Mittwoch, 9. Juli, bis Sonntag, 13. Juli 1980
In Nürnberg hatte ich mit dem Oberbürgermeister und unserem Konsul,
der gleichzeitige Präsident der dortigen Industrie- und Handelskammer,
eine Aussprache über die Möglichkeit, den Export in die BRD insbes.
nach den Norden zu vergrößern. Die Hafenbesichtigung ergab, daß
in den Hafen bereits 112 Mio. DM investiert wurden, wovon das Land
Bayern 75 Mio. und die Stadt Nürnberg 32 Mio. bezahlt haben. Die
Hafenverwaltung ist eine staatliche des Landes Bayern. Nürnberg
bekommt daher seinen Einschuß, wenn auch sehr langfristig, zurück-
gezahlt.
Der Rhein-Main-Donau-Kanal wird 1988 nach Mitteilung des bayrischen
Wirtschaftsministers Jaumann fertig. Die endgültigen Kosten weiß
noch niemand, 1,7 Mrd. DM war 1970 errechnet. Der Betrag wird we-
sentlich überschritten. Oberhalb Nürnberg werden jetzt die Schleusen
vergeben, unmittelbar nach der letzten fertiggestellten Schleuse ist
der Damm gebrochen, eine darunter laufende Wasserleitung, die man
kannte, von der man aber angenommen hat, sie ist fester eingebettet,
hat Dammwasser durchgelassen, diesen ausgeschwemmt, dann ausgebro-
chen und leider auch überraschend dann ein Kind ertränkt.
Wichtig für mich war aber, daß Konsul Braun, der Präsident der HK,
zum Abendessen auch zwei Vertreter des Grundig-Konzernes gebeten
hatten. Firnges, Vorstand d. eigenen Grundig-Bank, und Lippmann, ein
Produktionsdirektor, dem Wien untersteht und der erklärte, sein
großes Ziel wäre überhaupt die Wiener Fabrik zu übernehmen. Grundig
hat Schwierigkeiten insbes. durch die japanische Konkurrenz. Wir
unterhielten uns sehr lange über dieses Problem. Ich teilte diesen
beiden mit, daß ich mit GD Koning von Philips bereits über die
Videorekorder-Konkurrenz gesprochen habe. Ich beabsichtige, den
Wirtschaftsminister Lambsdorff auf diese Entwicklung besonders auf-
merksam zu machen. Die Grundig-Herren bestätigten mir, daß wenn es
nicht zu einem zeitweisen Schutz von der übermächtigen japanischen
Videorekorder-Produktion kommt, weder Philips noch Grundig dies
aushalten würden. Die beiden hatten keine große Hoffnung, daß es
mir gelingen würde, den Graf Lambsdorff, der gerade aus Japan ge-
kommen ist, zu irgendwelchen Maßnahmen zu bewegen.
Meine Aussprache mit Lambsdorff ergab dann auch für mich überraschend,
daß er doch bereit war, in Erwägung zuziehen, ein Kontingent für
einen gewissen Zeitraum von japanischen Videorekordern nach Deutsch-
land und Österreich zuzustimmen. Wir einigten uns darauf, daß
Grundig ihm und Philips mir diese Unterlagen schickt und gleich-
zeitig einen diesbezüglichen Antrag stellt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mich mit einem der Deutschen und
Koning verbinden.
Die Aussprache über die Exportmöglichkeiten in den norddeutschen
Raum sowohl in Nürnberg als auch in Lübeck und Hamburg, aber auch
beim österr. Botschafter in Bonn ergab, daß wir von falschen statisti-
schen Ziffern ausgehen. Unsere Exporte des Jahres 1979 betrugen
8,4 Mrd. DM, davon geht von der deutschen Statistik 3,2 Mrd. DM nach
Bayern. Dieser überwältigende Anteil ist darauf zurückzuführen,
weil von 300 österreichischen Niederlassungen der größte Teil im
Bayern sich befindet. Die Deutschen wollen nur mehr aus in Deutsch-
land bereits verzollte Waren aus diesen Niederlassungen kaufen.
