. Er kommt mit diesen Sätzen nicht durch. Da aber Jagoda keine Er-
höhung mehr zugestehen will, bemüht er sich, daß so wie in der Ver-
gangenheit die Hoteltreuhand verhältnismäßig niedrig verzinstes Geld
von der Bürges resp. von den Banken bekommen sollte. Da die ganze
Kreditgewährung und Zinsenregelung jetzt sich in einem Aufwärtstrend
befindet, den niemand mehr verantworten kann, muß eine solche Trans-
aktion, genau übrigens wie in der Vergangenheit, durch entsprechende
Beschlüsse und schriftliche Vereinbarungen genau festgehalten sein.
Jagoda erzählt mir erschüttert, daß er jetzt bei Bekannten oder auch
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in privaten Diskussionen immer mehr feststellen kann, daß die Be-
völkerung glaubt, wenn man einen Freund hat oder gute Beziehungen,
dann kann man auch auf den Behörden, also bei offiziellen Zinsenzu-
schußaktionen usw. wesentlich bessere Konditionen bekommen, als dies
aufgrund der Richtlinien nur sonst möglich wäre. Jagoda ist genau
wie ich erschüttert, wie heute die Bevölkerung glaubt, man kann sich
alles richten. Wenn dies so weitergeht, dann haben wir zwar einen
wirtschaftlich sehr guten und in Mitteleuropa dann im Spitzenfeld
liegenden Staat gebaut, in dem es sich aber auch nicht lohnt zu leben,
geschweige denn für ihn zu arbeiten, wenn solch verabscheuungswürdige
Zustände von jedermann als selbstverständlich angenommen werden. Ich
sehe den Ausgangspunkt dieses Übels darin, daß schön langsam aus
dem Dankeschön, wenn man irgendetwas bekommen hat, ein devotes, ich
danke vielmals, ich verdanke es ja nur Ihnen, gegenüber dem Minister
oder einem Beamten . Mit einer der Gründe, warum ich mich immer dagegen
gewehrt habe, ist, weil daraus auf der einen Seite bei den Betroffenen
die Idee immer ärger verankert wird, ich verdanke es vielleicht wirk-
lich dem Minister und nicht meinem Rechtsanspruch oder den Gesetzen,
die für jedermann gelten, festgelegten Richtlinien, und auf der ande-
ren Seite dann dem Bedankten, vielleicht wirklich die Idee kommt,
daß er es gewesen ist, der diese Wohltat verteilt hat. Hier gilt auch
der Grundsatz, wehret den Anfängen.
Präsident Mussil berichtet mir, daß er mit Wallnöfer jetzt im Urlaub
über die Osttiroler Kraftwerksproblematik diskutiert hat. Er ist
fest davon überzeugt, daß Wallnöfer nach den jetzt nachzuholenden
Osttiroler Wahlen mit sich dann besser gesprächsbereit sein wird.
Ich erkläre Mussil neuerdings, daß mir die beste Lösung erscheint,
wenn so wie in Kärnten und in Vorarlberg die Tiroler sich an den
Tauernkraftwerken mit einer größeren Kapitalbeteiligung befriedigen,
als daß eine neue gemeinsame Gesellschaft gegründet wird.
Mit Haslauer hat er auch gesprochen, dort aber zeichnet sich jetzt
eine Lösung ab, daß ein Teil der Kraftwerkskette an der mittleren
Salzach von der TKW, ein Teil von der Landesgesellschaft SAFE gebaut
wird. Dort handelt es sich, wenn man die einzelnen Kraftwerke betrach-
tet, auch nicht um Großkraftwerke im Sinne des zweiten Verstaatlichungs-
gesetzes.
Mussil war erschüttert, daß Haslauer in den Salzburger Nachrichten
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geschrieben hat, daß wenn jetzt die Verbund und ihre Proponenten für
die Kampagne Volksbegehren für die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes
Geld ausgeben, so müßte diese Verbundgesellschaft auch der Anti-
Kernkraftwerk-Frau Schmitz einen entsprechenden Betrag zur Verfügung
stellen. Ich hoffe, daß Mussil sich hier bei der ÖVP zumindestens
gegen solche obskuren Ideen durchsetzt.
Mussil fragt an, ob eine Kapitalerhöhung für die Verbund vom Budget-
standpunkt aus möglich ist, was ich glattwegs verneine.
