Mittwoch, der 21. Februar 1979

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Mittwoch, 21. Feber 1979

Bei der Bürges-Beiratssitzung wurde über die gigantischen
Steigerungen der Kreditansuchen berichtet. Von Jänner bis
15. Feber wurde bei der Stammaktion gegenüber dem Vorjahr um 115 %
bei der Fremdenverkehrssonderaktion 141 %, bei der Komfortzimmer-
aktion um 43 % und bei "Jederzeit warme Küche"-Aktion um 59 %
mehr Ansuchen eingereicht. Auch die Gewerbestrukturanträge sind irrsinnig
gestiegen. Für die Seenreinhaltung gibt es 250 Anträge, davon 234
aus Kärnten, bei Kanalanschlüssen Belastung von 34 Mill. S nachwei-
sen, würden wir daher kaum auskommen. Die einzige Aktion, die bis
jetzt nicht eingeschlagen hat, Betriebsneugründung. Sektionschef
Jagoda, mit dem ich nachher über diesen Fall besonders gesprochen
habe, meint, dies sei deshalb, weil jetzt ein gewisser Katalog
Nahversorgung usw. die Einreichungsmöglichkeiten beschränkt.
In Hinkunft wird es besser werden, weil der Katalog jetzt ge-
strichen wurde, ausserdem ist von den 500.000 S auf 2 Mio. hinauf-
gesetzt worden. Vielleicht wartet der eine oder andere noch zu
ob jetzt nicht noch eine wesentliche Verbesserung dadurch kommt,
dass sich die Länder ebenfalls daran beteiligen. Jagoda meint auch
dass jetzt nur die Prämien verlangt würden und sehr wenige die
Haftungen in Anspruch nehmen. Darin sieht er eine grosse Gefahr,
denn er meint, man will nur die Prämie kassieren, also wirklich
keine ernsthafte Betriebsgründung durchführen. Das glaube ich
weniger, denn seitdem die Bürges existiert, wird viel weniger die
Bürgschaft als der Zinsenzuschuss in Anspruch genommen. Sie
ist daher nicht unberechtigt, wenn man sie nicht BÜRGES sondern
ZINSES nennte. Mit grossen Befriedigung wurde die Zinsensenkung
auf 8 % für alle Aktion, Voraussetzung für den Zinsenzuschuss zur
Kenntnis genommen. Die Vertreter der BHK haben sich sehr schwer
getan, auf der einen Seite mussten sie dem Druck von Jagoda nach-
geben, auf der anderen Seite haben die Banken dagegen natürlich
schärfstens remonstriert. Die Handelskammer hätte es daher am lieb-
sten, wenn so wie bei der Stammaktion irgendein Kriterium automa-
tisch die Zinserhöhung oder Zinssenkung durchführen würde. Da
wenn es tatsächlich zu so etwas kommen sollten, nur bei der Stamm-
aktion die Bankrate der Nationalbank ausschlaggebend sein dürfte,


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habe ich dies gleich mit aller Deutlichkeit bei der Bürges
Beiratssitzung erklärt. Gegen eine Koppelung haben sich die
Arbeitnehmervertreter aber ausgesprochen und meinen, dass
es mit den Verhandlungen im Interesse der Gewerbetriebe bessere
Ergebnisse erzielt werden konnten. Der Wunsch des Gewerbevertre-
ters, man sollte trachten, alle auch jetzt schon beschlossenen
Verträge mit einem Zinssatz von mehr als 8 % auf diese 8 %
auch zurückzuführen, erscheint mir berechtigt, aber nicht
durchsetzbar.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte lass diesen Vorschlag prüfen.

