Donnerstag, 17. Jänner 1980
Bei der Regierungsklausur hat Kreisky letzten Endes zugestimmt,
dass Vecsei in den Bundespressedienst aufgenommen wird und sofort
dem Handelsministerium überstellt. Seine Bedenken waren, dass
Frau Staatssekretär einen eigenen Pressereferenten bekommen
sollte. Er lehnt scheinbar jedwede Personalbesetzung der Staats-
sekretariate ganz entschieden ab, ich glaube sogar mit Recht.
Kreisky's Referat begann, wie wäre es anders möglich, mit der
Aussenpolitik. Die UNO ist eintragbares Instrument. Das Ergebnis
von der Ablehnung der afghanischen Besetzung wirkt in Russland
so stark, dass man nicht einmal sich getraut das UNO-Ergebnis der
Abstimmung der Bevölkerung mitzuteilen. Jugoslawien gibt sich
alarmiert, das ist dasselbe wie 1969. Kreisky ist fest davon über-
zeugt, dass die UdSSR 1980 jetzt nichts riskieren wird, was Stalin
nicht einmal sich getraut hätte. Eine Intervention der UdSSR
schliesst er aus, obwohl natürlich der Hafen Kotor von ihnen sehr
gerne benützt würde. Er erörterte dann die Weltwirtschaftssituation
und ist überzeugt, dass es ein Wettrüsten geben wird. Auf höherem
Niveau wird man dann neuerlich einen Entspannungsversuch versuchen.
Österreich sollte auf alle Fälle hier nicht mitmachen und er bleibt
dabei, dass am 15. Mai zu 25 Jahre Staatsvertrag die vier alliierten
Minister eingeladen werden sollen, selbst auf das Risiko, dass nur
die Russen kommen. Die zweite wichtige Frage ist die Energiesitu-
ation. Hier handelt es sich um kein Mengen-, sondern um ein reines
Preisproblem. Als Alternative hat er jetzt den Ölschiefer in der
USA entdeckt. Wahrscheinlich hat irgend jemand ihm diese Alternative
ganz besonders eingeredet. Bekanntlich ist der Ölschiefer in USA
nichts anderes als eine reine Preisfrage. So bald der Rohölpreis
ein gewisses Niveau erreicht haben wird, wird der Abbau dort ren-
tabel. Kreisky schätzt innerhalb von 3 Jahren. Kohle stört die
Ökologie, Solar kann niemals eine Grossgewinnung jetzt ermöglichen.
Entscheidend sei der gespaltene Energiepreis. Ausbauen ?? sollte
man nicht erschweren, aber doch einen Zuschlag für den Mehrverbrauch.
Er sprach sich gegen eine Erhöhung des Benzinpreises auf einmal
aus, wobei gleichzeitig die Mineralölsteuer abgegolten werden soll.
Hier möchte er die Landeshauptleute verantwortlich machen und ein-
binden. Die Quellenbesteuerung sollte man genau überlegen. In der
Schweiz gibt es sie und dort gilt auch das Bankgeheimnis. Die
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Industriebeschäftigung müsste man ankurbeln, durch Industriali-
sierung, Umstrukturierung und Export. Innenpolitisch meint er,
die ÖVP hat mit der Länderfrontpolitik Schiffbruch erlitten. Sie
war zu plump. Jetzt stellt sie sich auf die Föderalismusfront
ein. Dort ist die mittelbare Bundesverwaltung aber für die
Länder sehr positiv. Der Bund muss die Steuern einheben, die
Polizei und vor allem das Militär sind die negativen Seiten.
Alles andere ist mittelbare Bundesverwaltung und das voll-
ziehen die Landeshauptleute. Er ist für eine Demokratisierung der
Bezirksverwaltung, so wie dies in Bayern und in Süddeutschland
schon jetzt geschieht. Er appelliert an die Landeshauptleute keine
Front gegen diese Idee zu machen, sondern jetzt einmal zumin-
destens durch eine Kommission studieren. Dann ersucht er sofort
Androsch über die Wirtschafts- und Kreditsituation zu berichten.
