Donnerstag, 5. April 1979
Gen.Dir. Apfalter ersucht mich bei Staatssekretär Beil zu
intervenieren. Die VÖEST hat jetzt die Düngemittelfabrik
eine turn kee Anlage für 4,9 Mia. Schilling angeboten. Nur
mehr im Rennen sind die Franzosen, welche über 5 Mia. Schilling
angeboten haben. Da aber Ministerpräsident Barre aus Frank-
reich sogar bei Staatssekretär Beil gewesen ist, wünscht Ap-
falter, dass ich Beil einen Brief schreiben soll. Da die
österreichische Firma Waagner-Biro mit 15 % Anteil, beim
deutschen Angebot Glöckner beteiligt ist, muss ich bei Inter-
ventionen, da jetzt 2 österreichische Firmen indirekt auch
in Konkurrenz stehen, sehr vorsichtig sein. Nach Auskunft von
Waagner-Biro sind sie nicht mit 15 %, sondern mit 70 % an diesem
Projekt beteiligt. Dies glaube ich keinesfalls, weiss aber
nicht genau, ob Glöckner mit Waagner-Biro wirklich schon aus
der Konkurrenz vollkommen ausgeschieden ist. Apfalter teilt mir
mit, dass es überhaupt mit der Zeit unerträglich wird, wenn
mehrere österreichische Firmen in den Oststaaten gleichzeitig
Konkurrenzofferte abgeben. Dasselbe gilt auch für das Paskow-
Projekt, wo die VÖEST und Andritz in Konkurrenz stehen. Apfalter
hat mit Andritz-Leuten schon vereinbart, dass sie jetzt zwar noch
getrennte Offerte weiterbehandeln, dann aber auf alle Fälle ver-
suchen eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden. Die Intervention
bei Beil erwartet, wie ich mir sie vorgestellt habe. Beil sagte zu
mir, es bleibt bei der seinerzeitigen Vereinbarung, er wird alles
tun, um mich vor Abschluss dieses Projektes – dies soll ungefähr
in 2 – 3 Wochen der Fall sein – noch vorher zu verständigen.
Apfalter bräuchte nicht nervös zu werden, er wird noch Gelegenheit
bekommen, zu den Projekt Stellung zu nehmen. Natürlich bedeutet
dies weitere Preisnachlässe, die aber, wie Apfalter mir freimütig
zugibt, drinnen sind. Bezüglich der Franzosen macht Beil die
Bemerkung, die hätten das letzte grosse Projekt bekommen. Wenn ich
daraus schliessen kann dass dies heissen soll, das nächste bekommt
Österreich, würde die Sache sehr gut laufen. Ich habe Beil auch sofort
zugesichert, ich sei bereit, jederzeit nach Berlin zu kommen.
Handelt es sich nämlich um wirklich konkrete Geschäfte bin ich
sicherlich bereit, auch um die Welt zu fliegen. Was ich nur nicht
mag, sind so Routinesitzungen Gemischter Kommissionen, wo nichts
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herauskommt.
Botschafter Hinteregger aus Moskau berichtet Fälbl und mir
ganz neu, dass Breschnew Jun . jetzt zum ersten Vizeaussenhandels-
minister ernannte wurde. Dies ist insoferne für uns ein Novum,
als ja Kusmin jahrelang jetzt als erster Vizeminister im Aus-
senhandelsministerium gilt und galt. Im Aussenhandelsministerium
erklärt Hinteregger, wurde jetzt dasselbe System eingeführt,
das es auch schon im Aussenamt gibt. Dort bestehen bereits zwei
gleichwertige und gleichrangige erste Vizeaussenminister. Bresch-
new war einmal bei einer Gemischten Kommission in Österreich, hat
sich hier, glaube ich ganz wohl gefühlt, wurde von uns auch ent-
sprechend behandelt und gewürdigt und dürfte jetzt nicht wie
Fälbl vermutete, weil wir von ihm nichts mehr hörten, in der
Versenkung verschwunden sein, sondern wie Hinteregger glaubt,
als Nachfolger von Patolitschew aufgebaut werden. Wieweit er
sich dann noch behaupten kann, wenn der angeblich sehr kranke
Vater aus der Führung abtreten wird, ist eine andere Sache.
Hinteregger ist sehr froh, dass ich den Staatskommissär für
Aussenwirtschaftsbeziehungen Skatschkow eingeladen habe, der
für die Drittländer-Kooperationen zuständig ist. Wenn er selbst
nicht kommen wird, weil er ein älterer kränklicher Herr ist,
besteht die Möglichkeit, dass sein Stellvertreter Kulew kommt.
