Freitag, der 15. Februar 1980

53-0195

Freitag, 15. Feber 1980

Die Betriebsräte der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabrik, jetzt
SUGANA, wollen sich hinter ihren Direktor stellen, der für eine
unzulängliche Eichung der Waage verantwortlich gemacht wird.
Durch den unzulänglichen Eichungsvorgang wurden die Bauern
angeblich geschädigt und der Vorstand hat sofort beschlossen,
5 Mill. S nachzubezahlen. Ob die Bauern tatsächlich geschädigt
wurden, kann niemand nachweisen. Als die Arbeiter für eine, wie
sie glaubten, berechtigte Forderung 250.000 S verlangten, er-
klärte der Vorstand, dafür kein Geld zu haben. Da der Betriebs-
direktor, sei es aus Schuldgefühl, sei es aus tatsächlicher Ver-
schuldung, aber nicht kämpfen will, warnte ich unsere Betriebs-
räte vor diesbezüglichen Aktionen. Der Direktor hofft und wird
wahrscheinlich durch Unterstützung der Betriebsräte auf einen
gleichwertigen Platz der Sugana versetzt, in zwei Jahren, wie
beabsichtigt, in Pension gehen.

Die Exponenten für ein Ausstellungsschiff, welches mit österr.
Waren die Weltmeere kreuzen sollte, haben jetzt in Dr. Seiler
einen bayrischen Treuhänder, der die Investitionen durch Be-
teiligung von deutschen Firmen, die an Verlustabschreibungen inter-
essiert sind, mitfinanzieren soll, bei mir neuerdings vorgesprochen.
Die 36 Mio S Kapitaleinlage haben sie angeblich beisammen,
sodass die Gesellschaftsgründung erfolgen könnte. Das 5.000 BRT-
Schiff würde 200 Mill. S Investitionen verschlingen. Ich habe
das Gefühl, diese Exponenten wollen insbesondere auch dem
deutschen Treuhänder gegenüber ihre guten Verbindungen zum
Handelsminister dokumentieren. Ich habe ihnen klar und deutlich
gesagt, dass nur die Bundeshandelskammer mit ihnen das Problem
der Beteiligung der österr. Firmen an diesem Ausstellungsschiff
durch Mieten von Kojen zuständig sei.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wenn sie wieder kämen, bitte an Handelskammer
verweisen.

Sekt.Chef Frank und Jagoda werden als Gegengutachten gegen das
Gegengutachten der Mag.Abt. 22 wegen des Kohlekraftwerkes in
Zwentendorf die von Gesundheitsminister Salcher verlangte Umwelt-


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verträglichkeitsprüfung veranlassen. Jagoda schlägt vor, dass
von Seiten des GUSCH ein Arzt, der mit Betriebsanlagenverfahren
etwas zu tun hat, der Abteilungsleiter Dr. Wendruba herangezogen
wird. Frank wird mit das Akademie der Wissenschaft, die jetzt
für ein Gegengutachten herangezogen wird, diesbezügliche Gespräche
führen.

Eine Aussprache mit Gesundheitsminister Salcher wegen Personal-
problemen bringt volle Zustimmung zum Vorschlag Wendruba. Bezüglich
des Wunsches, in die Codex-Kommission anstelle von Min.Rat Hauffe
Dr. Smolka zu nominieren, gibt es grössere Bedenken. Mit Brachial-
gewalt würde Salcher eine solche Lösung durchziehen. Dies halte
ich aber nicht für zweckmässig. Wir einigen uns daher darauf, dass
Wendruba sofort als nominiert gelten kann, die Frage Smolka ver-
tagen wir. Hier werde ich noch die weitere Entwicklung abwarten.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte die Umweltverträglichkeitsprüfung
sofort einleiten.