Sekt.Chef Jagoda berichtete mir, dass er jetzt wegen der Arbeits-
gemeinschaft Spitalabrechnung vom Gesundheitsministerium gefragt
wurde, wie die gewerberechtliche Situation tatsächlich ist.
Jagoda, ein anerkannter Jurist und vor allem der Fachmann für
Gewerbefragen hat wieder einmal seine Kooperation und vor allem
sein Verständnis für andere Ministerien gezeigt. Er erklärte
mir mit einiger Begründung könnte man sagen, dass man drei
Etappen unterscheiden müsse. Die Studie selbst kann man als
wissenschaftliche Tätigkeit bezeichnen. Die Schulung, die dort
vorgesehen ist, ist eine Unterrichtsmassnahme, erst die Durch-
führung, also die dritte Etappe mit EDV und ich weiss nicht was
sonst noch allem, wäre eine gewerbliche Tätigkeit. Zu diesem
Zeitpunkt hat die Arbeitsgemeinschaft dann schon einen Gewerbe-
schein erworben gehabt. Jagoda meint allerdings freimütig, dass
es natürlich auch rechtliche andere Auffassungen geben kann und
wird. Da er aber unumstritten der Gewerberechtler par excellence
ist und als solcher gilt, ist diese Aussage für Leodolter von
grösster Bedeutung. Ich habe mich daher auch bei ihm in ihrem
Namen, ohne dass sie es weiss, herzlichst bedankt.

Bei der Eröffnung des Symposiums über Innovation und Patent
durch Firnberg, Schönbichler und mich hatte Leberl die Begrüssung
dazu benützt, um einige Fragen aufzuwerfen. Diesen Zettel habe
ich dann von ihm unmittelbar verlangt und konnte dann doch
einige Bemerkungen allgemeiner Art über die dort aufgeworfenen
Fragen machen. Bei dieser Gelegenheit bin ich selbstverständlich
gleich auf aktuelle Probleme des Patentamtes eingegangen, die
Patentanwaltskammer war nur sehr spärlich vertreten, weshalb
ich selbstverständlich auch die Fragen des Beitritts zum Euro-
päischen Patentübereinkommens als wichtige internationale Ent-


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wicklung, die eben erkannt werden muss, herausstrich.
Leberl sagte eben z.B. ob es in Hinkunft regionale, nationale
und ich weiss nicht was noch alles an Patentorganisationen
geben sollte, hat er nicht gehabt und nur die drei Seiten, die
er mir als Redeunterlagen geliefert hat, ich wäre dort gegen-
über der Ansprache von Firnberg und Schönbichler ungeheuer abge-
fallen. So aber hat mir dann beim Mittagessen der deutsche
Justizministeriumsvertreter gesagt, dass meine zwar improvi-
sierte Rede aber natürlich auch mit Wiener Schmäh ein wenig
aufgelockert ihn sehr überrascht hat. Vor allem war er von meiner
Sachkenntnis, wie er sich ausdrückte, sehr beeindruckt.
Ich erklärte mich, dass ich mich in den letzten zwei Jahren ganz
besonders mit den Patentproblemen durch den Widerstand der
Patentanwaltskammer sehr habe beschäftigen müssen. Der Vorteil
bei diesem Symposium war für mich ausserdem, dass wir gestern
einiges Material bei der Eröffnung der Ausstellung im Technischen
Museum sammeln konnten. Die Materialbeschaffung für Eröffnungs-
reden und sonstigen Feierlichkeiten ist nach wie vor trotz
neun Jahre Ministeramt sehr unbefriedigend. Was ich brauche, ist weni-
ger ein Goastrighter, sondern einen Ghostdenker, um einen neuen
Ausdruck zu prägen. Auf deutsch würde dies eine Art Geisterdenker
sein.

