Freitag, der 16. November 1979

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Freitag, 16. November 1979

Vor der Fortsetzung des Parteitages gibt es sowohl in der
Gewerkschaftsfraktion als auch in der Fraktion der Wiener
Delegierten die Diskussion wegen der Anträge. In der Gewerk-
schaftsfraktion ist niemand der über die Ergebnisse der An-
tragsprüfungskommission berichten könnte. Für die organisato-
rischen Fragen wurde eine eigene Antragsprüfungskommission
bestimmt, wo der leitende Sekretär Hofstetter Mitglied war und
auch berichtete. Für die nicht organisatorischen Fragen war
in der eigenen Antragsprüfungskommission der Präsident des
Gewerkschaftsbundes Benya selbst. Dort wurde auch über den
6-Stunden-Arbeitstag der Frauen diskutiert und abgelehnt,
genauso wie über die Anträge der sozialistischen Jugend be-
züglich der 35-Stunden-Woche und der Sozialversicherungsände-
rung. Da sich niemand auskannte, wurde selbstverständlich im
Prinzip die Haltung des Gewerkschaftsbundes neuerdings be-
kräftigt, man könne sich nicht in der Sozialpolitik ohne dass
mit dem Gewerkschaftsbund vorher gesprochen wurde, präjudi-
zieren lassen. Die Ablehnung der Anträge war für die Gewerk-
schafter daher selbstverständlich. In der Wiener Delegiertenkon-
ferenz gab es bezüglich der Berichterstattung keine Probleme.
Minister Lanc, der Vertreter der Wiener in der Antragskommis-
sion, hatte nur Schwierigkeiten, weil einige Frauenvertreter,
u.a. auch Firnberg, die neben mir sass, sich allerdings nicht
zu Wort meldete, sondern mir gegenüber nach wie vor für den
Frauenantrag – 6-Stunden-Arbeitstag – eintrat. Sie behauptete
allen Ernstes, dass der Gewerkschaftsvorschlag, lieber den Urlaub zu
verlängern, als eine kürzere tägliche Arbeitszeit typisch männer-
bezogen und frauenfeindlich ist. Von einem längeren Urlaub hat
die Frau nichts, muss sie doch auch während des Urlaubs meistens
ihrer Haushaltspflicht nachkommen. In dieses Schlamassel ist die
Partei letzten Endes nur dadurch geraten, dass eben die ehema-
lige Wiener Sekretärin Dohnal, wie mir nachher unsere Bezirks-
sekretärin Tischler erklärte, ohne vorher mit den Gewerkschaften
zu sprechen, bei einer Frauentagung diesen 6-Stunden-Tag vorschlug.
Tischler hatte damals 1 1/2 Stunden polemisiert und immer wieder
gesagt, hier müsste man mit der Gewerkschaft vorher sprechen.



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Dohnal erklärte rundweg, dies hätte sie getan, obwohl sich dann
herausstellte, dass auch die Frauen in der Gewerkschaftsbewegung
damit niemals vorher von ihr kontaktiert wurden. Einmal mehr
konnte ich feststellen, dass das Nichtkontaktieren verheerende
Folgen in wichtigen Fragen haben kann.