Auch hier haben wir uns Gott sei Dank sehr geschickt verhalten,
da wir ja nicht wussten, wie ihm das Aussenhandelsministerium
zu diesem neuen Staatskommissariat steht, war ich genauso zurück-
haltend, aber sehr höflich, wie mit dem Staatskommissariat,
das der Schwiegersohn von Kosygin, Gwischiani führt. Niemals
habe ich auch nur ein Wort bei Patolitschew über Gwischiani
und bei Gwischiani über Patolitschew fallen lassen. Ähnlich ver-
hielt ich mich bei den uns sowjetisch unerklärlichen Beziehungen
zwischen diesen neuen, jetzt allerdings auch schon jahrelang
bestehenden Staatskommissariat für Aussenwirtschaftsbeziehungen.
Dieses muss aber doch wesentlich mächtiger sein, denn es hat
immerhin neun Aussenhandelsorganisationen, die früher dem Aussen-
handelsministerium unterstanden, jetzt unter seine Kompetenz be-
kommen. Das seinerzeit von Lenin geforderte und begründete Aus-
senhandelsmonopol, das in einem einzigen Aussenhandelsministerium
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mit all seinen Dutzenden von Aussenhandelsorganisationen ihren
Niederschlag finden sollte, ist jetzt auch auf mehrere Ministe-
riennebenenstellen verteilt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dir von der sowjetischen Handelskammer
eine entsprechende Aufgliederung der Ministerien und der
Aussenhandelsorganisationen geben.
Die Sowjets haben bis jetzt mit Österreich eine einzige Dritt-
landskooperation gemacht, nämlich im Irak eine klimatechnische
österreichische Firma zugezogen.
Hinteregger hofft, dass die Stranggussanlage, welche das Schwarz-
metallurgieministerium zu vergeben hat, doch auf die VÖEST fällt.
9 Länder bewerben sich allerdings um dieses Projekt. Die UdSSR
haben die österreichischen Parameter, wie sie es immer bezeichnen,
nicht gekannt. Sie sind sehr überrascht jetzt über die hohe tech-
nische Leistung dieser VÖEST-Stranggussanlage.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Erkundige Dich bei der VÖEST, ob wir
irgend etwas dazu beitragen können.
Der derzeitige Obmann des Wiener Freien Wirtschaftsverbandes
Komm.Rat Bartl, hat jetzt seinen Nachfolger Schmidtmeier, Burian
und mir vorgestellt. Dieser hat gleich bei seinem Antrittsbesuch,
wenn ich so sagen darf, für die Tankstellenwärter interveniert.
Diese selbständigen Unternehmer bekommen von den Ölfirmen 28 Groschen.
Wenn sie 100.000 Liter im Monat Umsatz haben, müssen sie 84 Stunden
in der Woche offen halten, bei 25.000 Schilling Bruttoaufschlag.
Dies ist für sie eine Katastrophe, Die Ölfirmen waren durch
meine Intervention das letzte Mal nur bereit ihnen 2 Groschen
in Form eines Krisenfonds zur Verfügung zu stellen, wo die krassesten
bedürftigen Fälle davon bezahlt werden. Sie fordern jetzt 10 Gro-
schen Tankstellenspannenerhöhung. Ebenso will der Freie Wirtschafts-
verband jetzt für die Kleinhändler endlich die Befreiung der sozial
kalkulierten Preise von der Preisregelung. In beiden Fällen konnte
ich Schmidtmeier keine Zusagen machen, sondern verwies darauf, dass
vor den Wahlen auf gar keinen Fall irgend etwas geschehen wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte auf Jour fixe AK setzen.
Der neue indonesische Botschafter Nimpuno hat auch sofort
erkannt, dass es zwischen unseren beiden Staaten, einen fast
unbedeutenden Warenverkehr gibt. Die Indonesier wollen aber aus
den starken Abhängigkeitsverhältnis ihres Aussenhandels mit Japan
einigermassen herauskommen. Diese haben fast Monopolcharakter
bei Holz, Öl und anderen Bezügen. Indonesien hofft, dass endlich
das 400-Mio.-Dollar-Projekt für Papier und Zellstoff in Angriff
genommen wird. Österreich hat ihnen eine feasibility study zur
Verfügung gestellt. Indonesien möchte aber ganz besonders, dass
über Österreich der COMECON-Handel vergrössert wird. In Indonesien
selbst gibt es, seitdem sie die Kommunisten dort abgeschlachtet
haben und die Bevölkerung angeblich antikommunistisch eingestellt
ist, grosse Abneigung mit diesen Staaten Handel zu betreiben,
was der Staat aber wieder unbedingt möchte. Der neue Botschafter
hat mir dann auf meine Frage erzählt, er kommt gar nicht aus der
Aussenamtsbürokratie, sondern war Generaldirektor für Transport-
fragen. Der indonesischen Präsident hat ihn ausdrücklich dazu be-
stimmt, obwohl er meinte, er hätte keinerlei Erfahrungen in der
Aussenpolitik. Er sei der richtige Mann, er hat daher nach Wien
zu gehen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Kläre beim Aussenamt, wie es mit der COMECON-
Handelsüberlegung der Indonesier steht.
