Dienstag, 17. April 1979
In der Ministerratsvorbesprechung, die nicht unter Androsch
stattfand sondern Kreisky selbst war, bevor er nach Paris flog,
wo er sein Buch in Französisch übersetzt jetzt herauskommt,
zurückgekommen. Er befürchtet, dass sich jetzt eine Euphorie
ausbreitet, die Propaganda der ÖVP hat sich grundlegend ge-
ändert. Vor nicht allzu langer Zeit erzählten sie noch, nur
Narren glauben noch an eine absolute Mehrheit der Sozialisten.
Jetzt haben sie angeblich eine Meinungsbefragung, wo 51 %
sicherer SPÖ-Stimmen herauskämen. Sie möchten die Taktik an-
wenden, es gäbe jetzt bereits eine überstarke Majorität der
Sozialisten, weshalb aus diesem Grund die ÖVP zu wählen sei.
Die ÖVP hätte 44 %, den Rest hätten die Freiheitlichen. Eine
solche Meinungsbefragung gibt es nicht, sie hat auch niemand
gesehen. Tatsächlich hat ein Abwanderungsprozess seit Feber
eingesetzt, zu dem Zeitpunkt, zu dem die ÖVP am stärksten ge-
wesen ist, in der Zwischenzeit hat sie ja 2 % verloren, hat es
viele gegeben, die erklärt haben, diesmal versuchen wir es mit
der Volkspartei. Dadurch hatten die Sozialisten gewonnen und
halten derzeit bei 45 – 46 % entschiedener SPÖ-Wähler. Die
ÖVP hat eine schlechte Wahlwerbung betrieben, begonnen haben
sie mit Blumen, jetzt sind sie bei der Spruchwerbung. Busek
sagt, dass er aggressiv ist. Busek wird besonders herausgestrichen,
weil er ja letzten Endes nach Auffassung der ÖVP der einzige
Kandidat, der in der letzten Zeit gewesen ist, der Erfolge bei
den Wiener Gemeinderatswahlen erzielen konnte. Diese harte dema-
gogische, aus Bergmanns Trickkiste stammende Wahlpropaganda wird
sich nicht verstärken. Die ÖVP will keine Zentralthemen. 1956
Verstaatlichung von den Sozialisten als Zentralthema, wobei
wir allerdings die Wahlen verloren haben. 1966 Zentralthema
Koalition soll es einen freien Raum geben, wie weit kann man
sie ausbauen und verbessern, ebenfalls allerdings Verlust der
Sozialisten. Ob daher Zentralthemen wirklich so gut sind, wenn
man nicht die richtigen Zentralthemen findet, bezweifle ich.
Die Wahl 1970/71 und 1975 hatten zwar von uns auch gewisse Zentral-
themen, doch wurde immer wieder insbesondere 1971 und 1975
dann die Persönlichkeit Kreiskys in den Vordergrund gerückt. Ich
glaube nämlich, dass es weniger die Zentralthemen sind, die Leute
interessieren, sondern wer repräsentiert die Partei, wer reprä-
sentiert ein Regierungsprogramm und an wen kann sich die Bevöl-
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kerung halten, wenn sie einer Partei die Stimmen geben.
Dies ist ja auch der grosse Nachteil der ÖVP bei den jetzigen
Wahlen, weil Taus eben überhaupt nicht ankommt. Eine Erhebung
der Kleinen Zeitung in Vorarlberg hätte verheerende Ergebnisse
für Taus gebracht. Die letzten drei Wochen sollen aber durch
entsprechende Propaganda aller Regierungsmitglieder bestritten
werden. Im Parteivorstand hatte Kreisky sich einen Beschluss
geben lassen, wonach die Regierung die Wahlplattform konkreti-
sieren will und wird. Jetzt wird auf die nächsten vier Jahre
projiziert, was die einzelnen Ministerien machen wollen.