Die Besprechung mit den Vertretern der OeNB bezüglich der Zahlungs-
bilanzsituation, Gen.Dir. Kienzl, Vorstandsdirektor Rieger,
Leiter der Zahlungsbilanz Danzinger, Leiter der Volkswirt. Abteilung
Proske und der Interessensvertretungen sowie mein Büro brachte
eine gute Analyse der Situation, aber keine Lösungsvorschläge,
die in absehbarer Zeit das Leistungsbilanzdefizit verbessern
könnten. Das 1978 erzielte geringe Defizit von 6 Mia S war
die Ausnahme. 15–20 Mia sind scheinbar auf unserer Aussen-
handels-, Fremdenverkehrs-, Transitleistungen und insbesondere
statistische Differenzberechnung übliche Defizitgrösse. Die Einzel-
vorschläge, die österr. Reisebüros zu einem stärkeren Incoming
zu veranlassen, die Auslandsreisen weniger zu fördern, den Winter-
urlaub zu verlängern, damit automatisch die Leute sowieso dann
in Österreich bleiben, sind interessante, aber ich glaube
unzulängliche Lösungsvorschläge. Formell wurde viel erreicht,
weil jetzt endlich das Incoming-Pool-Geschäft zustandekommt.
Daran wird sich sogar die Österr. Fremdenverkehrswerbung beteiligen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER u. MR MARSCH: Bitte die Kontakte mit Danzinger
und Proske fortsetzen, damit wir endlich auf diesem Gebiet bessere
Informationen bekommen.



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Zum Preisantrag der Mineralölwirtschaft wünscht die Arbeiter-
kammer ein neues Kalkulationsschema. Die Preiskommission müsste
ungeheuer viele Details über Erdölimporte, Preise und Kosten
bekommen. Die Ölwirtschaft wird dies mit aller Entschiedenheit
ablehnen, da dadurch ihr Preisantrag noch länger geprüft wird,
als dies jetzt schon der Fall ist. Da letzten Endes aber dann
bei allen diesen Preisanträgen ein Kompromiss herauskommt, das
sicherlich betriebswirtschaftlich unzulänglich von mir auch kaum
genau geprüft und damit belegt werden kann, sehe ich in diesem
Kalkulationsschema auch nicht den Stein der Weisen. Die Öl-
wirtschaft wird sicherlich dann mit einem Gegenkalkulations-
schema kommen, wo sie automatisch ihre Preiserhöhungen dann
genehmigt bekommen möchte. In Hinkunft kann es daher, wenn
dieser Weg fortgeschritten wird, entweder zu einer automatischen
Preisregulierung führen, oder zu einem noch fulminanteren Streit
zwischen Arbeiterkammer und Ölwirtschaft, als es jetzt bereits
der Fall ist.

Überrascht war ich, dass NR Schmidt, ÖGB, behauptet er hätte
jetzt nigerianisches Importöl angeboten bekommen, das sich
durch bessere Ausbeute so günstig stellt, dass der jetzige Bündel-
erlös diese 30 Dollar pro Barrel Ölpreis leicht deckt. Angeblich
aber hat die ÖMV grössere Importe abgelehnt.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte trachte die Unterlagen von Schmidt
so schnell wie möglich zu bekommen.

Dr. Zöllner und der Ölpreisreferent der Arbeiterkammer Maurer
sind der Meinung, die 2 Mia S Windfall-Profit der ÖMV müsste
man auch bei den Kalkulationsdurchrechnungen heranziehen.
Auf der einen Seite möchte der Präsident der AK mit dem
Präsident der ÖGB so schnell wie möglich ein neues Arrangement
über die Benzinpreise herbeiführen, auf der anderen Seite werden,
so ist zumindestens mein Eindruck, von den Beamten der Arbeiter-
kammer ununterbrochen neue Forderungen und Schwierigkeiten
bereitet. Ich fürchte, das tatsächlich diese zwiespältige
Haltung früher oder später die Zusammenarbeit ernstlich gefährden
wird.



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Zur Messeschiff-Finanzierung erklärt Dr. Kienzl, dass die OeNB
diese Exponenten sehr genau prüfen wird. Dagegen habe ich nicht
nur nichts einzuwenden, sondern bin darüber sehr froh. Ich werde
nämlich mit diesen Exponenten keinerlei Kontakte mehr haben.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Die Exponenten entweder an Bundeskammer oder
Nationalbank verweisen.

