Freitag, 18. Juli 1980, bis Montag, 21. Juli 1980
Die konkreten Ergebnisse der Reise waren die Vereinbarung mit
Außenhandelsminister Barčák, heuer im Oktober die gemischte
tschechisch-österr. Kommission auf Beamtenebene abzuwickeln und
im nächsten Jahr in Österreich bereits auf Ministerebene die Ver-
handlungen zu führen. Barčák war sehr erfreut von mir die Begründung
zu hören, warum dieser Vorschlag von uns gekommen ist. Aus mir un-
erklärlichen Gründen war in der Vergangenheit eine Differenz bei
einzelnen Comecon-Staaten über den Vorsitz dieser gemischten Kom-
mission. In der Sowjetunion, und damit selbstverständlich in Bul-
garien, weiters in Rumänien, war scheinbar seit Abschluß des Staats-
vertrages die Kommission immer auf Ministerebene. Das gleiche
dürfte für Polen gelten. In Ungarn und jetzt in letzter Zeit in
Jugoslawien wurde der Wunsch geäußert in Hinkunft diese Kommission
auf Ministerebene abzuwickeln. Dies bedeutet meiner Meinung nach,
daß auch um die Tschechen nicht zu diskriminieren ein solches Angebot
von mir den Tschechen gemacht werden mußte. Aus den vergangenen
gelegentlichen Verhandlungen mit der CSSR konnte ich feststellen,
daß Barčák ganz besonders als Slowake, die mit den Ungarn stets
konkurrenzieren, immer die Bemerkung machte, wir würden die Ungarn
bevorzugen. Einen solchen Eindruck wollte ich unter allen Umstän-
den verhindern. Die Tschechen haben daher den Vorschlag sofort
positiv aufgenommen und Barčák war über meine Entscheidung und
insbes. Erklärung sehr erfreut.
Mit Minister Ehrenberger, der für die Energie zuständig ist, verein-
barte ich konkret, daß unverzüglich jetzt die Fachleute wegen des
Ausbaus der Donau zusammentreten müssen. Die Behauptung der DoKW,
daß von Gabčíkovo der Rückstau bis in den österr. Raum herein er-
folgt und deshalb die DoKW an der Elektrizitätsgewinnung mit der
15 % beteiligt werden müßte, wird ganz entschieden bestritten.
Im Gegenteil behaupten die tschechischen Techniker, die einzige
zweckmäßige und gerechte Ausbauform wäre, daß Gemeinschaftskraft-
werk in Wolfsberg-Bratislava zu errichten. Nach ihrer Aktenlage
besteht fast eine österr. Verpflichtung dazu. Die Tschechen haben
niemals darauf verzichtet, die mir von der DoKW vorgelegten Pro-
tokolle lassen auf einen solchen Verzicht nach tschechischer Auf-
fassung nicht schließen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte mit Kobilka verbinden.
Bezüglich der Kohlelieferungen aus der CSSR, die in den ersten fünf
Monaten um ca. 10 % geringer sind, wurde mir gegenüber erklärt,
er sieht eine Möglichkeit die Kohlenverträge und Lieferungen tat-
sächlich einzuhalten. Die CSSR kann zwar nicht mehr Kohle fördern,
doch wird er anderen Ländern und Firmen, die nicht so nahe stehen
wie Österreich, eine entsprechende Kohlenmenge abzwicken, um unsere
Lieferwünsche zu erfüllen. Ich habe dies sofort an GD Apfalter
mitgeteilt und dann zwischen Apfalter, Barčák die entsprechenden
Zusagen noch einmal mündlich wiederholt.
In Paskov wurde GD Scheriau von der Andritz, die ja den Zuschlag
für diese Zellulosefabrik, Ausmaß ca. 4 Mrd. S, bekommen hat, das
Betriebsgelände gemeinsam besucht. Die tschechische Seite hat dort
die Vorbereitungsarbeiten soweit vorangetrieben, daß im Herbst mit
der Übergabe auf die österr. Firma Andritz erfolgen kann. Scheriau
war über den Zuschlag überglücklich, für Andritz bedeutet das, daß
sie jetzt weltmarktmäßig auch neben der Vöest Anerkennung findet.
Mit der Vöest hat er sich dann dahingehend geeinigt, daß 20 % des
Auftragswertes der Vöest vergeben werden. 20 % davon bekommen die
Franzosen, darauf legen die Tschechen größten Wert. Die vorgesehene
Beteiligung von Finnland ist, wie mir Barčák unter 4 Augen sagte,
mehr eine politische gewesen und wird wahrscheinlich nicht erfüllt
werden. Ich habe dies sofort Scheriau dann auch vertraulich mitge-
teilt.
