Montag, 19. Feber 1979
Ing. Elbe, der kaufmännische Direktor von der Firma Fehrer,
hat mir streng vertraulich sein Leid geklagt. Dr. Fehrer,
der in Linz eine verhältnismässig kleine Maschinenbaufirma
betreibt, hat ein revolutionäres System des Spinnens ent-
wickelt. Mit sehr wenig, stets abgelehnt trotz 400 Patenten
den Forschungsförderungsfonds in Anspruch zu nehmen. Normale
Richtlinienbestimmungen, dass er z.B. vor der Lizenzvergabe
ins Ausland mit dem Forschungsförderungsfonds verhandeln muss,
betrachtet er als schikanös. Sein Arbeitssystem besteht darin,
seine Fabrik nur zu assemblieren, die Zulieferung für den letzten
Typ Dref 2, wo er feinere Garne von 0,25 bis 10 numerische
Meter spinnen kann, hat der österreichischen Industrie für
120 Mill. S Aufträge im Jahr gebracht. Einsatz ist 260 Mio. S
gewesen und wird 1979 300 Mill. erreichen. An Dref 3 wird derzeit
gearbeitet, die bis 35 numetrische Meter und 450 Meter pro
Minute Spinngeschwindigkeit entwickelt. Damit kommt er in den
textilen Bekleidungssektor hinein. Blue Jeans hat Nr. 12. Bei der
Entwicklung hat er natürlich jetzt die Kinderkrankheiten, da
er nicht so viel Kapital hat, um die Maschine zuerst im Inland
ausprobieren zu können, muss er oft Prototyps verkaufen. Die
Reparaturen kosten dann für die Monteure ungeheuer viel Geld,
die die Firma als Garantieleistung aufwenden muss. Dadurch
ist die wirtschaftliche Entwicklung von 72/73 mit 12 Mill. S
plus ungeheuer gefallen, das Privatkonto von Fehrer ist
von 5 Mill. plus auf 12 Mill. S minus zurückgegangen. Fehrer
konzentriert sich nur mehr auf seine Spinnmaschinen, weshalb
er den Stahlbau liquidiert hat, der immerhin einen jährlichen
Deckungsbeitrag von 10 Mill. S gebracht hat. Der kaufmännische
Direktor und das kann ich verstehen ist in dieser Beziehung ver-
zweifelt. Min.Rat Gröger hat mit ihm alle Möglichkeiten durchge-
sprochen, wie wir Fehrer, ohne dass er es weiss von der
Aktion seines kaufmännischen Direktors, Unterstützung anbieten
können. Ich werde sie ihm persönlich in Form eines Briefs beim
Aufenthalt anlässlich des Parteitages in Linz überreichen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Den Briefentwurf möchte ich sehen.
Im Wiener Vorstand wurde, so wie dann auch im Wiener Aus-
schuss, die Nationalratswahl insbesondere die Kandidaten-
liste besprochen. Gratz hat ganz deutlich im Vorstand
erklärt, wenn es zu Stimmenverlusten kommt, wird falls
die Sozialisten nicht mehr in der Regierung sind, um
die jetzigen Nationalräte auch in Zukunft im Parlament zu
haben, die Nationalräte zurücklegen, welche 1983 nicht
mehr in den Wahlkampf gehen würden. Vorerst muss aller-
dings beschlossen werden, dass für Kreisky, Benya und
Firnberg die Altersklausel nicht gilt. Zum Unterschied
von unserer Besprechung mit dem Präsidium des dritten Be-
zirkes hat er dann nur mehr 3 vorgeschlagen, die wenn wir
keine Minister mehr entsenden, durch nach dem neuen System
Rücklegung des Nationalratsmandates der Minister natürlich
alle jetzigen gesichert sind, dann trotzdem ihr Mandat
zurücklegen müssen. Es sind dies Broda, Metzker, Schnell.
Gratz wollte zuerst diese Information als vertraulich nur
im Vorstand gesagt haben. In der Diskussion wurde aber dann
vorgetragen und ich war als erster dieser Meinung, so etwas
bleibt nicht vertraulich und dann erfahren es die Genossen
wieder aus der Zeitung. Um nicht den verheerenden Eindruck
zu erwecken, wir rechnen schon fest damit, die nächste
Wahl zu verlieren, wäre es zweckmässig, im Ausschuss dies
nur anzudeuten. Die Vorstandssitzung musste ich dann wegen
des Journalistenfrühstücks vorzeitig verlassen. Beim Journa-
listenfrühstück hatten wir eine vollgepackte Tagesordnung.
