Samstag, 10. Mai 1980, und Sonntag, 11. Mai 1980
Lambsdorff hat eine Pressekonferenz in der Früh gegeben und
wir einigten uns darauf, daß ich ihn dazu auch begleiten sollte.
Selbstverständlich wurde ich dort nicht gefragt, konnte aber
ein Mißverständnis über die Stromlieferung in die Bundesrepublik
aufklären. Interessant für mich war, daß eine große Anzahl von
Redakteuren selbst am Samstag in der Früh zur Pressekonferenz
gekommen ist. Gefragt haben aber wieder nur 3.
Die Gesamtvorstandssitzung der Deutschen Handelskammer, an der
ich dann auch noch teilgenommen habe, war eine rein formelle, mit
einem entsprechenden Kurzreferat eines Vorstandsmitgliedes.
Selbstverständlich wickeln sich solche Jubiläumsfeiern immer
im entsprechenden Rahmen ab und diesmal war es eben das Hotel
Imperial resp. dann der Musikvereinssaal.
Die Ordensverleihung, der Präsident des Deutschen Handwerkes
erhielt einen ungeheuren hohen Orden. In Österreich bekommt dies,
glaube ich, der Staatssekretär, niemals ein Beamter und kaum ein
Wirtschaftsmann. Auch die anderen Deutschen, die ich dekorierte,
wurden hoch ausgezeichnet. Da es mir persönlich ja ganz egal ist,
bei den Beamten aber sicherlich ein ungeheures Mißgefühl auslöst,
zelebriere ich natürlich diese Auszeichnungsveranstaltungen.
Dies freut natürlich sehr.
In der Festveranstaltung wurden Begrüßungsansprachen vom Präsi-
denten der Deutschen Handelskammer, Hinteregger, Sallinger,
Wolff von Amerongen, Lambsdorff und dann auch Kreisky gehalten.
Hinteregger, der ganz lustig einleitet, bezeichnete mich als
den guten Onkel der Deutschen Handelskammer. Sallinger unter-
strich seine Tätigkeit, um die deutschen Wirtschaftsbeziehungen
zu verbessern. Amerongen hielt ein gutes Referat über die Wirt-
schaftsprobleme und zur größten Überraschung aller hielt
Lambsdorff dann eine sehr humorvolle Rede. Lambsdorff gilt als
trocken, es muß ihm daher ein ghostwriter diese guten Geschichten
aufgeschrieben haben. Da Lambsdorff auf Bonn kritische Bemerkun-
54-0590
gen macht, kamen diese bei den Deutschen gut an und natürlich
noch mehr bei den Österreichern. Kreisky erwähnte unsere Be-
mühungen, den deutsch-österreichischen Handel zu verbessern,
die politischen, ja selbst die Wirtschaftsbeziehungen sind ja
problemlos. Überrascht war ich, daß er namentlich herausstrich,
welche Bedeutung das Handelsministerium bei der Zulieferung
österreichischer Unternehmer an die Autoindustrie hat. Vielleicht
war es nur eine Reaktion Kreiskys auf die Ausführungen Sallingers.
Ich informierte Kreisky, daß ich Montag kurz nach Brüssel fahre,
um mit Lehner und Kehrer den österreichischen Standpunkt noch
einmal klar zu machen. Kreisky gab mir zu überlegen, ob nicht
auch Haiden mitfahren sollte. Ich werde dieses Problem sofort
mit Haiden besprechen.
Beim Mittagessen hat das Protokoll wieder im wahrsten Sinne des
Wortes zugeschlagen. Ich saß zwischen zwei Frauen, mit denen
ich gerade die Familienprobleme und die Urlaubswünsche besprechen
konnte.
Nachmittags mußte ich dann vor der versammelten Mannschaft der
Außenhandelskammern Deutschlands fast der ganzen Welt den
zweiten Teil der Ordensverleihung vornehmen. Vorher hatte
Lambsdorff in einem Kurzreferat die Bedeutung der Deutschen
Handelskammern herausgestrichen. Da Lambsdorff nach Melk fahren
wollte, um die Ausstellung Joseph II. zu besuchen, hatte er mich
ersucht, ich sollte ihn so schnell wie möglich von dort loseisen,
was auch dann tatsächlich gelungen ist. Umso mehr habe ich
dann versucht mit Wiener Schmäh diese Veranstaltung humorvoll zu
gestalten. Diese 60 Jahre Handelskammer in Österreich war eine
ungeheuer aufwendige, aber auch, wie ich zugeben muß, würdevolle
Veranstaltung. Was mich am meisten interessiert hätte, wie die
Bundesrepublik auf die Boykottforderungen der Amerikaner rea-
giert, konnte ich im Detail trotzt intensivstem Befragen kaum
herausbringen. Glücklich sind sie keinesfalls. Gegenüber Iran
werden sie einen vollen Boykott unterstützen, gegenüber der
Sowjetunion aber höchstens die seinerzeitige Embargoliste wieder
aufleben lassen. Bei dieser COCOM-Liste handelt es sich um
54-0591
strategische Waren, die eigentlich die ganze Zeit hätten nicht
geliefert werden dürfen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wie wird das bei uns gehandhabt?
Sonntag, 11. Mai 1980
Eine telefonische Rückfrage bei Haiden ergab, daß der Landwirt-
schaftsminister nach Brüssel nicht mitfahren könnte. Er hat
vor längerer Zeit den Jugoslawen einen Besuch zugesagt und ihn
in der letzten Regierungsvorbesprechung ausdrücklich beschließen
lassen. Haiden bestätigt mir neuerdings, daß meine Vorstellung
richtig ist, wonach nur ein Minister nach Brüssel fahren sollte.
Da die Griechen jetzt den Viehimport und Fleischimport gesperrt
haben und er als Gegenmaßnahme die Einfuhr von Obst und Gemüse
sperrt, wäre er auch gar nicht der richtige Verhandlungspartner,
der jetzt mehr oder minder zur Kenntnis nehmen muß, daß er Brüssel
wahrscheinlich doch keinerlei Erleichterungen geben kann. Ob
sie wollen, steht gar nicht zur Debatte. Haiden wird Bundeskanz-
ler Kreisky noch vor seiner Abreise über seine Meinung informie-
ren.
Haiden hat mir versprochen, er wird mir noch vor meiner Abreise
alle Unterlagen bezüglich der In- und Exporte sowie insbesondere
das Phasensystem für Obst- und Gemüseimporte und die entsprechen-
den Mengen, die geliefert wurden, zur Verfügung stellen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die Unterlagen sofort beschaffen.
Graf Lambsdorff wollte unbedingt noch die Maria Theresia-Ausstel-
lung sehen, die aber erst kommende Woche eröffnet wird. Zu
meiner größten Verwunderung gelang dies, was Lambsdorff sehr be-
eindruckte.
Tagesprogramm, 10.5.1980