Donnerstag, der 21. August 1980

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Donnerstag, 21. August 1980

Der sowjetische Handelsrat Nikolaenko teilt mir mit, daß Minister
Patolitschew vorschlägt, die vorgesehene Sondersitzung im September
zu verschieben. Er wird den Ministerpräsidenten Kossygin bei seinem
Wien-Besuch begleiten. Über diesen Besuch wird derzeit zwischen dem
Außenministerium, Bundeskanzleramt und den sowjetischen Stellen
verhandelt und für die sowjetische Seite steht fest, daß Patolitschew
mit Kossygin kommen wird. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß
sie bei dieser Gelegenheit den neuen Vertrag unterzeichnen möchten
und stimme daher selbstverständlich sofort dieser Lösung zu. Viel-
leicht allerdings will Patolitschew auch deshalb später kommen, weil
er bis zu diesem Zeitpunkt dann mehr sowjetische Aufträge schon nach
Österreich gegeben hat, um das ungeheure Zahlungsbilanzpassivum von
etlichen Milliarden Schilling endlich wieder abzudecken. Da der
für Österreich zuständige Vizeminister Manschulo bei der UNO ist,
wird, wie Nikolaenko gleich freimütig zugibt, zur sowjetischen Aus-
stellungseröffnung auf der Wiener Messe Zhurawlow, von dem ich noch
nie etwas gehört habe, kommen. Nikolaenko bezeichnet ihn selbst
als Repräsentationsfigur. Ich erkläre sofort, MR Fälbl wird alle
Details dann mit ihm besprechen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Fälbl soll ihn dann auch vom Flughafen
abholen.

Vor der Klubsitzung spreche ich mit Staatssekretär Löschnak wegen
der Bestellung von MR Marsch zum Sektionschef. Löschnak macht sehr
verwundert und meint, es geht doch nicht an, daß das Handelsministe-
rium alle Sektionschefposten weiter behält. Ich erkläre ihm dezi-
diert, daß ich gar nicht daran denke, auch nur einen davon dem
Bundeskanzleramt zur Verfügung zu stellen. Ich weiß, aber Löschnak
erwähnt dies nicht, daß wir einen aus der Personalreserve des Bundes-
kanzleramt seinerzeit bekommen haben. Löschnak fragt, ob auch die
Sektion V, Energiewesen, wieder mit einem Neunerposten besetzt und
wann dies der Fall sein wird. Hier erkläre ich, daß ich dies noch
nicht endgültig fixieren kann, die Ausschreibung ist erfolgt, ein
Vorschlag des Ausschreibungskomitees liegt vor. Ich ersuche Löschnak
so schnell als möglich jetzt MR Marsch als Leiter der Industriesek-
tion zum Sektionsschef einzugeben. Löschnak meint, er muß diesbezüg-


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lich noch mit dem Bundeskanzler sprechen.

Mit Heindl bespreche ich die Frage der weiteren Vorgangsweise zur
Bestellung der Sektionsleitung von der Energiesektion. Dies ist
schon allein deshalb notwendig, weil auch Abg. Schranz wissen will,
wie es weitergehen wird. MR Hladik hat sich bei ihm über den Vor-
schlag der Ausschreibungskommission mit Recht beschwert. Da ich
große Schwierigkeiten mit Erhaltung unserer Neunerposten habe, werde
ich schon allein aus diesem Grund jetzt keine endgültige Entscheidung
treffen, sondern zuwarten, bis endlich MR Marsch den begehrten Sek-
tionscheftitel erhalten hat.

ANMERKUNG FÜR KAZDA UND KAZDA: Bitte auch auf Beamtenebene im Bun-
deskanzleramt ständig wegen Marsch jetzt urgieren.

In der Klubsitzung leitet Klubobmann Fischer die Taktik der Sonder-
sitzung des Nationalrates ein. Die SPÖ wird mehrere Anträge ein-
bringen: die rasche Fertigstellung des AKH, wobei der Zeit- und Geld-
rahmen eingehalten werden muß. Das Finanzministerium wird aufgefor-
dert, als Aufsichtsbehörde über die Niederösterreichische Hypothe-
kenbank zu berichten. Broda wird aufgefordert, über die Tierkörper-
verwertung zu berichten. Eine begleitende Kontrolle zum AKH wird
verlangt. Weiters wird gefragt, wie die Betriebsorganisationsplanung
fortgesetzt wird und ob es bei der Eigenverantwortung der AKP bleibt.