Androsch legt ein OECD-Interfuture vor. Das Wirtschaftsfor-
schungsinstitut hat hier eine grosse zukünftige Arbeit geleistet,
für aktuelle Probleme kaum brauchbar. Die Energieausgaben von
10 Mia 1973 auf 33 Mia voriges Jahr und 44 Mia heuer sind un-
erträglich. Dies sind 55% unseres Handelsbilanzdefizits, 25%
noch die PKW-Importe dazu. Nach seiner Theorie kann man hier
sparen, dann sinkt auch das Handelsbilanzdefizit. Zu meiner
grössten – und noch mehr zu Albrechts Verwunderung – teilt er
mit, dass er jetzt mit den Ölmultis und der ÖMV und 200 Industriebe-
trieben, die industrielle Abwärme nützen könnten und
grosse Energieverbraucher sind, mit dem Handelsministerium
gemeinsam Verhandlungen führen möchte, um 500.000 Tonnen Öl
einzusparen. Im Aussenhandel, meint er, müsse man bei dem 5.
grössten Handelsbilanzländerdefizit Österreichs bei 5 Warengruppen,
u.a. Nahrungs- und Genussmittel und insbesondere bei den Regionen
Lateinamerika und sogenannten Schwellenländern, die, die also
bis jetzt vierte oder dritte Welt waren und jetzt sich verbessern,
unseren Aussenhandel vergrössern.
Sein Hauptproblem ist aber natürlich die Budget- und Währungspolitik.
Kredite sollen im Ausland aufgenommen werden vom Bund und von
der Österreichischen Nationalbank, um auch für die Inländer ge-
wisse Niedrigzinsmöglichkeiten in Österreich zu eröffnen. Die
Niedrigzinspolitik muss sich aber jetzt ändern. Wenn unser Handels-
bilanzvolumen, ca 500 Mia Schilling, 14 Tage nur durch leads and lags
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draussen bleiben, so kostet dies 20 Mia Schilling.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Bitte nachrechnen lassen.
Der Kapitalmarktzins wird gleichbleiben, die Kapitalabflüsse
durch die Österreichische Nationalbank durch die höheren Zinsen
in Deutschland sollen durch eine Diskonterhöhung um 1% sowie
durch höhere Finanzierungskosten auch für den Export, heute lasst
der Exporteur seine Erlöse draussen stehen, was mit zu den 20 Mia
Schilling beiträgt, in Hinkunft verhindert werden. Das Habenzins-
abkommen wird verlängert, ohne dass es geändert wird. Die Emissions-
anleihen sollen gesenkt werden, die Auslandstangente aber der
Österreichischen Kontrollbank und des Bundes werden erhöht. Der
Geldmarkt soll fein abgestimmt werden und gesenkt. Derzeit ist
er mit 9.5% zu hoch, da die Kreditkosten unter 9.5% liegen.
Derzeit ist der Geldmarkt also überhöht. Die Idee, Österreich
kann die deutsche Geldmarkt- und Kapitalmarktpolitik durch-
tauchen, hat sich nicht erfüllt. Die Österreichische Nationalbank,
das Finanzministerium, wird nächste Woche die entsprechenden Be-
schlüsse fassen.
Der Bund hat 79 4.2% Neuverschuldung oder 34 Mia Schilling gehabt,
das sind 3.7% des Bruttonationalproduktes. Die Ausgaben sind im
Budget gleichgeblieben, nur die Einnahmen brachten um 3.5 Mia
Schilling weniger durch Verzicht auf die Investitionssteuer
und durch die Exportkonjunktur, die bekanntlicherweise mehrwert-
steuerfrei sich abwickelt. Heuer würde die Neuverschuldung
3.15% betragen. Ein oberstgerichtlicher Entscheid aber sieht
jetzt schon vor, dass für die Bausparkassenerstattungsbeträge
der Bund 700 Mio Schilling wird leisten müssen und auch die
Länder entsprechend belastet werden. Gegenüber 1970 ergibt sich
folgende Änderung im Budget 1980 in Prozenten: Personal
26.9 auf 26.2, Investitionen 17.7 auf 18.2, Schuldendienst
7.8 auf 12.4, Familienleistungen 7.0 auf 9.7, Soziales ohne
Pensionszuschüsse 8.3 auf 7.8, Pensionszuschüsse 10.0 auf 7.9,
ÖBB-Defizit 4.5 auf 6.0. 1970 haben diese Ausgaben also 82%
des Budgets ausgemacht, 1980 werden es 87.5 sein. Für 1981