Bei der Ausschreibung der Industriesektion wird die Arbeiterkammer
überlegen, ob nicht auch ein Kollege von dort sich für diese
Position interessieren würde. Ich selbst wäre mit einer solchen
Vorgangsweise sehr einverstanden.

Koppe vom VKI glaubt tatsächlich, dass er ein Mietshaus mit 21 Mio
S Hypothekarkredit kaufen könnte. Eine genauere Analyse ergab, dass
er 2,8 Mill. S pro Jahr für die nächsten 20 Jahre Rückzahlungsrate
bräuchte, dem stehen 1,050.000 S Zinsenersparnis für seine Vermietung
und 1,1 Mio Mieterträgnis von Brevillier & Urban, die heute in
diesem Haus Mieter sind, gegenüber. Abgesehen davon, dass es mir
fraglich erscheint, warum dann Brevillier & Urban dieses Haus nicht
schon längst auch mit einem Hypothekarkredit gekauft hätte, fehlen
Koppe dann noch immer 650.000 S pro Jahr nach seiner Berechnung.
Darüber hinaus bräuchte er noch eine neue Halle, die 3,4 Mio S kosten
soll. Stadtrat Mayr hätte seinerzeit eine Verwendungszusage für
Finanzierungsfragen des Vereins für Konsumenteninformation gegeben.
Die möchte Koppe bei dieser Gelegenheit jetzt einlösen.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Ich möchte die genauere Finanzierung und
warum Brevillier & Urban nicht dieses Haus kauft, wissen.

Der EFTA-Vertreter des ÖGB, Muhm, berichtet mir über seinen Kontakt
mit den Europ. Gewerkschaften. Dort erwartet man, dass Österreich
so wie die anderen EFTA-Länder mehr oder minder auch in Zukunft
stark von den Europäischen Gemeinschaften diskriminiert wird.
Muhm sieht daher die einzige Möglichkeit, dass Österreich ver-
sucht, der EG beizutreten. Ich erkläre ihm mit aller Deutlichkeit,
dass ich persönlich seit Jahrzehnten mich gegen eine solche Politik
gewendet habe, dass wir jetzt auf Grund unserer Erfahrungen besser
fahren, als wenn Österreich Mitglied der EG wäre. Abgesehen davon
aber ist ein Beitritt meiner Meinung nach aus Neutralitätsgründen


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heute genauso unzweckmässig und unmöglich, wie dies vor
20 Jahren der Fall gewesen ist. Damals war es insbesondere
der Vizekanzler und Handelsminister Bock, der eine solche
Politik einleiten wollte, heute ist er auch der Meinung, es
war wesentlich besser, diese EFTA-Lösung und das Heraus-
halten Österreichs aus einer zu nahen Wirtschaftskontaktlösung
auf bilateraler Basis.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte auf Jour fixe AK/ÖGB setzen.

Beim Mittagessen der ÖMV für die venezolanische Delegation
war es möglich, 500.000 t Rohöllieferung sehr detailliert
mit der Delegation zu besprechen. Dabei war für mich interessant,
und wichtig, dass es nicht darauf angekommen ist, den Energie-
minister Berti dafür zu gewinnen, sondern den für den Verkauf
zuständige General der verstaatlichten Ölgesellschaften. Dieser
erklärte, für heuer gibt es keine Möglichkeit mehr, er wird aber
sehr konkrete Verhandlungen mit Gen.Dir. Bauer von der ÖMV
in Venezuela führen, wenn er im Mai nach Caracas kommt. Bauer
ist fest davon überzeugt, dass diese 500.000 t konkret verein-
bart werden können.