Die gewünschte Intervention der österr. Arbeitsgemeinschaft wegen
des westtrade center in Prag ergab, daß Barčák mir freimütig er-
klärte, die österr. Firmen sollen sich nicht mehr bemühen, den
Zuschlag wird garantiert Frankreich bekommen. Ich habe ihm auf den
Kopf zugesagt, daß es sich hier um eine politische Entscheidung
handelt, was er bestreitet. Tatsache ist, daß unsere österr. Firmen
auf 104 Dollar bereits zurückgegangen sind, die Franzosen aber
neben 5 anderen Firmen wesentlich billiger waren, die Franzosen
angeblich um 30 %.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit GD Frey, Universale, verbinden.
Die Tschechoslowakei bekommt derzeit, wie mir Barčák vertraulich
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mitteilte, 8 Mrd. m³ sowjet. Erdgas zu dem Vorzugspreis 66 Rubel
für 1.000 m³. Die Tschechen können das Gas in diesem Umfang derzeit
gar nicht gebrauchen. Wie mir Minister Ehrenberger dann sagt,
wären die Tschechen daran brennendst interessiert mit uns eine
gemeinsame Gasspeicherung durchzuführen. In Zwerndorf wird ja
derzeit an der tschechisch-österr. Grenze ein Gasvorkommen ge-
meinsam ausgebeutet und nach tschechischer Mitteilung gibt es dabei
überhaupt keine Schwierigkeiten. Die Tschechen denken daran, daß
wir an einer solchen Grenzspeicherung insbes. die größere Sommer-
gaslieferung der Sowjets speichern sollten und könnten. Die Sowjet-
union liefert im ersten Quartal d. J. nur 19 % der vereinbarten
Menge und nicht 25. Im zweiten und dritten Quartal kommen dann
wesentlich höhere Gaslieferungen, also über die eigentlich plan-
mäßig vorgesehenen 25 % der gesamten Vertragsmenge. An einem
Gasverbund wäre die CSSR scheinbar genauso interessiert wie Öster-
reich. Die Tschechoslowakei wäre auch glücklich die große vorge-
sehene sowjet. Gaslieferung von 40 Mrd. m³ über Österreich geleitet
wird. Solange eine neue Pipeline nicht fertig ist und die vorge-
sehene jetzt eröffnete das Iran-Gas bekommen kann, wird es hier kein
Problem werden. Die Tschechoslowakei erwartet nur, daß wir auch
alles daran setzen, um, wenn dann die 14 Mrd. Iran-Gas und die jetzt
angedeuteten 40 Mrd. aus der Sowjetunion nach dem Westen geliefert
werden, dies über Polen, DDR nach Westdeutschland geht und sie dies
natürlich über die CSSR-Österreich leiten würde. Es wäre natürlich
auch für uns sehr günstig, weshalb ich versprochen habe, mit der
Österr. Mineralölverwaltung, GD Bauer, über diese Probleme sofort
Gespräche zu führen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Bauer verbinden.
Die Besichtigung und Aussprache im ersten Kernkraftwerkzentrum
Bohunice war weniger für mich als wie für Ing. Schmotzer von der
Verbundgesellschaft, seinem zweiten Mann, von ungeheurer Wichtig-
keit. Diese waren noch niemals dort, ich hatte zumindestens schon
einmal Gelegenheit das mit Sowjetunion und von den Tschechen ent-
wickelte erste Kernkraftwerk zu besuchen. Dieses Kraftwerk, hat
mir freimütig die tschechische Seite dann mitgeteilt, ohne daß
ich es in der offiziellen Aussprache erwähnte, wurde stillgelegt.
