Mittwoch, der 3. Oktober 1979 bis Samstag, der 6. Oktober 1979

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Mittwoch, 3. Oktober – Samstag, 6. Oktober 1979

Der Staatsbesuch in Spanien bewegte sich im üblichen Rahmen.
Viel Protokoll, irrsinnig viel Zeitverschwendung für das Essen
und die Formalitäten wie die Schlüsselübergabe, ständige An-
sprachen usw. und wenig Zeit um etwas zu sehen. Das typische
Beispiel war Sevilla, wofür die Kathedrale, für den Alcazar
eine Stunde zur Verfügung standen, die vom Präsidenten und den
Frauen durchgeführte Pferdewagenfahrt, die auf Boulevards in
ganz uninteressante Viertel nur verkehrsbehindernd war, eine Stunde,
aber für das Essen aber dann fast vier Stunden. Trotzdem gab mir
der Staatsbesuch die Möglichkeit lang fällige bilaterale Gespräche
mit den Außenhandelsminister, der gleichzeitig auch für Tourismus
zuständig ist, García Díez, und mit dem Staatssekretär für Industrie
und Energie Garcia Romeo Fleta zu führen. Dies erspart mir Spanien
extra zu besuchen. Eine ähnliche Regelung hatte ich ja seinerzeit
in Portugal bei einem EFTA-Besuch erledigen können. Der Außenhandel
mit Spanien ist bilateral in den letzten Jahren sehr zurückgegangen
unsere Ausfuhr hat um 18 % abgenommen auf eine Milliarde 3 Mio.
und die Einfuhr um 6 % auf genau eine Milliarde Schilling. In den
ersten 7 Monaten konnte die Ausfuhr um 31,8 % gesteigert werden und
die Einfuhr um 12,5 %. Für die Ausgangslage des Staatsbesuches aber
auch der bilateralen Gespräche nicht schlecht. Unbefriedigt dabei
ist, daß es nicht möglich ist, unsere Agrarausfuhr zu erhöhen. Seit
1972 exportieren wird ca. für 30 Mio. S im vergangenen Jahr waren
es sage und schreibe 31 Mio. S. Unsere Importe aus Spanien sind von
193 Mio. auf 382 Mio. S gestiegen. Also verdoppelt werden. Díez
meinte, im Agrarbereich gibt es keinen Staatshandel mehr und es könnten
dadurch die Exporte Österreichs dorthin vergrößert werden. Bei einer
Aussprache die ich beim Österreichempfang des Bundespräsidenten in
der Residenz dann mit den einzelnen Ex- und Importeuren und Firmen-
vertretern dort hatte, wurde mir dies nicht bestätigt. Nach wie vor
gibt es große Schwierigkeiten für die OEMOLK, wie mir deren Vertreter
versicherte.

Von mir wurde dann insbesondere bei den bilateralen Gesprächen die
durch Liste übergebenen konkreten Geschäfte bezüglich Eisen- und
Stahlerzeugung erwähnt. VÖEST-Alpine erhofft sich sowohl mit der


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verstaatlichten ENSIDESA als auch mit den privaten Stahlprodu-
zenten ALTOS HORNOS entsprechende Verbesserung der Kapazität
und gleichzeitig Modernisierung ihrer Werke. Die Ministerien glauben
allerdings, daß diese Projekte noch weiter zurückgestellt werden.
Scheinbar haben die Spanier dafür kein Geld. Große Möglichkeiten
aber auf diesem Sektor erwartet man durch Drittländerkooperation
in Lateinamerika sowohl in Venezuela hat VÖEST-Alpine mit spanischen
Firmen im Orinocogebiet als auch insbesondere ALTOS HORNOS de
Mexiko große Kooperationsprojekte vor. Der Kapitalmarkt ist in
Spanien jetzt liberalisiert auf lateinamerikanischen Märkten könnten
also spanische und österreichische Firmen ganz großzügig auftreten.
Unter vier Augen hat mir dann Diez verraten, daß sie natürlich auch
in Lateinamerika teils noch immer als ehemalige Kolonialmacht gelten
und daher sehr gerne österreichische Firmen von einem neutralen
Staat mitnehmen.

Auf dem Elektroenergiesektor könnte Österreich durch Zulieferer
bei Kernkraftwerken ins Geschäft kommen, doch müßte man sich ähnlich
wie bei den Automobilzulieferungen mit den jeweiligen Firmen die
den Auftrag bekommen entweder KWU, General Electric oder französische
Firmen mit den Lieferanten, d.h. Errichter der Werke oder der Auto-
produzenten einigen. Mein Versuch im Industrieministerium herauszu-
bekommen was sie tatsächlich General Motors zugesagt haben, war
wenig erfolgreich. Der Staatssekretär erwähnte nur sie hätten 10 %
Subvention gegeben, die Zinsen die dort 14 % für Investitionen be-
tragen, wesentlich gesenkt und jedwede Art der Steuerbegünstigung
eingeräumt. Die Investitionen sollen 120 Mrd. Pesetas sein, das
wären 24 Mrd. S, genaueres war nicht herauszubekommen. Entweder
wußte der Staatssekretär nichts oder er wollte mir es nicht sagen.

