Sonntag, 31. August 1980
Die Pressestunde mit 4 Redakteuren unter der Leitung von Nagiller, ORF,
verlief verhältnismäßig harmlos. Die wichtigste Frage, die die Jour-
nalisten und ganz besonders Nagiller immer wieder interessierte, war
eine rein politische. Wie geht es in der Regierung weiter, bleibe ich
im Kabinett, was ist meine Absicht und vor allem, wie geht es mit
Androsch weiter? Ich versuchte aus diesen Fangfragen mich dadurch
herauszuwinden, daß ich kurzwegig erklärte, bei der Gewerkschaft ist
es nicht üblich, Wünsche zu äußern, Bedingungen zu stellen usw. sondern
dort wird man in Ämter delegiert oder gewählt und hat dann sein Bestes
zu tun. Natürlich gibt es nach 10 Jahren Abnützungserscheinungen und
ich hätte Verständnis, daß der Bundeskanzler die Regierungsmitglieder
wechselt, um mit einem neuen Team die erfolgreiche Politik fortzu-
setzen. Über diese Probleme wird in den dafür zuständigen Gremien zu
diskutieren sein, genauso über Androsch. Ich war sehr froh, als wir
nach verhältnismäßig kurzer Zeit diese Frage, weil sie ja tatsäch-
lich für den Frager sehr unergiebig war, verließen und uns der Wirt-
schaftspolitik zuwendeten. Zum Schluß allerdings kam Nagiller wieder
auf dieses Problem zu sprechen, insbes. über die Frage der politischen
Verantwortung und über die Moral in der Politik. Aus einem Nebensatz,
ich erklärte, die Frage, ob ein Finanzminister eine Steuerkanzlei da-
neben betreiben kann, daß dies keine moralische Kategorie ist, son-
dern eine Frage der Abgrenzung, wurde dann sozusagen aus der ganzen
stundenlangen Diskussion die Quintessenz, Androsch wird, wenn er
weiter Finanzminister bleiben will, auf seine Steuerkanzlei verzichten
müssen.
Ganz entschieden wehrte ich mich gegen den Vorwurf, daß die Regierung
derzeit handlungsunfähig ist, sondern aufgrund der guten wirtschaft-
lichen Verhältnisse konnte ich erklären, daß dies sehr wohl auf eine
aktive Regierungspolitik zurückgeht. Meine Stellungnahme zur Frage
der Panzerlieferungen nach Chile war, wie ich glaube, auch sehr klar.
Als Sozialist lehne ich es ab, als Gewerkschafter hätte ich zugestimmt,
wenn ich in dem Ministerkomitee, welches letzten Endes darüber zu ent-
scheiden hätte, Sitz und Stimme besäße. Meine Stellungnahme zur Inbe-
triebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf war ebenfalls klar und
deutlich gesagt. Die Zusage, 2/3-Mehrheitsbeschluß im Parlament, an-
schließende Volksabstimmung, wird selbstverständlich eingehalten und
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mit einem positiven Ergebnis ist sicherlich nur zu rechnen, wenn das
Problem der Müllagerung gelöst ist. Wer die Sendung nicht gesehen hat
und nur dann nachher über die Berichterstattung im ORF meine heraus-
gerissenen Stellungnahmen hört, wird einen wesentlich anderen Eindruck
haben, als ich hoffe, daß tatsächlich bei der Sendung zum Ausdruck
gekommen ist. Ich habe mich sehr bemüht, alle Differenzen zu glätten,
alle Streitpunkte runterzuspielen, also im wahrsten Sinne des Wortes
Öl in das Feuer zu gießen. Zum Schluß hat Nagiller versucht mich zu
charakterisieren, in dem er angeblich nachgeschaut hat, wie man über
mich geschrieben hat: beschwichtigen, verhandeln, Kompromißlösungen
erzielen. Dies gab mir dann noch zum Schluß die Möglichkeit zu sagen,
jawohl, ich bekenne mich zur Sozial- und Wirtschaftspartnerschaft, be-
trachte mich als Raab-Böhm-Schüler und werde diese Politik fortsetzen,
solange ich dazu berufen bin.
Abends besuchte mich Dr. Mandl. Selbst von Dipl.Ing. Gehart, Perl-
mooser-Vertreter, als der Fachmann in Betonfragen mir seinerzeit empfoh-
len mit einem nigerianischen Häuptlingssohn Adamo. Mandl setzte mir
auf meine Frage auseinander, daß sein jetzt schon in Pension befind-
licher Schwiegersohn sich mit dem Problem Betonbauten, z.B. Autobahnen
oder Asphaltstraßen, eingehend auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung
liegt vom wirtschaftlichen Standpunkt eindeutig bei Betonstraßen. Wenn
sie richtig gebaut werden, lange Lebensdauer und dadurch wirtschaft-
liche Rentabilität. Mandl versprach mir die Unterlagen, Gutachten usw.
zur Verfügung zu stellen.
Der Häuptlingssohn Adamo, der das erste mal in Österreich war und von
der Landschaft und insbes. von unseren wirtschaftlichen Aktivitäten
im Tourismus begeistert wurde, meinte, die beste Lösung zur Vergrö-
ßerung des nigerianisch-österreichischen Handels wäre eine in Lagos
zu gründende österreichisch-nigerianische Handelskammer. Die Amerikaner
haben dies 1977 mit Nigeria gemacht und große Erfolge bei Anbahnung
von Geschäftsbeziehungen damit erreicht. Da wir auch in Österreich
und natürlich auch in anderen europäischen und außereuropäischen
Staaten solche gemischten Handelskammern haben und das System kennen,
versprach ich ihm, darüber mit der Bundeskammer der gewerblichen
Wirtschaft, Präs. Sallinger, zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Nächstes Jour fixe HK setzen.