Fast zu viel. Sekt.Chef Meisl berichtet über die Aussenhandels-
ergebnisse. Sekt.Rat Fellner über Innovationsberatung des
Handelsministeriums, Dr. Mayer von der Arbeitsgemeinschaft
Patentförderung teilte mit, dass seit der Gründung 2.000
Fälle bearbeitet wurden. Dr. Ratz vom Forschungsförderungs-
fonds erklärte, dass ihnen 220 Mio. S Bundeszuschuss zur
Verfügung stehen und hofft im BÜG noch mehr zu bekommen.
Forschung und Entwicklung hat sich im vergangenen Jahr um
8 % insgesamt gesteigert. Präs. Leberl sprach über das
Patentamt und verwies darauf, dass 1970 0,9 Anteil auf
1,3 des BNP im vergangenen Jahr gestiegen ist. Für
47-0222
die Forschung wird also jetzt wesentlich mehr ausgegeben
als früher, ungefähr soviel wie Belgien, Dänemark und mehr
als Kanada und Italien, von 300.000 gemeldeten Patenten
werden ca. 180.000 Patente erteilt. Wirtschaftlich verwertet
werden allerdings nur 10 % davon. Im Patentamt liegen
22 Mio. Einzeldokumente, die bei dieser Gelegenheit 80 Jahre
Österr. Patentamt gerne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden würden. Dir. Gmeinhart referierte über die Speicherkraft-
werke insbesondere die Aktivitäten der Tauernkraftwerke.
Die Speicher ersparen jetzt ca. 1 Mia. S Devisen für Ölein-
fuhren. Ohne die Speicherwerke würde ein internationales
Verbundsystem für Westeuropa mit einem wirtschaftlichen
Netzbetrieb gar nicht mehr denkbar sein. Die Investitions-
kosten steigen aber gigantisch, für die Zemm-Werke waren
noch 4 Mio. S notwendig, für Malta schon 10 Mia. und Ziller-
gründl wird, obwohl nur einen Bruchteil der Leistung von
Zemm und schon gar von Malta 5 Mia. S Investitionen erfordern.
Ich konnte bei dieser Gelegenheit auf die Angriffe Grabers
in der Presse: monatelanges Nichtstun und warten bis eine
Entscheidung fällt, reagieren. Der Vorwurf, dass wir jetzt
erst für Zwentendorf Ersatzkraftwerk anstelle von Gas-Öl
Kohle vorschlagen, war leicht zu entkräften. Seit Frühjahr
vorigen Jahres verhandelt das Handelsministerium und ich
hatte mich sogar persönlich auch eingeschaltet, mit den EVUs
d.h. Landesgesellschaften und Verbund, damit sie von ihrer
Absicht koordiniertes Ausbauprogramm 1000 MW und 400 Megawatt
Gas abgeben und doch mehr die Kohle berücksichtigen.
Bisher allerdings ergebnislos. Interessanterweise komme ich
stets mit der Energiefrage in Kollision mit den Massen-
medien. Wahrscheinlich liegt da doch auch ein Teil der Schuld
bei mir und nicht nur bei den objektiv die wir halt doch
viel zu wenig den Massenmedien watscheneinfach erklären können.
Gmeinhart, der sich in Salzburg jetzt voll integriert hat,
informiert mich, dass er für 25. März ein verhältnismässig
gutes Ergebnis für die Volkspartei erwartet. Haslauer dürfte
3 % dazugewinnen und das erste Mal die absolute Mehrheit
auf Kosten der Freiheitlichen erreiche. Die Sozialisten werden
47-0223
ganz wenige Stimmen gewinnen, dadurch ein drittes Regierungs-
mitglied vielleicht sogar bekommen, aber es wird ein grosser
Erfolg von LH Haslauer sein. Die Frage ist nur noch, wie die
Bürgerlisten abschneiden werden. Wenn das Ergebnis wirklich
so ausgehen sollte, dann ist meiner Meinung nach für Salzburg gar
nicht so schlecht. Für die gesamtösterreichische Entwicklung
vielleicht sogar gut, denn es zeigt, dass die Freiheitlichen
auch unter der Führung von Götz nichts gewinnen werden, sondern
vielleicht sogar überall verlieren.
