Donnerstag, der 11. Jänner 1979

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Donnerstag, 11. Jänner 1979

Innerhalb der Gruppe Bäcker in der Lebensmittelarbeitergewerk-
schaft gibt es noch immer keine befriedigende Lösung mit dem
Konsum. Für die Konsumgenossenschaft wurde seinerzeit ein eigener
Ausschuss gegründet. Die Konsumgenossenschaft Wien hat sich
abgespalten und seit dieser Zeit gibt es ein gespanntes Verhält-
nis. Auch meine Bemühungen zwischen den beiden Gruppen zu ver-
mitteln war bis jetzt erfolglos. Ein neuerlicher Versuch mit dem
Obmann Serini vom Konsum Wien zu einer Einigung zu kommen war nur
ein Teilerfolg, ich muss mir ehrlich eingestehen, sogar ein sehr
kleiner. Serini ist nicht nur mit dem Zentralsekretär Blümel
spinnefeind, mit dem Gruppensekretär Höllersberger möchte er
überhaupt nichts zu tun haben. Er hat jetzt auch mit unserem
Kassier Balaz einen Streit gehabt. Dies ist der einzige Mann mit
dem er bis jetzt einigermassen ausgekommen ist. Nach seiner Aus-
sage tut es ihm auch leid und er will dies in Ordnung bringen.
Ansonsten muss ich halt noch mehr Geduld aufbringen als bisher.
Funktionäre kann man sich nicht aussuchen, ist meine alte Parole.

Der Fraktionssprecher Gustav Müller schildert mir, wie es zu dem
dann endlich von der Gewerkschaft ausgearbeiteten Flugblatt gegen
die ÖAAB-Fraktion wegen des Kurier-Artikels und der Angriffe gegen
mich als Minister gekommen ist. Mühsam hat er mit der sozialisti-
schen Gewerkschaftsführung der Öffentlich Bediensteten dann eine
Formulierung gefunden, die darin gipfelt, dass in dem Flugblatt
der ÖAAB angegriffen wird und vorgeworfen wird, er hätte den Wahl-
kampf jetzt in das Ministerium gebracht. Scheinbar glaubt man,
zumindestens in Teilen der sozialistischen Fraktion im Handels-
ministerium und vor allem aber in der Gewerkschaftsfraktion,
dass ich mit einem Flugblatt verteidigt werden hätte sollen. Da-
rauf kann ich wahrlich verzichten. Meinen Streit fechte ich mir
persönlich aus. Dazu brauche ich nicht die sozialistische Fraktion.
In Hinkunft werde ich schauen, dass sich diese überhaupt nicht in
Angelegenheiten die mich betreffen einmischen. Wenn jemand die
ersten Flugblätterentwürfe kennt und das jetzige, dann kommt wo-
möglich der gegenteilige Effekt, dass man sagt, Staribacher hat
sich bemüht Schützenhilfe von der Fraktion zu bekommen und diese
hat sie ihm, wie ja das letzte Flugblatt jetzt klar und deutlich
zeigt, verweigert.



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Im Parteivorstand hat Kreisky als wichtigsten Punkt zuerst die
Begründung gegeben, warum die Oktober-Wahlen auf Mai vorver-
legt werden sollen. Die Medien sind gegen die Regierung einge-
stellt. Negativmeldungen wie z.B. beim Stromausfall, wo man ins-
besondere im Kurier von Chaos gesprochen hat, bestätigen dies
täglich. In der Vorwahlperiode muss die sozialistische Partei
50 bis 70.000 Mitglieder mobilisieren und kann dies nicht im
September erreichen. Dazu kommt jetzt noch das Risiko Bacher.
Man nimmt an, dass er in den jetzigen 4 Monaten nicht so stark
agieren kann, als er dies machen wird, wenn er erst einmal
längere Zeit, d.h. eben dann im Herbst schon als Generalintendant
den ORF nach seinen Geschmack umorganisiert und beeinflusst hat.
Die Wahlpropaganda muss sich klar dahingehend richten, dass eine
grosse Koalition nicht möglich sein wird. Der Österreichische
Wirtschaftsbund, der dafür eintritt, war nicht einmal imstande,
innerhalb der ÖVP Graf als Klubobmann durchzusetzen, trotz Unter-
stützung von Minkowitsch, d.h. den Bauern. In der ÖVP hat eben
jetzt der ÖAAB, wie man so schön sagt, das "Sagen". In den Ländern
geht dies so weit, wie Graz zeigt, die kleine Koalition bereits
vordemonstriert wird. Trotz Anbot der Grazer Sozialisten, der ÖVP
den Bürgermeister zu geben, wurde dies abgelehnt. Warum sollte
auch die ÖVP die zweite Geige spielen, wenn sie mit der SPÖ eine
Koalition macht, wenn sie die Gelegenheit hat, mit der FPÖ eine
Koalition zu machen und dort die erste Geige zu spielen. Ausserdem
kommt dies der Idee Raab wieder näher, die Freiheitlichen dabei
zu inhalieren. Raab hat 1953 eine 3-Parteien-Koalition versucht.
Dabei gab es schon einen Pakt zwischen Raab und Stendebach über
die Aufteilung. Schleinzer hat 1975 mit Peter versucht, auch eine
Dreier-Koalition anzubieten. Die Absicht war aber klar und deutlich,
früher oder später zu einer Zweier-Koalition – ÖVP/FPÖ – zu kommen.
Scrinzi hat diesen beabsichtigten Pakt nicht akzeptiert, weil er
im Parteivorstand der Freiheitlichen gleich verlangt hat, man
sollte eine Zweier-Koalition verlangen und mit der ÖVP abschliessen
und so in den Wahlkampf gehen.