Es gibt also weniger Direktexporte nach Norddeutschland. Tatsächlich
aber wird die Mainlinie, der Weißwurstäquator von vielen Produkten,
die auch nach Norden gehen, überschritten. In der Statistik scheint
dies aber nicht mehr auf.
Die Aussprache mit dem Hamburger HK-Vertretern bei einem großen
Abendessen und vorher schon mit dem Präsidenten Schlenker sowie
dem Wirtschaftssenator Steinert ergab, daß die Hamburger mit dem
österreichischen Hafenumschlag zufrieden sind. Insbes. die VÖEST-
Alpine bezieht jetzt große Mengen von Erz und teilweise amerikanische
Kohle. Der Flaschenhals ist nur, daß zur DDR die Gleisanlage sozu-
sagen, Hamburg-Berlin an der Zonengrenze Büchen, seinerzeit demontiert
wurde. Eingleisig ist dieser Streckenabschnitt kaum imstande, das
zusätzliche Volumen zu bewältigen. Sowohl die Ungarn als auch die
Tschechen haben Senator Steinert zugesagt, sie werden in der DDR
intervenieren, damit die jetzt in den deutsch-deutschen Gesprächen
vereinbarte Verstärkung der Linie durch den zweiten Geleisbau sofort
in Angriff genommen wird. Steinert ersuchte auch mich, wir sollten
darauf drängen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte frag, was Österr. Verkehrsministerium
davon weiß.
Fremdenverkehrsmäßig könnten wir aus Norddeutschland mehr Winter-
urlauber bekommen, wenn wir auf die Langlaufmöglichkeiten stärker
hinweisen würde. Viele Norddeutsche fahren jetzt Langlaufen nach
Norwegen oder Schweden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was macht die ÖFVW dafür?
Die deutschen Werften haben, um nicht sofort stillzulegen und viele
Arbeiter abzubauen, vom Staat eine 15-%ige Subvention zur Herab-
setzung des Verkaufspreises bekommen. Selbst das liberale Deutsch-
land kann daher nicht ohne Subventionen auskommen.
Präs. Schlenker hat angekündigt, daß am 18. und 19.9. eine Delega-
tion von 14 deutschen Handelskammerleuten unter Führung von Dr.
Lorenz-Meyer und Carl Friedrich Petersen nach Wien kommt. Die
letzte große Delegation 1977 war ein Mißerfolg. 80 österreichische
Firmen hatten sich damals angemeldet, 4 waren zu Besprechungen ge-
kommen. Beim Essen waren es dann allerdings 200. Diesmal versicherte
der Handelsdelegierte Sagmeister in Hamburg, er hätte es besser
organisiert.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß es diesmal besser auch im Haus vorbe-
reiten.
Der Geschäftsführer Hans Eberhart von Moller , der deutschen Handels-
gesellschaft Mieles in Hamburg, hat eine österreichische Firma
Trasenka , er wollte Hemden importieren, 6 DM das Stück, und große
Schwierigkeiten damit gehabt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß dies bitte von MR Fischer prüfen.
Die bilaterale Aussprache mit Honegger und Sommaruga ergab keine
besonderen Probleme. Ich bedankte mich für die positive Erledigung
unseres Leitschienenexportes in die Schweiz und ersuchte um eine
beschleunigte Erledigung des Taraproblemes. Honegger versicherte
mir, daß ab 1. Jänner 1981 dies positiv erledigt sein würde.
Sommaruga schlug vor, wir sollten entsprechenden Unterausschuß
über die technischen Exporthemmnisse oder, besser gesagt, Abschaffung
von solchen, die schon bestehen oder noch kommen könnten, einsetzen.
Seit 3 Jahren wird dies auf hohen Beamtenebenen, Sommaruga, Meisl,
mit Experten verhandelt. Hier müßte man die Verhandlungen straffen
und durch ev. Unterausschüsse beschleunigen. Insbesondere aber
müßte man die Arbeiten in Sektoren gliedern, um Branchenlösungen
erzielen zu können. Ein Beispiel war die Pharmazieregistrierung.