rechnet er beim Personal um 6 Mia Schilling mehr, bei den Inve-
stitionen um 1.5 Mia Schilling mehr, bei Schuldendienst um
8 Mia Schilling mehr, Pensionszuschüsse um 4.5 Mia Schilling mehr,
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insgesamt also 22 Mia Schilling mehr, obwohl er höchstens
17.5 Mia Schilling im Budget 1981 unterbringen kann. Auch
1980 gibt es bereits eine irrsinnige Liquidationslücke. In
der Pensionsversicherung wird er 6 Mia Schilling jetzt im
I. Quartal zuschiessen, dann ist die Bundesleistung erfüllt,
aber die Pensionsversicherung der Arbeiter könnte die Pensionen
im Herbst oder Dezember nicht mehr auszahlen. Die Arbeitslosen-
versicherung, Arbeitsmarktförderung, die 1969 60 Mio Schilling
ausgemacht hat, soll heuer 1,3 Mia Schilling betragen. Im Fonds
ist aber nichts mehr vorhanden. Im Strassenbau fehlen ihm 2 Mia
Schilling. Die Länder bekommen für die Projektierung 7% der Ein-
nahmen, das sind 800 Mio Schilling, obwohl sie grösstenteils
falsch projektieren. Im Wohnungsförderungsfonds usw. fehlen 8 Mia
Schilling, im Hochbau 3 Mia. Für Strassen fehlen 12 Mia in Summe.
Die Landeslehrer kosten 16 Mia Schilling. Dort wurden bei den
Landesbediensteten 68% mehr angestellt, gegenüber 3% beim Bund.
Im Katastrophenfonds fehlen 2 Mia. Insgesamt müsste er 41 Mia Schil-
ling haben. Die Mineralölsteuer möchte er trotzdem auf keinen Fall
jetzt schon erhöhen, Benya hat dies mit aller Entschiedenheit
verlangt, weil er meint, wir sollten nicht zweimal die Preiser-
höhung in diesem Jahr durchführen. Eine Quellensteuer möchte er
nicht ganz ausschliessen. In der Schweiz beträgt sie 35%, in
Frankreich 40%, in Belgien 20%. Österreich könnte bei 20% ca
5 Mia Schilling Einnahmen haben. Bei 41 Mia Schilling Lücke sind
2 Mia zwar nur ein Tropfen auf einen heissen Stein, aber ich
bin überzeugt davon, es wird kommen.
Kreisky ersuchte Sekanina, dieser meinte, alle 5 Jahre ist laut
Nationalratsbeschluss und Gesetzesauftrag ein Dringlichkeits-
katalog der Strassen zu erstellen, seiner Meinung nach wenig wert-
voll. Notwendig ist die gesamte Reorganisation des Baues. Die
Bundesgebäudeverwaltung sei eine Katastrophe. Genossen gibt es
dort fast überhaupt nirgends. Die Strassenbenützung sei ent-
scheidend, Brenner-Autobahn 22.000 Fahrzeuge pro Tag, die Tauern-
Autobahn nur 6.000. Einwurf von Gratz, der Gürtel 65.000.– Die
Süd-Autobahn will er weiterbauen, die Mur-Mürz-Furche aber mit
8 bis 9 Mia Schilling hat Vorrang. Er braucht 1981 2 Mia Schilling
mehr pro Jahr, hat aber durch die Vorbelastung 3,3 Mia weniger.
1982–1984 werden es dann sogar 5,5 Mia pro Jahr sein. Insgesamt
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fehlen ihm 20 Mia Schilling. 10 Groschen Mineralölsteuer-
erhöhung würde 480 Mio Schilling bringen.
Als nächster wurde Weissenberg aufgefordert. Dieser verwies darauf,
dass er am 1.1.1980 einen Reservefonds für Arbeitsmarktförderung
von 80 Mio Schilling nur hat. Im Budget ist zwar 1,3 Mia vorgesehen,
wenn es aber zu keiner Erhöhung des Beitrages kommt, muss der
Finanzminister dann Budgetmittel aufbringen. Zugesichert hat
er es, 600 bis 600 Mio Schilling beträgt heuer mindestens das
Defizit in der Arbeitsmarktförderung. Für 300 Mio Schilling sind
die Projekte vorbelastet. General Motors 82, Eisert 35, EUMIG
noch für Judenburg allein 47 Mio, die neuen notwendigen Mittel
gar nicht gerechnet, Rechberg, Arlander, Glanzstoff usw. Wenn er
die Arbeitslosenbeiträge um 0.1 %, derzeit 2.1 %, erhöhen kann,
bekommt er um 300 Mio mehr. 1970 betrug die Arbeitslosenabgabe 3 %
und wurde von uns entsprechend gesenkt.