Die wichtigste Frage ist die Sicherung des Arbeitsplatzes,
die Arbeitsbeschaffung, welche durch öffentliche Aufträge ge-
sichert oder besser gesagt ermöglichst wird, wird deshalb beson-
ders in den Vordergrund gerückt. Es wurde von den Ministerien
in ihren Budgets entsprechende Investitionsposten haben, länder-
weise aufgegliedert, was geschehen soll. In den Landespartei-
sekretariaten sollen jetzt dieses Landesprogramm aufliegen.
Auf Bezirke wird man nicht gehen, denn dann würde eine ungeheure
Konkurrenz und Intervention der einzelnen Bezirke einsetzen.
In den Ländern läuft alles verhältnismäsisg sehr gut, die Frage
ist nach wie vor was Wien macht und wie die Menschen in Wien
in Schwung gebracht werden können. Kreisky fragt und dies hat
mich einigermassen verwundert, was Lanc als Wiener Präsidiums-
mitglied sagt. Lanc meinte, es hat jetzt im März und April eine
Aktivierung der Leute eingesetzt und er hofft, dass es gelingt,
die 160.000, die das letzte Mal bei den Gemeinderatswahlen
nicht sozialistisch gewählt haben, dass es diesmal gelingen wird.
Ausserdem hatten Nichtsozialisten, mit denen er Kontakt hat,
eine bemerkenswerte Einschätzung der Lage gebracht, nämlich
dass sie sagen, Kreisky sollte und müsste man wählen. Kreisky
meint, es gäbe zwar sicherlich von den 160.000 seiner Schätzung
nach 100.000, die so positiv urteilen, was ist aber mit den 60.000
restlichen, um die er nach wie vor in Wien fürchtet. Noch
so gute Erfolge in den Bundesländern, z.B. auch in Vorarlberg,
wo Lanc und Androsch gewesen sind, und dort entsprechende Zu-
wächse erwarten, können Verluste in Wien nicht ausgleichen.
Kreisky wird sich mit Schmidt am 24. April in Zell/See treffen,
um nicht dort österr.-deutsche Probleme zu besprechen, sondern
Entspannungsvorschläge der Sowjetunion auf dem Rüstungssektor und
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vor allem auch die Möglichkeiten, im Nahen Osten den Frieden
weiterzutreiben. Kreisky befürchtet nach wie vor, dass wenn
es nicht gelingt, die Palästinenser in irgendeiner Weise zu
befriedigen, dass die Friedensbemühungen zwischen Ägypten und
Israel stecken bleiben und dann eine verheerende Wirkung
auf den gesamten Nahen Osten haben würden. Die UNO wird sich
weiter bemühen und Waldheim hat, da er die Unterstützung der
Sowjetunion und der Franzosen hat, die grösstmöglichen Aussichten.
In der Vergangenheit waren die Generalsekretäre der UNO meistens
von den Amerikanern und Engländern unterstützt, die diesmal
Waldheim sogar distanziert gegenüberstehen. Mit Schmidt möchte
er eben jetzt besprechen, wie es mit der Raketenlagerung der-
zeit die grössten Arsenale in Spanien, bei eventuellen Verlage-
rungen nach Deutschland weitergehen soll, weil durch solche
Massnahmen die Entspannungspolitik gefährdet wäre.
Am 23. April wird er dann mit Klubobmann Fischer ein weiteres
Gespräch mit Taus haben über den Privilegienabbau. Die volle
Besteuerung, die kommen soll, möchte die ÖVP durch kräftige
Erhöhung der Bezüge kompensieren. Kreisky wird auf alle Fälle
erklären, es kann nur zu einer entsprechenden Regelung kommen,
wenn die Landeshauptleute inkludiert sind. Die Absicht ist,
dass die beiden Parteivorsitzenden eine Verwendungszusage
machen, dass innerhalb eines halben Jahres vom neuen National-
rat diese Beschlüsse resp. Regelungen effektuiert werden sollen.