Honegger hat auf meine Intervention, die ich fast immer wiederhole,
erklärt, jetzt wird in nächster Zeit ein größerer Weinexport in die
Schweiz zusätzlich möglich sein. Die Schweizer Bauern halten ihre
Lager zurück, da sie noch auf weitere Preissteigerungen rechnen,
weshalb zusätzliche Importe getätigt werden müßten. Honegger rechnet,
daß wir so wie im Vorjahr dadurch größere zusätzliche Exporte täti-
gen können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Landwirtschaftsministerium und Weinwirtschafts-
fonds verständigen.
Sommaruga beschwerte sich, daß jetzt bei Exporten von Goldlegierun-
gen für Zahnärzte diese abgelehnt werden, weil eine eigene Produk-
tion in Österreich dies ermöglicht. Ein solches Verhalten ist mir
vollkommen unerklärlich. Wenn ich nämlich eine solche Legierung
nicht hereinlassen möchte, dann verweise ich darauf, daß die OeNB
aus Währungskontolgründen dies nicht zuläßt. Eine eigene Produktion
als Grund anzugeben ist lt. EFTA-Vertrag und auch sonstigen inter-
nationalen Verpflichtungen unzulänglich , gar verboten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß recherchieren, was hier auch in unserem
Haus passiert ist.
Sommaruga beschwerte sich auch, daß das österreichische Tabakmono-
pol nicht einmal Spezialsorten einführen läßt. Rohtabak ist aber
eine EFTA-Ware und das Verhalten daher nicht EFTA-konform. Ich er-
suchte Honegger, er soll mir anstelle einer generellen Beschwerde
lieber den Wunsch der Einzelsorte mitteilen, die ev. in einem frei-
eren Handel aufgenommen werden soll. Ich würde in diesem Fall mit
der Tabakregie sprechen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was weiß die Handelssektion von letztem ge-
meinsamen Ausschuß davon?
Dem Wunsch der Schweizer für Vorarlberg Ofenheizöl extra leicht
exportieren zu können, ohne daß es in der Raffinerie Schwechat
eingefärbt werden muß, konnte ich nicht entsprechen. Lt. Gesetz muß
jedes Ofenheizöl wegen der sonstigen Verwendung als Dieselkraftstoff
in einer Raffiniere eingefärbt werden, wir haben nur eine in Schwe-
chat. Die Vorarlberger habe kaum eine Chance, wie mir Sommaruga und
auch Honegger mitteilten, ihr Leitungsrecht in der Pipeline durch
Vorarlberg an die Schweiz abzutreten und dort in einer gemeinsamen
Raffiniere verarbeiten zu lassen.
Überrascht war ich von Sommaruga zu erfahren, daß bei der letzten
Beamtenbesprechung er als nicht EFTA-konform den Außenhandelsförde-
rungsbeitrag von 0,3 % beanstandet hat. Dies sei eine zollähnliche
Abgabe und daher für die Exporteure belastend. Meinen Hinweis, daß
die statistische Abgabe dann ebenfalls eine Exportbelastung darstel-
le, konnte Sommaruga nicht entkräften. Sommaruga selbst hat sofort
bei dieser Bemerkung im Ausschuß, aber auch nachher bemerkt, daß da-
mit die HK sehr aufgescheucht wurde. Ich weiß nicht, ob er daher
diese Idee weiterverfolgen wird. Mir ist nur unerklärlich, wieso
mich Meisl davon nicht informiert hat. Ein so hochpolitisch brisan-
tes Problem hätte er mir unbedingt sofort berichten müssen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wie hat sich dies im Ausschuß abgespielt?
Das DreiergesprächLambsdorff, Honegger und mir begann, daß Lambs-
dorff sofort von der Schweiz wissen wollte, ob auch gegen Schweizer
Chemiefirmen im Iran entsprechende Sanktionen ergriffen wurden. Der
Schweizer Staatssekretär Jolles, der das erste Mal bei dieser Be-
sprechung dabei war, und Sommaruga haben sofort mit Bern telefoniert
und festgestellt, daß die Schweiz nur Vertriebsfirmen im Iran unter-
hält und davon nicht betroffen ist. Die Deutschen, Bayer, Höchst usw.,
haben ja eine gemeinsame Produktion in Irak.