Bezüglich der Pensionsversicherung ist es eine Katastrophe
bezüglich der Liquidität. Die Beiträge kommen 1/4 Jahr später,
wodurch sich automatische eine Lücke von 3 Mia Schilling ergibt.
Heuer fallen sogar noch gewisse Senkungen, wie z.B. die 105 %
Haftungsgrenze des Bundes, die auf 100 % gesenkt wurde, wieder
weg und es muss daher der Bund mehr an die Pensionsversicherungs-
anstalten bezahlen. Androsch hat keinerlei Detailzusagen gemacht
und auf Insistieren des Weissenberg nur erklärt, man müsse dies
gesamtmässig betrachten und ein Komitee sollte dies versuchen zu
lösen.
Kreisky forderte mich auf über die Energiesituation zu referieren.
Ich verwies auf die Unterlagen, erklärte, die Energieversorgung
ist auch heuer gesichert, obwohl natürlich noch nicht alle Ver-
träge bis ins einzelne abgeschlossen sind. Wichtig erscheint
nur, dass jetzt endgültig der Benzin- und Heizölpreis geregelt
wird., 50 resp. 60 Groschen. Alle waren glücklich, dass kein ge-
spaltener Preis zur Verrechnung kommt. Gleichzeitig verlangen
aber alle wieder, inklusive Kreisky, man sollte über die Energie-
preispolitik entsprechende Sparmassnahmen setzen, ohne dass der
kleine Konsument oder die Hausfrau belastet wird. Für mich wieder
einmal die Bestätigung, die ich ja Jahrzehnte jetzt feststellen
kann, es soll was geschehen, aber es darf niemand darunter leiden.
Dies geht nur, indem man eben ankündigt, ankündigt, ankündigt
und nichts konkret macht.
Nach mir wurde dann noch Haiden aufgefordert zu der Bauerndemon-
stration einige Worte zu verlieren. Die Bauern demonstrierten –
hauptsächlich waren Niederösterreicher gekommen – wegen des
Schweinepreisverfalls auf 15 Schilling, ihre Gestehungskosten
liegen über 20 Schilling. Haiden führt den Weltmarktpreisverfall
darauf zurück, dass in den anderen Ländern Grossproduzenten mit
hunderten von Schweinen den Markt beherrschen. Bei uns beträgt
die durchschnittlich Produktion höchstens 20 Stück pro Erzeuger.
Die Bauern waren, wie ich dann beim Wegfahren feststellen konnte,
sehr ungehalten und hatten sogar eine Zeitlang meinen Wagen blok-
kiert. Immer wieder sage ich den Chauffeuren, sie sollen sich
weit weg aufstellen.
Kreisky hat entschieden, dass er und Androsch die Pressekonferenz
bestreiten. Die Sorge der Landeshauptleute, dass sie dort irgend
etwas über die Föderalismusdiskussion sagen werden, hat er
sofort zerstritten . Es wird überhaupt nichts Konkretes ver-
lautbart. Da er gar nicht die Absicht hatte mich zur Pressekon-
ferenz zuzuziehen, bin ich natürlich sofort nach Beendigung
der Vormittagssaison weggefahren. Burian meinte, dies würde einen
sehr schlechten Eindruck bei der Presse ergeben. Ich bin eigent-
lich gegenteiliger Meinung. Wo ich nichts zu sagen habe, brauche
ich mich auch nicht herumdrücken.
Die Firma Peichär in Saalfelden, die ich wegen der Fremdenver-
kehrsaktivitäten, neuen Postkartenideen im Rahmen der Österr.
Fremdenverkehrswerbung und vor allem Wanderbares Österreich be-
suchte, legt grössten Wert auf eine weitere Zusammenarbeit.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte eine entsprechende Konzeption der
Österreichischen Fremdenverkehrswerbung verlangen.
Tagesprogramm, 17.1.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)