Androsch verweist dann noch darauf, dass es die Wiener unterlassen
gegen Buseks aggressive demagogische Politik genauso vorzugehen
und auf seine dunkle Vergangenheit – Auto, Sekretärin-Bezahlung
durch den Kunsthehler Berger, Bezug aus dem Wirtschaftsverlag,
ohne dort auch nur eine Leistung erbracht zu haben – oder ebenso
gegen Taus, wo Recherchen notwendig wären, wieso er zu dem
entsprechenden Hotel gekommen ist durch Kreditgewährung, Möbel-
importe aus Italien usw. Lanc meinte, es fehlen Leute, die
dies alles recherchieren würden. Kreisky meint, es sei jetzt auch der
Verdacht aufgetaucht, dass die Alliance-Versicherung eine
entsprechende Unterstützungen der ÖVP in starkem Ausmass nicht
einwandfreier Art finanziert. An Recherchen allein ist es aber
bei Busek nicht gelegen, sondern Berger dürfte auch einige
Beziehungen zu anderen gehabt haben. Was die von Taus immer wieder
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herausgestrichene Behauptung, er hätte Betriebe geführt, die
sehr gut abgeschnitten hätten und traue sich auch zu, die
Firma Österreich zu führen, sei nur festzustellen, dass er
drei Jahre Direktionssekretär bei der Giro war, dann als
Staatssekretär kurze Zeit in der Regierung und nachher gleich als
Generalsekretär dort in die Giro wieder eingestellt wurde.
Unternehmungen hat er niemals geleitet, sondern vielleicht
über die Girozentrale direkt oder indirekt beeinflusst. In
Hergzogenburg ist die Firma allerdings zugrunde gegangen.
Kreisky ersucht, dass die Propaganda viel stärker herausstreicht,
dass die Rentner die Rezeptgebühr mit 1.7. wesentlich ver-
billigt bekommen.
Münzner, der Vorstandsdirektor vom VW, möchte – wie Androsch Pahr
ersucht – Honorarkonsul werden. Da in Hannover schon der Keks-
fabrikant Bahlsen sitzt, müsste man halt nach Bremen oder
eine andere Stadt ausweichen. Pahr sagt dies zu, weil wir
sehr interessiert sind mit den VW-Werken insbesondere durch
den starken Einkauf jetzt unsere Dankbarkeit zu dokumentieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wieso haben wir davon nichts gewusst?
In der Ministerratsvorbesprechung wurde dies bereits festgestellt
und im Ministerrat selbst hat dann Kreisky dezidiert erklärt,
dass den Erdbebenopfern in Jugoslawien dieselbe Hilfe zuteil
werden soll wie den Italienern. Damals in Friaul hatte aller-
dings Kärnten als unmittelbarer Nachbar sofort entsprechende
Hilfe geleistet und Österreich hat sich dann als Ganzes auch
sehr engagiert. Da bei den Jugoslawen immer grössere Schwierig-
keiten bestehen werden, z.B. wurde ein Überfliegen am Sonntag
zuerst gestattet, dann aber wieder zurückgenommen, jetzt benötigt
man Zelte und möchte dass Zelte und Decken so schnell als
möglich doch eingeflogen werden, wird es eben andere Schwierigkeiten
geben als in Italien. Festgehalten wurde allerdings, dass nicht
der Staat irgendeine Bewirtschaftung oder gar eine Hilfssendung
organisiert. Alles soll über das Rote Kreuz gehen, die Bevöl-
kerung wird aufgefordert vom Roten Kreuz zu spenden, die Regierung
wird die Ergebnisse duplieren. Zum Sofortkauf wurden Mindest-
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beträge genau wie in Italien zur Verfügung gestellt.
Staatssekr. Karl wird beauftragt, die ganze Abwicklung zu
machen.