Lambsdorff forderte dann Staatssekretär Jolles auf vom letzten OECD-
Exekutivkomitee zu berichten. Dort hatten nämlich die kleinen Länder
der EG sich über den Gipfel in Venedig beschwert. Von seiten der
OECD wurde festgestellt, daß es erstens eine geteilte Verantwortung
gibt. Die Industrieländer können nicht mehr allein agieren. Man
müsse die OPEC-Staaten, die Entwicklungsländer, aber auch den Osten
heranziehen und integrieren. Zweitens müßten Bündelsmaßnahmen während
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der nächsten 10 Jahre ergriffen werden und nicht mehr Einzelaktionen.
Drittens sei nach wie vor die Energie das Hauptproblem. Viertens sei
die Entwicklungshilfe, die derzeit nur von Industrieländern gege-
ben wird, dadurch immer wieder entwertet, daß man höhere Ziele selbst
erklärt und dann die Entwicklungsländer mit den Ergebnissen, auch wenn
sie noch so große Steigerungen bringen, nicht zufrieden . Fünftens
sei aber das größte und schwierigste Problem das Recycling der
Petrodollars. Niederlande hat im Namen der Beneluxländer sich über
das Verhalten der Großen in der EG, die an der Gipfelkonferenz teil-
genommen haben, beschwert. Dänemark hat sich angeschlossen. Austra-
lien und die Schweiz haben auch gesprochen, aber nicht so hart kri-
tisiert. Nur Österreich-Vertreter hat nichts gesagt. Man fürchtet
bei den Staaten, daß dieser Gipfel sich institutionalisiert und
oft über Probleme spricht, die eine Gipfelkonferenz gar nicht recht
fertigen. Die kleineren oder anderen Länder der EG, aber auch sonsti-
ge, die daran nicht teilnehmen, fühlen sich dann ausgeschlossen.
Lambsdorff erklärte sofort, er ist fest davon überzeugt, daß der
Weltwirtschaftsgipfel einmal im Jahr stattfinden wird, 1981 wahr-
scheinlich in Kanada. In der Vergangenheit haben daran nur die Mi-
nisterpräsidenten und Außenminister, teilweise auch die Finanzmini-
ster daran teilgenommen. Jetzt ist man bereit auch die Wirtschafts-
minister, insbes. wenn es sich um Energiefragen handelt, die dafür
verantwortlich sind, zuzuziehen. In Venedig aber hätten, sehr zum
Unterschied vom letzten Gipfel in Tokio, die Kleinen keinen Grund
sich aufzuregen, sie seien vorher informiert gewesen und es wurden
vor allem in Venedig keine konkreten Beschlüsse gefaßt. Eine quanti-
tative Vorgabe sollte nur im Rahmen der Internationalen Energie-
agentur befaßt werden, wobei Lambsdorff aber auch dort meint, es
müßte eine neue Politik beginnen und man sollte sich nicht zu sehr
auf quantitative Beschlüsse ausrichten. Scheinbar bemerkt Lambsdorff,
daß er mit solchen innerhalb der BRD kaum durchkommt und auch die
EG nur immer wieder Planziffern erstellt, die nicht eingehalten wer-
den können. Ähnlich ist es übrigens ja auch bei allen anderen
Ländern. Die kleinen Länder der EG sollten eigentlich durch die
Teilnahme des Präsidenten der EG an dem Gipfelgespräch abgedeckt
sein. Jolles meinte, am besten sei es, wenn man, wenn schon jetzt
der Gipfel institutionalisiert wird, vorher und nachher die anderen
zu Informationsgesprächen zusammenruft. Jetzt hat er nur dank sei-
nes persönlichen Kontaktes entsprechende Informationen bekommen.
Diese Informationsgespräche könnten nur auf Delegationschefs immer
beschränkt sein, damit der Kreis nicht allzu groß wird. Lambsdorff
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verwies darauf, daß die beste Lösung ist, wie er es, als er den
Vorsitz in der Internationalen Energieagentur jetzt zweimal ge-
habt hat, mir vorhergehenden Abendessen informell alle Gesprächs-
themen erwähnt und diskutierten läßt.