Mussil berichtet mir, daß er jetzt mit dem Vorstand der Verbund die
Kompetenzaufteilung bezüglich Öffentlichkeitsarbeit, wo übrigens jetzt
der sehr tüchtige Arbeiterzeitungsredakteur Traxler hinkommt, und auch
die Frage der Rechtsabteilung geklärt hat. Mussil meint, er findet
in der Verbund eine politische Zementierung der Personalverhältnisse,
die für ihn erschütternd sind. Sozusagen vom Vorstand bis zur letzten
Putzfrau wird alles verpolitisiert. Gleichzeitig beschwert er sich,
daß der ÖAAB, der vor 10 Jahren noch 40 % Personalanteil gehabt hat,
jetzt angeblich auf 15–16 % zurückgeschrumpft ist. Da er ja in
seiner ehemaligen Tätigkeit als Generalsekretär der Handelskammer
immer wieder vorgeworfen hat, daß ich nur Sozialisten als Sektions-
chefs einsetze, berichte ich ihm über den Vorschlag für die Besetzung
der Energiesektion, wo die ÖVP-Arbeitnehmervertreter von mir die
Einsetzung von einem Sozialisten verlangen. Dies war trotz anderer
Bewerber, von dem übrigens einer fachlich sicherlich der bessere ist,
die Bedingung, damit ein einstimmiger Beschluß der Ausschreibungs-
kommission zustande gekommen ist. Mussil ist über diese Mitteilung
sehr erschüttert, sie zeigt also, daß wahrscheinlich auch in der
Verbund ein ähnlicher Zustand herrscht.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Nächstes Gespräch mit Fremuth setzen.
Mussil interveniert neuerdings, daß für die Fa. Falkner Zinsenzuschuß
für Kredit zum Tunnelbau gegeben werden soll. Ich kann mich erinnern,
daß dieses Projekt schon einige Male besprochen wurde und erkläre ihm
den Akt mir noch einmal vorlegen zu lassen, daß aber kaum eine Chance
einer positiven Erledigung besteht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Falkner, Ötztal, noch einmal besprechen.
In der Wohnwelt hat die Fa. Mischek eine Ladenstraße dazugebaut und
43 teils sehr potente Firmen als Mieter gefunden. Bei der Eröffnung
verweise ich darauf, daß man, als vor 2 Jahren die Wohnwelt eröffnet
wurde, diesem Projekt teils selbst in Zeitungen sehr schlechtes Ende
vorausgesagt hat. Damals ist auch das Mikrofon ausgefallen. Allen Pro-
gnosen zum Trotz aber hat sich die Wohnwelt gut entwickelt und das
selbe hoffe ich auch von dieser Ladenstraße. Bei der anschließenden
Pressekonferenz wurden dann von Mischek teils über Investition und
Umsatz gesagt, 70 Mio S. die Ladenstraße inkl. 20 Mio S für den
Grund, Umsatz der Wohnwelt jetzt 470 Mio im vergangenen Jahr und
heuer wahrscheinlich weit über 500 Mio. Staatssekretär Albrecht hatte
die Gelegenheit mit Frau Dr. Dürler, die einen Verein für Konsumenten-
information bei der Wohnwelt führt, von Mischek zwar finanziert, aber
angeblich vollkommene Freiheit hat, kennenzulernen. Sie wird die ent-
sprechenden Kontakte in Hinkunft mit ihr pflegen.
Beim Coca-Cola-Stand schenkte man Coca-Cola aus und hat mir dann den
Rest des Behälters gegeben. Darüber war ich sehr erstaunt und nehme
an, es handelt sich hier um die Dankesschuld für den letzten inter-
nationalen Coca-Cola-Kongreß in der Hofburg, wo ich so wie auch dies-
mal natürlich den Wiener Schmäh hab rennen lassen und mich, was auch
stimmt, als Coca-Fan bezeichnet. Beim anschließenden Begräbnis habe
ich den Betriebsratsobmann von Coca-Cola getroffen, dem ich davon er-
zählte und der mir bestätigte, daß man auch ihm von dem Coca-Cola-Prä-
sent erzählte.
Das Begräbnis von unserem Fleischersekretär war ganz eigenartig. Nicht
nur, daß selbstverständlich eine große Anzahl von Gewerkschaftern ge-
kommen ist, auch der Arbeiterkammerpräsident Czettel war dabei, son-
dern es waren auch viele Unternehmervertreter. Der Sprecher der
Fleischindustrie, Freudenschuß, hatte sogar ersucht, was selbstver-
ständlich war, daß er nach mir eine Ansprache halten dürfe. Ich habe
ihm sofort den Vortritt gelassen und er hat nach dem Pater von Maria-
zell, der auch durch Freudenschuß zum Begräbnis gekommen ist, eine
gottergebene, aber auch sehr würdige und rührende Abschiedsansprache
für Zöchling gehalten. Ich selbst habe dann natürlich die Tätigkeit
als Gewerkschafter und zuletzt auch als Sozialist herausgestrichen.