Bei der Ministerratsvorbesprechung, zu der ich wegen des
Scheel-Besuches zu spät kam, hat Blecha dann ebenfalls über die
letzten Meinungsumfragen noch einmal diskutiert. Eindeutig wünscht
die Bevölkerung heute, dass die Sozialisten – sprich Kreisky –
bleiben soll, die Alleinregierung wird heute mehr befürwortet
als eine grosse Koalition. Blecha fürchtet aber, man will
die Regierung in ihrem Machtanspruch und Überheblichkeit
usw. dämpfen, weshalb das Wahlergebnis dann ganz anders aus-
schauen kann. Ich bin davor überzeugt, sogar nicht nur kann
sondern wird. Kreisky meint, die einzige Möglichkeit besteht
in der Polarisierung des Wahlkampfes: Kreisky oder Taus/Götz.
Letztere haben nachweislich 6 Zusammenkünfte gehabt.
Beim Mittagessen beim Bundeskanzler für Frau Marcos wurden vorher
vom VÖEST-Vertreter und mir mit Industrie-Minister Paterno
die Projekte der VÖEST neuerdings besprochen. Ich frage mich
nur, wie diese finanziert werden können. Bekommen nämlich die
Philippinen Kredite von der Weltbank, dann ist eine internatio-
nale Ausschreibung daran geknüpft und Österreich hat kaum Chancen
den Zuschlag zu bekommen. Wahrscheinlich müssen wir daher über die
österr. Kontrollbank die Projekte finanzieren.
Im Wiener Ausschuss konnte ich nur während des Berichtes über
die aktuellen Fragen anwesend sein, wo Gratz darüber berichtete,
die einhellige Meinung aller Diskussionsredner war dagegen.
Ein weiterer Punkt war der Angriff von Stadtrat Mayr an Schieder,
warum dieser freiwillige Feuerwehren in Wien oder ähnliche Ein-
richtungen schaffen möchte. Schieder erklärte, er hätte sich
47-0224
nur im Rahmen des Katastrophengesetzes bewegt, als er
andeutete, man könnte Hilfstruppen aufstellen, um bei einer
wirklichen Katastrophe wie beim Gerngross-Brand besser ge-
rüstet zu sein. Da auch andere gegen die Idee der Freiwilligen
Feuerwehr polemisierten, sah ich mich doch veranlasst,
aufmerksam zu machen, dass die Sozialisten immer zu spät er-
kannt haben, wenn es notwendig ist, irgendwelche Formationen
aufzustellen, wie z.B. Bundesheer, Katastropheneinsatz usw.
und dann mühsam und jahrelang später die notwendigen Konse-
quenzen aus diesem Verhalten zu ziehen genötigt waren.
Die Organisationen wurden doch errichtet und wir waren dann
meistens draussen, worüber wir uns dann immer bitter beklagten.
Wie immer man die neue Organisation nennen und schaffen wird,
notwendig ist sie, kommen wird sie, weil niemand, wenn es
tatsächlich zu Katastrophen grösseren Ausmasses als beim
Gerngross-Brand kommt, verantworten kann, dass es dann
heisst, man hat nicht vorgesorgt. Was dann aber aus
der ganzen Diskussion resp. aus der Mitteilung von Gratz über
die Kandidatenliste wurde, weiss ich nicht, weil ich schon
wieder zum Wirtschaftsgespräch mit Bundespräsidenten Scheel
in die Hofburg eilen musste.
Scheel und Kirchschläger hielten eine aussenpolitische Tour
d'Horizon, Wirtschaftsfragen wurden nicht einmal am Rande
erwähnt. Interessant dabei war nur, dass Scheel die Wandlung
in der Bundesrepublik gegenüber Österreich zeichnete.
Vorerst hatte man grosse Bedenken über die Neutralität
Österreichs, die aktive Tätigkeit Österreichs aber in allen
internationalen Foren hat man jetzt erkannt, dass dies auch
für die Bundesrepublik von grösstem Vorteil ist.
In die Ministerratsvorbesprechung kam ich wieder zu spät,
weil das Scheel-Gespräch so lange dauerte und Kreisky war
mit seiner, wie ich immer sage, Postsitzung schon zu Ende.
Androsch hat dann noch die Antisteuer-Welle als Grund be-
zeichnet, dass er die Steuerreform-Kommission jetzt einberufen
musste. Dort sei ein Papier ausgeteilt worden, das alle Steuer-
ermässigungen aufführt, um zu beweisen, dass die direkten Steuern
47-0225
durch die Sonderregelung hohe Steuersätze haben, aber im Durch-
schnitt nicht mehr erbringen als in anderen Staaten. Ein
Drittel geringer ist die Lohnsteuer bei uns als in Deutschland.