Wichtig ist aber die Ankündigung von Fischer, daß eine Novelle zum
Parteiengesetz vorbereitet wird, wonach die Parteien nicht mehr so
wie jetzt ihre Einnahmen global nur nachweisen müssen, sondern wo
man insbes. bei Parteispenden die Details verlangen wird.

Parteiobmann Steger, der jetzt für 10.000.–– S Wahlspende für eine
Intervention, damit der Auftrag an die Fa. Schrack geht, sich als
Saubermann und Korruptionstöter hinstellen will, wird mit dem FPÖ
Kärntner Landesrat Ferrari-Brunnenfeld klären müssen, wieso dieser
mit einem Ersuchen um eine Wahlspende an jene Firmen herantritt,
die mehr oder minder von ihm bezüglich Subventionen abhängig sind.

Kreisky referiert in dieser Klubsitzung überhaupt nicht und Fischer
ersucht deshalb den Finanzminister Androsch über die heutige Erwide-


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rung, die seine Fragen betrifft, zu berichten. Androsch kündigt ein
Papier an, das dann auch tatsächlich vor der Sitzung in die Facherln
der Abgeordneten kommt und das die Anfragebeantwortung gegen die
Behauptungen der ÖVP beinhaltet. Von 5 Entgegnungen trifft eine
einzige Androsch persönlich, nämlich die Empfehlung von Wilfling. Die-
se hat er im Herbst 69 als Wirtschaftsprüfer der Firma dem Bürger-
meister Slavik neben anderen Namen gemacht, seine Bestellung aber
zum Bereichsleiter für Spitalsfragen wurde vom Magistratsdirektor
Bandion dem Stadtrat Stacher vorgeschlagen. Damit hat er überhaupt
nichts mehr zu tun und auch nicht mehr interveniert. Alle 4 anderen
Entgegnungen hat Consultatio im eigenen Geschäftsbereich getätigt,
er sei davon weder berührt, noch habe er sie verlangt.

Die Taktik der ÖVP sei, ihn jetzt auf alle Fälle mit noch so unfairen
Mitteln zu attackieren. Letztes Beispiel, die Wochenpresse hat eine
Mitarbeiterliste veröffentlicht, wo tatsächlich 91 aufscheinen, wie
Kohlmaier dies auch seinerzeit behauptete. In dieser Liste wurden
nur alle Arbeiter und Angestellten kumulativ zusammengezählt, nie-
mals waren es aber 91, jetzt sind es 69. Diese Liste kann überhaupt
nur aus der Sozialversicherung stammen, damit liegt eindeutig eine
Gesetzesverletzung Datenschutz vor. Die Behauptung, die Liste stamme
von der Consultatio, kann deshalb nicht stimmen, denn die Personalfra-
gen werden von seiner Mutter bearbeitet, sind streng verschlossen.
Da weder eingebrochen wurde, noch irgend jemand anderer zu diesen
Unterlagen gekommen ist, muß diese Liste aus der Sozialversicherung
stammen.

Darüber gibt es dann natürlich im Parlament eine heftige Debatte
zwischen Kohlmaier und Androsch. Jener behauptet, er sei als
Pensionsversicherung, stellvertretender Direktor für die Krankenkasse,
woher diese Liste nur stammen kann, gar nicht zuständig.

Die Angriffe der ÖVP wären ja vollkommen ins Leere gegangen, wenn
nicht Kreisky bereits durch eine deutlich sichtbare Taktik sich in
dieser Frage Consultatio von Androsch ganz sichtbar distanzierte.
Die Anfrage war an ihn gerichtet, er erklärte nicht einmal eine
Minute und das nur, weil er so langsam spricht und die ganze Anfrage
in seiner Beantwortung wiederholt hat, daß er nicht beabsichtigt dem
Bundespräsidenten die Abberufung vorzuschlagen. Die Begründung ist,


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diese Forderung stellt sich auf Zeitungsbehauptungen, zu denen
Androsch anschließend gleich dazu Stellung nehmen wird. Doch während
der stundenlang, bis 9.00 Uhr dauernden Debatte kam auch schon die
nächsttägige Kronen-Zeitung mit dem Titel "Kreisky verteidigt
Androsch 59 Sekunden". Die Gegensätze sind damit auch nach außen
hin deutlich sichtbar und meiner Meinung nach unüberbrückbar.