Dieselben Gespräche führte ich dann am Abend mit Kirchschläger,
Kreisky und Pahr bei dem Galaessen vom Bundespräsidenten für
den venezolanischen Präsidenten. Während Pahr, bei einem
Aussenminister geht es ja gar nicht anders, mit seinem Amts-
kollegen eine tour d'horizon führte, hoffe ich, dass es
als positives Ergebnis nicht nur bei der Zusage der Öllieferung
bleibt, sondern für die nächsten Jahre, wenn auch nur 500.000 t
abgeschlossen werden können. Kreisky meinte zwar, dies würde
durch eine höhere Transportkostenbelastung unrentabel sein,
GD Apfalter, der zu diesem Essen geladen wurde, Bauer war
nicht eingeladen, bestätigte mir aber, dass es ohne weiteres
möglich ist, die Weite leicht zu überwinden. Er importiert aus
Südamerika bekanntlicherweise Eisenerz, weniger wertvoll, mehr
voluminös, eine Rohöltransportlösung ist möglich, eine Trans-
portkostenbelastung leicht zu verkraften.



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Dieses Abendessen hat unerwartet lang gedauert, insbesondere
beim Kaffee sassen wir dann stundenlang herum, ich hatte das
Gefühl, dass der Präsident Herrera Campins wartete, bis Kirch-
schläger
den Aufbruch signalisierte, Kirchschläger, neben dem ich
sass, meinte, das Protokoll hätte schon längst müssen die ent-
sprechenden Schritte veranlassen. Der venezolanische Botschafter in
Österreich hat mit unserem Botschafter Löwenthal auch diesbezüglich
einige Male gesprochen, angeblich war aber trotz der 180-köpfigen
Delegation kein richtiger Protokollchef, da es sich ausserdem
um keinen hochoffiziellen Besuch handelte, fühlte sich scheinbar
niemand dafür verantwortlich. Kirchschläger selbst, und das sagt
etwas, war daher über diese Verzögerungen und über die mangelnde
Protokollabwicklung verärgert, von mir will ich gar nicht sprechen.

Dem Staatsminister, dem Präsidenten des Investitionsfonds, Bruzual,
habe ich die von der Handelskammer gelieferte Übersetzung in
Spanisch der Vöest-Geschäfte übergeben. Ich war überrascht von
der Handelskammer jetzt zu hören, dass sie die allgemeine Liste,
die in Deutsch vom Aussenministerium ausgearbeitet war und die
als Grundlage der Besprechung mit den Venezolanern diente,
nicht wünscht, dass in Spanisch übersetzt den Venezolanern gege-
ben wird. Eine so unzulängliche Vorbereitung wie dieser Besuch
war schon lange nicht der Fall. Einzelfirmen haben spanische
Unterlagen mir überreicht, damit ich sie den Venezolanern
gebe, die Handelskammer hatte keine Unterlagen geliefert, das
Aussenministerium die auch für mich neue Investitionsliste. Immer
regt sich bei uns jemand im Handelsministerium auf, dass irgend-
welche andere Stellen aktiv einschreiten oder sich einschalten.
Dass wir aber unzulängliche Unterlagen haben, diese dann nicht
einmal entsprechend übersetzt zur Verfügung stellen, ist der
wahre Grund, warum eben die anderen stärker in Erscheinung treten
können und müssen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte in Hinkunft zeitgerecht Unterlagen
vorlegen.

53_0194_01

Tagesprogramm, 15.2.1980

53_0194_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: öst. Botschafter in Venezuela (?)


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Präs. Venezuela


    Einträge mit Erwähnung:


      Einträge mit Erwähnung:
        GND ID: 119100339


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GD ÖMV


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Minister f. Bergbau u. Energie Venezuela


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Beamter HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: GD VÖEST


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vw. Büro OeNB


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: AK


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Chef Energiesektion


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Organisator Ausstellung österr. Avantgarde in den USA


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: MR HM


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Wr. Wirtschafts- u. Finanzstadtrat


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: AK


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Zahlungsbilanz-Büro OeNB


                                      Einträge mit Erwähnung:


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: AK


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: vw. Referat ÖGB


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Präs. Investitionsfonds Venezuela


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                                      Tätigkeit: Abteilungsleiter "GUSCH"; evtl. "Wenduba"


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                        GND ID: 118566512


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                                                          Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                          GND ID: 118723189


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                                                            Tätigkeit: MR HM
                                                            GND ID: 133521052


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