Bei der Tagesordnung stellte sich dann heraus, dass ein
Bericht des Finanzministers über die Braunkohlenlagerstätten
im Bereich Südburgenlands vorliegt. Diesen hatte niemand
beachtet, auch bei uns im Haus scheinbar nicht, vom Sekre-
tariat ganz zu schweigen, und Kreisky fragte daher Gott sei
Dank nicht mich, sondern Androsch, der ja für ihn in dieser
Kommission den Vorsitz führt, wie es dort weitergehen soll.
Wie sich dann herausstellte, hat die GKB in einer intermini-
steriellen Sitzung dargelegt, dass der Abbau der inländischen
Braunkohle dort unrentabel wäre.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: In Hinkunft bitte entsprechende Be-
richte vorher an mich veranlassen.
Kreisky wollte auch dann noch von seinem Ressort die Zins-
stützung der Regierung bis 5. April genehmigen lassen, doch
auch die Unterlagen fehlten. Er fasste zusammen, dass 83
Anträge mit 9,4 Mia. S bei einem gesamten Kreditvolumen
von 7,5 Mia. S bis jetzt genehmigt wurden.
Androsch erkundigt sich bei mir, wie es mit den Verhandlungen
im GATT steht, dazu konnte ich da ich mich vorher eingehend
informiert hatte, einen entsprechenden Berichten geben.
Pahr meinte dann zu mir, ich sollte dafür sorgen, dass die
Verhandlungsteilnehmer, die sich sehr bewährt haben, ent-
sprechend ausgezeichnet werden. Er hat insbesondere an Segalla
in Genf gedacht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte entsprechende Ordensanträge vor-
bereiten.
Lanc berichtet über die Antiterrorgespräche mit BRD. In der
Vergangenheit konnten einige Teilerfolge durch die gute
Kooperation erzielt werden. In Zukunft erwartet man auf
alle Fälle neuerliche Aktionen. Kreisky kam auf den Überfall
auf die Gösser Bierklinik von der ANR zu sprechen, Lanc er-
klärte die Situation und bemerkte, dass auch der Sohn des
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Nationalrates Schmidt von den Freiheitlichen indirekt
involviert ist.
Der neue Vorsitzende des Fachverbandes Nahrungs- und Genuss-
mittelindustrie Dir. Pecher von der Inzersdorfer kam wegen
Einfuhrscheinregelungen für Gemüse-Konserven zu einer ersten
Aussprache mit dem Sekretär der Lebensmittelarbeitergewerk-
schaft Schuster. Mit Recht hat sowohl Min.Rat Bachmayer als
auch Goldmann darauf hingewiesen, dass die Einfuhrscheinrege-
lung für die Nahrungs- und Genussmittelindustrie nichts
bringen würde. Gegenüber dem Osten haben wir mit dem Vidierungs-
verfahren ein gutes System eingeführt, gegenüber dem Westen
und hier handelt es sich insbesondere um die französische
Firma Bonduell, die Billigstimporte durchführt, würde das
System, selbst wenn es die Zollverwaltung akzeptiert, kaum
nützen. Verhandlungen, die Pecher bereits mit dem Amts-
direktor Miserka vom Finanzministerium geführt haben, zeigte
ihm, dass es tatsächlich sehr schwer ist, hier Abhilfe zu
schaffen. Im Computer der Zollverwaltung kurz Zollcomputer
genannt, werden alle Details gespeichert. Aus der Statistik kann
man dann alles entnehmen. Eine weitere Aufgliederung, ob diese
Importe, die mengen- und wertmässig festgehalten werden, noch
aufgegliedert werden können, ob Gurken oder anderes Gemüse in
Gläsern oder in Blechkonserven kommt, ist unmöglich. Pecher
erwartet einen grösseren Import von Gurken durch die Fa.