Kreisky ging dann auf die Wirtschaftssituation und auf die Projekte
ein, wie er sie auch in der Regierungsklausur dargelegt hat. Ebenso
erörterte er nachher die Energiesituation und die beabsichtigte
Landeshauptleutekonferenz mit den bekannten Vorschlägen. Neuerdings
sprach er sich dagegen aus, dass man ja nicht im Energiesparprinzip


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........... Politik herausstreichen sollte. Die Arbeiterfamilien,
die Hausfrau darf nicht verärgert werden. Den bescheidenen Wohl-
stand den sich die Arbeiterschaft erwirtschaftet hat, kann und
soll nicht zerstört werden. Genauso sprach er sich auch gegen
höhere Preise für die Energie aus. Diese Politik lehnt er ganz
entschieden ab. Ganz erschüttert fragte mich über den Tisch unser
neuer dritter Präsident des Nationalrates, Pansi, wie dies aber
mit der Energieagentur steht. Weiser hat im Fernsehen ununter-
brochen gegen alle polemisiert. Pansi ist – und das ist typisch für
mich – so wie viele Funktionäre, daher desorientiert. Ich bin sehr
gespannt wie Kreisky dieses Problem auf die Dauer wird lösen.
Immer mehr Fachleute wenden sich gegen Weiser. Unter anderem hat
jetzt Prof. Lenz, von der TU Wien, der auch bei uns die Verkehrsun-
tersuchung gemacht hat, sich ganz entschieden gegen den Vorschlag
Weiser, dieses Benzinmessgerät ins Auto einzubauen, gewandt. In
einem Brief an Weiser teilt er diesem mit, dass dieser Vorschlag
nicht nur nichts bringt an Energieersparnis, sondern noch im Ver-
kehr äusserst gefährlich ist, da er den Fahrer ablenkt. Die TU
hat diesbezügliche Untersuchungen angestellt. Eine Studie legte
er dem Brief bei, wo vor Jahren schon festgestellt wurde, dass dieser
Vorschlag vollkommen wertlos ist. Die Tachometernadel zeigt genau
dasselbe Resultat, wenn man sie genau beobachtet. Lenz fragt dann
wieso Weiser sich für eine solche skurrile Idee hergibt, die nach
seiner Auffassung zu nichts anderem gut ist, als das ÖAMTC-Ge-
schäftsinteresse zu fördern. Ich bin überzeugt, hier wird es zu
einer schweren Auseinandersetzung zwischen Prof. Lenz auf der einen
Seite, Weiser, aber auch ÖAMTC auf der anderen Seite kommen. Der
ÖAMTC kann sich nicht gefallen lassen aus rein geschäftlichen
Profitinteresse, weil er dieses Instrument vertreiben will, die
Mitglieder einer Verkehrsgefährdung auszusetzen. Wir müssen uns
daher in diesem Streit sehr vorsichtig verhalten. Am besten ist,
ich werde versuchen eine Aussprache zwischen Lenz und Weiser unter
meinem Vorsitz herbeizuführen.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte kläre ob die beiden Streitteile da-
zu bereit sind.

Interessant war dann in der Parteivorstandssitzung der aussen-
politische Bericht von Kreisky. Er meint, dass die Entwicklung im
Iran klar und deutlich zeigt, dass eine religiöse Gruppe einen