Bezüglich der Repräsentanzen gibt es nach wie vor bei der Errich-
tung Schwierigkeiten. Ich intervenierte auch in diesem Fall konnte
aber nur erreichen, daß man freimütigst erklärte, das wird weiter
studiert. In Wirklichkeit will man vor den EG-Verhandlungen, wo man
dann eine volle Freizügigkeit gewähren wird müssen, nicht präjudiziell
irgendwo irgendetwas zu sagen. Die Spanier hoffen ja noch immer,
daß sie größere Ausnahmen in jeder Beziehung von der EG bekommen wer-
den. Sie stellen sich vor eine 10-jährige Übergangsperiode für
alle Produkte die EG ist nur bereit 5 Jahre für gewisse einzelne
Produkte zu gewähren. Wahrscheinlich kommt es daher zwischen der
EG und Spanien zu sehr konkreten Verhandlungen über sensible Pro-
dukte. Wie weit sich die Spanier mit ihren Wünschen durchsetzen


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können kann jetzt noch nicht beurteilt werden.

Die konkrete Beschwerde der Firma Stölzle Glas bezüglich Lizenzierung
hat der Handelsdelegierte im Konkreten übernommen und dann im einzelnen
noch weiter zu behandeln im Prinzip sagte der Handelsminister Diez
mir zu, es wird sehr schnell entsprechende Lizenzierung in Zukunft
geben, denn es wird jetzt alles auf die EDV umgestellt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Stölzle verständigen.

Bezüglich des Wunsches der Elin, 4 kleine Rohrturbinen, wurde
ebenfalls urgiert und der Handelsdelegierte Küng wird dies weiter
verfolgen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte auch Elin verständigen.

Die Firma Immuno hat 100 Mio. S Außenstände und die Firma Plasser
& Theurer 90 Mio. alles in Peseten gerechnet. Der Handelsminister
meinte es wird sicherlich die Lieferung bezahlt werden, doch war
er seinerzeit als Generalsekretär der Bahn tätig und weiß daher,
daß dies keine Diskriminierung Österreichs ist sondern eben durch die
Finanzsituation der Eisenbahn bedingt, alle Lieferanten gleichmäßig
schlecht trifft. Bezüglich Immuno wird er sich mit dem Gesundheits-
ministerium ins Einvernehmen setzen. Diese beide Interventionen
habe ich auf Wunsch des Handelsdelegierten Küng vorgebracht.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte auch beide Firmen verständigen.

Der Fremdenverkehr ist in Spanien von größter Bedeutung und bringt
ihnen so wie auch für Österreich 6 Mrd. Dollar Deviseneinnahmen.
Die Spanier geben aber durch Reglementierung 60.000 Pesetas bisher
je eine Reise im Jahr jetzt 4 Reisen mit je 80.000 Pesetas nur
700 Mio. Dollar aus. Österreich halt mehr als die Hälfte über
3 Mrd. Dollar. Dies zeigt sich auch durch 190.000 Österreicher die
nach Spanien reisen und ein wenig über 50.000, die nach Österreich
kommen können.



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Eine Intervention wegen der Preisbegutachtungen bei Eisen und
Textilien beantwortet Diez sehr kühl, hier handelt es sich nur
um Retorsionsmaßnahmen. Dies trifft auch zu, denn wir selbst
versuchen auch die Antidumpingstahlimporte der Spanier zu unterbinden.
Die Spanier allerdings prüfen bei uns ihren Export normale Preis-
angebote während eindeutig die Spanischen infolge der Überkapazität
der spanischen Stahlwerke schlechter oft als die japanischen Preise
sind.

Ein Besuch bei INI, das ist der Konzern für 380.000 Beschäftigte
der verstaatlichten Industrie, ähnlich wie die ÖIAG, nur dreiein-
halbmal so groß, zeigte den ungeheuren großen Ausdehnungsbereich
dieses Konzerns. Es gibt fast keine Industrie, wo er nicht tätig ist
bis in die Dienstleistungen, Hotelbetriebe wurde seine Tätigkeit
ausgedehnt. Wir besuchten Ehm in Sevilla, das jetzt neu herge-
richtete Alfons-Dreizehn-Hotel, ein first class Hotel in alten
Stil rekonstruiert und ungeheuer aufwendig, angeblich sogar aktiv,
was ich kaum glaube. In Toledo hat dann der König ein Essen mit
Kirchschläger, wir mit den anderen in einem solchen Hotel gegeben,
das angeblich auch aktiv gebart. Ein Doppelzimmer kostet dort
S 500,––, man darf nur 3 Tage bleiben, auf einem herrlichen Aus-
sichtspunkt vis-a-vis von Toledo, zur Zeit wo wir dort waren, gar
nicht ausgekauft, wie INI da auf seine Kosten kommt, ist mir ein
Rätsel.