Hofer. Ein Deckoffert von Hofer bei Scana hat zu keinem Er-
folg geführt, da Hofer gar nicht beabsichtigt, in Österreich
grössere Mengen von Gurken zu einigermassen erträglichen
Preisen zu kaufen. Goldmann wird jetzt mit den Hofer-Leuten
diesbezügliche Gespräche aufnehmen. Tatsächlich wurden die
Anbauverträge für Erbsen gegenüber 1977 in diesem Jahr auf
70 % und bei grünen Fisolen auf 60 % gesenkt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Mit Landwirtschaftsministerium entsprechen-
de Vorschläge besprechen.
Gen.Dir. Gruber von der Wienerberger informiert mich, dass er
im Iran knapp vor der Fertigstellung der Ziegelfabrik in
Turkmenien steht. Die Investition hat 90 Mio. S betragen,
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die Wienerberger ist mit 14 Mio. in Obligo. Wie es dort
weitergeht, weiss er nicht.
Die Wienerberger möchte zur Wärmerückgewinnung und besseren
Energieversorgung für ihr Lecca-Werk in der Steiermark Fehring
statt 2 Öfen mit 380 m³ pro Tag einen mit 650 m³ errichten.
Dafür ist eine Investition von 20 Mio. S erforderlich. Die
Ersparnis wäre 17,2 Mio. t Öl, das sind fast 10 Mio. S.
Gruber möchte wissen, wieviel er direkte Subventionen für
Energieersparnis bekommen kann. Ich verwies sofort darauf, dass
nur eine Zinsstützung für Investitionen im üblichen Rahmen
möglich ist. Leca könnte auch Oberösterreich, dort gibt es
schon einen solchen 650-m³-Tageskapazitäts-Ofen auf eine
halbe Energie Einsatz Kohle und 1/2 Öl umgestellt werden, wie
seinerzeit dieses Werk betrieben wurde. Auch dafür gibt es
nur Investitionskredite und keine direkten Subventionen.
Die Wienerberger möchte jetzt für ihre Betriebe die Staats-
wappen, das wäre Wienerberger Ziegel (WZI), Österr. Steinzeug
GesmbH (ÖSTG) und Leca und nicht wie sie es bereits jetzt
hat für die Holding Wienerberger Baustoffindustrie.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte wenn nicht die Teilbetriebe das
Staatswappen führen dürfen, dann sofortige Verteilung auf die
drei Betriebe einleiten.
In der AEZ-Diskussion, die ich diesmal mit dem Gemeinderat Salla-
berger durchführte, bestätigte sich für mich, dass es schlecht
ist, vor den Wahlen diese Aktion zu starten. Die ÖVP ist
imstande, entsprechende aktive Diskussionsteilnehmer konzentriert
zu senden. Bei mir ist es noch einigermassen gut gegangen,
selbst die Angriffe der Atomgegner konnte ich dort entsprechend
abwehren. Sallaberger wurde aber dann bezüglich der Gemeinde-
wohnungen ganz hart genommen. Schon während meiner Stunde wurde
ständig von einem jungen Mann rückwärts immer wieder geschrien,
Gemeindewohnungen kriegt man nur, wenn man ein Parteibuch hat.
Was ungeheuer störend wirkte.