Beim Essen, das die Bundeskammer für die Präsidenten der Patent-
ämter gegeben hat, ergab sich eine interessante Diskussion zwischen
Schönbichler, Vizepräsident der Handelskammer, Wakolbinger, General-
sekr.Stv., mit Gen.Dir. Krieger vom Justizministerium aus
Deutschland und mir über die Mitbestimmung. Da jetzt im
Verfassungsdienst in Karlsruhe über den Antrag der Unternehmer-
verbände bezüglich Mitbestimmungsgesetz das Urteil in den
nächsten Tagen erfliessen wird, wurde von uns Österreichern über-
einstimmend festgestellt, dass in Österreich eine solche Vorgangs-
weise nicht wahrscheinlich ist. In Deutschland hat die Anfechtung
das Gesprächsthema zwischen den Unternehmerverbänden und den
Gewerkschaften total zerstört, die radikalisierenden Massnahmen
in den letzten Monaten und Jahren ging auf diese Entwicklung
zurück. Krieger meinte mir gegenüber, man hat allerdings nur
von der Unternehmerseite wollen, mit diesem Entscheid des Ver-
fassungsgerichtshofes festlegen, wie weit die paritätische Mit-
bestimmung überhaupt verfassungsmässig möglich ist. Die Unternehmer


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erwarten nämlich eine weitere Phase im Gewerkschaftskampf,
da derzeit der Kapitaleigner noch von der wirklich totalen
Parität geschützt ist, indem der Vorsitzende, der immer
von ihm gestellt wird, zwei Stimmen hat, dann letzten Endes
der Vorsitzende endgültig entscheidet. Diese Bestimmung befürchten
die Unternehmer würden die Arbeiter ebenfalls bekämpfen und letzten
Endes entscheiden. Dann wäre zwar die absolute Parität erreicht,
aber gleichzeitig auch eine Patt-Stellung, die ja durch diese 2.
Stimme verhindert werden soll. Nach Auffassung der Unternehmer-
vertreter handelt es sich hier weniger um den Kampf gegen die
Mitbestimmung sondern um eine authentische Interpretation
als Grund für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes.
Für mich war dies ein lehrreiches Beispiel, wie man
aus schlechten Instruktionen in eine Entwicklung gedrängt
werden kann, die man vielleicht anfangs gar nicht beab-
sichtigte.

Der Demel-Besitzer Proksch und sein Kompagnon für das Philippinen-
geschäft Prutscher erklärten mir, warum es für sie so wichtig
wäre, jetzt während der Anwesenheit von der Frau Präsidentin
Marcos einen Vertrag zu unterschreiben. Sie haben mir gezeigt,
wieviel Arbeit sie für die feasibility study über die 13 Spitäler,
die sie in den Philippinen errichten sollen und wollen, aufge-
wendet haben. Die Einladung von Frau Marcos durch Bürgermeister
Gratz ging auch auf ihre Initiative zurück. Bei dieser Gelegen-
heit hofften sie auf einen Kontraktabschluss. Scheinbar hat
dies aber nicht so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt haben
Sie führen das hauptsächlich auch darauf zurück, weil Dr. Konrad
von Europhil-Commerc Inc. in Manila, die auch gleichzeitig eine
Europhil-Commerc AG in Wien hat, gegen sie mehr oder minder
intrigiert. Dabei werden oft läppische Gründe angegeben. Angeb-
lich haben sie der First Lady Marcos versprochen, sich einzu-
setzen, damit sie für den Nobel-Preis vorgeschlagen wird.
Ich traue dies Proksch ohne weiteres zu, obwohl er natürlich
genau weiss, dass Kreisky sich wahrscheinlich für eine solche
Aktion niemals hergeben würde.