Bei der Sekretärsbesprechung in der LUGA war ein kritisches Thema.
Die Sekretäre fühlen sich jetzt von den vorwärtsdrängenden Funk-
tionären zurückgesetzt. Dies kam deutlich zum Ausdruck, als es um
die Besetzung der Arbeiterkammerräte und jetzt um die Delegierung
zum Gewerkschaftskongress handelte und besprochen wurde. Vor der
Diskussion glaubten einige, es sei meine Schuld, weil ich immer
predige, Funktionäre muss man wie ein rohes Ei behandeln und
daher nicht entsprechend durchgreife. Wenn einzelne Funktionäre
eben, z.B. mit ihren Beitragsabführungen ihres Betriebes im Rück-
stand sind. Ich habe ihnen sofort sehr freundschaftlich, weil ich
auch bei Sekretären nicht durchgreife, sondern zu motivieren ver-
suche, auseinandergesetzt, dass es ihr Fehler war, in einzelnen
Ländern zu hoffen mit Hilfe der Funktionäre die sogenannte Wiener
Ergonomie zu brechen. In den Bundesländern kommt es immer
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sehr gut an, wenn man einen kleinen Kampf gegen Wien führt.
Als einzelne Funktionäre jetzt draufgekommen sind, dass zuerst
die Unterstützung in einem oder anderen Punkt durch ihre Sekretäre
bei diesen Kampf gegen Wien, der allerdings nur ein unbedeutendes
Scharmützel ist, zu haben, so sagen diese Funktionäre jetzt, wie
wollen auch innerhalb des Landes tun und lassen war wir glauben.
Dieser Sturm im Wasserglas ist auch so wie alles was ich jahr-
zehntelang bei meiner Tätigkeit bei der LUGA erlebte, friedlich
über die Bühne gegangen.
Die Firma Ullmann ist mit Volkswagenvertretern, Vorstandsdirektor
Briese und ihrem Österreich-Vertreter Matousek sowie Porsche
und vor allem aber dem Südost-Treuhand-Wirtschaftsprüfer er-
schienen. Um nicht, wie Gröger und Haffner vermuteten, schon jetzt
einen Abschluss über ihre Ansiedlung in Heidenreichstein zu tätigen,
sondern, eben wie ich erwartete, Vorfragen zu klären. Die wichtigste
ist, mit welcher Unterstützung haben sie zu rechnen. Die Absatzfrage
ihrer Produkte ist insoferne gelöst, als Volkswagen erklärt, ab
1980 um 800.000, 81 um 2 Mio., 82 um 4 Mio. DM zusätzliche Leuchten
zu beziehen. Ullmann hat derzeit 6 Mio. DM Umsatz an Volkswagen bei
einem Gesamtumsatz von 40 Mio. Dies sind ca. 15 %. Wenn nun auch
die anderen Autowerke ihren Tangenten einhalten, diesbezügliche
Gespräche gibt es mit Mercedes, BMW – ich selbst habe ja mit Dr.
Schäfer diesbezügliche Vereinbarungen getroffen – so ist die Um-
satzfrage für Ullmann gelöst. Er würde 1980 mit 70 Beschäftigten
beginnen. Was mir wichtig erschien, war einen Finanz-und Zeitplan
zu erstellen. Südost-Treuhand hat errechnet, dass sie 15 Mio. Bau-
investitionen und 15 Mio. Maschineninvestitionen brauchen. Dieser
Betrag erscheint mir als zu gering, um auch nur annähernd die Um-
satzerwartungen erfüllen zu können. Leider ist es nicht möglich
in der Zwischenzeit Werkzeuge im Eisert-Werk herstellen zu lassen.