Bei einem der üblichen Festessen traf ich mit Carlos Revilla Rodriguez
zusammen, der mit einer gewissen Maria Jonas über Kommunalprobleme
gesprochen hat. Er ersuchte mich, man sollte die Spanier mit mehr
Material über Kommunalpolitik, Kooperationen auf dem Kultursektor
und auch Genossenschaftssektor versorgen. Ich habe ihm dies zugesagt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Tieber – Kommunalreferat, Partei – soll sich
unbedingt mir mir ins Einvernehmen setzen.

Bei diesen Empfängen hatte ich auch den Sozialistenführer Gonzalez
getroffen und ihn die Grüsse von Kreisky ausgerichtet sowie dessen
Wunsch mit ihm wieder über die Linie der spanischen Genossen zu
diskutieren. Gonzalez war darüber sehr erfreut und meinte, er hätte
stundenlang mit Kreisky während seines Augenleidenauskurierens
auf Mallorca gesprochen. Bei diesem Empfang war auch der Kommunisten-
führer anwesend. Was mich am meisten erfreute, alle, sowie ich,
ohne Frack. Die anderen aber mußten sich dem Protokoll beugen und


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haben dies auch mehr oder minder freiwillig gerne getan.

Die Spanier selbst rechnen damit, daß sie Mitte 1980 den EFTA-Ver-
trag jetzt von allen Ländern ratifiziert und dann in den Parlamenten
beschlossen in Kraft setzen können und bis 82, 83 auch Mitglied
der EG zu werden. Die spanische Wirtschaft erlebt derzeit eine
richtige Krise. Eine Aussprache zwischen dem Bundespräsidenten
und Sozialistenführer Gonzalez in Sevilla hat diese Meinung nur
bestätigt. Gonzalez sagte die Dezentralisation, das heißt der
Föderalismus, die Wirtschaftskrise in Sevilla, 20 % Arbeitslosig-
keit und der Terror sein ihre drei Probleme die es zu lösen gelte.
Niemand befürchtet allerdings in Spanien eine Rückkehr zu einer
Diktatur. Sie sind fest davon überzeugt, daß die Demokratie gefestigt
ist, ihr Problem ist nur, wie mir der Handelsminister versicherte,
die Frage der Stärke des Militärs. Der Militärapparat dürfte sie
sehr viel Geld kosten.

Der Ministerpräsident Suarez hatte dem Bundespräsidenten und
Außenminister, mich und und den Botschafter sowie den Kabinettsdirektor
der politischen Abteilung Bauer zu einem privaten Essen geladen.
Dort hat der Staatssekretär für Lateinamerika im Außenamt die
Konzeption der Spanier entwickelt. Sie unterscheiden in Latein-
amerika drei Gruppen: Die erste, welche die innterploitische Frei-
heit und die Menschenrechte akzeptiert, alle Staaten des Andenpaktes
und Costa Rica. Mexiko gibt hier nur vor, ein demokratischer Staat
zu sein, hat aber keine politische Freiheit. Die zweite Gruppe hat
keine innenpolitischen Freiheiten, Rechte, Regierungen, Militär-
regimes, dazu zählen: Argentinien, Uruguay, Peru und Brasilien. In
Bolivien hat es sich jetzt gebessert und Ecuador ist auf dem Weg
zur Demokratie. Die dritte Gruppe sind linksmilitärische Diktaturen,
in der Vergangenheit war es nur Kuba, jetzt aber ist Granada eine
kleine Insel, dominikanische Republik Guyaner, Nicaragua gefährdet.
Die linksmilitärischen Diktaturen kehren nie mehr zur Diktatur zu-
rück. Bei den Rechtsregierungen und Militärregime handelt es sich
um spontane Diktaturen. Über diese Klassifizierung und insbesondere
über die Empfehlungen, wie man sie behandelt sollte, gab es dann eine
sehr interessante und lebhafte Diskussion. Suarez selbst meinte, er
stimme mit den Staatssekretären nicht ganz überein, der nämlich
meinte, man müßte die zweite Gruppe, rechtsmilitärische Diktaturen
unterstützen und bei der dritten achten, daß sie nicht als ansteckende
Krankheit weiter wuchert und verwendet den Ausdruck man müßte sie
isolieren. Das Ergebnis dieser Diskussion war zwar sehr interessant,


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aber sicherlich auch wenig für uns erfolgbringend. Richtig ist nur
eines, daß die Spanier allein schon wegen der Sprache und der jahrzehn-
telangen Beziehungen mit Lateinamerikanischen Firmen und Staatsstellen
dort ein leichtes Entree haben gegenüber österreichischen Firmen.
Dies ist auch mit einer der Gründe warum VÖEST-Alpine und auch
andere größeren Wert darauf legen mit spanischen Stellen kooperierend
auf lateinamerikanischen Drittmärkten gemeinsam aufzutreten.
Diese Politik muß natürlich von uns entsprechend unterstützt werden.

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Tagesprogramm, 3./6.10.1979


Tätigkeit: MR HM


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    Tätigkeit: öst. Botsch. DDR, Leiter pol. Sekt. BMfAA


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        Tätigkeit: Bundeskanzler
        GND ID: 118566512


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          Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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            Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
            GND ID: 118723189


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