Im Parteirat hielt dann nach der Diskussion der Anträge, bevor
die Zentralsekretäre und der Klubobmann das Schlusswort bekamen,
Kreisky sein ganz auf Aussenpolitik aufgebautes Referat. Bewusst
bescheiden und sehr geschickt leitete er ein, man hätte ihm die
Teilung vorgeschlagen, Fischer, Blecha, Marsch sprechen über die
aktuellen Fragen und er wurde ersucht über die wichtige europäische
sozialdemokratische Entwicklung zu referieren. Für den, der ihm
nicht kennt, musste der Eindruck entstehen, jemand anderer als
er selbst hätte diesen Parteitag nicht arrangiert und letzten Endes
auch einen Parteitag ausschliesslich für ihn gemacht. Dies liegt aber primär
natürlich in seiner unbestrittenen Führungsrolle. Richtig ist,
dass er diese sehr interessante Parteitagsrede selbst aufgesetzt
hat und wenn er unterspielt, dann um ja nicht seine überragende
Rolle, die niemand streitig machen kann, optisch zumindestens
herabzusetzen. Seine unbestrittene Führungsqualität und noch viel
mehr seine unbestrittene derzeitige Stellung innerhalb der Partei
kam auch letzten Endes dann bei der Bestätigungsabstimmung des
vom Vorstand vorgeschlagenen Präsidiums zum Ausdruck. Eine einzige
Streichung, von der man annimmt, er war es selbst, Androsch da-
gegen noch mehr als beim letzten Parteitag, nicht aber so viel als
er befürchtet und man allgemein erwartet hat. Am meisten der Obmann
der Steirer, Landeshauptmannstellvertreter Sebastian. In diesem
Bundesland rumort es also jetzt schon etliche Jahre.

In der Diskussion über Kreiskys Referat haben insbesonders die
Delegierten der sozialistischen Jugend die Polemik gegen revisio-
nistische Politik, Überheblichkeit und überhöhte Einkommen etlicher
Spitzenfunktionäre hart polemisiert. Schon sehr demagogisch, wes-
halb es Kreisky dann im Schlusswort recht ein leichtes war, auf
diese unsachliche Diskussion einzugehen und insbesondere Cap,
der ja die meisten Stimmstreichungen neben Konecny erhalten hat,
im wahrsten Sinne des Wortes niederzusetzen.



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Zu dieser Diskussion am Nachmittag kam ich durch die Bürohaus-
eröffnung von BASF ein wenig zu spät und erfuhr, dass Staats-
sekretär Albrecht unglücklich gestürzt ist, ins Rudolfspital
gebracht wurde und man dort einen Schenkelhalsbruch feststellte.
Sie war als ich sie dort sofort mit Frau Tischler besuchte, sehr
verzweifelt, weil sie meinte, kaum hätte sie begonnen und schon
passiere dieses Mißgeschick. Ich beruhigte sie und meinte, jetzt
hätte sie die gewünschte Zeit um die Tagebuchaufzeichnungen zu
lesen. Da sie allerdings am Montag erst operiert werden soll,
wird sie dazu erst Ende nächster Woche kommen.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte alles entsprechende veranlassen.

Bei der Eröffnung des neuen Bürohauses BASF in der Hietzinger
Hauptstrasse berichtete der Architekt, vor welchen Problemen
er gestanden ist. In einem Villenviertel ein grosses Bürohaus,
wo er noch dazu selbst in der Nähe wohnt und alle Freunde ihn
während des Baues heftigst kritisierten. Der Rohbau wirkte näm-
lich, wie ich mich selbst auch überzeugen konnte, ungeheuer
klotzig als Baumasse und hat dann erst bei der Fertigstellung
durch eine wirklich gut gedachte Gliederung, die Kritik zum Ver-
stummen gebracht. Ich selbst konnte anerkennend sagen, dass
dieses Bürohaus wesentlich besser in die Gegend passt, als nicht
weit entfernt der Architekt Peichl, wie immer wieder kritisiert,
dieses scheussliche Monstrum von einem ORF-Gebäude am Küniglberg
errichtet hat. Mit GD Seefelder aus Ludwigshafen, dem Mutterhaus,
und GD Buchner, Chemie Linz, der ja mit BASF eng liiert ist, be-
sprach ich dann die weitere wirtschaftliche Entwicklung auf dem
Chemiesektor. Die grosse Gefahr, die auch hier droht sind die
Umweltschützer. Im Mutterhaus in Ludwigshafen hat man deshalb
nicht nur die Idee ein eigenes Kernkraftwerk zu errichten aufge-
geben, sondern eingedenk der grossen Opfer 1923, wo es 1.000 Tote
gegeben hat auch jetzt in die Sicherheit ungeheuer viel Geld
investiert. Die Unterlagen, die ich für diese Rede bekommen habe
waren so unzulänglich, dass nicht einmal die österreichischen
Produktionsstätten von BASF aufschienen. Hätte ich mich nicht da-
ran erinnert, vor ganz kurzer Zeit die Farbenfabrik Kast & Ehinger
ausgezeichnet zu haben, hätte ich neben vielen anderen Gags über-
haupt keinen Bezugspunkt gehabt. Wenn ich bedenke, dass ich vor


