Mittwoch, der 28. Mai 1980

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Mittwoch, 28. Mai 1980

Eine Aussprache bei Präs. Czettel, Arbeiterkammer, wegen der
Vorstellungen der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes
zum Mühlengesetz mit den Mühlenarbeiterfunktionären der Lebens-
mittelarbeitergewerkschaft verlief sehr hart. Die Arbeiterkammer
vertritt den Standpunkt das Mühlengesetz aufzulockern, was
letzten Endes aber dazu führen kann, daß es der ursprünglichen
Idee des Mühlengesetzes, nämlich die überhöhten Kapazitäten
der Mühlen durch Stillegung zu verringern, widerspricht. Aus mir
unerklärlichen Gründen wird, und das kann ich mit aller Beschei-
denheit sagen, seitdem ich nicht mehr in der Arbeiterkammer
bin, zwischen den Fachgewerkschaften und dem ÖGB und der AK nicht
mehr so koordiniert, daß selbstverständlich früher immer eine
einheitliche Auffassung gegenüber den Unternehmern erzielt wurde.
Da die Mühlenunternehmer Angst haben, daß das Mühlengesetz nicht
mehr verlängert wird, haben sie mit der Arbeiterkammer einen
Kompromiß geschlossen, den auch die Mühlenarbeiter letzten Endes
nolens volens akzeptierten. Ich habe mich dann dieser Meinung
auch angeschlossen und die Formulierung dem Sekt.Chef Jagoda ge-
geben.

Die Eröffnung des Fremdenverkehrstages verlief programmgemäß,
sofern man davon absieht, daß ich meine Lesebrille vergessen habe
und dadurch sehr behindert war. Ich hätte die an und für sich sehr
gut aufgesetzte Rede von MR Würzl auf keinen Fall runtergelesen.
Mit den Zahlen hätte ich es allerdings leichter gehabt. Durch
Musikstücke feierlich umrahmt hatte letzten Endes dann der Bundes-
präsident eine sehr treffende Eröffnungsrede gehalten. Insb. ver-
wies er auf die völkerverbindende Tätigkeit des Fremdenverkehrs.
Wenn ich irgendwo den Vorsitz habe, wo der Bundespräsident er-
scheint oder dann sogar noch spricht, halte ich mich ganz streng
nach dem Protokoll, deshalb bin ich vom Vorsitztisch herunterge-
gangen, habe mich höflich verbeugt und ihn gebeten die Eröffnungs-
ansprache zu halten. Er flüsterte mir zu, "Willst Du mich vielleicht
noch am Handerl raufführen?" Kirchschläger hat von den Präsi-
denten der 2. Republik, die ich alle kannte, den menschlichsten Zug.
Mit ihm zu arbeiten, bereitet mir wirklich Vergnügen, seitdem


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ich ihn kenne. Seine Einstellung zum Protokoll gleicht meiner
weitestgehend. Trotzdem glaube ich aber, muß man dem höchsten
Repräsentanten des Staates besonders dann, wenn er, wie ich von
Kirchschläger behaupten kann, freundschaftlich verbunden ist,
die gebührende Achtung zeigen.

Der Präsident der Tiroler Handelskammer wurde zum Obmann des
Arbeitsausschusses für Verkehrsfragen gewählt. Präsident
Menardi meinte mir gegenüber, da haben sie mir etwas angetan,
da er befürchtete, es wird gerade wegen der Konzeption des Luft-
fahrkonzeptes zu harten Auseinandersetzungen mit der AUA kommen.
Die AUA-Vertreter hatten ja vorher sogar bei mir entsprechend
protestiert. Interessanterweise konnte er mir dann abends beim
Heurigen berichten, daß in seinem Ausschuß alles glatt gelaufen
ist, er hätte allen Mitgliedern erklärt, der Minister erwartet
hier die größten Widerstände, weshalb sie jetzt zu beweisen haben,
daß auch dieses Problem freundschaftlich gelöst werden kann.
Überhaupt war ich sehr verwundert schon abends zu erfahren, daß
die meisten Ausschüsse ihre Arbeit bereits schon beendet haben und
die fertigen Papiere den nächsten Tag nur mehr reingeschrieben
werden müssen. Die Koordinationsgruppe, Jagoda, Würzl vom Handels-
ministerium und von der Bundeshandelskammer der Syndikus des
Fremdenverkehrs, Schimka, werden daher zeitgerecht und verhältnis-
mäßig leichte Arbeit haben. Bis jetzt lauft alles wirklich wie
am Schnürl. Die Vorbereitungen, die letzten Endes ja MR Würzl
treffends gemacht hat, haben sich daher gut bewährt.

Der Herausgeber der Fremdenverkehrszeitung Tourist International,
Dr. Norden, hat einen Werbe-Grand-Prix gespendet, der an 32
Unternehmer für die Plakate, welche bei der österreichischen
Ferienmesse ausgestellt wurden und die teils durch die Besucher,
teils durch eine Jury klassifiziert wurden, über 250.000.–– S
aufgewendet. Ich habe die Preise des Handelsministeriums per-
sönlich übergeben und bei dieser Gelegenheit Dr. Norden entspre-
chend für diese Initiative bedankt. Abends beim Heurigen meinte
er, darüber sei er sehr erfreut gewesen, doch könnte er auf
die Dauer diesen hohen finanziellen Aufwand selbst nicht tragen.



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Ich habe ihm keinen Zweifel gelassen, daß er vom Ministerium
dafür keine Subvention bekommen kann.

Die Gespräche mit dem argentinischen Wirtschaftsminister, sowohl
beim Mittagessen als auch dann bei der Fahrt auf den Flughafen
und am Flughafen selbst, zeigten mir, daß es für uns noch große
Möglichkeiten für Exporte nach Argentinien gibt, daß aber ande-
rerseits die argentinischen Verhältnisse für uns ein wenig kompli-
ziert sind, u.a. hat er mir dezidiert erklärt, er wird bei der
nächsten Präsidentenablöse, und die Militärjunta hat eine solche
bereits beschlossen, dann von dem neuen Präsidenten sicher nicht
mehr als Wirtschaftsminister aufgestellt werden. Trotzdem meinte
er, die Kontinuität der argentinischen Wirtschaftspolitik wird
gewahrt bleiben. Die ihn begleitende Mannschaft von Staatssekre-
tären und höchsten Beamten wird dafür sorgen. Seine Einladung,
die nächste Gemischte argentinisch-österreichische Gemischte
Kommission in Buenos Aires abzuhalten, mußte von mir akzeptiert
werden. Da der Präsident aber 1981 gewechselt wird, glaube ich,
wird es auf alle Fälle, wenn ich überhaupt nach Lateinamerika
fahre, was mir allerdings kaum erspart bleiben wird, notwendig
sein, den neuen Wirtschaftsminister abzuwarten.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte bei einer ev. Zeiteinteilung dies
nicht zu vergessen.

Die Fa. Sonett ist ein Familienbetrieb in der dritten Generation,
der sich primär mit Schulsesseln und Tischen und Krankenbettener-
zeugung beschäftigt. Rund 70 Arbeiter müssen die verhältnismäßig
noch sehr stark an die handwerkliche Erzeugung erinnernde Pro-
duktion zu Konkurrenzbedingungen erzeugen, die die Gemeinde Wien
noch akzeptiert. Er ist aber interessanterweise gut ausgelastet,
er hat von allen Wr. Schulen bis jetzt höchstens 1/4 der möglichen
Austauschmöbeln geliefert. Da die neuesten Erkenntnisse bezüglich
der Ermüdung von Schülern durch unzweckmäßige Sitzgelegenheit
jetzt auch in die Wiener Schulen Eingang finden, werden die ehe-
maligen Klappbänke systematisch ausgetauscht. Die Firma ist da-
her noch sehr lange mit Aufträgen versorgt. Bgm. Gratz hat die
Firma schon besucht, Stadtrat Mayr kommt morgen und als Höhe-


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punkt für die Belegschaft und natürlich für den Besitzer war
die Verleihung des Staatswappens. Der Betriebsrat erzählte mir,
daß er ein sehr gutes Verhältnis mit dem Chef hat, weil dieser
sehr sozial eingestellt ist.

Der Mitarbeiter von Staatssekretär Beil war eigens nach Wien gekom-
men, um mir in dessen Auftrag mitzuteilen, daß bei dem großen of-
fiziellen Staatsbesuch der DDR, Honecker, die, wie ich glaube, bei-
den wichtigsten Wirtschaftsleute Dr. Mittag vom Zentralkomitee und
Staatssekretär Beil mitkommen werden und bei dieser Gelegenheit
gleich eine große spektakuläre Unterschrift machen wolle. Reeh
meinte, die beste Lösung wäre ein Abkommen mit Österreich, wie
es die DDR mit Finnland hat. Diese freihandelszonenähnliche Re-
gelung habe ich aber bereits 1970 der Sowjetunion ablehnen müssen
und daher gibt es gar keine Möglichkeit, daß die DDR zu einem
solchen ähnlichen Abkommen kommen könnte. Ich habe ihm keinen
Zweifel gelassen, daß selbst wenn die EFTA auch für Österreich
eine solche Ausnahmegenehmigung akzeptieren würde, ich eine solche
niemals anstrebe. Die zweite Möglichkeit ist, mit der DDR ein
ähnliches langfristiges Abkommen zu schließen, wie dies jetzt
gerade mit der Sowjetunion bei der letzten Gemischten Kommission
in Rußland beschlossen wurde. Ich habe Reeh von diesem Entwurf
ein Exemplar gegeben und erwarte seine Gegenäußerung. Reeh er-
suchte, was ich sofort zusagte, es wäre zweckmäßig Dr. Mittag
und Staatssekretär Beil nach Österreich einzuladen. Dies halte
ich für eine vorzügliche Idee, da ich dann über das Wochenende
die beiden durch entsprechende Betreuung, beabsichtigt ist strengst
vertraulich, da dies in der DDR nicht bekannt werden soll, ein
Jagdausflug in die Steiermark.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte zeitgerecht diese Frage mit Land-
wirtschaftsminister Haiden und mir besprechen.

Reeh berichtete mir auch über die Verhandlungen von Semperit mit
der DDR-Firma Transportmaschin, welche Lastkraftwagen exportiert
und von Semperit die Reifen kaufen wird. Auf untergeordneter Ebene
wurde von, wie mir dann auch GD Leibenfrost bestätigte, unrichti-


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ge Angeben gemacht. Selbstverständlich kann Semperit nicht nur
die Erstbereifung, sondern auch die Ersatzlieferung übernehmen.
Die Frage der Kredite, normal 60–90 Tage von der DDR bis zu
einem Jahr verlangt, muß noch im einzelnen verhandelt werden.
Genau dasselbe gilt auch für den Preis. Die technischen Voraus-
setzungen wurden geklärt.

GD Leibenfrost hat bei seiner Vorsprache dann gefragt, wie weit
das Handelsministerium einer strategischen Bevorratung von Na-
turkautschuk zustimmt resp. Unterstützung gewährt. Ich habe MR
Gröger dieser Besprechung zugezogen und dezidiert mitgeteilt, wir
sind an jeder Bevorratung brennendst interessiert. Ich habe
nur keinerlei budgetäre Mittel, da für Semperit allein für die
Kautschukbevorratung 200 Mio. notwendig sind, kann ich ihm nicht
einmal die normal erwarteten 10 %, das sind 20 Mio., für die Zin-
senstützungsmöglichkeit zusagen. Da auch Buntmetalle und viele
andere Produkte im Sinne der Wirtschaftlichen Landesverteidigung
eingelagert werden müßten, ergibt sich für den Finanzminister
ein sehr großer finanzieller Aufwand. Selbst wenn ich nur 2 Mio.
für die Kautschuklagerung rechne, summiert sich dann für all
die anderen Produkte ein ganz gewaltiger Millionenbetrag. Das
Finanzministerium hat bis jetzt ja kategorisch jedwede Unter-
stützung vom Anlagen solcher Rohstofflager abgelehnt, jetzt hat
der Vertreter des Finanzministeriums Kienast dem MR Gröger gegen-
über erwähnt, das Finanzministerium überlegt doch, ob und welche
Unterstützung es geben könnte. Dies brauchen wir auch im Sinne
der mit den Parteivertretern der Wirtschaftlichen Landesverteidi-
gung geführten Verhandlungen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Gröger soll laufend darüber berichten.

Dir. Walter von der Fa. Porr hatte mit dem Präsidenten Rozsa,
der die Hungarhotels führt, das erste ist ein Hungarhotel, welches
jetzt in Budapest gebaut wird, eine Aussprache. Dieser hat vor-
geschlagen, daß nachdem das zweite von der ARGE Porr-Universale,
das dritte u. vierte von der Fa. Hinteregger gebaut wird, das
fünfte, nämlich Hotel Sport, welches 61 einflügelig errichtet
wurde und jetzt nicht nur renoviert, sondern zweckmäßig ausgebaut


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werden soll, für 350 Mio S. von den österreichischen Firmen,
sprich Porr, wieder aufgebaut werden soll. Zu diesem Zweck sollte
ich dem Minister Saghy, welchen ich sonntags treffe, unbedingt
darauf ansprechen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß Dir bitte alle Hotelbauten und die
Firmen sowie die Baukosten zusammenstellen.

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Tagesprogramm, 28.5.1980


Tätigkeit: MR HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ung. Binnenhandelsminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: 1. Sekr. d. ZK d. DDR


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: -min.


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Chefredakteur "Tourist Austria"


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Präs. ungar. Hotelverband


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter FM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Präsident AK
                    GND ID: 121924882


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Präs. HK Tirol


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Dir. Porr


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Wr. Wirtschafts- u. Finanzstadtrat


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                              Tätigkeit: Mitarbeiter DDR-Minister Beil; evtl. Falschidentifikation


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                GND ID: 118723189


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Sekr. d. ZK d. DDR f. Wirtsch.


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                                    Tätigkeit: GD Semperit


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Baufirma Hinteregger, Bregenz


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                                        Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: HK Wien


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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