Ich verwies darauf, daß wir ebenfalls im Rahmen der EFTA große
Schwierigkeiten haben, einen richtigen Weg zu finden. Auch dort
ist alles institutionalisiert. Ein von mir angeregtes informelles
Treffen hat ein einziges Mal geklappt und dann wurde ebenfalls be-
reits mit vorbereiteten Statements die ganze Tagesordnung, wenn
man so will, zweimal abgewickelt. Jetzt versucht es der schwedische
Vorsitzende Linder vor meines Clubmeetings. Hoffentlich wird hier
mehr informell eine freie Aussprache stattfinden. Dies würden wir
insbes. für die bei diesen informellen Clubmeetings, soll auch die
von Jugoslawien gewünschte verstärkte Form der Zusammenarbeit be-
sprochen werden.
Aus der Diskussion konnte ich zusammenfassen Folgendes feststellen:
International wird alles soweit wie möglich immer hinaufdelegiert.
Jetzt gibt es im Europarat die Zusammenkunft aller Ministerpräsi-
denten. In der Vergangenheit sollte damit die politische Linie fest-
gelegt werden. Jetzt streiten sie über die Schaffleischkontingente.
Jeder Minister delegiert, die Ministerpräsidenten haben im Europarat
scheinbar ein neues Forum dort über solche Kleinigkeiten weiterzu-
streiten.
Die große Gefahr, die Jolles insbes. darin sieht, ist, daß dann
bei solchen Gipfelgesprächen oder im Europarat entsprechende Be-
schlüsse gefaßt werden, die eigentlich in anderen Gremien wie
IEA, OECD, GATT usw. gefaßt gehörten. Am kritischsten wird es aber,
wenn es um Währungsfragen geht. Beim Recycling der Petrodollars
wollen die OPEC-Staaten nicht das Risiko übernehmen, wenn sie dieses
Geld wo anlegen. Dies sollten die Industrieländer tun. McNamara
meint, die Haftungskraft der Industrieländer müsse man nützen.
Zusammenfassend wurde dann festgehalten, es sollte so wie in der UNO
überall über alles gesprochen werden können, aber die Beschlußfas-
sung müßte in den zuständigen Organen wie GATT, Internationaler
Währungsfonds, Internationale Weltbank usw. erfolgen.
Selbstverständlich wurde auch der vom ehemaligen Bundeskanzler
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Brandt für die Entwicklungsländer ausgearbeitete Bericht im Auf-
trag der Sozialistischen Internationale von den Schweizern sehr
kritisch kommentiert und Lambsdorff erklärte auch dezidiert, er wird
sich immer gegen eine Steuer für die Entwicklungsländer in den
Industrieländern aussprechen.
Zum Internationalen Textilübereinkommen, welches ja ausläuft, wurde
übereinstimmend festgestellt, es soll weiter verlängert werden.
Deutschland möchte nur eine weitere Liberalisierung und einen sub-
stantiellen Abbau des Außenschutzes. Es soll keine spezielle EG-
Klausel, wie derzeit besteht, in den Abkommen verankert werden.
Bezüglich der Exportkreditversicherung für Polen, welche Deutschland
bereit war zu geben, meinte Lambsdorff, die Hermesbürgschaft für
Konsum, sprich in Wirklichkeit Stahl- und Chemikalien-Exporte, wurde
jetzt mit 500 Mio. DM festgelegt. 3- bis 5-jährige Zahlungsfristen
wurden ausnahmsweise den Polen gewährt. Zweitens soll jetzt eben-
falls für Investitionen, zwar für Kupfer 500 Mio., für Vanadium 500
Mio. DM, also insgesamt 1 Mrd. DM für Investitionskredite den Polen
gegeben werden. Dies sei bei ungebundenen Finanzkrediten eine einma-
lige Ausnahme. Wäre dies nicht von Deutschland gegeben worden, hätte
Polen umschulden müssen, um nicht zu sagen vielleicht sogar ein
Moratorium auszurufen. Die Umschulung oder Finanzhilfe hätte dann
nur mit Hilfe der Sowjetunion geschehen können und dies wollte man
aus politischen Gründen unter gar keinen Umständen. Derzeit werden
auch noch 500 Mio. DM verhandelt, um 1 Mio. t Kohle zusätzlich zu im-
portieren. Hier soll ein Konsortium von deutschen Banken einspringen.