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Prutscher und Proksch haben jetzt die Zentralsparkasse, sicher-
lich über Veranlassung von Bürgermeister Gratz, dafür gewinnen
können, dass diese bis 2 Mia. S für diese Exportmöglichkeiten
zur Verfügung gestellt hat. In Wirklichkeit geschieht gar
nichts anderes als dass die Kontrollbank-Konditionen
von der Z im Einvernehmen angeblich sogar mit anderen Banken
angeboten werden. Die beiden hoffen, dass jetzt die Frau Marcos
diesen Letter of ident, der bis 30. Juni 1979 gelten soll,
bestätigen wird, womöglich in Form eines grossen feierlichen
Abkommens und Unterschrift während ihres Gegenessens. Ob
sie dies wirklich macht, weiss ich nicht, denn interessanterweise
dürfte sie optisch nicht allzu viel Bedürfnis haben, zusätz-
lich bei dieser Reise noch in Erscheinung zu treten, denn
die beabsichtigte Unterzeichnung des Handelsvertrages zwischen
den Philippinen und Österreich, der ursprünglich auch zwischen
ihr und mir erfolgen sollte, sie hat dann den Industrieminister
Paterno dazu ermächtigt, und ist nicht einmal zur Unterschrift
gekommen. Was mich persönlich überhaupt nicht störte, mir
aber deutlich zeigt, dass man auch die Situation in der sie
sich befindet, überschätzt. Natürlich braucht die Diktatur
ihres Mannes, um eine solche handelt es sich ja doch letzten
Endes in den Philippinen, viel optische Erfolge und gerade
eine solche Europa-Reise muss in den Diktaturen einen viel
grösseren Erfolg vorspielen als in Wirklichkeit wahrscheinlich
zustande kommt. Das Fernsehteam und die Mengen Reporter, die
sie mit hat, bewiesen mir dies einmal mehr. Ob sie aber dann
tatsächlich in konkretere Verhandlungen insbesondere was
die Spitallieferungen betrifft, eintreten will und kann, weiss
ich nicht. dies wird sich für mich erst klar und deutlich in
den nächsten Tagen zeigen. Ich versprach den beiden, bei dem
Mittagessen für Paterno, dieses Problem noch einmal besonders
anzuschneiden.

In der Paritätischen Kommission hat Kreisky diesmal selbst den
Vorsitz geführt, da er meistens verspätet beginnt und dann
auch langsamer spricht, die Tagesordnung damit natürlich
auch langsamer abwickelt, dauert sie ein wenig länger als bei
mir. Die beiden Lohnbewegungen für die Angestellten des Geld-
und Kreditsektors 4,2 % mit 1.1.1979 schon abgeschlossen, wurde


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formell gegeben, ebenso die Arbeiter und Angestellten in
der Textilindustrie Vorarlbergs 5 % Kollektivvertrag und
4,5 % Ist-Löhne mit 1.3.1979. Die Tarifempfehlung für den
Güternahverkehr und die Weiterverrechnung des Strassen-
verkehrsbeitrages, die beiden anderen Tagesordnungspunkte,
mussten zur Klärung der offenen Fragen dem Preisunterausschuss
zurückverweisen werden. Die gesonderte Verrechnung des Strassen-
verkehrsbeitrages entspricht nämlich nicht den Verfahrensregeln
der Paritätischen Kommission. In Wirklichkeit wollen die
Sozialpartner den Streit über den Strassenverkehrsbeitrag nicht
hochspielen und wollen sich womöglich aus dem politischen
Streit dieser Steuer heraushalten. Der Fall wird deshalb
ständig zwischen Preisunterausschuss und Paritätischer
Kommission hin und her geschoben. Eine typisch österreichische
Sozialpartnerschaftslösung.

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Tagesprogramm, 21.2.1979


Tätigkeit: Beteiligter im AKH-Skandal; Sohn von Prutscher Pius Michaelevtl. Falschidentifikation


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    Tätigkeit: Präs. Patentamt


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      Tätigkeit: öst. Honorarkonsul Philippinen


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        Tätigkeit: GS-Stv. HK


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          Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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            Tätigkeit: Gesundheitsministerin


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              Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


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                Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                GND ID: 11869104X


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                  Tätigkeit: philippinische Diktatorengattin


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                    Tätigkeit: BRD-Verhandler Ursprungsbezeichnungsabkommen


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                      Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                          Tätigkeit: Bundeskanzler
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                            Tätigkeit: Obmann Sektion Handel BHK


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