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viel stärkeren Einfluss im arabischen Raum hat, als wir uns
überhaupt vorstellen können. Mit dem Sturz des Schahs wird
nicht nur Amerika einen Verbündeten verlieren, sondern vor allem
auch Israel. Noch interessanter ist aber die ferne Ostpolitik.
Amerika und China haben sich jetzt eigentlich auf Kosten der
UdSSR geeinigt. Diese wird jetzt versuchen in Europa Amerika eine
Niederlage beizubringen. Deshalb müssten die europäischen Staaten
unter allen Umständen die Entspannungspolitik weiter verlangen
und alles daransetzen, damit diese fortgesetzt wird. Kreisky hat
sich in der Vergangenheit schon immer geweigert nach China zu fahren.
Die UdSSR war ihm stets näher. Kreisky wollte damit ausdrücken,
dass er diese chinesische Politik entschieden ablehnt. Für mich ist
es immer wieder interessant die Ausführungen Kreiskys in der
Aussenpolitik zu hören und zu verfolgen. Da diese Politik für
einen Kleinstaat ja kaum konkrete Ergebnisse, die er beeinflussen
kann, erwarten lässt, kann man dort wirklich ständig alle Varia-
tionen durchspielen, alle Standpunkte begründen, alle Für und Wider
erörtern, wenn man dies nur so geschickt macht wie Kreisky und
verhältnismässig so viele Informationen durch persönliche Be-
ziehungen, die Kreisky ja zweifelsohne besitzt, zur Verfügung
hat, dann kann man wirklich ein bedeutender Aussenpolitiker sein.
Dies ist heute weltweit auch durch die Anerkennung Kreiskys be-
stätigt. Ein bisschen kommt mir die Aussenpolitik so vor, wie die
innenpolitischen parteipolitischen Gerangels. Wer mir wem inner-
halb der Parteien, wer gegen wen innerhalb und ausserhalb der
Parteien, aus welchen Gründen gerade in einem oder anderen Punkt
man sich mit jemanden verbündet usw. Da mir diese Politik so gar
nicht liegt, werde ich mich weder in der Aussen- geschweige denn in
der Innenpolitik jemals behaupten.

Die Wahlplattform wird, wie Kreisky feststellt, nicht ein neues
Parteiprogramm. Überhaupt möchte nur ein paar Seiten Prinzipien-
erklärung, wie die zukünftige Regierung arbeiten sollte. Sein
Hauptaugenmerk meint er, wäre die grünen Listen dadurch zu be-
kämpfen, dass man eben die sozialistische Partei als eine für den
Umweltschutz einstuft. Da sich zu diesem Referat überhaupt niemand
zu Wort meldete, hat Androsch dann ergänzend seine Prinzipien er-
örtert, wobei er einen guten Slogan prägte, die sozialistische
Regierung war imstande in den 70er-Jahren eine Prosperität in


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der Krise zu gewährleisten. Ausser seinen Vorschlägen jetzt
für weit in die 80er-Jahre hineingehendes Finanzierungskonzept
möchte er jetzt die überhöhten Zinsen der Banken in Angriff
nehmen. Die Banken verzichten derzeit auf die Refinanzierung
bei der Österreichischen Nationalbank und sind andererseits
aus Liquiditätsgründen bemüht, noch mehr Einlagen von den Sparern
zu bekommen, d. h. sich gegenseitig die Einlagen wegzuangeln und
zwar durch höhere graue Zinsen, die sie gewähren. Für mich ist
dieses Verhalten auch nicht ganz klar, muss aber einen gewissen
Grund haben. Ich werde dieses Problem mit Kienzl bei der nächsten
Gelegenheit im Detail besprechen.

ANMERKUNG FÜR NÄHSMANN: Bitte dieses Kienzl dieses Problem
Termin vereinbaren.

Marsch berichtete dann über die technische Durchführung der
Nationalratswahlen. Das einzige interessante dabei war, dass
der Wahlfond mit 40 Schilling pro Mitglied festgelegt wird und
dass man auch Unterstützung von der sozialistischen Gewerkschaft,
vom Klub, von der sozialistischen Konsumgenossenschaftsverband-
organisation und vom Freien Wirtschaftsverband erwartet. Blecha
referierte über die Propaganda. Im Feber Leistungsdarstellung,
der österreichische Weg, im März, wir meistern Probleme der 80er-
Jahre, und im April, Kreisky oder Taus/Götz.

Marsch hat nachher die Organisationsänderungen vorgeschlagen.
Insbesondere unseren Brief bezüglich der Elektrizitätsreorgani-
sation besonders gebührend herausgestrichen. Damit können wir
jetzt unsere Reorganisation abschliessen und die personellen
Änderungen durchführen.

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Tagesprogramm, 11.1.1979

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: BRO KGW


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 119100339


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        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Präs. HK Bgld.


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          Tätigkeit: Kassier LUGA


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            Tätigkeit: Finanzminister
            GND ID: 118503049


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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                  Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 129507873


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 118756265


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Präs. Bauernbund
                            GND ID: 118894366


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                              Tätigkeit: Gewerkschaft


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                                Tätigkeit: Autoindustrie


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                                    Tätigkeit: Grazer Bürgermeister, FPÖ


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                                      Tätigkeit: FPÖ-Politiker


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                                        GND ID: 125942052


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                                          Tätigkeit: FPÖ-Politiker


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                                            Tätigkeit: Beamter HM, Fraktion soz. Beamter im HM


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                                              Tätigkeit: Energieverwertungsagentur


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                                                Tätigkeit: Kabinett Staribacher? evtl. Falschschreibung


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                                                  Tätigkeit: FPÖ-Obmann


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                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                    GND ID: 118566512


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