Dafür allerdings sind die indirekten Steuern, Umsatzsteuer
18 % in Deutschland 12 %, wesentlich höher. Taus greift nun
aus diesem Papier die Quellenbesteuerung bei Zinsen, Erbschaft,
bei Begünstigung des 13. und 14. Monatsbezuges, die Einheitswerte
für die Einfamilienhäuser usw. heraus und erklärt, dies sei
die Steuerkonzeption von Androsch. Blecha hat diesbezüglich
Androsch scheinbar entsprechende Vorwürfe gemacht. Lanc
erklärte, dass auch im Wiener Ausschuss, ich war leider nicht
mehr dabei, wegen der Ankündigung des 13. u. 14. Monatsbezugs-
regelungen eine heftige Diskussion entbrannt ist. Glücklich
dürfte heute über dieses Papier, welches nur eine theoretische
Diskussionsgrundlage war, niemand sein.
Fischer erörterte die Donnerstag und Freitag-Parlamentssitzung.
Da am Donnerstag der Auflösungsantrag, die Wahlrechtsreform
und die Finanzgesetze zur Diskussion stehen, ist nicht damit
zu rechnen, dass bei Beginn des Opernballes das Parlament zu
Ende ist. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass – nachdem
es eine lange Diskussion gegeben hat, wer gehen kann und wer
nicht – es sehr wohl zu einem verhältnismässig zeitgerechten
Ende für die Mitglieder der Bundesregierung und Abgeordneten
kommen wird, die letzten Endes dann doch auf den Opernball gehen
wollen. Alle haben dort gesagt, dass es für sie eine lästige
Verpflichtung ist, zu gehen.
Weissenberg berichtete über die Beschäftigungssituation Mitte
Feber, es sind nur einige hunderte als Mehrarbeitslose Ende
Jänner zu verzeichnen und wir liegen noch immer unter der
100.000-Grenze. Die Volkspartei hatte einmal schon 134.000
zu diesem Zeitpunkt. Mit den Sozialpartnern hat es eine Aussprache
über die Arbeiterabfertigung gegeben, es konnte keine Einigung
erzielt werden. Der ÖGB wird aber im Unterausschuss anstelle
der Halbjahresetappen ein Jahresetappenplan präsentieren,
der 5 Jahre dauern wird anstelle der 3 1/2 Jahre, die Weissen-
berg vorgesehen hat. Ausserdem soll die erste Etappe nicht
1.7.1979 sondern erst mit 1.1.1980 fällig werden. Dafür ist
47-0226
beabsichtigt, nicht 15 % sondern 20 % der Abfertigung in
den Etappen festzulegen. Für die Kleinbetriebe soll ein
5-jähriges zinsfreies Darlehen aus dem Insolvenzenfonds
zur Verfügung gestellt werden.
Staatssekretär Karl ersuchte die Ressortchefs, die verlangten
Familienleistungen der einzelnen Ministerien so schnell als
möglich ihr zur Verfügung zu stellen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte kümmere Dich um diese Frage.
Das Essen für den Bundespräsidenten in der Hofburg dauerte die
übliche Zeit, für mich viel zu lange. Überraschend für mich
war, dass von der Regierung nur Kreisky, Firnberg, Haiden und
ich anwesend waren. Hier hat das Protokoll meiner Meinung
nach ganz schön versagt. Wenn ich bedenke, wie oft bei anderen
ostdeutschen Staatshäuptern wesentlich mehr Regierungsmitglieder
anwesend sind, so ist das wirklich nur die gute Beziehung
zur Bundesrepublik, dass Scheel darüber nicht ein wenig enttäuscht
ist. Vielleicht ist er es auch und man hat es bis jetzt noch
nicht erfahren. Das Protokoll muss aber in dieser Beziehung
überhaupt versagt haben, denn der deutsche Botschafter Grabert
hat mir vertraulichst mitgeteilt, dass das österr. Protokoll
mich vergessen hatte, mich für das Essen vorzuschlagen.
Darüber war ich sehr glücklich und habe daher Grabert erklärt,
dass ich Dienstag wirklich nicht daran teilnehmen könnte.
Mit dem Protokoll gibt es also scheinbar auch in anderen
Ministerien immer grosse Probleme.
Tagesprogramm, 19.2.1979