Bei der Bezirksrätebesprechung im Bezirk habe ich dann
insbesondere über die Wahltaktik gesprochen und dafür
wurde dann auch sehr lange und heftig diskutiert. Alle
stimmten mit mir überein, dass es dringendst notwendig ist,
eben nicht nur vor den Wahlen die Gespräche mit den Wählern
zu suchen. Neu auch in unserem Bezirk ist, dass eben auch die ÖVP
jetzt stärker in Erscheinung tritt. Die grosse Politik muss in
Ordnung sein, die kleinen Probleme aber beeindrucken und be-
stimmen das Wahlverhalten der Bürger. Um sich mit diesen
kleinen Problemen zu beschäftigen, wollen wir in Hinkunft
für Bezirksprobleme eine stärkere Diskussion mit den Wählern
versuchen. Dies soll durch entsprechende Einteilung des
Bezirkes in mehrere Teile durch ständigen Kontakt der Bezirks-
räte mit der Bevölkerung dort und insbesondere durch persönliches
Kennenlernen erreicht werden. Bezüglich der Gewinnung der
160.000 Nichtwähler wurde festgehalten, dass ein persönlicher
Kontakt äusserst vorsichtig von den einzelnen Sektionen ange-
strebt werden muss. Wenn der Betreffende das Gefühl hat, er soll
jetzt kontrolliert werden, besteht die Gefahr, dass ein gegen-
teilige Effekt erzielt wird. Hausbesuche sind von den Sektionen
die einzige Möglichkeit, diese Wähler wieder zu gewinne,
wobei allerdings die Propagandisten oder Besucher äusserst
vorsichtig vorgehen müssen. Zusammenfassend kann ich nur
feststellen, dass die einzige Möglichkeit, auch auf der
Landstrasse die ist, stärker präsent zu sein, um den optischen
Eindruck, die ÖVP beherrscht jetzt doch das Bild wirklich entgegen-
treten zu können. Bei den vorhergehenden Wahlen hat die JG
mit ihren Propagandakiosken einigermassen Einhalt geboten.
Jetzt dürfte, wie mit JG-Leute mitteilen, diese Aktivität gar
nicht mehr möglich sein. Was unter Strache und Weisbier
begonnen wurde und Erfolg hatte, ist jetzt unter Konecny und
Edlinger Fritz nicht mehr möglich, denn die haben nur mehr intellek-
tuelle Diskussionen und können kaum mehr aktive Mitglieder mobili-
sieren.
Die FS-Diskussion zwischen Götz und Taus ist besser gelaufen
als wahrscheinlich viele erwartet oder besser gesagt erwünscht
haben. Sie haben versucht, sich zwar gegenseitig nicht weh zu tun
aber doch Probleme wie Budget und ganz besonders Parteibuch-
Politik gestreift. Für uns war insoferne wichtig, als man klar
und deutlich sehen konnte, wie sehr sie keine Aussage machen
wollen, wie es nach dem 5. Mai mit der Regierungsbildung weiter-
gehen soll, sondern eben nur um Stimmenwerben, damit die absolute
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Mehrheit der Sozialisten gebrochen wird. Entscheidend
ist natürlich, welchen Eindruck sie auf die Wählergruppen
gemacht haben, die so hoffen wir jetzt doch noch zu Kreisky
zurückfinden. Nach wie vor habe ich die fest Überzeugung
und habe dies auch unseren Vertrauenspersonen auf der Landstrasse
erklärt. dass nur die Persönlichkeit Kreiskys imstande ist,
und wäre, die absolute Mehrheit wieder zu gewinnen. So muss
man auch seine Aussagen immer wieder betrachten. Verwunderung
hat es nämlich bei uns ausgelöst, als er gerade jetzt knapp
vor der Wahl von einer grossen Regierungsumbildung gesprochen
hat. Meiner Meinung nach müsste er dies auch dann tatsächlich nach
der Wahl tun. Die beste Lösung wäre es, die gesamte Regierung
auszuwechseln, neue Leute hätten dann die Möglichkeit durch
zwei Jahre hindurch sich zu profilieren und einzuarbeiten und
dann die nächsten Wahlen besser schlagen zu können. Dagegen
hat aber nicht nur die Kollegen vom Sekretariat sondern auch
Heindl ganz entschieden remonstriert. Er meinte und dies wahr-
scheinlich nicht zu Unrecht, dass das Image und das Goodwill
gewisser Minister verlorenginge, das sich Kreisky heute
gar nicht mehr leisten kann. Wahrscheinlich beabsichtigt
er aber gar nicht eine solche grosse Reform. Wichtig erscheint
aber jetzt momentan, dass die Wahlen gewonnen werden. Wonach
unsere ganzen Anstrengungen ausgerichtet sein müssen.
Tagesprogramm, 17.4.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 158. Ministerratssitzung, 17.4.1979
48_0440_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)