Die hohen Investitionen sind damit genau so verloren wie derzeit
das Kernkraftwerk in Zwentendorf stillsteht. Die Stromerzeugung
muß minimal gewesen sein. Nach Abklingen der Radioaktivität wird
das Kernkraftwerk aus dem Gebäude entfernt und man überlegt dann ein
konventionelles Wärmekraftwerk zu errichten, wodurch Spitzenstrom
erzeugt werden könnte. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen,
ob dort ein Kohlekraftwerk oder vielleicht doch eine Gasturbine
installiert wird. Ehrenberger hat mir mitgeteilt, er könnte sich
sehr gut vorstellen, daß auch auf dem Elektrizitätssektor, so wie
dies bei Gas jetzt schon geschieht, ein wesentlich stärker Austausch,
womöglich noch ein Transit über Österreich in die westl. kapitalisti-
schen Länder möglich wäre, wenn die Sowjetunion tatsächlich größere
Elektrizitätsmengen liefern kann. Interessiert war Ehrenberger na-
türlich auch zu erfahren, ob Österreich jetzt die große Elektrozen-
trale in Polen finanzieren und errichten wird, in diesem Fall näm-
lich müßte über die CSSR eine neue Leitung gelegt werden, auf den
jetzigen Leitungen könnte keine KW mehr transportiert werden. In
Hinkunft wollen auch die Tschechen nicht mehr mit den Polen und
Österreichern Lieferung frei österreichische Grenze abschließen.
Ihre Konzeption läuft darauf hinaus, daß die Polen bis zur poln.-
tschech. Grenze liefern, mit Österreich dann der Transit in der
CSSR vereinbart werden muß. Dabei geht es primär, wie mich auch
dann mehr oder minder zugestanden wurde, daß man Westwährung für
diesen Transit wünscht. Beim poln.-tschech. Streit in der Vergangen-
heit ging es ja immer darum, daß die Polen natürlich womöglich in
Verrechnungsrubel oder anderen Waren als Strom für diese Peagierung
bezahlten wollten. Die Auseinandersetzungen zwischen den Polen und
Tschechen, wurde mir vertraulich mitgeteilt, haben oft ein Ausmaß,
daß man sich nur mehr anbrüllt und ganz protokollwidrig verhandelt.
Von mir schätzt man sehr hoch ein, daß ich mich in diese Auseinan-
dersetzung niemals eingemischt habe, stets beide Seiten objektiv
informierte, niemals irgendwelche Bevorzugungen einer Seite zuge-
sagt oder gar durchgeführt habe. In Hinkunft aber wird man nicht mehr
mit den Polen gemeinsam über österr. Wünsche verhandeln, sondern
eben, wenn die Polen tatsächlich mehr Strom nach Österreich liefern
sollten, dann sollten diese mit einem eigenen Peagierungsvertrag
zw. der CSSR und Österreich erfolgen müssen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte auf nächstes jour fixe Fremuth
setzen.
Die tschechische Seite erklärte sich bereit, jedwede Auskunft
über Kernkraftproduktion zu geben. Dies konnte ich auch dadurch
entnehmen, daß ja jetzt auf Expertenebene ein diesbezügl. Abkommen
zw. der CSSR und Österreich soweit vorbereitet ist, daß die Außen-
minister es sehr bald unterschreiben können. Die Tschechen haben
in Bohunice jetzt zwei Blöcke fertig, 820 MW in Summa, wir konnten
sie beide besichtigen, der eine war in Reparatur, der andere ar-
beitete, zwei weitere Blöcke werden dort errichtet, in Dukovany
kommen 4 Blöcke, die zusammen 17 Mrd. Kronen Investitionen kosten
werden. Der erste Block soll 1982 in Probe-Betrieb gehen, der zwei
1983. In Mochovce, Westslowakei, werden in Zukunft nur mehr 1000-
MW-Blöcke errichtet, dasselbe gilbt für das neue Gebiet 70 km nördl.