Deutschland wird außerdem 1 Mio. t Roggen den Polen liefern.
Die Jugoslawen wollen eine ähnliche Regelung. Ich vertrat dieselbe
Auffassung wie Lambsdorff, man muß diesen Staaten unbedingt helfen,
damit die Selbständigkeit einigermaßen gewährleistet ist und sie
sich nicht mit anderen COMECON-Staaten, aber insbesondere den Russen
verbinden müssen. Wir werden dies auch innerhalb der EFTA besonders
immer vertreten. Jolles und Sommaruga, also die Schweizer, meinten
nur, es müßten die Jugoslawen die Investitionsbedingungen verbessern,
es sollte ein Investitionsschutzgesetz vorgesehen sein und außer-
dem haben die Jugoslawen jetzt die Abtretung von Lizenzen und Paten-
ten gewünscht, wofür entsprechende Sicherungen eingebaut werden
müßten.
Die Türkei wird, wie auf Anfrage der Schweiz der Ministerialdirek-
tor Morawetz, der Lambsdorff als Fachmann begleitete, erwähnte,
600 Mio. Rechnungseinheiten neben des Geldzuschusses für NATO-, sprich
Rüstungszwecke bekommen. 2/3 werden die Banken aufzubringen haben,
1/3 die Europäische Investitionsbank. Hier handelt es sich um reine
Projekthilfe.
Eine ähnliche Regelung für längerfristige Umschuldung ist auch für
den Staat Tansania vorgesehen, eine Konsolidierungsrunde ist
fällig.
Die Erweiterung der EG mit 1.1.1983 wird nicht nur Griechenland,
sondern auch Spanien wird bald kommen. Dieses Land ist auch ent-
sprechend vorbereitet, zum Unterschied von Portugal, wo überhaupt
niemand sich ernstlich damit beschäftigt. Auch in Griechenland mußte
man feststellen, daß eigentlich in der Beamtenschaft unterhalb der
Minister kaum jemand da ist, der auf diesen Beitritt vorbereitet sei.
Es wird eine chaotische Situation, wie Morawetz bemerkte, geben.
Sommaruga verwies darauf, daß nach wie vor die Ursprungsregelung
umstritten sei. Dies wird sich bei dem Beitritt Spaniens dann noch
verstärken, da ja Spanien sowohl mit EFTA-Staaten als auch jetzt
mit EG einen Vertrag hat und in kürzester Zeit, nach Äußerung von
Lambsdorff, ja doch auch ein EG-Mitglied wird.
Lambsdorff meinte, daß mit 1. Jänner 1981 auch das Stahlabkommen
der EG mit den EFTA-Staaten, inbes. das Davignon-System weiter libe-
ralisiert werden muß. Die Beschränkung soll nur auf Staatshandels-
länder weiterhin gelten.
Lambsdorff ließ keinen Zweifel, daß die EG jetzt in eine schwierige
Budgetsituation kommt. Insbes. wenn Griechenland und dann später
Spanien auch zur EG zustoßen, wird die Landwirtschaftsproblematik
noch größer, eine Erhöhung des 1-%igen Mehrwertsteueranteils für die
Landwirtschaftsfonds wird von den Deutschen entschiedenst abge-
lehnt.
Am Ende gab es dann natürlich bilaterale Probleme, wie für die
Schweiz, Deutschland das Asbach-Abfüllproblem und für Österreich,
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Deutschland, sprich EWG, das Papierkontingent. Deutschland fürchtet,
daß die Franzosen ev. nicht geneigt sind, wenn das Papierkontingent
erschöpft ist, darüber hinaus Zollermäßigungen zu gewähren. Mit
Ende der Übergangsperiode aber ändert sich dann die Situation
schlagartig. Jetzt muß Deutschland die Franzosen dafür gewinnen,
daß sie Österreich diese weitere Zollkonzession geben, dann muß
Frankreich von Deutschland erreichen, daß eine andere als eben
die freie im Vertrag vorgesehene Regelung Platz greifen sollte.
Lambsdorff versicherte, er denke nicht daran den Franzosen entgegen-
zukommen.