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etlichen Wochen eine wirklich gute Unterlage vom Konsumenten-
schutz, Dr. Ladstätter, vervielfältigen liess und jedermann zur
Verfügung stellte, damit man die Schematik und die Art, wie ich
Unterlagen möchte, genau kennt, so kann ich überhaupt keine Er-
folge dieser Erziehungsarbeit bis jetzt feststellen. Insbesondere
brauche ich natürlich in allen Unterlagen die ich bekomme immer
wieder den Bezug auf bereits durchgeführte Eröffnungen, Auszeich-
nungsverleihungen, Zusammentreffen usw. der wichtigsten Daten
und Personen.

ANMERKUNG AN ALLE: Ich bitte in Hinkunft darauf stärker zu achten.

Stadtrat Nittel hat neuerdings wegen der Elektrizitätspreisfest-
setzung mit 1. Jänner mit mir gesprochen. Er hätte auch mit Hof-
stetter
und Abg. Schmidt des Gewerkschaftsbundes darüber geredet.
Dieser meinte mir gegenüber, der Gewerkschaftsbund könnte sich
10 % als erste Etappe vorstellen. Ich habe eine Etappenlösung
ganz entschieden abgelehnt. Was jetzt zu geschehen hat, ist mit
der Arbeiterkammer und der Handelskammer, die ja letzten Endes
die wichtigsten Teilnehmer der Preiskommission sind, ein erträg-
liches Kompromiss zu erzielen und bereits mit 1. Jänner in Kraft
zu setzen. Niemand weiss, wie sich im nächsten Jahr die Preis-
situation gestalten wird, weshalb eine Etappenlösung in beiden
Richtungen gefährlich ist. Dies kann gegen die Elektrizitätswirt-
schaft gerichtet sein, oder auch gegen die Konsumenten.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte informiere MR Burian. Auf nächstes
Jour fixe AK und ÖGB setzen.

Mit GD Grünwald und Lacina, ÖIAG besprach ich die Vorgangsweise
für die Assembling-Fabrik des VW-Spezialautos. Grünwald wird nach
Rücksprache mit dem VW Vertreter Matousek, dem Einkaufsdirektor
Münzner anbieten nach Wolfsburg zu kommen um Details mit ihm zu be-
sprechen. Dies ist wichtig, denn Münzner muss den Eindruck ver-
mittelt bekommen, dass die ÖIAG daran brennendst interessiert ist.
Die Bemerkung des ÖIAG-Vorstandes Brauneis, dass dafür Wien in Frage
kommt, was Matousek sehr beeindruckte, weil er und auch Münz-
ner
damit rechnen, dass es nach Judenburg kommt. In Wien gibt es
nicht genug Arbeitskräfte dafür, hat Grünwald sofort wieder beseitigt, indem er meinte es sei überhaupt noch kein Beschluss
innerhalb der ÖIAG gefallen. Er selbst wird schon allein, um


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Kreisky, der ja für Judenburg eine Zusicherung abgegeben hat,
Arbeitsplätze dort hinzubringen, mit grösster Wahrscheinlichkeit
für Judenburg plädieren. Ich bin auch sehr verwundert -und habe
dies auch Grünwald gesagt – wie scheinbar auch bei der ÖIAG
jedermann andere Auskünfte gibt, bevor noch die endgültigen Be-
schlüsse gefasst sind.