In einer Sondersitzung der Bundesregierung stellt Kreisky fest, daß
es sich nicht um einen formellen Ministerrat mit Beschluß handelt.
Die Frage der Panzerexporte nach Chile müssen die zuständigen Mini-
ster entscheiden, diese kann man auch zu nichts zwingen. Sie tragen
letzten Endes die Ministerverantwortung. Da der Innenminister Lanc,
welcher den Bescheid ausstellen müßte, eine solche Exportzustimmung
nicht gibt, kann das Geschäft nicht zustande kommen. Minister Pahr
hat vom Außenministerstandpunkt keine Bedenken gehabt, Minister
Rösch als Verteidigungsminister wünscht es ebenfalls. Im Gesetz hat
aber der Innenminister die Möglichkeit andere gleich wichtige Gründe
zur Ablehnung heranzuziehen. Gestern wurde auch im SPÖ-Präsidium,
wo 15 Mitglieder ca. darüber beraten haben, letzten Endes negativ
votiert. Kreisky meinte, er selbst hätte ja unter der Voraussetzung
den Panzerexporten zugestimmt, wenn die Garantie gegeben wäre, daß
diese nur zur Verteidigung gegen andere Staaten verwendet werden.
Die jetzige Regierungsjunta gibt dafür keine entsprechende Garantie,
auch dann, wenn eine solche Garantieerklärung vorläge. Pahr erwähnt
noch, daß der chilenische Botschafter neuerdings bei ihm interve-
niert hat, ebenso Lanc. Lanc hat ihm sofort erklärt, er beurteile
dies nicht nach außenpolitischen Gesichtspunkten, dafür sei das
Außenministerium zuständig, sondern rein nach der österreichischen
Rechtslage. Wie schon Kreisky einleitend festgestellt hatte, han-
delt es sich nicht um eine Ministerratssitzung und es gab daher
auch keinen formellen Beschluß.

Beim Stadtrat Nekula wurde die Überreichung des Dekretes der öster-
reichischen Staatsbürgerschaft an Dir. Münzner, VW-Werk, feierlich be-
gangen. Anschließend daran hatte ich alle zu einer Jause ins Handels-
ministerium gebeten. Bei dieser Gelegenheit und insbes. dann auch
noch abends beim Heurigen hat mir Münzner versichert, er hofft,
daß es gelingen wird, doch noch eine größere Produktion von Volks-
wagen selbst nach Österreich zu verlegen. Er hat gehört, daß es
zwischen Steyr-Daimler-Puch und Mercedes für den Geländewagen große


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Differenzen gibt und die Produktion nur sehr zögernd und unbefriedigt anläuft. Er wird, und dies teilt er mir strengst vertraulich
mit, jetzt seine Leute zu Steyr-Daimler-Puch schicken, damit man
über eine ähnliche Produktion zwischen VW und SGP verhandeln soll.
Ich interveniere neuerdings bei Münzner wegen der Motorenreparatu-
ren. Münzner wird sich auch diese Frage überlegen. Er versichert
mir immer wieder, er wird alles unternehmen, um trotz der jetzt in
Deutschland zu erwartenden Autorezession Vorbereitungen zu treffen,
daß wenn es dann wieder aufwärts geht, und davon ist er fest über-
zeugt, sofort weitere Produktion nach Österreich vergeben werden
können. Mit seinem Vertreter Matauschek und ihm einige ich mich, daß
wir etliche feierliche Eröffnungen im Herbst gemeinsam vornehmen
werden.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Details mit Matauschek besprechen.

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Tagesprogramm, 21.8.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Wr. Gesundheits- u. Sozialstadtrat


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sts. BKA


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: MR HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Einkaufsvorstand VW


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., ÖVP-GS


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
              GND ID: 107489872


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Leiter VW-Einkaufsorganisation Wien


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Beamter HM


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                      GND ID: 102318379X


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: sowj. Handelsrat


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: FPÖ-Obmann


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: MR HM


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsminister


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  GND ID: 118715194


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: -obmann


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Wr. Beamter, zuständig f. Krankenhäuser


                                        Einträge mit Erwähnung:


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                                            GND ID: 118566512


                                            Einträge mit Erwähnung:


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Landesrat Ktn., FPÖ


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Finanzminister
                                                  GND ID: 118503049


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Präsidentschaftskanzlei bis 1973, ab 1975 Wr. Magistratsdir.


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: sowj. Vizeaußenhandelsmin.; Falschschreibung?


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Justizminister


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            GND ID: 124089623


                                                            Einträge mit Erwähnung: