Montag, der 12. Mai 1980

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Montag, 12. Mai 1980

Beim Jour fixe mit Fremuth informierte ich ihn über die Aus-
sprache mit dem neuen Präsidenten des Aufsichtsrates der Ver-
bundgesellschaft Mussil. Unmittelbar nach mir war er auch bei
ihm. Er erklärte auch dort, wenn die gemeinsame Kompetenz im
Vorstand für Vorstandssekretariat und Presse und Information
von ihm verlangt wird, muß er die Funktion zurücklegen. Niemand
nimmt diese Drohung ernst, dies umso mehr, als er selbst erklärt
hat, innerhalb 3 Monate bringt er dies in Ordnung. Fremuth sagte
ihm noch, entweder es geschieht freiwillig und einvernehmlich
oder er wird im Vorstand dirimieren und im Aufsichtsrat wird
ein Mehrheitsbeschluß gegen Mussil und die ÖVP-Vertreter herbei-
geführt. Fremuth war mit meiner Entscheidung, daß dies jetzt
eine Angelegenheit der Organe ist, voll einverstanden, glaubt
sogar eine Lösung mit Mussil zu finden.

Fremuth hat mit Stadtrat Mayr am 2. Mai eine Aussprache gehabt,
wo dieser für die Gemeinde Wien eine Elektrizitätslösung vor-
schlägt, um zu erwartenden Defizite besser abdecken zu können.
Er wünscht entweder einen einheitlichen Elektrizitätspreis in
ganz Österreich. Diese Forderung stößt auf heftigsten Widerstand
der westlichen Länder, auch der dortigen Arbeiterkammern. Um die
Kohle und Ölkraftwerke zu entlasten, möchte er eine 20 %ige
Energiesteuer auf die kWh. Die Wasserkraft würde dadurch ent-
sprechend belastet, die Kohle und Ölkraftwerke könne man dadurch
indirekt subventionieren. Die Verbundgesellschaft, die 38 Groschen
jetzt im Durchschnitt erlöst und zu 90 % Wasserkraftstrom pro-
duziert, würde dadurch am meisten geschädigt. Die thermischen
Öl- und Kohlekraftwerke kosten jetzt schon die kWh 65 Groschen,
die neuen werden bis zu 95 Groschen die kWh kosten. Fremuth
wird deshalb an den Finanzminister Androsch ein entsprechendes
Schreiben richten.

Mit Wien hat die Verbundgesellschaft jetzt ein Sommer-Winter-
Austauschprogramm für 100 MW beschlossen, dadurch werden 38 Mio.
S bei jeder Gesellschaft erspart. Ein ähnliches Projekt wird


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jetzt mit Niederösterreich 50–100 MW verhandelt.

An dem neuen Donaukraftwerken will sich Wien mit 25 % Strombezug
und Kapitalbeteiligung durch Baukostenzuschuß beteiligen. Dies
ist unmöglich, da die Verbund auch von allen künftig zu bauenden
Donaukraftwerksstufen 80 % selbst benötigt. Für Wien und Nieder-
österreich stehen deshalb höchstens 20 % zur Verfügung. Bei
diesem Problem ist aber noch zu lösen, daß Kärnten eine Option
von 8 % zugesichert bekommen hat. Aus dieser Forderung zeigt
sich schon, wie wichtig es ist, daß wir in der Frage des Salz-
ach-Ausbaus den Salzburgern nicht mehr nachgehen als die leider
schon zugesicherten 50 % der Tauernkraftwerke, Vereinbarung mit
der SAFE. Fremuth bestätigt mir neuerdings, daß keinesfalls die
Verbundgesellschaft oder die Tauernkraftwerke dem Vorschlag
Haslauers, 2 Kraftwerke kriegen die Tauern und die anderen 3
resp. 4 baut die SAFE, zugestimmt hat.

Mit KELAG wurde jetzt vereinbart, daß sie sich bei der Oberen
Drau mit 50 % beteiligt, und zwar bei jedem Kraftwerk. Eine
ähnliche Konstruktion wie die Salzburger bei der SAFE, nämlich
nur gewisse Kraftwerke selbst zu bauen, sich also die Zuckerln
herauszuholen, wird abgelehnt.

Ähnlich wie die Staubeckenkommission möchte Fremuth jetzt eine
geowissenschaftliche Kommission für jeden Kraftwerksbau. Er
fragt mich und läßt mich entscheiden, ob er dies beim Bautenmi-
nister oder beim Gesundheitsminister errichten sollte. Ich kann
mir nur vorstellen, daß man dies beim Bautenminister installiert.

Bezüglich der Beteiligung Ungarns an der UCPTE wird festgestellt,
daß dies aus verschiedensten Gründen nicht möglich ist, da
erstens die Ungarn ein elektrisches Defizitland sind und zwei-
tens, wie ich insbesondere aufgrund der Erfahrung bei der letzten
Aussprache mit Ministerpräsidenten Lazar feststelle, die Ungarn
keinesfalls aus dem COMECON-Block in irgendeiner Beziehung aus-
steigen können.

Nußbaumer hat Fremuth aus Rückkehr aus Polen mitgeteilt, er


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hätte jetzt alles geregelt, Bank Handlowy wird jetzt ein Haftungs-
schuldner sein. Fremuth erklärt ihm sofort, daß dies nicht das
Problem ist, sondern die Bindung des Kredites an das Grundge-
schäft. Weglokoks muß seine Zession akzeptieren und eine Fristen-
konformität in der Rückzahlung. Hier hat die Creditanstalt als
Konsortialführerin bis jetzt keine positive Lösung gefunden.

Fremuth schlägt vor, daß in Hinkunft nicht nur er zum Jour fixe
kommt, sondern der gesamte Vorstand und der Präsident des Auf-
sichtsrates.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte entsprechende Termine zeitgerecht
festlegen.

Bevor wir, Präs. Lehner und Dr. Slezak, Gen.Sekr. Kehrer und
Dr. Schwarz sowie Steiger mit den Missionsleuten Herr Haferkamp
und seinen Leuten intervenieren, haben wir noch eine kurze Vor-
besprechung in der Mission. Botschafter Seyffertitz erörtert den
letzten Stand. Er erklärt, daß kaum etwas zu ändern ist. Trotz-
dem beschließen wir, gemeinsam alles zu versuchen, wobei ich
gleich erkläre, ich würde es sehr begrüßen, wenn die Wirtschafts-
vertreter auch sich in die Diskussion entsprechend einschalten.
Kehrer meinte sogar, es bestünde die Gefahr, daß ich zuwenig
spreche und dann der Eindruck entsteht, daß nur sie eine Ände-
rung des Vertrages wünschen.

Schon bei dem Mittagessen von Haferkamp, im Kommissionsgebäude ge-
geben, überreiche ich Haferkamp und seinen Mitarbeitern die
Aktennotiz, welche unsere Forderung enthält. Er selbst sagt
gleich ziemlich unumwunden, und ich ziehe sofort alle anderen
beim Cocktail zu, daß dies kaum eine Chance hat verwirklicht zu
werden. Als Gegenleistung bietet er uns bei der Unterfertigung
des Vertrages einen Briefwechsel an, wo die beiden Rechtsstand-
punkte gewahrt bleiben. Formell hätte also insbesondere Dr.
Schwarz von der Handelskammer einen Erfolg.

In der Sitzung, wo dann außer den Funktionären und MR Steiger,
die zum Essen geladen wurden, alle daran teilnehmen, erläutere


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ich einleitend, daß insbesondere ich das erste Mal seit 1972,
als der EG-Vertrag unterschrieben wurde, zu einer Intervention
nach Brüssel gekommen bin. Daraus möge man ersehen, daß es sich
nicht um eine leichte Angelegenheit handelt. In meiner Delega-
tion sind keine politischen Vertreter, trotzdem sehe ich mich
veranlaßt, aufmerksam zu machen, daß dieser Vertrag im Parlament
nur mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden kann, weil er eine Ver-
fassungsbestimmung enthält. Aus der über eine Stunde dauernden,
dann offiziellen Sitzung wird ebenfalls von seiten der EG-
Leute festgehalten, daß sie bezüglich einer Änderung des Zoll-
abbaues kein Mandat haben und Haferkamp sagt ganz trocken, auch
kein Mandat vom Rat bekommen würden. Hier ist jede Hoffnung auf
eine Änderung vollkommen sinnlos. Kehrer wehrt sich sehr dage-
gen, muß allerdings dann auf den Hinweis von Haferkamp zugeben,
daß selbstverständlich auch der jetzt vorliegende Vertrag für
die österreichische Wirtschaft ein Vorteil ist. Die Griechen
bekommen für 13 Mio $ Importe aus Österreich eine entsprechende
Zollbegünstigung, Österreich bekommt für die 12-Jahresliste
65 %, das sind 70 Mio $, sofort am 1. Jänner die Zollfreiheit und
für 35 Mio $, das sind ca. 35 %, wird ein 5 Jahre langsamer Abbau
letzten Endes auch zugesichert und damit die Zollfreiheit 1986
erreicht.

Der Rechtsstandpunkt wird genau erörtert und soll in einem
Briefwechsel festgehalten werden. Um in Hinkunft nicht auch bei
den Spanien- und bei den portugiesischen Beitrittsverhandlungen
zur EG nicht eine ähnliche Situation wie jetzt bei den Griechen
zu erleben, wird ein Informationsmechanismus vorgesehen. Die
EG hat so etwas mit Jugoslawien vereinbart und wird sich, wie
Haferkamp sagt, auch gerne Österreich gegenüber einer ähnlichen
Regelung bedienen. Der EG kommt es nur darauf an, nicht ein
Recht der Konsultation zuzugestehen.

Bezüglich der Wünsche der Landwirtschaft hat Lehner gleich, be-
vor ich überhaupt irgend ein Kompromiß anbieten konnte, schon
beim Essen und dann umso mehr in der Sitzung erklärt, er erwarte
nur eine wohlwollende Zusage, daß man über die 7.000 Stück Höhen-
rinder, die auf das 38.000-Stück-Kontingent aufgestockt werden


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sollen. Haferkamp erwiderte, daß er sich bereits in Wien damals
eingesetzt hat und immerhin 8.000 Stück damals auch durchsetzte.
Haferkamp hat bereits beim Essen und dann noch dezidiert bei
der Sitzung erklärt und zu seiner Verstärkung dann noch den Ver-
treter der Landwirtschaftssektion Werschur dazu aufgefordert,
wie die Situation auf dem Agrarsektor jetzt in Gemeinschaft
steht. Werschur erörterte dezidiert, daß eine Trennung zwischen
den EG, Griechenland und damit Österreich betreffenden Verhandlun-
gen und einer Rinderaufstockung unbedingt gezogen werden muß.
Weiters sind derzeit alle Außenbeziehungsprobleme der Agrarier
suspendiert. Nach Lösung der EG-internen Agrarfrage muß erst
die Rindfleischintervention und Subventionsfrage den Außenlän-
dern geregelt werden. Hier ist vor allem die Abschöpfungsfrage
mit Rindfleisch zu lösen. Eine weitere Hypothek durch jetzt zu-
sätzliche Maßnahmen haltet Werschur für falsch. Lehner ging
sofort darauf ein und meinte, man wolle nur den Wunsch deponie-
ren.

Beim Essen hatte Haferkamp sehr freimütig gesprochen, daß jetzt
das Agrarproblem für die Gemeinschaft eine Zerreißprobe dar-
stellt. Mit England müssen jetzt zuerst die Preise der landwirt-
schaftlichen Produkte, für dieses Jahr ca. 5 % Erhöhung, geregelt
werden. Anschließend muß der EG-Agrarfondsbeitrag von den Englän-
dern akzeptiert werden. Offen ist das Problem der Fischerei und
vor allem der riesige Streit zwischen Frankreich, Schafimporte
aus Großbritannien. Frankreich hat entgegen einem Beschluß und
vor allem auch gegenüber einer Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes nach wie vor abgelehnt, die Schafe aus England
nach Frankreich reinzulassen. Eine solche Situation hat es in
der EG noch nie gegeben. Dazu kommt dann noch, daß mit GB auch
die Nordseeöllieferung geklärt werden muß. Solange diese offenen
Fragen nicht in einem Paket zu einer Lösung gebracht wurden, be-
steht überhaupt keine Aussicht, daß der österreichische Wunsch,
von 7.000 Stück Höhenrinder mehr zu liefern, auch nur diskutiert
werden kann. Lehner hat zu meiner größten Überraschung schon
beim Mittagessen und noch viel mehr dann in der Sitzung darauf
verwiesen, daß er nur deponieren will. Lehner hat mir dies auch
nachher erklärt. Bei einer Aussprache zwischen Haiden und dem


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EG-Kommissar für die Landwirtschaft, Gundelach, hat Haiden
einmal einen härteren Ton angeschlagen und die Forderungen de-
zidierter unterstrichen, worüber Gundelach so verärgert war,
daß dann gar nichts gegangen ist. Lehner steht also ganz im
Gegensatz zur ÖVP-Parlamentsfraktion auf dem Standpunkt, unter
gar keinen Umständen eine harte Linie einzuschlagen. Dies kann
nur alles verderben und bringt nichts. Ich hoffe, daß er sich
auch bei der ÖVP durchsetzt.

Nach dieser gemeinsamen Aussprache hatten wir dann noch eine
Nachbesprechung. Dort stellte ich fest, daß ich diese Vorsprache
als positiv betrachte. Bezüglich des Rechtsstandpunktes wird
jetzt ein Briefwechsel zu formulieren sein, wo die Handelskammer
nicht nur entscheidend mitwirkt, sondern ich sofort verlangte,
sie sollten einen ständigen Delegierten zu diesen Besprechungen
in die Mission schicken. Kehrer erklärt, er wird sich dies über-
legen, glaubt aber, daß es nicht notwendig ist. Bezüglich der
Rinderexporte hat ja Präs. Lehner genau alles erreicht, was er
wollte und bezüglich der Information können wir hoffen, daß wir
eine bessere Zusammenarbeit bei den EG-Beitrittsverhandlungen
für Spanien und Portugal erreichen können. Jedermann muß sich
klar gewesen sein, daß eine Änderung des Vertrages durch angeb-
lichen Abbau der Diskriminierung nicht zu erreichen ist und war.
Kehrer meinte, dies müsse man mit Bedauern zur Kenntnis nehmen,
da die EG ja niemals von einer Diskriminierung spricht, sondern
eben nur von einer anderen Ausgangsbasis des Zollabbaus. Da ge-
nau wie bei den sensiblen Produkten beim großen Vertrag 1972
dieses Problem der Diskriminierung oder der unterschiedlichen
Ausgangslage in 5 Jahren zu Ende ist, besteht für mich gar kein
Zweifel, daß der Vertrag letzten Endes auch von der Handelskammer
akzeptiert wird. Die Handelskammer war es ja, die durch 8 Jahre
mir bei jeder Gelegenheit immer wieder empfohlen hat, ich sollte
doch unbedingt auf eine Lösung des Griechenland-Problems drängen.
Jetzt ist es erreicht und nun spielt die Handelskammer sich aus-
schließlich auf einen Rechtsstandpunkt zurück, der, wie sich
Kehrer jetzt selbst überzeugen konnte, sehr ins Auge gehen kann.
MR Steiger meint, die Handelskammer sei ebenfalls schon von der
Richtigkeit seiner Verhandlungsführung und dem Ergebnis über-


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zeugt, nur mehr Dr. Schwarz will seinen Justamentstandpunkt,
nämlich auf ein fragliches Recht bestehen, unter allen Umständen
aufrecht erhalten. Dies kann stimmen. Ich werde dies beim
nächsten Jour fixe bemerken. Erschütternd für mich ist aber,
wie die Handelskammer das Verhandlungsergebnis von MR Steiger
runtermacht, um zu sagen diskriminiert. Dies hätte ich niemals
erwartet. Ich habe auf eine diesbezügliche Bemerkung von Kehrer
und Lehner vor allen österreichischen Teilnehmern erklärt, daß
ich volles Vertrauen zu den Beamten habe, die dies verhandelten,
und mich stets mit ihnen gemeinsam zu einer entsprechenden Lö-
sung durchgerungen habe. Da die Interessensvertretungen ja immer
dabei sind und nicht ein Beistrich geändert wird, wo sie nicht
letzten Endes zustimmen, wundere ich mich mehr denn je über die
jetzige Haltung der Handelskammer.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte alle Kabel diesbezüglich besonders
sammeln und für Jour fixe dann bereitstellen.

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Tagesprogramm, 12.5.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: dän. EG-Agrarkommissar


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    Tätigkeit: HK


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Finanzminister
      GND ID: 118503049


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        Tätigkeit: Präs. LWK


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          Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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            GND ID: 115563237


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              Tätigkeit: "Vertr. Landwirtschaftssektion" (wovon? EG?); vmtl. Falschschreibung


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                Tätigkeit: LH Sbg.


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                  Tätigkeit: MR HM


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                    Tätigkeit: ung. Ministerpräsident


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                        Tätigkeit: MR HM


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Wr. Wirtschafts- u. Finanzstadtrat


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                            Tätigkeit: Gen.Sekr.


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                              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                                Tätigkeit: EG-Kommissar


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                                  Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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                                    Tätigkeit: Botschafter


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                                      Tätigkeit: Staatssekretär BKA


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