Sie haben ihnen kleine Muster geschickt. Die Firma musste ablehnen,
weil sie keine Kopierfräsanlagen haben. Diese Maschinen müssen erst
von der neuen Ullmann-Fabrik dann angeschafft werden. Die Finanz-
pläne werden jetzt mit Gröger besprochen. Ullmann wollte von mir
eine prinzipielle Erklärung womöglich dass sie so behandelt werden
wie Ford. Dies habe ich sofort verneint, denn Ford hat eine 7.000
Beschäftigten-Anlage in Aussicht gestellt und daher eine besondere
Kondition bekommen. Ich habe natürlich dies so verklausuliert
dass ich meinte, es könnte sich ja dann herausstellen, dass bei
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den Regelungen die wir anbieten können, sozusagen 50.000
Schilling das Land, 50.000 Schilling der Bund, pro Beschäftigten
Grenzlandhilfe, sie in einem ader anderen Fall günstig fahren.
Wie mir jetzt immer mehr zum Bewusstsein kommt, sind die
Einzelaktionen von Ländern und Bund ohne einer generellen Konzeption
verheerend. Die Betriebsansiedlungsgesellschaft in Wien, hat mir
mitgeteilt, dass für das Philips-Videorecorder-Werk nicht nur
die 10 Mio. Schilling, die Stadtrat Mayr erwähnte und die Grund-
aufschliessung für das neue Werk die grosse Rolle spielen. Philips
bekommt auf für Hornyphon-Werk auf der Landstrasse 200 Mio. Schil-
ling bei einem verwertbaren Bestandsobjekt von höchstens 60 Mio.
und nicht wie Mayr annimmt 160 Mio. Schilling. Die Firma Grundig ist
jetzt sehr verärgert, denn sie hat im 12. Bezirk das grösste Fern-
sehwerk errichtet, ohne solche Konditionen bekommen zu haben.
Ähnlich fürchte ich, wird es jetzt bei anderen Bundesinvestitionen
sein.
Blecha hat das Renner-Institut beauftragt für Jugendliche eine grosse
Parteiveranstaltung über Lehrlingswesen als Zielgruppe zu organi-
sieren. Ich habe sofort gefragt, ob der Gewerkschaftsbund eingeschal-
tet ist, was verneint wurde. Selbstverständlich habe ich daher sofort
den Gewerkschaftsjugendreferenten verständigt. Dieser war über mein
Verhalten sehr glücklich.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: In Hinkunft bitte besonders auf diese Kompe-
tenz achten.
GD Kirchner, Simmering-Graz-Pauker ruft an und ersucht mich, ob
S.Chef Frank neben dem Direktor Entzmann und dem Dipl.Ing. Türriegel
in den Kontrollrat entsendet werden kann. Dieser ist von den
Sowjets verlangt worden, um die Kooperation Desintegrader , eine
Art Stift- und Schlagmühle, zu entsenden. Die sowjetische Seite
wird durch Licenzintorg vertreten sein. Die Bestellung erfolgt
vorerst für 18 Monate. Selbstverständlich habe ich diesem Wunsch
zugestimmt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte verständige Frank und Kazda.
Die Vorstellung des Buches "Oh Du lieber Augustin", welche
eine Sammlung von Wienerliedern nur enthält, also keinesfalls
Gedichte oder Lieder, die Hodina womöglich selbst komponiert hat,
war ein riesen Erfolg. So viele beim Heurigen habe ich wirklich kaum
noch gefunden. Politiker waren weniger, ich habe nur Präsident Be-
nya getroffen. Die meisten dürften doch der Frackveranstaltung der
dänischen Königin gefolgt sein. Hodina war deshalb um so mehr er-
freut, dass ich selbst gekommen bin, da er mir zur allgemeinen
Einladung einen sehr lieben handgeschriebenen Brief schickte,
habe ich gar keine andere Möglichkeit, als hinzugehen. Bei dieser
Gelegenheit traf ich viele Leute der Wirtschaft, aber auch Wiener
Parteifunktionäre. Die Klagen über die unmögliche Administration jetzt
des Magistrats werden immer ärger. Dort hat man scheinbar in den
letzten Jahren die Bürokratie so verärgert, dass jetzt dort nur
sehr negatives in die Öffentlichkeit dringt. Nach der straffen
Führung von Bürgermeister Slavik wird die an und für sich mir
gefallende lockere Art von Gratz immer mehr kritisiert. Trotzdem
glauben viele besteht die Hoffnung, dass die Wiener eben der Ge-
meindeverwaltung ihre negative Einstellung bei den Oktoberwahlen
zeigten und jetzt aber auf alle Fälle wieder Kreisky wählen werden.
In diesem Fall wäre die absolute Mehrheit gesichert.
Tagesprogramm, 5.4.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)