von Linz, wo sogar 4 x 1000 MW, also 4000 MW sowjet. Reaktoren er-
zeugt werden. Die Konstruktion entspricht den Woronesch-Typen, bis
jetzt ohne der zusätzlichen Sicherung, wie sie die DDR oder die
Finnen gemacht haben. Druckwasserreaktor wird, wie ich mich dann
auch bei Vítkovice persönlich überzeugen konnte, von den
Tschechen nicht gebaut, sondern aus der Sowjetunion importiert. Der
Wärmeaustausch, dort Paragenerator genannt, dagegen wird in Vítkovice
ganz modernst mit einer neuen Rohrbiegeanlage bandgesteuert pro-
duziert. Die hochaktiven Abfälle, d.h. die abgebrannten Brennele-
mente, werden so wie in den westl. Systemen in einem Staubecken zu-
erst drei Jahre abklingen lassen, dann in Container in Eisenbahn-
waggons in die Sowjetunion rückgeführt. Beim ersten Block in Bohu-
nice, der in Reparatur war, wurde bereits ein Drittel der Brenn-
stäbe ausgetauscht. Rein für mich als Laien sichtbar waren die vor-
gesehenen Auflagen der Besucher im Vergleich zu Zwentendorf unge-
heuer lässig. Ich hatte den Eindruck, es handelt sich dabei unge-
fähr um dieselbe Art, wie wenn man in einem österr. Spital operiert
wird oder die Operation vor längerer Zeit in einem Oststaat, wo-
möglich während der Kriegszeit hätte vornehmen lassen. Als Laie
beeindrucken natürlich Sicherheitsbestimmungen und exakte Kontrollen,
wie dies in Zwentendorf schon vor Inbetriebnahme vorgeschrieben
und durchgeführt worden waren, wesentlich mehr als, wie meine Frau
richtig sagte, diese desillusionierende Selbstverständlichkeit,
mit der man in dem Primärkreislauf dort rein kann. Ich bin zwar
überzeugt, daß die grobe sowjet. Technik für einen gewissen Grad
der Sicherheit genügt, als Laie kann und will ich aber kein end-
gültiges Urteil geben. Ich habe größten Wert darauf gelegt, daß
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die Verbundleute sofort mit den Betriebsleuten in Bohunice guten
Kontakt bekommen haben. Ich hoffe, daß dies dazu führt, daß wir
mehr als die in der Abkommen vorgesehenen Informationen bekommen
können. Interessant für mich war, daß alle Ingenieure mich ange-
sprochen haben, ob sie, wenn sie privat nach Österreich kommen,
Möglichkeit hätten, das Kernkraftwerk zu besuchen. Sowohl Schmotzer
als auch ich haben dies sofort zugesagt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte Jour fixe Fremuth setzen.
Für mich am beeindruckendsten ist, immer in solchen Oststaaten,
mit welcher Großzügigkeit man an gigantische Projekte herangeht.
Gabčíkovo ist wahrscheinlich heute die größte Baustelle in ganz
Europa. Dieses Donaukraftwerk wird natürlich primär für den Hoch-
wasserschutz und auch für die landwirtschaftl. Bewässerung der
ganzen Region gemacht. Die Stromerzeugung ist in diesem Fall nicht
primär, so zumindestens hat es mir die tschechische Seite erklärt,
und ich habe gar keinen Grund daran zu zweifeln. Insgesamt werden
170 Mio. m³ ausgehoben, 79 Mio. werden Aufschüttungen durchgeführt,
reine zwei Zehntel Mio. to Beton werden verbaut. Hochwasser bis zu
5.000 m³ pro sec. werden durch die Regulierung abgeleitet werden
können, ohne daß es zu Überschwemmungen kommt. Im Kanal selbst
wird soviel Wasser geleitet, daß 720 Megawatt in Gabčíkovo und
150 Megawatt in Nagymaros erzeugt werden. Die Differenz liegt an der
Höhe, Gabčíkovo wird im Durchschnitt 17 Meter, maximal 23 Meter
Fallhöhe haben, im ungarischen Nagymaros nur durchschnittl. 10 m.
Die Kosten werden sich ca. auf 30 Mrd. tschechische Kronen stellen,
genau weiß man es nicht, weil natürlich keinerlei neue finanzielle
Berechnungen erfolgen. Vom tschechischen Staat, aber gleichzeitig
von der slowenischen Regierung anerkannte Regierungsbevollmächtigte
wollte unbedingt von mir wissen, ob er mit den Tschechen
gemeinsam das beabsichtigte Donaukraftwerk Wolfsthal-Bratislava
besprechen kann. Meine Argumentation, daß dies jetzt gar nicht mehr
möglich ist, weil eben durch den Bau von Gabčíkovo der Rückstau bis
ins österr. Gebiet erfolgt, wollte er nicht mehr gelten lassen, er
meint, nur 1 cm mehr oder weniger bedeutet hier 1,6 Mio. kWh pro
Jahr.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Jour fixe Fremuth setzen.
Die Tschechen investieren in der Energie ungeheuer viel, setzen in
Hinkunft aber alles auf die Atomkraft. Die diesbezügl. Investitionen
betragen, wie mir Minister Ehrenberger gesagt hat, soviel, daß er
jetzt schon 30 Mrd. Kronen Kredite aufgenommen hat, die er früher
oder später natürlich zurückzahlen muß. Installierte Leistung
ist bei 72 Mrd. kWh Jahresproduktion, wovon die Kernkraft 4 Mrd. S
betragen soll, 17.000 MW, 2.200 Wasser-, 880 Kernkraftwerke, der
Rest Wärmekraftwerke insbes.
hs. Notizen
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