Ein solches Blumenmeer hatte ich auch noch nie gesehen.
Nach dem Begräbnis habe ich mit Präs. Czettel über die unglückliche
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Entwicklung in der Partei länger diskutiert. Die Zuspitzung des Kon-
fliktes Kreisky – Androsch wird immer ärger und nimmt Dimensionen an,
die ich vor längerer Zeit schon erkannt habe und auch überall sagte,
fast die Dimensionen der Olah-Krise annehmen könnte. Czettel, aber auch
ich werden uns bemühen beruhigend zu wirken, wo immer wir können.
Eine Besprechung in der Bezirksorganisation auf der Landstraße ergab,
daß die Idee, eine außerordentliche Sitzung einzuberufen, auch nicht
zu einer Beruhigung beitragen wird. Ich war sehr überrascht, daß wir
Dienstag abends, nachdem wir im September immer mit unserer Parteiar-
beit beginnen, nicht den Bezirksausschuß hatten. Die Erklärung, daß
wir vor den Ferien schon bestimmt hatten, erst nächsten Dienstag die
erste offizielle Sitzung zu machen, ist zwar eine Erklärung, befriedigt
aber nicht. Man hätte den Dienstag unbedingt einhalten müssen. Dann
wäre es im Zuge eines normalen Sitzungstermines sicherlich zu genau
der selben heftigen Diskussion gekommen, wie bei der außerordentlichen
Bezirksmandatarsitzung vor 14 Tagen. Aufgeschreckt war alles, da
Kreisky jetzt in einem 10-Punkte-Programm festlegte, was alles ge-
schehen muß, damit in Hinkunft nicht wieder die Sozialistische Partei
oder Regierung auch nur im Entferntesten irgendwelchen Verdächtigun-
gen ausgesetzt ist. Auf der einen Seite hat man sicherlich erwartet,
daß Kreisky jetzt so wie Bundespräsident Kirchschläger ein klärendes
Wort und entsprechende Taten setzt, auf der anderen Seite hätte man
dies natürlich erst lieber in den Parteigremien und vielleicht sogar
auch Regierungsgremien besprechen wollen. Ich kann verstehen, daß die
unmittelbar davon Betroffenen, sei es im Umkreis des Kanzlers, sei
es im Umkreis des Vizekanzlers, die ganze Frage anders beurteilen als
mehr oder minder ein Außenstehender, wie ich es bin. Ich glaube, daß
die Art und Weise, wie Kreisky Personalprobleme löst, nicht die Zu-
stimmung der Mehrheit findet. Andererseits ist es für mich ganz selbst-
verständlich, daß nicht nur die überwältigende Mehrheit der Meinung
ist, daß Kreisky recht hat, sondern daß er unter allen Umständen die
Politik weiter bestimmen soll. Dies gilt für den Parteivorsitzenden
genauso wie für den Bundeskanzler. Seit eh und je war es unbestritten,
daß der Kanzler sich seine Mitarbeiter selbst wählen kann und aus-
schließlich er bestimmt, wer Funktionen in der Regierung hat. Der
Gewerkschaftsbund hat immer nur festgehalten, daß er zwei Funktionen
in der Vergangenheit immer gehabt hat und bei diesen auch gefragt
werden will, wie er sie besetzen möchte. Dies gilt für das Präsidium
des Nationalrates, entweder den ersten Präsident, oder, wenn wir in der
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Minderheit waren, den zweiten, und in der Regierung den Sozialminister.
Das Schlimme an all der Diskussion, sei es innerhalb oder außerhalb
der Partei, liegt darin, daß sie über Massenmedien erfolgt, der
sachliche Gehalt immer mehr in den Hintergrund rückt und die persön-
liche Animosität immer mehr zum Durchbruch kommt. Über Sachprobleme
einen Streit zu führen, hinterläßt ein wenig Traurigkeit, wenn man
ihn verliert, wenn er ins Persönliche abgleitet, aber hinterläßt er
Verbitterung, die niemand mehr dann wieder in Ordnung bringen kann.
Dies ist meine Erkenntnis aus jahrzehntelanger politischer Arbeit.
Tagesprogramm, 3.9.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)