Bezüglich der 500 Kohlewaggons die jetzt für die Kohlekraft-
werke Zwentendorf angeschafft werden sollen, gibt es innerhalb der
ÖIAG, aber auch, wie Minister Lausecker dann berichtete, mit den
betroffenen Betrieben eine harte Diskussion. Simmering Graz Pauker,
GD Kirchner, aber auch die Jenbacher fühlten sich zuerst von der
Äusserung Lauseckers, sie seien mit Aufträgen von ihm ausgelastet,
in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Lausecker bestätigte mit
neuerdings, sie könnten gar nicht die 500 Waggons zeitgerecht er-
zeugen, abgesehen davon, dass es im polnisch-österreichischen Aussen-
handel dringendst notwendig ist, von Polen irgendwelche Bezüge
zu tätigen. Noch mehr fühlen sie sich durch eine Protokollstelle
von der letzten Gemischten polnisch-österreichischen Kommission
erschüttert, wo es heisst, dass für Kraftwerksbauten in Österreich
auch die Polen herangezogen werden.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte dieses Problem mit Fälbl besprechen
und berichten.

Landwirtschaftsminister Haiden hat in Rom bei der FAO mit den
EG-Delegierten über das Problem des Griechenlandbeitritts ge-
sprochen. Da der EG 75 % der Obst- und Gemüseimport als Quote zuge-
sichert sind, möchte er nach Brüssel fahren, um dieses Problem
bis jetzt umgekehrt?? unserer Nutzrinderexporte in die EG sich dar-
stellt, im Einzelnen zu besprechen. Ich bin mit dieser Vorgangs-
weise sehr einverstanden. Mit Haiden habe ich dann gleichzeitig ver-
einbart, dass er anstelle von Frau Staatssekretär Albrecht Montag
Nachmittag in den Budgetausschuss kommt, bis ich vom Flughafen,
Kreisky-Besuch in Polen, sofort im Parlament erscheinen werde.

Der zukünftige Obmann des Sportklubs Handelsministerium Kretschmer,
ersuchte mich, ob wir für die 30-jährige Jubiläumsfeier 1980
einen Budget-Restposten von 50.000 Schilling heuer noch dem Sport-
klub geben könnten. Ich war sehr überrascht von ihm zu erfahren,
dass die Budgetabteilung eine solche Reserve hat, die sie sozusagen


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dem Sportklub anbietet. Im Prinzip habe ich nichts dagegen ein-
zuwenden, wenn eine solche Möglichkeit besteht und der Rechnungs-
hof uns dann nicht neuerdings bei seiner Prüfung, wie dies in
der Vergangenheit geschehen ist, hart kritisiert.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wie verhält sich diese Äusserung Manschein
wirklich?

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Tagesprogramm, 16.11.1979

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


GND ID: 124729509


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 13847284X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Sts. HM


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          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Verkehrsminister


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              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Leiter VW-Einkaufsorganisation Wien


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                  Tätigkeit: Finanzminister
                  GND ID: 118503049


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                    Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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                      Tätigkeit: -obmann


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                        Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 129507873


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                            Tätigkeit: Obmann Sportklub HM


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                              Tätigkeit: Beamter HM; evtl. Falschschreibung


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                                Tätigkeit: MR HM


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                                  Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., GD-Stv. ÖIAG


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                                    Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
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                                      Tätigkeit: Einkaufsvorstand VW


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                                          Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


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                                            Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                                            GND ID: 136895662


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                                              Tätigkeit: Chemie Linz


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                                                Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


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                                                  Tätigkeit: Vorstand SGP


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                                                    Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


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                                                      Tätigkeit: Beamter HM


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                                                        Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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                                                          Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                                          GND ID: 11869104X


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                                                              Tätigkeit: Bezirkssekretärin SPÖ-Landstraße


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                                                                GND ID: 118566512


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