Diese Wirtschaftsministergespräche waren durch die Anwesenheit von
Jolles primär auf internationale Fragen ausgerichtet. Über die Situ-
ation Schweiz, Deutschland, Österreich wurde kaum geredet. Für mich
gab es einige sehr interessante neue Aspekte. Da ja die BRD, aber
auch die Schweiz sich sehr liberal geben, teilweise auch tatsächlich
bereit sind eine liberale Politik in den internationalen Gremien
zu verlangen, konnte ich mit großen Interesse feststellen, wie sie
sich dabei gleichmäßig verhalten, ohne sich eigentlich immer abzu-
stimmen. Zwischen Deutschland und der Schweiz gibt es ja kaum Gre-
mien, wo konkretere Verhandlungen zwischen den beiden geführt wer-
den. Interessant war weiters, daß der jetzige Staatssekretär Jolles,
der ja immer in der Schweizer Bürokratie eine Sonderstellung einge-
nommen hat und sie sicherlich auch bis zu seiner Pensionierung ein-
nehmen wird, sich ausschließlich mit diesen Fragen beschäftigt.
Jolles selbst wurde ja zu diesem Zweck eigens der Titel Staatsse-
kretär verliehen. In der Schweizer Bürokratie, ich glaub, auch gar
nicht in ihrer Verfassung, gibt es so einen Begriff. Jolles war
auch bei dem bilateralen Gespräch zwischen Honegger, Sommaruga,
Haffner, den österr. Handelsdelegierten und mir nicht anwesend, da
er bei der OECD-Exekutivsitzung in Paris war.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wir müssen das nächste Mal mehr über diese
internationalen Tagungen informiert sein.
Die Pressekonferenz von Lambsdorff, Honegger und mir brachte keine
besonderen Ergebnisse. Interessant war nur die Bemerkung Honeggers
auf die Frage eines Journalisten, wie er jetzt zur japanischen
Konkurrenz steht, daß die Schweiz jetzt mit Japan einen ausgegliche-
nen Handel hat. Jolles führte auf meine Frage, wieso dies möglich
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war, darauf zurück, daß jetzt die Schweizer Unternehmen Japanisch
lernen. Nach Meinung der Schweiz ist dies die beste Voraussetzung,
um tatsächlich japanische Exporterfolge zu erzielen.
Bei einem Bericht Lambsdorffs, allerdings beim Essen, über seine
Japan-Reise und -Verhandlungen stellte sich heraus, daß es noch we-
sentlich andere Gründe der Schwierigkeit gibt. Überraschend für
Lambsdorff war aber, daß er bei einem Betriebsbesuch feststellen
konnte, in dieser Fernsehfabrik wurde für 1.600 $ pro Monat Durch-
schnittsverdienst der Angestellten bis in die Managerschicht hinauf
gearbeitet. 40 Stunden, 115 Sonn-, Feiertage und freie Samstage, 9
Tage Urlaub und 3 % Krankheitsquote. Die Unterhaltungselektronik
ist jetzt in Japan sehr stark exportabhängig, in der PKW-Produktion,
hat er den Japanern klar gemacht, sie könnten nicht damit rechnen,
was sie nicht nach Amerika mehr exportieren dürften, jetzt nach
Europa zu verschiffen. Er möchte keine handelspolitischen Beschrän-
kungen, war zumindestens seine offizielle Erklärung. Ich hoffe, daß
es mir aber doch geglückt ist, für die Videorekorder-Produktion ihn
zu überzeugen, daß wir eine andere Lösung anstreben müssen. Zuminde-
stens hat er mir dies unter 4 Augen zweimal bekräftigt. In Deutsch-
land wurde mir übereinstimmend mitgeteilt, sind jetzt die Gewerk-
schaften auf diese liberale Politik Lambsdorffs schon sehr sauer. Die
Automobilarbeiter werden der Regierung hart zusetzen. In Deutschland
wird nämlich allgemein eine stärkere Rezession erwartet.
Tagesprogramm, 9.-13.7.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Detailprogramm 9.7.1980
hs. Notizen (Detailprogramm Rückseite)
TB Albrecht, 9.7.1980, Ministerrat
55_0895_03Parteivorstand, 10.7.1980
55_0895_11Anhang Parteivorstand, 10.7.1980